LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15.11.2013 - L 15 AS 365/13 B ER
Fundstelle
openJur 2013, 44667
  • Rkr:
Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Bremen vom 13. August 2013 wird aufgehoben.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

Der Antragsgegner wendet sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts (SG) Bremen vom 13. August 2013, mit dem er im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet worden ist, den Antragstellern vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1. August 2013 bis 31. Januar 2014 zu gewähren.

Die Antragsteller sind P. Staatsangehörige. Der 1991 geborene Antragsteller zu 5) ist der Partner und die 2001, 2004 und 2008 geborenen Antragsteller zu 2) bis 4) sind die Kinder der 1980 geborenen Antragstellerin zu 1). Die Familie verließ Rumänien im Jahr 2010 und hielt sich zunächst in Frankreich auf (Angaben der Antragsteller in einem vor dem Verwaltungsgericht Bremen [Az. 2 V 2116/12] und dem Oberverwaltungsgericht Bremen [Az. 1 B 1/13] wegen der Zuweisung einer Wohnung geführten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes). Im Sommer 2012 reisten sie nach Q. ein. Mit Datum vom 1. August 2012 stellte die Ausländerbehörde für die Antragstellerin zu 1) eine Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) aus. Für die übrigen Antragsteller sind Freizügigkeitsbescheinigungen oder Aufenthaltskarten nicht vorgelegt worden.

Ein im November 2012 bei dem Antragsgegner gestellter Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II blieb zunächst erfolglos. Mit Beschluss des SG Bremen vom 14. Februar 2013 wurde der Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern für die Zeit vom 11. Februar bis 31. Juli 2013 vorläufig Leistungen nach dem SGB II zu gewähren. Dieser Verpflichtung ist der Antragsgegner nachgekommen. Zum 16. April 2013 mietete die Antragstellerin zu 1) eine ca. 91 m² große Vier-Zimmer-Wohnung unter der Anschrift R. in S. an. Die laufenden Unterkunftskosten (insgesamt 693,32 €) wurden von dem Antragsgegner für die Zeit vom 16. April bis 31. Juli 2013 vorläufig übernommen (Änderungsbescheid vom 5. Juni 2013). Ferner gewährte der Antragsgegner vorläufig ein Darlehen für die Mietkaution in Höhe von 1.281,00 € (Bescheid vom 5. Juni 2013). Seit Juli 2013 bezieht die Antragstellerin zu 1) für ihre drei Kinder (Antragsteller zu 2) bis 4)) laufendes Kindergeld in Höhe von 558,00 € monatlich.

Am 1. August 2013 haben die Antragsteller bei dem SG Bremen erneut den Erlass einer einstweiligen Anordnung hinsichtlich ihrer laufenden Leistungen nach dem SGB II begehrt und vorgetragen, sie hätten bei dem Antragsgegner einen Fortzahlungsantrag gestellt, der bislang nicht beschieden worden sei. Hilfsweise werde gegenüber dem Antragsgegner beantragt, ihnen - den Antragstellern - weitere Leistungen ab dem 1. August 2013 zu gewähren. Diesen Antrag lehnte der Antragsgegner, dem ein zuvor eingegangener Folgeantrag der Antragsteller nicht vorlag, mit (nicht bestandskräftigem) Bescheid vom 5. August 2013 ab.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 13. August 2013 hat das SG den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. August 2013 bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in einer Hauptsache, längstens jedoch bis zum 31. Januar 2014 zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Antragsteller hätten sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Sie erfüllten die Grundvoraussetzungen für existenzsichernde Leistungen nach dem SGB II. Sie seien auch nicht gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Zwar handele es sich bei ihnen – wie in dieser Vorschrift vorausgesetzt – um Ausländer, deren alleiniges Aufenthaltsrecht sich aus der Arbeitssuche ergebe, und um deren Familienangehörige. Allerdings verstoße der Leistungsausschluss für arbeitsuchende Unionsbürger im Falle der Antragsteller, die durch ihren rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet im Wege der Auffangversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) einen Bezug zur gesetzlichen Krankenversicherung und damit zu einem „klassischen“ Zweig der Sozialversicherung aufgebaut hätten, gegen europäisches Recht und sei daher nicht anzuwenden. Insoweit hat das SG auf ein Urteil derselben Kammer vom 27. März 2013 (S 21 AS 1135/12) Bezug genommen.

Gegen den ihm am 13. August 2013 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 10. September 2013 Beschwerde erhoben und geltend gemacht, er sei zu Unrecht vom SG verpflichtet worden, den Antragstellern vorläufig Leistungen nach dem SGB II zu gewähren. Entgegen der Auffassung des SG bestünden europarechtliche Bedenken gegen den in § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II normierten Leistungsausschluss für arbeitsuchende Unionsbürger und deren Familienangehörige nicht. Insoweit hat sich der Antragsgegner u. a. auf Beschlüsse des 13. Senats des LSG Niedersachsen-Bremen vom 13. August 2013 (L 13 AS 203/13 B ER), des 9. Senats vom 23. Mai 2012 (L 9 AS 47/12 B ER) und des 11. Senats vom 3. August 2013 (L 11 AS 39/12 B ER) berufen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Beschluss des SG Bremen vom 13. August 2013 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Die Antragsteller beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie halten den angefochtenen Beschluss für zutreffend.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungs- und Prozessakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

II.

Die gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist begründet.

Das SG hat den Antragsgegner zu Unrecht im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor.

Nach § 86 b Abs. 2 und 4 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag durch Beschluss eine einstweilige Anordnung treffen, wenn entweder die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder wenn die Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

§ 86 b Abs. 2 SGG unterscheidet damit zwischen Sicherungsanordnungen und Regelungsanordnungen. Während sich die Zulässigkeit einer Sicherungsanordnung gem. § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG darin erschöpft, bestandsschützende Maßnahmen zu treffen (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 86b Rn. 25a), gibt das Institut der Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG die weitergehende Möglichkeit, über den bestehenden Zustand hinaus zugunsten des Antragstellers eine formale Rechtsposition erst zu begründen oder zu erweitern, insbesondere Leistungen zuzusprechen, die ansonsten vor einer Auszahlung erst durch Verwaltungsakt des zuständigen Trägers gewährt werden müssten (vgl. Keller, a. a. O., Rn. 25 b). Das Begehren der Antragsteller, die eine vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung unterhaltssichernder Leistungen nach dem SGB II erreichen wollen, ist hiernach auf den Erlass einer Regelungsanordnung im Sinne von §86 Abs. 2 Satz 2 SGG gerichtet.

Der Erlass einer Regelungsanordnung setzt im Regelfall sowohl das Bestehen des in § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG ausdrücklich erwähnten Anordnungsgrundes, d.h. der Eilbedürftigkeit der gerichtlichen Entscheidung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, als auch das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. eines materiellen Rechts als Grundlage für die mit der Regelungsanordnung zuzusprechende formelle Rechtsposition, voraus. Zwar wird die Erforderlichkeit des Anordnungsanspruchs in § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG nicht eigens erwähnt. Sie ergibt sich jedoch einerseits aus dem Umstand, dass bereits der Erlass einer Sicherungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG ein sicherungsfähiges Recht des Antragstellers verlangt, andererseits daraus, dass die für die Regelungsanordnung kennzeichnende vorläufige Einräumung oder Feststellung einer formalen, auf Prozessrecht beruhenden Rechtsposition regelmäßig nur dann erfolgen kann, wenn ihr ein entsprechendes materielles Recht des Antragstellers zugrunde liegt. Anderenfalls würde nämlich der Erlass der Regelungsanordnung gegen das Verbot der Überschreitung der Hauptsache verstoßen, nach welchem dem Antragsteller im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes keinesfalls mehr zugesprochen werden darf, als er in einem auf dasselbe Ziel gerichteten Klageverfahren erreichen könnte. Die Verurteilung des zuständigen Trägers zu einer Leistung sowie zum Erlass eines hierauf gerichteten, von ihm abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsaktes ist im Verfahren der Hauptsache nach § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 und 5 SGG in jedem Fall vom Bestehen eines entsprechenden materiellen Anspruchs auf die Leistung abhängig.

Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen als vom Antragsteller glaubhaft zu machende Voraussetzungen der Regelungsanordnung (§§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 ZPO) nicht unabhängig nebeneinander, sondern bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein kommunizierendes System (Keller, a. a. O., § 86 b Rn. 27). In ihm sind die rechtlichen Anforderungen an die Sicherheit, mit welcher das Bestehen eines Anordnungsanspruchs festgestellt oder ausgeschlossen werden kann, davon abhängig, wie schwer die dem Antragsteller drohenden Nachteile wiegen und mit welchem Grad an Wahrscheinlichkeit sie sich ohne den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung einstellen werden. Ist etwa die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund, wobei wegen des Vorrangs der Rechtsverwirklichung im Klageverfahren und des hieraus folgenden Ausnahmecharakters des Anordnungsverfahrens nicht gänzlich auf sein Vorliegen verzichtet werden kann.

Ist demgegenüber, wie es insbesondere bei Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose in Betracht kommt, im Einzelfall damit zu rechnen, dass ohne die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes bis zu einer bestands- oder rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache unzumutbare und irreparable Nachteile entstehen, erfordert die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) eine besondere Ausgestaltung des Verfahrens auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Der elementare Bedarf eines Menschen kann grundsätzlich nur in dem Augenblick befriedigt werden, in dem er entsteht. Zweifel am Bestehen eines materiellen Leistungsanspruchs (Anordnungsanspruchs) führen in diesem Fall lediglich dann zu einer Antragsablehnung, wenn bereits im Anordnungsverfahren abschließend festgestellt werden kann, dass ein Anordnungsanspruch nicht besteht. Ist hingegen ein Erfolg im Hauptsacheverfahren nicht bereits auszuschließen, weil insbesondere eine abschließende Sachaufklärung im Eilverfahren nicht möglich ist, bedarf es einer Folgenabwägung, in welche die Sozialgerichte die grundrechtlichen Belange des Antragstellers, namentlich die verfassungsrechtliche Gewährleistung eines die Menschenwürde wahrenden Existenzminimums, umfassend einzustellen haben (Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05). Dabei haben sie sich schützend und fördernd vor die Wahrung der Menschenwürde zu stellen und eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint, zu verhindern.

Nach diesen Maßstäben hat der Senat bislang in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, die - wie hier - den Leistungsausschluss für arbeitsuchende Unionsbürger betrafen, aufgrund einer Folgenabwägung zugunsten der Antragsteller entschieden, da Zweifel an der Europarechtskonformität des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II bestanden und eine höchstrichterliche Klärung der damit im Zusammenhang stehenden schwierigen und komplexen Rechtsfragen ausstand (vgl. Senatsbeschluss vom 11. August 2011- L 15 AS 188/11 B ER). Diese Vorgehensweise, die auch für die jeweiligen Antragsteller wegen der Verpflichtung zur Erstattung vorläufig zugesprochener Leistungen im Falle einer anderslautenden Entscheidung im Hauptsacheverfahren mit erheblichen finanziellen Risiken verbunden ist, erscheint dem Senat aber nicht mehr gerechtfertigt, nachdem das Bundessozialgericht (BSG) in seinen bisherigen, die Leistungsansprüche arbeitsuchender Unionsbürger betreffenden Entscheidungen die Frage der europarechtlichen Zulässigkeit des Leistungsausschluss stets offen gelassen hat (vgl. zuletzt Urteil vom 30. Januar 2013 - B 4 AS 54/12 R ). Auch bei solchen Rechtsfragen, die im Sinne des Berufungs- und Revisionszulassungsrechts (§§ 144 Abs. 2 Nr. 1, 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) noch klärungsbedürftig erscheinen, dürfen Entscheidungen in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht lediglich auf eine Folgenabwägung, sondern auch auf eine Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden (anders offenbar LSG Niedersachsen-Bremen - 6. Senat -, Beschluss vom 30. September 2013 - L 6 AS 943/13 B ER). In Fällen, in denen - wie hier - ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstehen können, müssen die Gerichte allerdings, wenn sie sich an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientieren wollen, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen (BVerfG a. a. O., Rn. 23 ff.; Beschluss vom 25. Februar 2009 - 1 BvR 120/09 - Rn. 11). Diese Anforderung bezieht sich indessen auf die Gestaltung des jeweiligen Eilverfahrens durch das zur Entscheidung berufene Gericht, dem die Beurteilung obliegt, ob es selbst sich im Rahmen des bei ihm anhängigen Rechtsstreits zu einer abschließenden Aufklärung des Sachverhalts oder der Beantwortung aller aus seiner Sicht entscheidungserheblichen Rechtsfragen in der Lage sieht oder nicht (so wohl BVerfG, aaO, Rn. 26).

Die danach gebotene abschließende Prüfung der Sach- und Rechtslage, die den Senat auch bewogen hat, aufgrund mündlicher Verhandlung zu entscheiden, ergibt im vorliegenden Fall, dass ein Anordnungsanspruch der Antragsteller auf Gewährung laufender Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nicht besteht. Der Anspruch ist nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen. Ausgenommen von Leistungen nach dem SGB II sind danach Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen. Die Antragsteller gehören zu diesem Personenkreis. Es ist nichts dafür ersichtlich oder vorgetragen worden, dass bei ihnen die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht nach dem FreizügG/EU oder ggf. dem begrenzt subsidiär anwendbaren Aufenthaltsgesetz (vgl. hierzu BSG a. a. O., Rn. 32 ff.) aus anderen Gründen als dem Zweck der Arbeitsuche vorliegen. Insbesondere sind die erwerbsfähigen Antragsteller zu 1) und 5) nicht als Arbeitnehmer oder niedergelassene selbständige Erwerbstätige gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2 FreizügG/EU unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt.

Die Antragsteller, die von dem Freizügigkeitsrecht für arbeitsuchende Unionsbürger (und ihre Familienangehörigen) Gebrauch machen, unterfallen damit dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II, ohne dass es darauf ankommt, ob die materiellen Voraussetzungen für dieses Freizügigkeitsrecht bei ihnen noch vorliegen (oder jemals vorgelegen haben). Der anderslautenden Auffassung des LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 10. Oktober 2013 - L 19 AS 129/13) vermag der Senat nicht zu folgen. Diese führt im Ergebnis dazu, dass der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II - entgegen seinem Wortlaut - nur Unionsbürger betrifft, die entweder selbst über ausreichende Existenzmittel und ausreichenden Krankenversicherungsschutz verfügen oder die wenigstens die begründete Aussicht haben, in absehbarer Zeit eingestellt zu werden (so ausdrücklich Rn. 68 des o. g. Urteils). Diese Auffassung übersieht indes, dass auch bei Staatsangehörigen der neuen Mitgliedsstaaten - wie hier - der Aufenthalt während der Übergangsphase nur unter den Voraussetzungen der §§ 5 Abs. 5, 6 und 7 FreizügG/EU wegen des Wegfalls, des Verlustes oder des Nichtbestehens des Freizügigkeitsrechts, also nach Durchführung eines Verwaltungsverfahrens, beendet werden kann. Das Aufenthaltsrecht besteht, solange der Aufnahmemitgliedstaat nicht durch einen nationalen Rechtsakt festgestellt hat, dass der Unionsbürger bestimmte vorbehaltene Bedingungen i. S. des Art. 21 AEUV nicht erfüllt (vgl. BSG a. a. O. Rn. 20). Es besteht danach - bis zur Feststellung des Nichtbestehens oder des Verlustes einer Freizügigkeitsberechtigung - eine Freizügigkeitsvermutung von Unionsbürgern und eine damit verbundene Vermutung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts (BSG a. a. O. Rn. 28). Bei Personen, die - wie hier - von dem Freizügigkeitsrecht für arbeitsuchende Unionsbürger Gebrauch machen, ist danach bei der Anwendung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II nicht zu prüfen, ob sie weiterhin Arbeit suchen und eine begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden (so aber LSG Nordrhein-Westfalen a. a. O. Rn. 40 ff.). Eine solche - aus Sicht des Senat unzulässige - Auslegung des Gesetzes würde im Übrigen zu dem vom Gesetzgeber offensichtlich nicht beabsichtigten Ergebnis führen, dass ausgerechnet die Personen, die auf dem deutschen Arbeitsmarkt nicht oder kaum integrierbar sind, vom Leistungsausschluss für arbeitsuchende Unionsbürger nicht betroffen wären.

Der Senat vermag im Ergebnis einen Verstoß gegen Europarecht mit der Folge der Unanwendbarkeit des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II nicht festzustellen.

1. Der Leistungsausschluss steht im Einklang mit der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (Richtlinie 2004/38/EG – sog. Unionsbürgerrichtlinie – UBRL). Nach Art. 14 Abs. 1 UBRL steht Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen das Aufenthaltsrecht nach Art. 6 UBRL – Aufenthaltsrecht bis zu drei Monaten – zu, solange sie die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaates nicht unangemessen in Anspruch nehmen. Gemäß Art. 24 Abs. 2 URBL ist der Aufnahmemitgliedstaat nicht verpflichtet, anderen Unionsbürgern als Arbeitnehmern oder Selbständigen während der ersten drei Monate des Aufenthaltes oder ggf. während des längeren Zeitraums nach Art. 14 Abs. 4 lit. b) UBRL einen Anspruch auf „Sozialhilfe“ („social assistance“) zu gewähren. Der EuGH hat es in seiner Entscheidung vom 4. Juni 2009 ausdrücklich als legitim bezeichnet, dass ein Mitgliedsstaat eine Beihilfe (Sozialhilfe) erst gewährt, wenn der Arbeitsuchende eine tatsächliche Verbindung mit dem Arbeitsmarkt des Aufenthaltsstaates hergestellt hat (C-22/08, C-23/08 - Vatsouras, Koupatantze, Rn. 38 - zitiert nach juris). Die tatsächliche Verbindung des Arbeitsuchenden mit dem Arbeitsmarkt festzustellen und die grundlegenden Merkmale der begehrten Leistung, insbesondere ihren Zweck und die Voraussetzungen ihrer Gewährung zu prüfen, ist Sache der innerstaatlichen Behörden und Gerichte (EuGH, C- 22/08, C-23/08, Rn. 38 – zitiert nach juris).

Von dieser vom EuGH als legitim angesehenen Ermächtigungsnorm hat der deutsche Gesetzgeber mit der in Rede stehenden Vorschrift des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II für arbeitsuchende Ausländer Gebrauch gemacht (so ausdrücklich die Begründung zum Gesetzentwurf in der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales vom 15. Februar 2006, BT-Drucksache 16/688, S. 13). Der deutsche Gesetzgeber war hierzu auch berechtigt, da es sich bei dem im vorliegenden Verfahren streitbefangenen Arbeitslosengeld II (§ 20 SGB II) um eine Sozialhilfeleistung i.S.d. Art 24 UBRL handelt (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 19. August 2013 - L 13 AS 203/13 B ER - und Beschluss vom 23. Mai 2012 - L 9 AS 47/12 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 27. März 2013 - L 5 AS 273/13 B ER, vom 7. Mai 2013 - L 29 AS 514/13 B ER, vom 5. Februar 2013 - L 20 AS 199/13 B ER; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Mai 2012 - L 3 AS 1477/11; Heilbronner, ZFSH/SGB 2009, 195, 201; A. Loose, in: GK-SGB II, § 7 Rn. 41; Hofmann/Kummer, ZESAR 2013, 199, 202; a.A. Bayerisches LSG, Urteil vom 19. Juni 2013 – L 16 AS 847/12; Hessisches LSG, Urteil vom 20. September 2013 – L 7 AS 474/13. LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21. August 2012 – L 3 AS 250/12 B ER).

Der Senat hat hierzu bereits in seiner Entscheidung vom 26. Februar 2010 (L 15 AS 30/10 B ER) ausgeführt:

„Sozialhilfeleistungen i.S.d. Art. 24 Abs. 2 UBRL sind, wie sich auch aus dem Zusammenhang mit Art. 7 Abs. 1 b der Richtlinie ergibt, alle finanziellen Mittel, die der Existenzsicherung dienen. Nicht dazu zählen finanzielle Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen...

Der Senat wertet die vorliegend streitbefangene Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes gem. § 20 SGB II (einschl. etwaiger Mehrbedarfe gem. § 21 SGB II) sowie die Leistung nach § 22 SGB II (Übernahme der angemessenen Kosten der Unterkunft) als Sozialhilfeleistungen im Sinne des Art. 24 Abs. 2 UBRL (ebenso: Hailbronner, a.a.O., S. 201). Schließlich ist das zum 1. Januar 2005 eingeführte Arbeitslosengeld II in Anlehnung an die Sozialhilfe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) ausgestaltet. Es umfasst eine pauschalierte, dem Regelsatz der Sozialhilfe vergleichbare Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie die Übernahme der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Ähnlich wie in der Sozialhilfe sind für verschiedene Bedarfslagen Leistungen für Mehrbedarfe vorgesehen, vgl. § 21 SGB II. Das Arbeitslosengeld II knüpft hinsichtlich seiner Höhe nicht an ein aus einer vorherigen Beschäftigung bezogenes Einkommen an und weist somit eine sozialhilferechtliche Konzeption auf (vgl. Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen - 8. Senat - vom 14.01.2008, Az. L 8 SO 88/07 ER; Hailbronner, a. a. O.; vgl. auch Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 31.10.2007, Az. B 14/11b AS 5/07 R, Rn. 35: "steuerfinanzierte Fürsorgeleistung"). Auch das Bundesverfassungsgericht charakterisiert das SGB II ausdrücklich als ein subsidiäres System sozialer Sicherung des Existenzminimums (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09, 1 BvL 3/09 und Rn 147).

Die Tatsache, dass der deutsche Gesetzgeber zum 1. Januar 2005 die bis dahin geltende „klassische“ Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) mit der früheren Arbeitslosenhilfe (Alhi) nach dem Sozialgesetzbuch 3. Buch (SGB III) in einem neuen Leistungssystem zusammengefasst hat (SGB II als abschließende Regelung für alle hilfebedürftigen Erwerbsfähigen), spricht nicht gegen die Bewertung der existenzsichernden Leistungen des SGB II als Leistungen der Sozialhilfe i.S.d. Art. 24 UBRL. Zwar handelte es sich bei der früheren Alhi um eine im unmittelbaren Bezug zum Arbeitsmarkt stehende Sozialleistung und damit nicht um "Sozialhilfe" (vgl. umfassend hierzu: Spellbrink in: Eicher/Spellbrink, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 1. Auflage 2003, Rn 3, 8, 14 und 15ff.). Das Arbeitslosengeld II nach dem SGB II stellt jedoch materiell-rechtlich gerade keine einfache Fortsetzung bzw. Nachfolgeregelung zur früheren Alhi dar. Vielmehr handelt es sich bei der Einführung des Arbeitslosengeldes II im Hinblick auf die bis dahin geltende Alhi um eine vom Gesetzgeber beabsichtigte rechtliche und tatsächliche Zäsur (BSG, Urteil vom 21. Dezember 2009 - B 14 AS 46/08 R, Rn 10).

Dass der Gesetzgeber mit Schaffung des SGB II für die von diesem Gesetz erfassten erwerbsfähigen Hilfebedürftigen neben Regelungen zur Existenzsicherung auch umfangreiche Regelungen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt geschaffen hat, ist sozialpolitisch begründet. Der Gesetzgeber verfolgt hiermit das Ziel, neben der Sicherung des Existenzminimums die Hilfebedürftigen auch bei der Arbeitsaufnahme zu unterstützen und ihnen damit eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen (Grundsatz des Forderns und Förderns, §§ 2 und 14 SGB II). Diese dem SGB II zugrunde liegende sozialpolitische Zielvorstellung rechtfertigt es jedoch nicht, das sich seiner Struktur nach als Sozialhilfeleistung darstellende Arbeitslosengeld II als Instrument der Arbeitsförderung anzusehen. Auch wenn der deutsche Gesetzgeber zum 1. Januar 2005 für die Gruppe der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen einerseits und die erwerbsunfähigen Hilfebedürftigen andererseits mit dem SGB II und dem SGB XII zwei unterschiedliche Leistungsgesetze geschaffen hat, sind die dort jeweils vorgesehenen Leistungen zur Existenzsicherung weitestgehend identisch. Die zum 1. Januar 2005 erfolgte Aufspaltung der früheren Sozialhilfe nach dem BSHG in das SGB II sowie das SGB XII erfolgte ausschließlich im Hinblick auf das beabsichtigte Fördern und Fordern der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, nicht dagegen wegen struktureller Unterschiede in den existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II einerseits bzw. nach dem SGB XII andererseits. Die Beschränkung des Geltungsbereichs des SGB II auf die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen stellt im Hinblick auf die Rechtsnatur der existenzsichernden Leistungen somit ein rein formales Kriterium dar. Formale Kriterien sind bei der Prüfung des Zwecks einer Sozialleistung jedoch nicht ausschlaggebend (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Juni 2009, a.a.O., Rn. 42)….

Für die Auffassung des Senats spricht im Ergebnis auch die Rechtsprechung des LSG Berlin-Brandenburg und des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Bremen, wonach jedenfalls die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Kapitel 3 Abschnitt 2 des SGB II keine Leistungen sind, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 08.06.2009, Az.: L 34 AS 790/09 B ER; OVG Bremen, Beschluss vom 15.11.2007, Az.: S 2 B 426/07). In diesen Entscheidungen ist überzeugend dargelegt worden, dass das SGB II zwischen Leistungen zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit insbesondere durch Eingliederung in Arbeit (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 SGB II) und solchen zur Sicherung des Lebensunterhalts (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 SGB II) unterscheide. Die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasse nach § 20 Abs. 1 SGB II insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang die Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben, enthalte mithin keine Leistungen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Es handele sich damit wie die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII um existenzsichernde Leistungen, die nicht den Zweck hätten, den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern. Die diesbezüglichen Ansprüche der Hilfebedürftigen seien vielmehr im Wesentlichen im ersten Abschnitt des dritten Kapitels des SGB II geregelt.“

An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Sie wird hinsichtlich der vom Bundesgesetzgeber verfolgten Zielsetzung seit der Neufassung des SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011 (BGBl. I S. 453 ff.) zusätzlich durch die Einfügung von § 1 Abs. 1 SGB II gestützt, nach der die Grundsicherung für Arbeitsuchende es den Leistungsberechtigten ermöglichen soll, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht. Mit der Hervorhebung dieses Leistungsgrundsatzes, mit der der Gesetzgeber auf das Urteil des BVerfG vom 9. Februar 2010 (Az. 1 BvL 1/09 u.a.) reagiert und die Sicherung des grundrechtlich durch Art. 1 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 1 GG verbürgten soziokulturellen Existenzminimums (vgl. BT-Drucks. 17/3404, S. 90 f.) an die erste Stelle der das SGB II prägenden Leistungsgrundsätze gerückt hat, ist eine teilweise Abkehr von dem programmatischen Konzept des aktivierenden Sozialstaates vollzogen worden (Stölting, in: Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 1 Rn. 7). Nunmehr ist klargestellt, dass ungeachtet des Bestehens von Erwerbsfähigkeit als wesentlicher Anspruchsvoraussetzung für Leistungen nach dem SGB II die Existenzsicherung Hilfebedürftiger - in Übereinstimmung mit den vom BVerfG formulierten Anforderungen an eine Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Garantie des Existenzminimums durch einen einfachgesetzlichen Anspruch (BVerfG, a.a.O., Rn.. 136 f.) - stets der jederzeitigen Deckung des gesamten existenznotwendigen Bedarfs jedes Grundrechtsträgers (BVerfG, a. a. O., Rn. 137) dient und diese um ihrer selbst willen als selbständiges und unbedingtes Ziel verfolgt.

Die Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II sichert hiernach den Lebensunterhalt Hilfebedürftiger und stellt dabei allein auf die Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt ab ohne Rücksicht auf ein bestehendes Arbeitsverhältnis. Die Gewährung ist bedürftigkeitsabhängig und soll nur in einer Notsituation als letzte soziale Auffangleistung gewährt werden.

In seiner Entscheidung vom 4. Juni 2009 (C-22/08, C-23/08) hat es der EuGH ausdrücklich den nationalen Gerichten überlassen, die grundlegenden Merkmale der in Rede stehenden Leistung zu prüfen, insbesondere ihren Zweck und die Voraussetzungen ihrer Gewährung. Dabei soll der Zweck der Leistung nach Maßgabe ihrer Ergebnisse und nicht anhand ihrer formalen Struktur zu untersuchen sein (Rn. 41/42, zitiert nach juris). Die Anmerkung des EuGH, dass die in § 7 Abs. 1 SGB II normierte Anspruchsvoraussetzung der Erwerbsfähigkeit ein Hinweis darauf sein könnte, dass die Leistung den Zugang zur Beschäftigung erleichtern solle (Rn. 43, zitiert nach juris), ist daher für die deutschen Gerichte weder unmittelbar bindend noch inhaltlich mehr als ein Prüfungsauftrag. Zur Überzeugung des Senats zwingt der Umstand, dass für Leistungen nach dem SGB II die Erwerbsfähigkeit des Hilfebedürftigen Anspruchsvoraussetzung ist, nicht zu der Annahme, dass es sich bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nicht um Sozialhilfeleistungen i. S. des Art. 24 Abs. 2 UBRL handeln kann. Denn das Kriterium der Erwerbsfähigkeit dient lediglich zur Abgrenzung der Hilfesysteme nach dem SGB II und dem SGB XII. Rein passive Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums mutieren nicht dadurch zu Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern, dass sie an einen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und damit auf der Grundlage der Regelungen des SGB II erbracht werden. Das in diesem Zusammenhang vielfach vorgebrachte Argument, dass bei den Leistungen nach dem SGB II eine Differenzierung zwischen den Leistungen zur Eingliederung in Arbeit und den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht zulässig sei, da es „lebensfremd und auch nicht zielführend“ sei, Unionsbürger von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auszuschließen, ihnen aber europarechtlich einen Anspruch auf Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach den § 14 ff. SGB II einzuräumen (so z. B. Spellbrink/G. Becker, in: Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 7 Rn. 56), vermag nicht zu überzeugen. Es erschließt sich dem Senat nicht, aus welchen Gründen arbeitsuchenden Unionsbürgern Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nur dann zielführend gewährt werden können, wenn diese gleichzeitig auch Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erhalten. Für die Zulässigkeit einer nach dem Charakter einzelner Leistungsarten differenzierenden (europa-)rechtlichen Bewertung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach dem SGB II spricht auch der Umstand, dass im Anhang X zur Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit vom 29. April 2004, in Kraft seit 1. Mai 2010 (VO 883/2004), ebenfalls nicht etwa alle Leistungen nach einem bestimmten Gesetz, sondern bestimmte Arten von Leistungen als besondere beitragsunabhängige Geldleistungen aufgeführt werden. So sind für Deutschland nicht pauschal die Leistungen nach dem SGB II und SGB XII benannt, sondern lediglich die Leistungen zur Sicherung des Lebenshalts der Grundsicherung für Arbeitsuchende sowie die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII (dazu im Einzelnen s.u.). Für Bulgarien wird die Sozialaltersrente nach Artikel 89 des Sozialversicherungsgesetzbuches gesondert aufgeführt, für Spanien die beitragsunabhängige Invaliditäts- und Altersrenten nach Artikel 38 Absatz 1 der durch das Königliche Gesetzesdekret Nr. 1/1994 vom 20. Juni 1994 gebilligten konsolidierten Fassung des Allgemeinen Gesetzes über die soziale Sicherheit und für Italien der Sozialaufschlag nach Artikel 1 Absätze 1 und 12 des Gesetzes Nr. 544 vom 29. Dezember 1988 und nachfolgende Änderungen. Werden danach aber mit dem Anhang X zur VO 883/2004 bestimmte einzelne beitragsunabhängige (Geld-)Leistungen als solche gewürdigt, die im Sinne der Definition des Artikel 70 Abs. 1 VO 883/2004 die Züge einer Sozialhilfeleistung mit Merkmalen von Leistungen der Sozialversicherung i.S.v. Artikel 3 Abs. 1 VO 883/2004 kombinieren, so kann allein deshalb die alternative Zuordnung aller anderen, ggf. in denselben Gesetzen begründeten Leistungen als solche der Sozialhilfe oder der Sozialversicherung, insbesondere der Arbeitsmarktintegration (vgl. Artikel 3 Abs. 1 Buchst. h), nicht der pauschalen Bewertung ganzer Leistungsgesetze folgen.

Es ist ferner auch zu berücksichtigen, dass das Merkmal der Arbeitslosigkeit, deren Beendigung das Ziel der Gewährung von finanziellen Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen, ist, nicht zu den Anspruchsvoraussetzungen i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II gehört.

Gegen die rechtliche Bewertung des Alg II als Sozialhilfe i.S.d. Art. 24 Abs. 2 UBRL lässt sich auch nicht einwenden, dass es sich bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende europarechtlich nicht um „Sozialhilfe“, sondern möglicherweise um eine „besondere beitragsunabhängige Leistung der sozialen Sicherheit“ im vorbeschriebenen Sinne des Art. 70 Abs. 1 VO 883/2004 handelt (vgl. dazu BSG, Urteil vom 18. Januar 2011 – B 4 AS 14/10 R und vom 30. Januar 2013 – B 4 AS 54/12 R). Zwar unterscheidet die VO 883/2004 zwischen „sozialen Fürsorgeleistungen“, die nach Art. 3 Abs. 5 lit. a) VO 883/2004 nicht in deren Anwendungsbereich fallen, und „besonderen beitragsunabhängigen Leistungen“, wobei die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II im Anhang X zu Art. 70 VO 883/2004 als besondere beitragsunabhängige Leistungen aufgeführt sind. Dieser Umstand ist allerdings für die Auslegung des Sozialhilfebegriffs in Art. 24 UBRL unerheblich, weil nach Entstehungsgeschichte, Wortlaut und Zweck der Vorschrift davon auszugehen ist, dass von Art. 24 Abs. 2 UBRL Leistungen erfasst werden, die den Lebensunterhalt von Arbeitsuchenden sichern sollen. Für diese Auffassung des Senats spricht auch das Urteil des EuGH vom 19. September 2013 (C-140/12, Brey). Der EuGH führt aus, dass die VO 883/2004 den Unionsbürgern, die von ihrem Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit Gebrauch gemacht haben, die Beibehaltung des Anspruches auf bestimmte Leistungen der sozialen Sicherheit, die in ihrem Ursprungsmitgliedstaat gewährt wurden, garantieren soll, es die UBRL aber ihrerseits dem Aufnahmemitgliedstaat erlaube, Unionsbürgern, wenn sie die Arbeitnehmereigenschaft nicht oder nicht mehr besitzen, rechtmäßige Beschränkungen in Bezug auf die Gewährung von Sozialhilfeleistungen aufzuerlegen, damit diese die Sozialhilfeleistungen dieses Staates nicht unangemessen in Anspruch nehmen. Daher könne der Begriff der „Sozialhilfeleistungen“ in Art. 7 Abs. 1 UBRL nicht auf soziale Fürsorgeleistungen reduziert werden, die nach Art. 3 Abs. 5 lit. a) der Verordnung Nr. 883/2004 nicht in deren Anwendungsbereich fielen. Die gegenteilige Auslegung würde bewirken, dass die Mitgliedstaaten je nach der Organisationsweise ihrer nationalen Systeme der sozialen Sicherheit ungerechtfertigt unterschiedlich behandelt würden, weil die Qualifizierung einer Leistung als eine „besondere“ und demnach ihre Einbeziehung in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 883/2004 insbesondere davon abhinge, ob die Gewährung dieser Leistung im nationalen Recht auf objektiven Kriterien oder ausschließlich auf der Bedürftigkeit des Betroffenen beruhe.

Folglich ist der Begriff der „Sozialhilfeleistungen“ nach Auffassung des EuGH so zu verstehen, dass er sich auf sämtliche von öffentlichen Stellen eingerichtete Hilfesysteme bezieht, die auf nationaler, regionaler oder örtlicher Ebene bestehen und die ein Einzelner in Anspruch nimmt, der nicht über ausreichende Existenzmittel zur Bestreitung seiner Grundbedürfnisse und derjenigen seiner Familie verfügt und deshalb während seines Aufenthaltes möglicherweise die öffentlichen Finanzen des Aufnahmemitgliedstaates belasten muss, was Auswirkungen auf das gesamte Niveau der Beihilfe haben kann, die dieser Staat gewährt (EuGH, Urteil vom 19. September 2013 – C-140/12, Brey). Danach ist nach Auffassung des Senats auch das Arbeitslosengeld II als Sozialhilfe i.S.d. Art. 24 Abs. 2 UBRL zu bewerten, da diese Leistung dem Leistungsberechtigten im Falle eines unzureichenden oder nicht vorhandenen Einkommens ein Existenzminimum gewährt und diese Leistung ohne jeden (Versicherungs-)Beitrag der Leistungsberechtigten vollständig durch die öffentliche Hand finanziert wird.

2. Die Leistungsausschlüsse nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 SGB II verstoßen auch nicht gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 18 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) i.V.m. Art. 21 AEUV (so aber wohl: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. April 2012 – L 14 AS 763/12 B ER; vgl. auch Bayrisches LSG, Urteil vom 19. Juni 2013 – L 16 AS 847/12; Sächsisches LSG, Beschluss vom 31. Januar 2013 – L 7 AS 964/12 B ER). Danach ist unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten (Art. 18 AEUV). Nach Art. 21 Abs. 1 AEUV hat jeder Unionsbürger das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten. Der EuGH, dem nach Artikel 267 Abs. 1 AEUV die Befugnis vorbehalten ist, über die Vereinbarkeit des europäischen Sekundärrechts mit dem primären Gemeinschaftsrecht zu befinden, hat die Teilhaberechte aus der Unionsbürgerschaft unter den Vorbehalt expliziter einschränkender Regelungen gestellt (vgl. Urteile vom 23. März 2004 – C-138/02, Collins, vom 15. Mai 2005 – C 209/03, Bidar, vom 19. September 2013 – C- 140/12, Brey). Eine Einschränkung des Rechts aus Art. 18 AEUV i.V.m. Art. 21 AEUV ist damit unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Der EuGH hat insbesondere „die Leistungsfähigkeit der Systeme der sozialen Sicherung“ bzw. den „Schutz der öffentlichen Finanzen“ als legitimes Ziel des Mitgliedstaates anerkannt. So hat der EuGH beispielsweise ausgeführt (Urteil vom 23. März 2004 – C-138/02, Collins), dass in Bezug auf Leistungen der sozialen Teilhabe eine Diskriminierung gerechtfertigt sei, wenn sie auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen beruhe und in einem angemessenen Verhältnis zu dem Zweck stünde, der mit den nationalen Rechtsvorschriften zulässigerweise verfolgt werde. Es stehe auch jedem Mitgliedstaat frei, darauf zu achten, dass die Gewährung von Beihilfen zur Deckung des Unterhalts von Studenten aus anderen Mitgliedstaaten nicht zu einer übermäßigen Belastung werde (EuGH, Urteil vom 15. März 2005 – C-209/03, Bidar).

Mögliche Beschränkungen und Bedingungen im Sinne des Art. 21 Abs. 1 AEUV enthält hier die UBRL (vgl. EuGH, Urteil vom 19. September 2013 – C-140/12, Brey). Insbesondere dem zehnten Erwägungsgrund der UBRL ist zu entnehmen, dass die Voraussetzung des Art. 7 Abs. 1 lit. b) UBRL – wonach im Falle eines Aufenthaltes von über drei Monaten Unionsbürger, die die Arbeitnehmereigenschaft nicht oder nicht mehr besitzen, über ausreichende Existenzmittel verfügen müssen – u.a. verhindern soll, dass diese Personen die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaates unangemessen in Anspruch nehmen (vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2012, C-424/10 u. C- 425/10, Ziolkowski und Szeja). Damit soll die Wahrnehmung des Aufenthaltsrechts der Unionsbürger von der Wahrung der berechtigen Interessen der Mitgliedstaaten abhängig gemacht werden, insbesondere dem Schutz ihrer öffentlichen Finanzen (EuGH, Urteil vom 19. September 2013 – C-140/12, Brey, Rdn. 55 m.w.N.).

3. Ebenso vermag der Senat aus der Rechtsprechung des EuGH keinen Verstoß gegen Art. 45 AEUV abzuleiten. Nach Art. 45 Abs. 1 AEUV ist innerhalb der Union die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet. Nach Art. 45 Abs. 2 AEUV ist jegliche auf der Staatsangehörigkeit beruhende unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern aus anderen Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen untersagt. Zwar können sich nach der Rechtsprechung des EuGH die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten, die auf Arbeitsuche in einem anderen Mitgliedstaat sind und tatsächliche Verbindungen mit dem Arbeitsmarkt dieses Staates hergestellt haben, auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit berufen, um eine finanzielle Leistung in Anspruch zu nehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern soll (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Juni 2009 – C-22/08). Bei dem vorliegend begehrten Arbeitslosengeld II handelt es sich - wie bereits ausgeführt – jedoch nicht um Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen, sondern um Sozialhilfeleistungen i.S.d. Art. 24 Abs. 2 UBRL, so dass die Alg II-Leistungen schon nicht in den sachlichen Anwendungsbereich des Art. 45 Abs. 2 VO 883/2004 fallen. Soweit die Bestimmung des Art. 24 Abs. 2 UBRL den Zugang zu steuerfinanzierten Sozialleistungssystemen einschränkt, hat der EuGH keine Bedenken gegen die Gültigkeit dieser Richtlinie geäußert (Urteil vom 4. Juni 2009 – C-22/08 Rn. 46 -zitiert nach juris; Urteil vom 19. September 2013 – C-140/12 Rn. 57- zitiert nach juris).

4. Der Ausschluss von den Leistungen verstößt schließlich auch nicht gegen das sekundärrechtliche Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 VO 883/04. Nach dieser Vorschrift haben Personen, soweit die Verordnung gilt und soweit in der Verordnung nichts anderes bestimmt ist, die gleichen Rechte und Pflichten auf Grund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates. Voraussetzung für einen Gleichbehandlungsanspruch ist die Eröffnung des persönlichen Geltungsbereiches (Art. 2 VO 883/2004) und des sachlichen Geltungsbereiches (Art. 3 VO 883/2004). Nach Art. 2 VO 883/2004 ist der persönliche Geltungsbereich der Verordnung für Staatsangehörige eines Mitgliedsstaates, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort eines Mitgliedsstaates, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen eröffnet. Nach der Legaldefinition des Art. 1 lit. l) VO 883/2004 sind "Rechtsvorschriften" für jeden Mitgliedsstaat die Gesetze, Verordnungen, Satzungen und alle anderen Durchführungsvorschriften in Bezug auf die in Art. 3 Abs. 1 VO 883/2004 genannten Zweige der sozialen Sicherheit.

Nach Auffassung des Senats fällt das Arbeitslosengeld II bereits nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der VO 883/2004. Nach Art. 3 Abs. 1 VO 883/2004 gilt die Verordnung für alle Rechtsvorschriften, die bestimmte Zweige der sozialen Sicherheit betreffen, so u. a. die unter Buchstabe h) beschriebenen „Leistungen bei Arbeitslosigkeit“ (z.B. Arbeitslosengeld nach § 136 ff. SGB III in der Fassung von Art. 1, 2 und 3 des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011, in Kraft seit 1. April 2012, BGBl. I S. 2854 - vormals § 117 ff. SGB III). Hierunter fällt das Arbeitslosengeld II ohne Zweifel nicht. Außerdem gilt diese Verordnung nach Art. 3 Absatz 3 in Verbindung mit Art. 70 Abs. 1 VO 883/2004 auch für besondere beitragsunabhängige Geldleistungen, die nach Rechtsvorschriften gewährt werden, die aufgrund ihres persönlichen Geltungsbereichs, ihrer Ziele und/oder ihrer Anspruchsvoraussetzungen sowohl Merkmale der in Art. 3 Abs. 1 VO 883/2004 genannten Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit als auch Merkmale der Sozialhilfe aufweisen.

„Besondere beitragsunabhängige Geldleistungen“ sind hierbei nach der Legaldefinition des Art. 70 Abs. 2 VO 883/2004 Leistungen,

a) die dazu bestimmt sind:

i) einen zusätzlichen, ersatzweisen oder ergänzenden Schutz gegen die Risiken zu gewähren, die von den in Art. 3 Abs. 1 genannten Zweigen der sozialen Sicherheit gedeckt sind, und den betreffenden Personen ein Mindesteinkommen zur Bestreitung des Lebensunterhalts garantieren, dass in Beziehung zu dem wirtschaftlichen und sozialen Umfeld in dem betreffenden Mitgliedstaat steht,

oder

ii) allein dem besonderen Schutz des Behinderten zu dienen, der eng mit dem sozialen Umfeld dieser Person in dem betreffenden Mitgliedstaat verknüpft ist,

und

b) deren Finanzierung ausschließlich durch obligatorische Steuern zur Deckung der allgemeinen öffentlichen Ausgaben erfolgt und deren Gewährung und Berechnung nicht von Beiträgen hinsichtlich der Leistungsempfänger abhängen. Jedoch sind Leistungen, die zusätzlich zu einer beitragsabhängigen Leistung gewährt werden, nicht allein aus diesem Grund als beitragsabhängige Leistungen zu betrachten;

und

c) die in Anhang X aufgeführt sind.

Im Anhang X zu Art. 70 VO 883/2004 ist für Deutschland seit 2009 (30. Oktober 2009, DE, Amtsblatt der Europäischen Union, L 284/59) aufgeführt:

a) Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch.

b) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der Grundsicherung für Arbeitsuchende, soweit für diese Leistungen nicht dem Grunde nach Voraussetzungen für den befristeten Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld (§ 24 Abs. 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch) erfüllt sind.

Vielfach wird schon allein aus der Tatsache, dass das Arbeitslosengeld II im Anhang X lit. b) der VO 883/2004 aufgeführt wird, darauf geschlossen, dass es sich um eine besondere beitragsunabhängige Leistung handele (LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21. August 2012 – L 3 AS 250/12 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. Juli 2012 – L 5 AS 511/11; vgl. auch BSG, Urteile vom 18. Januar 2011 - B 4 AS 14/10 R und vom 30. Januar 2013 – B 4 AS 54/12 R; Kador, in: jurisPK-SGB I, 2. Auflage 2011, Art. 70 VO 883/2004, Rn. 27; Greiser, in: Eicher/Schlegel, SGB III, Art. 61 VO 883/2004, Rn. 32, Stand 2/2013).

Dies widerspricht aber dem klaren Wortlaut des Art. 70 Abs. 2 VO 883/2004. Allein die Aufzählung der Leistungen nach dem SGB II im Anhang X der VO 883/2004 genügt zur Eröffnung des sachlichen Geltungsbereiches nach Art. 3 VO 883/2004 nämlich nicht; diese „besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen“ müssen zudem auch die in Art. 70 Abs. 2 a) i) VO 883/2004 genannten kumulativen Voraussetzungen erfüllen; durch das Wort „und“ wird klargestellt, dass die Voraussetzungen von Art. 70 Abs. 2 a) und b) und c) VO 883/2004 für die Eröffnung des sachlichen Geltungsbereiches kumulativ erfüllt sein müssen (Kingreen, SGb 2013, 132, 135).

Das LSG Berlin-Brandenburg führt im Beschluss vom 7. Mai 2013 (L 29 AS 514/13 B ER) zutreffend aus:

„Besondere beitragsunabhängige Geldleistungen im Sinne von Art. 70 Abs. 1 VO 883/2004 des Art. 70 Abs. 2 VO 883/2004 liegen mithin nur vor, wenn sie insbesondere einen zusätzlichen, ersatzweisen oder ergänzenden Schutz gegen die Risiken gewähren, die von den in Art. 3 Abs. 1 genannten Zweigen der sozialen Sicherheit gedeckt sind.

Hierbei meint „zusätzlicher“ oder „ergänzender“ Schutz gegen die Risiken im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Leistungen, die zusammen mit einer Regelleistung nach Art. 3 Abs. 1 gewährt werden und dasselbe Risiko wie dieser abdecken (Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 5. Auflage 2010, Titel III Art. 70 Rn. 11 m.w.N.). Dies ist zumindest bei den vorliegend im Streit befindlichen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 19 ff. SGB II nicht der Fall, weil sie nicht ergänzend zu einer in Art. 3 Abs. 1 VO 883/2004 genannten Leistung der sozialen Sicherheit gewährt werden. Hier kämen einzig Leistungen zur Arbeitslosigkeit (Art. 3 Abs. 1 h) VO 883/2004) in Betracht, nämlich in erster Linie Arbeitslosengeld nach §§ 136 ff. SGB III (in der Fassung von Art. 1, 2 und 3 des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011, in Kraft ab 1. April 2012, BGBl. I S. 2854 - vormals §§ 117 ff. SGB III), für die ein Anspruch aber unstreitig nicht erfüllt sein dürfte. Auch ein „ersatzweiser“ Schutz im Sinne von Art. 70 Abs. 2 a) i) VO 883/2004 kann nicht angenommen werden. Denn solche Leistungen sind Leistungen, die anstelle der Regelleistungen in Versicherungsfällen nach Art. 3 Abs. 1 gewährt werden; deshalb muss bei diesen Leistungen der exakt identische Versicherungsfall vorliegen (Fuchs, a.a.O., Titel III Art. 70 Rn. 11, 14). Dies ist bei Leistungen nach § 19 ff. SGB II im Vergleich zu einem Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 136 ff. SGB III regelmäßig kaum gegeben, weil sie unabhängig von dem Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses aufgrund von Bedürftigkeitsgesichtspunkten erbracht werden.

Damit ist unter Berücksichtigung von Art. 70 Abs. 2 a) i) VO 883/2004 schon nach dem Wortlaut der Verordnung auch der sachliche Geltungsbereich im Sinne von Art. 2 VO 883/2004 nicht eröffnet.“

Selbst wenn man aber das Arbeitslosengeld II als besondere beitragsunabhängige Leistung i.S. d. Art. 70 Abs. 2 VO 883/2004 bewerten würde, führt dies nicht zu einem Gleichbehandlungsanspruch auf Leistungen nach dem SGB II aufgrund des Diskriminierungsverbotes des Art. 4 VO 883/2004. Vielmehr sind Art. 7 und 24 UBRL zu berücksichtigen, denn diese gehen der VO 883/2004 als speziellere Regelungen vor (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23. Mai 2012 – L 9 AS 47/12 B ER; Greiser, in: jurisPK-SGB XII, Vorbem. Rn. 53; vgl. auch EuGH, Urteil vom 19. September 2013 – C-140/12, Brey). In beiden Fällen (Art. 4 EGV 883/04 und Art. 24 Abs. 2 UBRL) liegt europäisches Sekundärrecht vor, so dass Art. 4 VO 883/04 nicht höherrangig ist. Der Rechtsgrundsatz des Vorrangs der spezielleren Regelung ist auch auf europarechtlicher Ebene anwendbar. Es ist nicht ersichtlich, warum dieser Vorrang nur bei expliziter Nennung der spezielleren Vorschrift in der allgemeinen gegeben sein soll (Greiser, a.a.O.).Zudem käme es bei anderer Sichtweise zu der Situation, dass der Diskriminierungsschutz aus Art. 4 VO 883/04 in Bezug auf beitragsunabhängige Leistungen bei Arbeitslosigkeit des EU-Bürgers weiter ginge als bei den Leistungen bei Arbeitslosigkeit nach Art. 3 Abs. 1 VO 883/04. Diese sind nämlich – im Gegensatz zu anderen Bereichen des europäischen Sozialrechts – lediglich lückenhaft geregelt. Ein umfassender Schutz des Wanderarbeitnehmers gegen Arbeitslosigkeit ist hier gerade nicht vorgesehen. Es kommt zu einer „Schieflage“, wenn bei diesen Leistungen kaum Koordination stattfindet, aber keine Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung bei der Gewährung von Alg-II-Leistungen möglich ist (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23. Mai 2012 – L 9 AS 47/12 B ER).

Nach § 70 Abs. 4 VO 883/2004 werden die besonderen beitragsunabhängigen Leistungen nach Abs. 2 ausschließlich in dem Mitgliedsstaat erbracht, in dem die betreffenden Personen wohnen, und nach dessen Rechtsvorschriften gewährt. Art. 70 Abs. 4 VO 883/2004 soll verhindern, dass Personen, die in den Geltungsbereich der Verordnung 883/2004 fallen, der Schutz im Bereich der sozialen Sicherheit vorenthalten wird, weil keine Rechtsvorschriften auf sie anwendbar sind (EuGH, Urteile vom 21. Februar 2013 – C 619/11, Dumont des Chassart und vom 19. September 2013, C- 140/12, Brey). Dagegen soll diese Bestimmung nicht die inhaltlichen Voraussetzungen für das Vorliegen eines Anspruches auf besondere beitragsunabhängige Leistungen festlegen. Diese Voraussetzungen festzulegen ist grundsätzlich Sache der Rechtsvorschriften jedes Mitgliedstaates. Die VO 883/2004 lässt unterschiedliche nationale Systeme bestehen und schafft kein gemeinsames System der sozialen Sicherheit; diese unterschiedlichen Systeme führen zu unterschiedlichen Forderungen gegen unterschiedliche Träger (EuGH, Urteil vom 19. September 2013, C-140/12, Brey). Die VO 883/2004 soll mögliche nachteilige Wirkungen, die die Ausübung der Freizügigkeit für Arbeitnehmer in Bezug auf den Genuss von Leistungen der sozialen Sicherheit durch sie und ihre Familienangehörigen haben können, verhindern (EuGH, Urteil vom 3. April 2008 – C 331/06, Chuck). Dagegen soll die UBRL zwar die Ausübung des jedem Unionsbürger unmittelbar aus dem Vertrag erwachsenden elementaren und persönlichen Rechts erleichtern und verstärken, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, jedoch soll sie daneben näher die Bedingungen regeln, unter denen dieses Recht ausgeübt werden kann (EuGH, Urteil vom 19. September 2013, C 140/12, Brey). Dazu gehört beispielsweise gemäß Art. 7 Abs. 1 lit. b) UBRL die Bedingung, dass Unionsbürger im Falle eines Aufenthaltes von über drei Monaten, die die Arbeitnehmereigenschaft nicht oder nicht mehr besitzen, über ausreichende Existenzmittel verfügen müssen. Art. 24 Abs. 2 UBRL sieht eine Abweichung vom Gleichbehandlungsgrundsatz insoweit vor, als dem Aufnahmemitgliedstaat erlaubt wird, den Anspruch auf Sozialhilfe nicht zu gewähren, wenn der Unionsbürger nicht Arbeitnehmer, Selbständiger ist oder ihm ein solcher Status erhalten bleibt. Wie bereits ausgeführt, soll diese Voraussetzung u.a. verhindern, dass diese Personen die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaates unangemessen in Anspruch nehmen. Es sollen damit die berechtigten Interessen der Mitgliedstaaten gewahrt werden, insbesondere der Schutz ihrer öffentlichen Finanzen. Daraus folgt, dass die VO 883/2004 den Unionsbürgern, die von ihrem Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit Gebrauch machen, die Beibehaltung des Anspruchs auf bestimmte Leistungen der sozialen Sicherheit, die in ihrem Ursprungsmitgliedstaat gewährt worden, garantieren soll, aber die UBRL es dem Aufnahmemitgliedstaat gestattet, Unionsbürgern, wenn sie die Arbeitnehmereigenschaft nicht oder nicht mehr besitzen, rechtmäßige Beschränkungen in Bezug auf die Gewährung von Sozialleistungen aufzuerlegen, damit diese die Sozialhilfeleistungen dieses Staates nicht unangemessen in Anspruch nehmen (EuGH, Urteil vom 19. September 2013 – C 140/12, Brey). Der EuGH hat dementsprechend eine Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit auch vor dem Hintergrund des Art. 4 VO 883/04 zugelassen, wenn der Bezug von Sozialhilfe zu einer übermäßigen Belastung des gewährenden Staats würde (vgl. EuGH, Urteil vom 19. September 2013 - C-140/12, Brey).

Vorliegend würde eine Einbeziehung aller EU-Bürger, die sich in Deutschland aufhalten, ohne Arbeitnehmer, Selbständiger zu sein oder diesen Status durch eine frühere Arbeitnehmertätigkeit oder Tätigkeit als Selbständiger noch zu besitzen, zu einer unangemessenen Belastung des nationalen steuerfinanzierten sozialen Grundsicherungssystems führen. Die Höhe der SGB II-Leistungen stellt gerade für schlecht in den heimatlichen Arbeitsmarkt integrierte EU-Bürger mit geringen Durchschnittseinkommen oder für EU-Bürgen, deren heimatlicher Arbeitsmarkt großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten unterworfen ist, einen erheblichen Einwanderungsanreiz dar (SG Leipzig, EuGH-Vorlage vom 3. Juni 2013 – S 17 AS 2198/12). Die allgemeinkundigen gegenwärtigen Probleme der Steuerung und der kommunalpolitischen Bewältigung des Aufenthalts gerade von Armutsflüchtlingen aus Bulgarien und Rumänien (vgl. Positionspapier des Deutschen Städtetages vom 22. Januar 2013 und 14. Februar 2013) belegen dies deutlich.

5.Ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II folgt für die Antragsteller des vorliegenden Verfahrens auch nicht aus dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) vom 11. Dezember 1953, da Rumänien nicht zu den Unterzeichnern dieses Abkommens gehört.

6. Ein Anspruch auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII kommt vorliegend nicht in Betracht, so dass die Beiladung des Sozialhilfeträgers entbehrlich ist (ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. März 2013 - L 5 AS 273/13 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 19. August 2013 – L 13 AS 203/13 B ER; a.A. LSG Hamburg, Beschluss vom 14. Januar 2013 - L 4 AS 332/12 B ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 2. Oktober 2012; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 20. Juli 2012, L 9 AS 563/12 B ER). Die Antragsteller zu 1) und 5) sind erwerbsfähig und somit dem Grunde nach Leistungsberechtigte nach dem SGB II. Als Erwerbsfähige sind sie und ihre Angehörigen, die Antragsteller zu 2) bis 4), nach § 21 SGB XII von Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII ausgeschlossen. Abgrenzungskriterium für die Systeme der Grundsicherung nach dem SGB II auf der einen Seite und der Sozialhilfe nach dem SGB XII auf der anderen Seite ist die Erwerbsfähigkeit (vgl. Eicher, in: jurisPK-SGB XII, § 21 Rn. 12, 15; Loose/Loose, in: GK-SGB II, § 8 SGB II Rn. 3). Die Regelung des § 21 SGB XII stellt insoweit eine Norm zur Abgrenzung der Hilfesysteme nach dem SGB II und SGB XII dar; dies gilt auch, soweit ein tatsächlicher Leistungsanspruch trotz vorhandener Erwerbsfähigkeit nach dem SGB II nicht ausgelöst wird, denn für die Abgrenzung kommt es nur darauf an, ob ein Anspruch dem Grunde nach besteht. Demzufolge scheidet ein Anspruch auf Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII auch für Personen aus, die erwerbsfähig sind, aber deren Anspruch aus anderen rechtlichen Gründen ausgeschlossen ist. Auch aus § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, wonach Ausländern, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, u.a. Hilfe zum Lebensunterhalt und Hilfe bei Krankheit nach dem SGB XII zu leisten ist, folgt nichts Gegenteiliges; denn diese Regelung ist nicht so zu verstehen, dass erwerbsfähigen Ausländern und ihren Angehörigen ein - dem Grunde nach im SGB II geregelter - Anspruch hilfsweise oder ersatzweise zuerkannt werden soll (ebenso LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O.; a.A. wohl Eicher, a.a.O. Rn. 26 ff.; Coseriu, in: jurisPK-SGB XII, § 23 Rn. 36.3).

Die in Rechtsprechung und Literatur verschiedentlich geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Ausschluss von arbeitsuchenden Unionsbürgern von laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sowohl nach dem SGB II als auch nach dem SGB XII (Bayrisches LSG, Beschluss vom 22. Dezember 2010 - L 16 AS 767/10 B ER - Leitsatz u. Rn. 59 f.; Kingreen, SGb 2013, 132, 137 f.) teilt der Senat nicht. Dabei übersieht er nicht, dass das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG nach der Rechtsprechung des BVerfG dem Grunde nach unverfügbar ist und durch einen Leistungsanspruch eingelöst werden muss. Wenn Menschen die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen materiellen Mittel fehlen, weil sie weder aus einer Erwerbstätigkeit noch aus eigenem Vermögen noch durch Zuwendungen Dritter zu erlangen sind, ist der Staat im Rahmen seines Auftrags zum Schutz der Menschenwürde und in Ausfüllung seines sozialstaatlichen Gestaltungsauftrags verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen Voraussetzungen dafür Hilfebedürftigen zur Verfügung stehen. Als Menschenrecht steht dieses Grundrecht deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zu. Dieser objektiven Verpflichtung aus Art. 1 Abs. 1 GG korrespondiert ein individueller Leistungsanspruch (vgl. BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - Rn. 62 f. m. w. N.). Diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben kann aber dadurch Rechnung getragen werden, dass arbeitsuchenden Unionsbürgern ein Anspruch auf Mindestsicherung nach dem SGB XII eingeräumt wird (vgl. zu einer solchen Mindestsicherung auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 6. September 2012 - L 7 AS 758/12 B ER - Leits. 4 und Rn. 14). Es ist - soweit ersichtlich - in der sozialhilferechtlichen Literatur unumstritten, dass auch bei Vorliegen von Leistungsausschlussgründen Ausländern, die sich in der Bundesrepublik aufhalten, ein Anspruch auf die nach den Umständen des Einzelfalls unabweisbar gebotenen Leistungen erhalten bleibt (Schlette, in: Hauck/Noffz, SGB XII, § 23 Rn. 50, 51 u. 54l; Birk, in: LPK-SGB XII, § 23 Rn. 34; Herbst, in: Mergler/Zink, SGB XII, § 23 Rn. 48; Coseriu, in: jurisPK SGB XII, § 23 Rn. 74 ff.; Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, § 23 Rn. 92; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. Mai 2011 - L 19 AS 431/11 B ER - Rn. 4). Welche Leistungen unabweisbar sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Bei möglicher und zumutbarer Rückkehr in das Heimatland kommt i. d. R. lediglich die Übernahme der Kosten der Rückreise und des bis dahin erforderlichen Aufenthalts in Betracht (Überbrückungsleistungen). Ist die Rückkehr im Einzelfall vorerst nicht möglich, sind längerfristige Leistungen zu erbringen, die das verfassungsrechtlich gebotene Existenzminimum sichern. Diese können sich an den Leistungen nach dem AsylbLG orientieren (vgl. Schlette, a. a. O., Rn. 51 m. w. N.).

Einem solchen Anspruch auf die unabweisbar gebotene Hilfe steht nicht § 21 S. 1 SGB XII entgegen, wonach Personen, die nach dem SGB II als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt erhalten. Der verfassungsrechtlich gebotene Anspruch auf Gewährleistung des Existenzminimums lässt sich bei Unionsbürgern, die dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II unterliegen, im Rahmen des Regelungsgefüges des SGB II nicht verwirklichen. Im Rahmen des SGB XII wird dieser Anspruch aus einer entsprechenden Anwendung des § 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII (Hilfegewährung im Ermessenswege, vgl. Coseriu, a. a. O.), des § 1 a AsylbLG (Birk, a. a. O.; Schlette, a. a. O. Rn. 50; a. A. Oppermann, in: jurisPK, § 1 a AsylbLG Rn. 17 ff.: es kommen allenfalls Leistungen nach dem SGB XII in Frage) oder unmittelbar aus Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG (Herbst, a. a. O.) hergeleitet. Nach Auffassung des Senats besteht bei arbeitsuchenden Unionsbürgern, die ohne ausreichende Existenzmittel in die Bundesrepublik eingereist sind und auf dem Arbeitsmarkt bislang weder als Arbeitnehmer noch als Selbstständige Fuß gefasst haben, eine atypische Bedarfslage, die den Einsatz öffentlicher Mittel i. S. d. § 73 SGB XII (Hilfe in sonstigen Lebenslagen) rechtfertigt. § 21 S. 1 SGB II steht der Anwendung dieser Norm, die sich nicht im Dritten Kapitel des SGB XII über die Hilfe zum Lebensunterhalt findet, nicht entgegen.

Eine Beiladung des Sozialhilfeträgers und ggf. dessen Verpflichtung zur vorläufigen Gewährung von Hilfe in sonstigen Lebenslagen nach § 73 SGB XII ist nicht erforderlich, da ein solcher Anspruch vorliegend nicht im Streit ist. Die Antragstellerinnen begehren die Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Gewährung von laufenden Leistungen nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II). Diese Leistungen unterschieden sich nach Struktur und Inhalt grundlegend von dem situationsbezogenen Anspruch auf Hilfe in besonderen Lebenslagen. Dieser wäre daher beim zuständigen Sozialhilfeträger gesondert geltend zu machen (so i. E. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. April 2007 - L 19 B 13/07 AS ER - Rn. 6; LSG Niedersachsen-Bremen - 9. Senat -, Beschluss vom 2. August 2007 - L 9 AS 447/07 ER - Rn. 30).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.

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