ArbG Minden, Urteil vom 10.03.2011 - 1 Ca 1463/10
Fundstelle
openJur 2013, 43551
  • Rkr:
Tenor

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 15.11.2010 nicht mit Wirkung zum 15.12.2010 aufgelöst worden ist, sondern bis zum 31.01.2011 fortbestanden hat.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger

2.000,00 € brutto (Vergütung 16.-31.12.2010) abzüglich gezahlten Arbeitslosengeldes von 568,20 € nebst Zinsen von jeweils fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2011,

4.000,00 € brutto (Vergütung Januar 2011) abzüglich gezahlten Arbeitslosengeldes von 1.136,40 EUR nebst Zinsen von jeweils fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2011 und

weitere 3.322,98 € brutto (Urlaubsabgeltung) nebst Zinsen von jeweils fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2011 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte 5/7 und der Kläger 2/7.

Der Streitwert wird auf 28.786,82 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer aus verhaltensbedingten Gründen ausgesprochenen Kündigung kurz nach Ablauf der Probezeit, ferner um davon abhängige restliche Vergütungs- und Urlaubsabgeltungsansprüche, sowie einen dagegen zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzanspruch.

Die Beklagte produziert und vertreibt insbesondere Büroartikel und beschäftigt etwa 25 Arbeitnehmer. Der 30jährige, verheiratete Kläger war seit dem 01.05.2010 als Mitarbeiter für den strategischen Einkauf und Produktentwicklung zu einem Monatsverdienst von 4.000,00 Euro für sie tätig. Im Arbeitsvertrag vom 28.04.2010, wegen dessen Inhalts auf Blatt6 ff. der Akte verwiesen wird, galten die ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses als Probezeit.

Der Kläger war seit dem 13.10.2010 ununterbrochen, letztlich bis zum 15.12.2010, arbeitsunfähig krank.

Mit Schreiben vom 09.11.2010 (Bl. 13 d.A.) erhielt er die "1. Abmahnung", weil er im Rahmen einer Auftragsabwicklung zum Bezug von Kugelschreiberminen nur die Schreibqualität der Minen eines Lieferanten geprüft haben soll. Mittlerweile hat die Beklagte, wenn auch erst mit Schriftsatz vom 02.03.2011, eingeräumt, dass der Kläger unter dem 26.10.2010 die Muster zweier möglicher Lieferfirmen hat überprüfen lassen, was allerdings viel zu spät geschehen sei.

Mit Schreiben vom 10.11.2010 (Bl.14 d.A.) erhielt der Kläger die "2. Abmahnung", weil er "zum wiederholten Male Vereinbarungen (getroffen habe), die (seine) Kompetenz weit überschreiten" würden. Anlass für diese Abmahnung war, dass der Kläger zwei Besuchstermine mit Delegationen aus Taiwan und Schweden im Haus der Beklagten nicht zuvor mit ihrem Geschäftsführer abgestimmt hatte.

Die Beklagte behauptet insoweit, es sei dem Kläger bekannt gewesen, bzw. habe es sich von selbst verstanden, dass jedenfalls Besuche ausländischer Unternehmensdelegationen stets mit ihrem Geschäftsführer hätten abgestimmt werden müssen.

Der Kläger weist insoweit darauf hin, dass er sich bei dieser Angelegenheit nicht anders als sonst verhalten habe und dass ihm gegenüber nicht zuvor klargestellt worden sei, welche Termine wegen ihrer besonderen Wichtigkeit direkt mit der Geschäftsführung hätten abgestimmt werden müssen.

Während seiner Krankschreibung war der Kläger in der zweiten November-Woche, d.h., zwischen dem 08. und 12.11.2010, noch einen oder zwei Tage im Unternehmen der Beklagten, um ‑wie diese behauptet ‑ mit ihm die den Abmahnungen zugrunde liegenden und weitere Vorfälle zu besprechen, bzw. ‑so die Darstellung des Klägers‑ um offene Fragen des Einkaufsbereichs zu klären. Nach der insoweit unbestrittenen, detaillierten Schilderung des Klägers war aufgrund der "rustikalen Gesprächsführung seitens des Geschäftsführers der Beklagten", der auch "während des Gesprächs mehrfach verärgert Unterlagen durch den Raum geworfen" haben soll, jedoch eine sachliche Erörterung der Problematiken kaum möglich.

Zum Ende der Unterredung soll der Kläger nach der Behauptung der Beklagten deren Vorhaltungen mit den Worten, "wenn Sie kein Vertrauen zu mir haben, dann kündigen Sie mir doch" begegnet sein, nach den Darstellungen des Klägers habe er die "Vertrauensfrage" gestellt, woraufhin ihm der Geschäftsführer der Beklagten zu verstehen gegeben habe, dass es keine Vertrauensebene zwischen ihnen mehr gäbe.

Am nächsten Tag meldete sich der Kläger weiterhin, bzw. erneut arbeitsunfähig krank.

Mit Schreiben vom 15.11.2010 (Bl. 12 d.A.) kündigte die Beklagte ihm fristgerecht zum 15.12.2010.

Die Beklagte stützt ihre Kündigung auf die den Abmahnungen zugrunde liegenden Vorgänge sowie zum einen darauf, dass der Kläger mit seiner Unterschrift einen Auftrag über ein Verpackungslayout für das Produkt "Kerzen-Pen" vom 06.09.2010 (Bl. 27 f. d.A.) erteilt hat, obwohl ihm hätte bekannt sein müssen, dass alle Auftragsschreiben ihrem Geschäftsführer hätten vorgelegt oder von ihm gegengezeichnet werden müssen.

Der Kläger behauptet dazu, der Geschäftsführer habe ihm gesagt, dass er mit dem ihm vorliegenden Angebot einverstanden sei und ihn angewiesen habe, dies zu bestätigen.

Als weiteren Kündigungsgrund zieht die Beklagte das Verhalten des Klägers bei der Abwicklung eines Geschäfts mit dem chinesischen Hersteller von Kugelschreiberminen, der X1 Group heran:

Für einen Auftrag der Firma L1 ließ die Beklagte bei der Firma X1 Wandtafel-Malfolien herstellen. Vor der Auslieferung kündigte die Firma L1 diesen Auftrag, zu einem Zeitpunkt, als die Beklagte bereits 100.000,00Euro per Vorkasse an die Firma X1 gezahlt hatte. Deshalb sollte der Kläger zusammen mit seinem Kollegen R1 ‑ nach Behauptung der Beklagten ihr Einkaufsleiter ‑ während einer Dienstreise im August 2010 in China die Rückabwicklung dieses Auftrags besprechen.

Die Beklagte behauptet, es sei insoweit mit der X1 Group als Rahmen bereits im Vorfeld abgestimmt gewesen, dass sie nur die Hälfte der gefertigten Produkte abzunehmen brauche und den überzahlten Betrag zurück erhalten sollte; offen wären insoweit allein die Details dieser Vereinbarung, insbesondere der Zeitpunkt für die Rückzahlung des überzahlten Betrages, gewesen. Insoweit will die Beklagte dem Kläger und Herrn R1 die Vorgabe gegeben haben, dass die Rückzahlung spätestens bis zum Ende ihres Geschäftsjahres, zum 31.01.2011, bewirkt werden sollte; auch dies sollte aber der letztendlichen Vereinbarung ihres Geschäftsführers vorbehalten bleiben.

Der Kläger hingegen behauptet, Vorgabe des Geschäftsführers sei ‑ einfach ausgedrückt ‑ schlicht gewesen, "ich will die Ware zurück oder das Geld", mehr sei vorab noch nicht abgestimmt gewesen.

Jedenfalls schloss der Kläger bei der Geschäftsreise in China ‑ nach Behauptung der Beklagten eben eigenmächtig unter Missachtung ihrer Vorgaben ‑ die Vereinbarung, dass die Firma X1 Waren im Wert von knapp 50.000,00 Euro sofort liefert und weitere etwa 50.000,00 Euro nach Ablauf eines Jahres, d.h., bis zum 30.08.2011, an die Beklagte zurückzahlt.

Der Kläger behauptet, er habe den Geschäftsführer der Beklagten umgehend nach dem Termin telefonisch über dieses Verhandlungsergebnis informiert, mit welchem dieser einverstanden und äußerst zufrieden gewesen sei. Außerdem will er ein Schreiben, in dem der Lieferant dieses Verhandlungsergebnis zusammengefasst und unterzeichnet hatte, unmittelbar nach seiner Rückkehr von der Chinareise dem Geschäftsführer zur Gegenzeichnung übergeben haben; dieses vom chinesischen Verhandlungspartner erbetene Bestätigungsschreiben habe der Geschäftsführer der Beklagten auch in Kopie per Post und als E-Mail der X1 Group zugeleitet, darüber hinaus habe er einen entsprechenden Reisebericht u.a. mit diesem Verhandlungsergebnis verfasst, das zudem auch Gegenstand eines unmittelbar nach der Chinareise im Haus der Beklagten geführten Gesprächs gewesen sei.

Die Beklagte hingegen behauptet, der Kläger habe weder Herrn R1 noch ihren Geschäftsführer zu irgendeinem Zeitpunkt während oder nach der Chinareise von dem dabei erzielten Verhandlungsergebnis unterrichtet; sie will erst nach Ausspruch der zweiten Abmahnung am 10.11.2010 zufällig durch eine Mitarbeiterin der X1 Group von dieser Vereinbarung erfahren haben, als diese nach dem Verbleib der entsprechend gegengezeichneten Vereinbarung gefragt habe.

Schließlich wirft die Beklagte dem Kläger vor, seine Befugnisse auch insoweit überschritten zu haben, als er die diesen Auftrag betreffende "sales confirmation" vom 26.08.2010 (Bl.87 ff. d.A.) unterzeichnete.

Dabei handelte es sich nach der Darstellung des Klägers allerdings lediglich um eine bloße Rückbestätigung des bereits zuvor erteilten Auftrags.

Als weiteren Kündigungsgrund nimmt die Beklagte schließlich zum Anlass, dass der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 31.01.2011, d.h. während des Kündigungsschutzprozesses, zwei firmeninterne Unterlagen, nämlich die Auswertung "Vergleich Re-Fill" und eine "Übersicht Lieferanten" (Bl. 61 ff. d.A.), betreffend den der ersten Abmahnung zugrunde liegenden Auftrag "Kerzen-Pen" hat zur Gerichtsakte reichen lassen; schon dieser "schwerwiegende Verstoß gegen (seine) arbeitsvertraglichen Verpflichtungen" zur Verschwiegenheit und Herausgabe von Firmeneigentum allein habe sie, die Beklagte, zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigen können.

Der Kläger behauptet dazu, er habe diese Unterlagen in ausdrücklicher Abstimmung mit dem Geschäftsführer der Beklagten wegen des von diesem ausgeübten Termindrucks an seine private E-Mail-Adresse verschickt, um am Wochenende von zu Hause diesen Vorgang bearbeiten zu können.

Der Kläger hält die ihm ausgesprochene Kündigung für sozial ungerechtfertigt, da er stets nur im Rahmen seines üblichen Aufgaben- und Tätigkeitsbereichs gehandelt habe, der im übrigen nicht, etwa durch eine konkrete Stellenbeschreibung festgelegt war; jedenfalls sei er auch für das Verhandeln von Preisen und Zahlungszielen zuständig gewesen.

Der Kläger war zunächst vom 16.12.2010 bis zum 31.01.2011 arbeitslos. Er bezog während dieser Zeit kalendertäglich 37,88 € Arbeitslosengeld (vgl. Bewilligungsbescheid, Bl. 64 d.A.).

Mit Schreiben vom 22.12.2010 (Bl. 60 d.A.) kündigte er sein Arbeitsverhältnis selbst zum 31.01.2011.

Er verlangt deswegen seine arbeitsvertragliche Vergütung für die Zeit vom 16.12.2010 bis zum 31.01.2011 aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs, ferner die Abgeltung von 20 Urlaubstagen. Mit der Gehaltsabrechnung für November 2010 (Bl. 65 d.A.) hatte die Beklagte ihm 15,5 restliche Urlaubstage bescheinigt; für die Monate Dezember 2010 und Januar 2011 errechnet sich der Kläger weitere 4,6 Urlaubstage, insgesamt damit 20 offene Urlaubstage x (4.000,00 € ./. 22 Arbeitstage =) 181,81 € = 3.636,20 € brutto Urlaubsabgeltung.

Der Kläger stellt zuletzt die Anträge,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 15.11.2010 nicht zum 15.12.2010 aufgelöst worden ist, sondern bis zum 31.01.2011 fortbestanden hat,

die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnungen vom 09.11. und 10.11.2010 aus seiner Personalakte zu entfernen und

die Beklagte zu verurteilen, an ihn

2.000,00 € brutto abzüglich von der Agentur für Arbeit gezahlter 568,20 € nebst Zinsen von jeweils fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2011,

4.000,00 € brutto abzüglich von der Agentur für Arbeit gezahlter 1.136,40 € nebst Zinsen von jeweils fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2011 und

weitere 3.636,62 € brutto nebst Zinsen von jeweils fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2011

zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach ihrer Darstellung hatte der Kläger eine bloße Stabsfunktion, war ihrem Geschäftsführer unterstellt und hatte lediglich die Aufgabe, nach Vorgabe ihrer Geschäftsleitung grundlegende Fragestellungen des Einkaufs aufzubereiten, um so dem operativen Einkaufsgeschäft zuzuarbeiten und insbesondere bei neuen Produkten die Beschaffungsmöglichkeiten auf der Einkaufsseite zu recherchieren; diese seine Befugnisse habe er wiederholt eigenmächtig und schwerwiegend überschritten.

Die Beklagte behauptet, der Kläger habe zudem, wie sie erst im nachhinein festgestellt habe, eigenmächtig softwaretechnische Eingriffe an seinem PC vorgenommen und ohne sie oder die mit der Pflege der Firmensoftware beauftragte Firma A1 GmbH zu informieren, zwei Programme zum Synchronisieren selbst auf seinem PC installiert, nämlich eine Nokia PC Suite zum Anbinden eines Nokia Handys und das Activesync Programm von Microsoft zum Synchronisieren von Outlook-Kontakten, Kalender und E-Mails vom Handy; diese vom Kläger unerlaubt installierte Software habe den vorhandenen Kerio-Outlook-Connector des installierten Systems beschädigt und das Outlook-System unbrauchbar gemacht. Mit den von der Firma A1 GmbH dafür mit Rechnung vom 17.02.2011 (Bl. 95 d.A.) in Rechnung gestellten 854,80 € erklärt sie die Aufrechnung gegenüber dem Urlaubsabgeltungsanspruch des Klägers. "Soweit die Aufrechnung wegen einer etwaigen Unpfändbarkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs oder eines Teiles davon ins Leere" geht, stellt sie hilfsweise zuletzt noch

widerklagend den Antrag, den Kläger zu verurteilen, an sie 854,80 € netto nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit (05.03.2011) zu zahlen.

Der Kläger beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Er bestreitet mit Nachdruck, die von der Beklagten genannten Programme zum Synchronisieren auf seinem PC an seinem Arbeitsplatz installiert zu haben, der im übrigen bereits zuvor und auch nach seinem Ausscheiden von anderen Mitarbeitern benutzt worden ist.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und der von ihnen überreichten Unterlagen sowie ihre Erklärungen zu Protokoll des Kammertermins vom 10.03.2011 (Bl. 105 ff. d.A.) Bezug genommen.

Gründe

Die Kündigungsschutz- und Zahlungsklage ist zulässig und zum ganz überwiegenden Teil auch begründet; die Klage auf Entfernung der Abmahnungen sowie die Widerklage sind zulässig, aber nicht begründet.

Die Kündigung der Beklagten vom 15.11.2010 ist rechtsunwirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet (A); es hat daher bis zum 31.01.2011 fortbestanden.

Dem Kläger steht deshalb auch für die Monate Dezember 2010 und Januar 2011 seine volle Vergütung zu (B), ferner Urlaubsabgeltung, allerdings nur für 18 noch offene Urlaubstage (C).

Hingegen hat der Kläger nach der unstreitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund seiner Eigenkündigung keinen Anspruch auf Entfernung der beiden ihm im November 2010 erteilten Abmahnungen (D).

Schließlich steht der Beklagten kein Schadensersatzanspruch gegen den Kläger wegen von ihm eigenmächtig an seinem PC installierter Software zu (E).

A.

I.

Die Kündigung der Beklagten vom 15.11.2010 ist zwar nicht schon bereits aus formalen Gründen deshalb unwirksam, weil im Kündigungsschreiben entgegen der Vorschrift des § 11 Zf. 4 des Arbeitsvertrages nicht "die wesentlichen Kündigungsgründe enthalten" sind.

Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine reine Soll-Vorschrift, deren Verletzung nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung führt.

II.

Die Kündigung der Beklagten ist allerdings nach § 1 Abs. 2 des nach den §§ 23 Abs. 1, 1 Abs. 1 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren Kündigungsschutzgesetzes sozial ungerechtfertigt und damit rechtsunwirksam. Sie ist nämlich nicht durch Gründe, die in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt.

1. Die Beklagte kann ihre Kündigung zunächst nicht darauf stützen, dass der Kläger unter Überschreitung seiner arbeitsvertraglichen Kompetenzen unbefugterweise und zu ihren Lasten Geschäftsvorgänge abgewickelt hat. Dabei kann es letztlich dahinstehen, ob der Geschäftsführer der Beklagten nicht ohnehin - wie der Kläger zumindest nachvollziehbar behauptet - Kenntnis von dem Angebot "Kerzen-Pen" gehabt hat und ob er nicht auch mit dem vom Kläger während der Geschäftsreise nach China ausgehandelten Ergebnis zur Rückabwicklung des Auftrages mit der X1 Group einverstanden und zufrieden war.

a) Denn es fehlt jedenfalls an der vor einer Kündigung wegen derartiger verhaltensbedingter Pflichtverletzungen grundsätzlich erforderlichen Abmahnung. Dies war offenbar auch der Beklagten bewusst, hatte sie den Kläger doch, wenn auch erst kurz vor Ausspruch ihrer Kündigung, mit Schreiben vom 09. und 10.11.2010 abgemahnt. Nur die letztere Abmahnung wäre insoweit einschlägig, da damit dem Kläger - angebliche - wiederholte Kompetenzüberschreitungen vorgeworfen worden waren. Erst mit Zugang dieser Abmahnung konnte der Kläger somit überhaupt Kenntnis davon erlangen, dass die Beklagte ihm offenbar vorwarf, seine - allerdings unstreitig auch gar nicht im einzelnen definierten und festgelegten - Befugnisse als Mitarbeiter für den strategischen Einkauf und Produktentwicklung zu überschreiten. Erst danach hätte der Kläger zum einen Gelegenheit gehabt, dieses abgemahnte Verhalten abzustellen, sich also künftig zu "bewähren" und zum anderen mit der Beklagten konkret abzustimmen, welche Befugnisse und Kompetenzen ihm denn (nur) bei derartigen Auftragsabwicklungen zustehen sollten.

Im übrigen wird auf die untenstehenden Ausführungen (D. II) verwiesen.

b) Hinzu kommt, dass das dem Kläger jetzt vorgehaltene Auftragsbestätigungsschreiben "Kerzen-Pen" bereits vom 06.09.2010 datiert, somit aus einer Zeit stammt, in der er noch in der Probezeit war. Dass der Beklagten diese (und ggf. andere) "Kompetenzüberschreitungen"´, die sämtlich während der Probezeit stattgefunden haben sollen, nicht während eben dieser bemerkt haben will, scheint nur schwer nachvollziehbar.

Jedenfalls sind diese dem Kläger vorgeworfenen Vertragspflichtverletzungen nicht derart schwerwiegend, als dass eine Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien als billigenswert und angemessen erscheint; sein (bestrittenes) Fehlverhalten kann nicht geeignet sein, einen ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber schon zur Kündigung zu bestimmen.

c) Im übrigen ist es für die Kammer nicht glaubhaft und kaum nachvollziehbar, dass der Geschäftsführer der Beklagten tatsächlich erst Mitte November 2010 davon erfahren haben will, welches Verhandlungsergebnis der Kläger in China mit der X1 Group erreicht hatte. Gerade angesichts der finanziellen Bedeutung dieses Geschäfts und des Umstands, dass der Geschäftsführer der Beklagten gerade nach ihrem eigenen Vortrag derartige Dinge stets selbst zu entscheiden hatte, bestehen doch erbliche Zweifel an ihrer Behauptung, dass sie über die Modalitäten der Rückzahlung für die nicht mehr zu liefernden Malfolien erst (und dann genau zwischen dem 10. und 15.11.2010) durch eine Mitarbeiterin erfahren haben will.

Da die Beklagte insoweit auch bereits in ihrer ersten Klageerwiderung vom 20.12.2010 unter 3. d) wahrheitswidrig vorgetragen und behauptet hatte, sie hätte bereits vor der Geschäftsreise des Klägers nach China mit der X1 Group eine Abrede über die Rückzahlung der bereits gezahlten Vergütung getroffen gehabt, besteht Veranlassung, die Beklagte auf ihre Pflicht zum wahrheitsgemäßen Vortrag (§ 138 Abs. 1 ZPO) und die bei einem Verstoß dagegen drohenden, bzw. möglichen prozessrechtlichen, bürgerlichrechtlichen, strafrechtlichen und berufsrechtlichen Folgen hinzuweisen (s. dazu Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 69. Aufl., §§ 138, 139, Rdnrn. 63 - 67).

2. Soweit die Beklagte dem Kläger vorwirft, arbeitsvertragswidrig interne Firmenunterlagen nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses herausgegeben und später im Prozess eingereicht und gegen sie verwandt zu haben, kann dies ihre Kündigung vom 15.11.2010 (!) schon deswegen nicht stützen, weil diese Vorgänge erst (weit) nach Ausspruch dieser Kündigung entstanden sind; dies hat mit der vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten angesprochenen Problematik des "Nachschiebens von Kündigungsgründen" nichts zu tun.

3. Der Vorwurf, der Kläger habe unerlaubterweise eigenmächtig softwaretechnische Eingriffe in seinen PC vorgenommen, ist viel zu unsubstantiiert, als dass er insoweit hätte zur Stützung der Kündigung nachgeschoben werden können. Im übrigen handelt es sich bei dem diesbezüglichen Beweisantritt (Vernehmung des Zeugen G1 der Firma A1 GmbH) um einen reinen, prozessual unzulässigen Ausforschungsbeweis.

4. Abschließend bleibt nur noch zu bemerken, dass sich die Kammer des Eindrucks nicht erwehren kann, dass die Vorgänge um die "Vertrauensfrage" anlässlich der Unterredung zwischen dem Kläger und ihrem Geschäftsführer in der zweiten Novemberwoche tatsächlicher Anlass für die ihm dann kurz danach ausgesprochene Kündigung gewesen sein dürfte.

B.

Endete das Arbeitsverhältnis der Parteien somit erst aufgrund der Eigenkündigung des Klägers zu, 31.01.2011 hat er gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der ihm arbeitsvertraglich zustehenden Vergütung für den vollen Monat Dezember 2010 sowie für Januar 2011 aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs in unstreitiger und zutreffend ermittelter Höhe von 2.000,00, bzw. 4.000,00 € brutto, abzüglich des für diese Zeit gezahlten Arbeitslosengeldes (§§ 615 S. 1, 293, 296 S. 1 BGB, 11 S. 1 Nr. 3 KSchG).

C.

Außerdem hat die Beklagte dem Kläger (allerdings nur) 18 restliche Urlaubstage abzugelten (§ 7 Abs. 4 BUrlG i.V.m. § 7 Zf. 1 des Arbeitsvertrages).

I.

Für die neun vollen Monate des Bestands seines Arbeitsverhältnisses hatte der Kläger einen Anspruch auf (28 ./. 12 x 9 Monate =) 21 Arbeitstage; abzüglich drei offenbar bereits genommener Urlaubstage (vgl. Gehaltsabrechnung November 2010, Bl. 65 d.A.) standen somit noch 18 offene Urlaubstage zur Abgeltung aus. Dieser Abgeltungsanspruch errechnet sich dann zutreffend mit (4.000,00 € x 3 ./. 65 =) 184,61 € kalendertäglich x 18 = 3.322,98 € brutto. Die darüber hinausgehende Zahlungsklage war abzuweisen.

II.

Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung ist nicht durch Aufrechnung erloschen (§ 387 ff. BGB).

Ungeachtet des Umstands, dass der Beklagten ohnehin kein aufrechenbarer Schadensersatzanspruch gegen den Kläger zusteht (dazu unten E.) ist sie mit ihrer Aufrechnung schon deshalb von vornherein ausgeschlossen, weil ein Arbeitgeber nur gegenüber abgerechneten Netto-Vergütungsforderungen eines Arbeitnehmers aufrechnen kann. Die Aufrechnung gegen eine (eben hier gegebene) Bruttolohnforderung ist schon mangels Gleichartigkeit der zur Aufrechnung stehenden Gegenforderung grundsätzlich unzulässig (vgl. nur Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 13. Aufl., § 88, Rdnr. 9).

Die Zinsansprüche sind aus den §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB begründet.

D.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Entfernung der beiden Abmahnungsschreiben vom 09. und 10.11.2010 aus den §§ 83 Abs. 2 BetrVG, 1004 Abs. 1 BGB analog, bzw. der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, §§ 611, 242 BGB.

I.

Wie das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 14.09.1994 - 5 AZR 632/93 = NZA 1995, 220 mit zutreffender Begründung entschieden hat, hat ein Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses regelmäßig keinen Anspruch mehr auf Entfernung auch zu Unrecht erteilter Abmahnungen aus seiner Personalakte. Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Abmahnung dem Arbeitnehmer auch noch nach der - hier unstreitig durch Eigenkündigung vorliegenden - Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch schaden kann. Dafür allerdings wäre dann der Kläger darlegungs- und beweispflichtig gewesen (BAG, ebda.).

Für einen derartigen Ausnahmefall ist vorliegend nichts ersichtlich, bzw. vorgetragen. Allein der Umstand, dass der Kläger offenbar noch kein Arbeitszeugnis bekommen hat, kann insoweit nicht ausreichen.

II.

Nur der Vollständigkeit halber sei angefügt, dass der Entfernungsanspruch des Klägers der Sache nach durchaus bestanden hätte.

Die erste Abmahnung vom 09.11.2010 ist nämlich bereits deswegen rechtsunwirksam, da sie einen ersichtlich falschen Sachverhalt darstellt. Die Beklagte hat nämlich jedenfalls zuletzt (dann doch) einräumen müssen, dass der Kläger sehr wohl, wie von ihm stets behauptet, jedenfalls die Qualität der Kugelschreiberminen zweier Lieferanten hat überprüfen lassen.

Mit der zweiten Abmahnung vom 10.11.2010 wirft die Beklagte dem Kläger u.a. vor, dass er "zum wiederholten Male Vereinbarungen" getroffen haben soll, die seine Kompetenzen überschritten haben sollen. Dieser Vorwurf mehrmaliger entsprechender Pflichtverletzungen ist jedoch in der Abmahnung in keiner Weise näher dargestellt und durch Tatsachen belegt. Angesichts der Substanzlosigkeit diesen Vorwurfs und des Grundsatzes der sogenannten " Unteilbarkeit" einer Abmahnung hätte diese als rechtsunwirksam nicht in der Personalakte des Klägers verbleiben dürfen.

(Auch) deswegen konnte die dem Kläger nur 14 Tage nach Ablauf seiner Probezeit ohne vorherige rechtwirksame (!) Abmahnung ausgesprochene Kündigung keinen rechtlichen Bestand haben.

E.

Die Widerklage ist zulässig (§ 33 ZPO), aber - wie bereits kurz dargelegt - nicht begründet.

Die Beklagte hat gegen den Kläger keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz wegen Verletzung seines Arbeitsvertrages durch die - angebliche - eigenmächtige Installierung von Software auf seinem PC (§§ 282, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 619 a, 249 Abs. 1 BGB).

I.

Die Beklagte hat zum einen schon nicht hinreichend konkretisiert und mit Tatsachen belegt dargelegt, wann der Kläger denn überhaupt die beiden von ihr benannten Synchronisierungsprogramme auf seinen PC aufgespielt haben soll. Der - im übrigen ohnehin verspätete - Vortrag im Kammertermin vom 10.03.2011 mit dem Hinweis auf die dabei überreichte "Unterlage" der Firma A1 (Bl. 109 d.A.) lässt (auch) keinen hinreichend sicheren Rückschluss darauf zu, dass dies gerade durch den Kläger geschehen wäre.

II.

Im übrigen und vor allem aber ist aus dem Vortrag der Beklagten nicht ersichtlich, dass gerade durch die (angeblich) vom Kläger zu verantwortende Installation der genannten Programme diejenigen Schäden kausal verursacht worden sind, die die Firma A1 ausweislich ihrer Rechnung vom 17.02.2011 (erst) am 27.01., 08.02. und 15.02.2011 behoben haben soll. Der Kläger jedenfalls war seit dem 13.10.2010 arbeitsunfähig erkrankt und (abgesehen von evtl. ein oder zwei Arbeitstagen Anfang November 2010) nicht mehr an diesem, seinem Arbeitsplatz. Bereits ab Dezember 2010 war dort ein anderer Arbeitnehmer der Beklagten, offenbar der Mitarbeiter A2, tätig.

III.

Schließlich hat die Beklagte, wie bereits ausgeführt, keinen ordnungsgemäßen Beweis für ihre (unsubstantiellen) Behauptungen angetreten.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG, 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Den Streitwert hat die Kammer nach den §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 42 Abs. 4 S. 1, 48 Abs. 1 S. 1, 45 Abs. 1 S. 1, 43 Abs. 1 GKG, 3, 4 Abs. 1, 5 ZPO für den Feststellungsantrag mit dem Vierteljahreseinkommen des Klägers, bezüglich der beiden Abmahnungen jeweils mit einem weiteren Monatseinkommen und im übrigen in Höhe der zuletzt insgesamt wechselseitig geltend gemachten Zahlungsforderungen festgesetzt.