OLG Köln, Beschluss vom 06.05.2013 - 12 WF 31/13
Fundstelle
openJur 2013, 43547
  • Rkr:
Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Königswinter vom 08.03.2013 (Az. 71 F 40/13) teilweise abgeändert und dem Antragsteller ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt, soweit er ab März 2013 die Zahlung von 100 % des Mindestunterhaltes für die gemeinsamen Kinder der Beteiligten begehrt und soweit er für den Zeitraum von Oktober 2012 bis einschließlich Februar 2013 rückständigen Unterhalt wie folgt geltend macht:

für den Sohn N in Höhe von 460,00 €

für den Sohn N2 in Höhe von 460,00 €

für den Sohn M in Höhe von 445,00 €

für die Tochter K in Höhe von 382,50 €

für die Tochter T in Höhe von 382,50 €

Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde bezüglich des weitergehenden Rückstandes zurückgewiesen.

Gründe

Die gemäß §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i. V. m. 127 Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist überwiegend begründet.

Denn nach dem bisherigen Vorbringen ist davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin zur Zahlung des geltend gemachten Mindestunterhaltes für ihre fünf minderjährigen Kinder gemäß §§ 1601 ff. BGB verpflichtet ist, so dass dem Antragsteller im tenorierten Umfang Verfahrenskostenhilfe für seine beabsichtigten Anträge zu bewilligen ist, §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 114 ZPO.

1.

Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts muss von einer Leistungsfähigkeit der Antragsgegnerin ausgegangen werden.

Ein minderjähriges Kind kann im Unterhaltsprozess ohne nähere Darlegung seiner Lebensverhältnisse den Mindestunterhalt geltend machen. Es braucht insoweit seinen Bedarf (insbesondere das Einkommen des Unterhaltspflichtigen) nicht darzulegen oder zu beweisen. Vielmehr trägt der Unterhaltspflichtige die Darlegungs- und Beweislast für seine mangelnde oder eingeschränkte Leistungsfähigkeit (Klinkhammer in: Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 8. Auflage, § 2 Rdnr. 224).

Da der Antragsteller den Mindestunterhalt für seine fünf Kinder geltend macht, war er nicht verpflichtet, weitere Angaben zum Einkommen der Antragsgegnerin zu machen. Es hätte nunmehr der Antragsgegnerin, die als Prostituierte arbeitet, oblegen, ihre Leistungsunfähigkeit darzulegen und ggf. zu beweisen. Dem ist die Antragsgegnerin jedoch nicht nachgekommen. Sie hat weder auf das außergerichtliche Aufforderungsschreiben des Antragstellers vom 21.09.2012 reagiert noch im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens zur Sache Stellung genommen.

Es ist daher davon auszugehen, dass sie als Prostituierte ein Einkommen erzielt, mit dem sie in der Lage ist, den Mindestunterhalt für ihre fünf Kinder in Höhe von insgesamt 1.185,00 € monatlich zu zahlen. Ein solches Einkommen erscheint dem Senat nicht unrealistisch. Unter Berücksichtigung ihres Selbstbehaltes von 1.000,00 € (bzw. 950,00 € bis Dezember 2012) müsste sie ein Nettoeinkommen von knapp 2.200,00 € erzielten, um den geforderten Mindestunterhalt zahlen zu können. Dies entspricht einem Bruttolohn von ca. 3.600,00 € (Steuerklasse 1, Kinderfreibetrag 2,5), so dass die Antragstellerin bei 20 Arbeitstagen im Monat am Tag 180,00 € brutto verdienen müsste. Davon geht der Senat aus.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts kann das Einkommen aus einer legalen, freiwillig ausgeübten Prostitution für Unterhaltszwecke herangezogen werden. Soweit das Amtsgericht bei seiner Entscheidung auf die Rechtsprechung zu Einkünften aus "Schwarzarbeit" abgestellt hat, kann dem nicht gefolgt werden. Denn seit der Einführung des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten zum 01.01.2002 (ProstG) handelt es sich bei der freiwillig ausgeübten Prostitution, anders als bei der "Schwarzarbeit", um eine legale Tätigkeit, die Gegenstand eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses sein kann. Daher können die daraus tatsächlich erzielten Einkünfte grundsätzlich auch für Unterhaltszwecke herangezogen werden. Umstände dafür, dass die Antragsgegnerin keiner legalen Prostitution nachgeht, sind nicht ersichtlich und können auch nicht unterstellt werden.

Es ist dem Amtsgericht zwar insoweit zuzustimmen, dass die Tätigkeit als Prostituierte jederzeit aufgegeben werden kann und die Antragsgegnerin nicht dazu gezwungen werden darf, der Prostitution nachzugehen, und zwar auch nicht indirekt im Rahmen der unterhaltsrechtlichen Erwerbsobliegenheit. Allerdings ist dies vorliegend nicht der Fall. Denn der Antragsgegnerin werden hier keine fiktiven Einkünfte aus einer von ihr verlangten Tätigkeit als Prostituierte angerechnet, sondern es werden tatsächlich erzielte Einkünfte zugrunde gelegt, die die Antragsgegnerin aktuell aus ihrer freiwilligen, legalen Tätigkeit als Prostituierte erzielt.

2.

Dem Antragsteller kann jedoch keine Verfahrenskostenhilfe bewilligt werden, soweit er die ursprünglich aufgrund der Zahlung von Unterhaltsvorschuss auf die Stadt L übergegangenen rückständigen Unterhaltsansprüche für den Zeitraum von Oktober 2012 bis Februar 2013 geltend macht, nachdem sie ihm von der Stadt L zurückübertragen worden sind. Denn er ist insoweit nicht als bedürftig im Sinne von § 114 ZPO anzusehen, da ihm ein Anspruch auf Verfahrenskostenvorschuss gegen die Stadt L zusteht (vgl. BGH NJW 2008, 1950, 1951). Dieser Anspruch ergibt sich aus § 7 Abs. 4 Satz 3 UVG, wonach der Leistungsträger die Kosten, mit denen der Unterhaltsberechtigte aufgrund der Rückabtretung selbst belastet wird, zu übernehmen hat.

In dem Zeitraum von Oktober 2012 bis einschließlich Februar 2013 sind folgende Unterhaltsvorschussleistungen für die Kinder erbracht worden:

für den Sohn N 5 x 180,00 € = 900,00 €

für den Sohn N2 5 x 180,00 € = 900,00 €

für den Sohn M 5 x 133,00 € = 445,00 €

für die Tochter K 5 x 133,00 € = 445,00 €

für die Tochter T 5 x 133,00 € = 445,00 €

Es kann daher nur Verfahrenskostenhilfe nur für die Geltendmachung der folgenden Rückstände bewilligt werden:

für den Sohn N 1.360,00 € - 900,00 € = 460,00 €

für den Sohn N2 1.360,00 € - 900,00 € = 460,00 €

für den Sohn M 1.110,00 € - 445,00 € = 445,00 €

für die Tochter K 1.047,50 € - 445,00 € = 382,50 €

für die Tochter T 1.047,50 € - 445,00 € = 382,50 €

Rechtsbehelfsbelehrung:

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordert (§ 70 Abs. 2 FamFG).

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