LG Kleve, Beschluss vom 17.06.2013 - 4 T 58/13
Fundstelle
openJur 2013, 43242
  • Rkr:
Tenor

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Der Beteiligte zu 1.) trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Für den Betroffenen besteht seit langem eine Betreuung, da dieser aufgrund psychotischer Störungen und Alkoholmissbrauch daran gehindert ist, seine Angelegenheiten sachgerecht zu besorgen. Der Beschwerdeführer - der Mitarbeiter der Betreuungsbehörde bei der Stadt rg ist - ist seit 1993 Betreuer des Betroffenen, zuvor erfolgte die Betreuung durch die Betreuungsstelle der Stadt rg. Die bestehende Betreuung wurde zuletzt durch Beschluss des Amtsgerichts gr vom 12.10.2006 (Bl. 169/170 GA) verlängert. Mit Schriftsatz vom 03.11.2012 beantragte der Beschwerdeführer, die von ihm geführte ehrenamtliche Betreuung des Betroffenen ab dem 01.01.2013 in eine Berufsbetreuung "umzustellen". Er befinde sich nunmehr in der Freistellungsphase seiner Altersteilzeit bei der Stadtverwaltung und wünsche, nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst Berufsbetreuungen zu führen. Diesen Antrag wies das Amtsgericht mit Beschluss vom 19.02.2013 zurück. Dagegen richtet sich die auf den "27. Jan. 2013" datierte, am 01.03.2013 beim Amtsgericht gr eingegangene Beschwerde des Beteiligten zu 1.), der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat.

II.

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1.) ist zulässig. Der Betreuer ist gemäß § 59 Abs. 1 FamFG im eigenen Namen beschwerdebefugt, wenn das Betreuungsgericht seinem Antrag nicht entspricht, festzustellen, dass die Betreuung berufsmäßig geführt wird (vgl. MünchKomm/Wagenitz, BGB, 6. Aufl. 2012, § 1836, Rn. 10). Gemäß Art. 111 Abs. 1 S. 2, Art. 112 FGG-Reformgesetz ist vorliegend das FamFG anzuwenden, weil sich die Beschwerde des Beteiligten zu 1.) gegen die Ablehnung seines Antrages auf "Umstellung" der Betreuung richtet und dieser Änderungsantrag nach dem 01.09.2009 gestellt worden ist. Die Beschwerde ist rechtzeitig und formgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig.

In der Sache ist die Beschwerde jedoch unbegründet. Das Amtsgericht hat zu Recht abgelehnt, die bestehende ehrenamtliche Betreuung des Betroffenen durch den Beschwerdeführer in eine Berufsbetreuung "umzuwandeln". Die nachträgliche Umwandlung einer bestehenden ehrenamtlichen Betreuung in eine Berufsbetreuung ist grundsätzlich unzulässig (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 71. Aufl. 2012, § 1 VBVG Rn. 8; zweifelnd Jürgens/Jürgens, BetreuungsR, 4. Aufl. 2010, § 1 VBVG Rn. 8, 9; a.A. MünchKomm/Wagenitz, BGB. 6. Aufl. 2012, § 1836 Rn. 6; offengelassen OLG Brandenburg, Beschluss vom 12.03.2012, Az.: 11 Wx 17/11, Juris-Rn. 10 = BtPrax 2012, 166).

Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der §§ 1908i Abs. 1 S. 1, 1836 Abs. 1 S. 2 BGB, dass die Berufsmäßigkeit "bei der Bestellung" festzustellen ist. Diese gesetzliche Anordnung wäre sinnlos, wenn der Gesetzgeber gewollt hätte, dass die Feststellung jederzeit nachgeholt werden kann. Eine solche isolierte Änderungsmöglichkeit würde überdies den Charakter des Bestellungsbeschlusses als Einheitsentscheidung, die Ergebnis eines umfassenden Abwägungsprozesses ist, infrage stellen. Das Betreuungsgericht hat bei der Auswahl der Person des Betreuers umfassend abzuwägen und dabei diverse Auswahlkriterien zu berücksichtigen, insbesondere den in § 1897 Abs. 6 S. 1 BGB angeordneten grundsätzlichen Nachrang der Bestellung eines Berufsbetreuers (vgl. OLG Hamm NJW 2006, 3436, 3437). Dieser Nachrang der Berufsbetreuung würde durch eine nachträgliche isolierte Feststellung der Berufsmäßigkeit unterlaufen. Insoweit bestünde eine Missbrauchsgefahr, die eine Manipulation der Betreuerauswahl ermöglichen würde. Wegen § 1897 Abs. 6 S. 1 BGB bestünde ein Vorzug bei der Auswahl gegenüber Berufsbetreuern wegen der Ehrenamtlichkeit der Betreuung. Diese potentielle Missbrauchsgefahr wird auch nicht durch die Möglichkeit einer Entlassung des Betreuers beseitigt (a.A. BayObLG NJW-RR 2001, 943). Dessen Entlassung wäre nach § 1908b Abs. 1 S. 3 BGB wegen der Feststellung der Berufsmäßigkeit der Betreuung nur dann möglich, wenn statt seiner ein ehrenamtlicher Betreuer zur Verfügung stünde. § 1908b Abs. 1 S. 3 BGB ermöglicht aus diesem Grunde aber keine Entlassung zugunsten der Bestellung eines anderen Berufsbetreuers. Der bereits bestellte Betreuer kann auch dann nicht nach § 1908b Abs. 1 S. 3 BGB entlassen werden, wenn das Betreuungsgericht nicht ihn, sondern einen anderen Berufsbetreuer ausgewählt hätte, wenn beide bereits im Zeitpunkt der Bestellungsentscheidung Berufsbetreuer gewesen wären. Die Kammer unterstellt dem Beschwerdeführer hierbei keine solche Missbrauchsabsicht. Darauf kommt es jedoch nicht an, da die gesetzlichen Vorschriften einer solchen Missbrauchsmöglichkeit abstrakt vorbeugen wollen.

Eine nachträgliche Feststellung der Berufsmäßigkeit der zuvor ehrenamtlich geführten Betreuung ist grundsätzlich auch dann nicht möglich, wenn der Betreuer erst im Verlaufe des Betreuungsverfahrens die Anforderungen eines Berufsbetreuers erfüllt (a.A. BayObLG NJW-RR 2001, 943). Auch dann würde der Charakter der Bestellung als Einheitsentscheidung unzulässig aufgehoben und der Abwägungsprozess bei der Auswahl der Person verfälscht. Den Bedürfnissen angehender Berufsbetreuer hat der Gesetzgeber dadurch Rechnung getragen, dass § 1 Abs. 1 S. 1 Fall 2 VBVG dem Betreuungsgericht bei der Bestellung des Betreuers ermöglicht, die Berufsmäßigkeit der Betreuung festzustellen, obgleich er deren Voraussetzungen noch nicht erfüllt, wenn zu erwarten ist, dass dies in absehbarer Zeit der Fall sein wird. Zweck dieser Bestimmung ist es, auch angehende Berufsbetreuer bereits vergüten zu können (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 71. Aufl. 2012, § 1 VBVG, Rn. 5). Die tatbestandlichen Einschränkungen der Norm wären bedeutungslos, wenn die Berufsmäßigkeit nachträglich festgestellt werden könnte, sobald deren Voraussetzungen möglich sind. Der Betreuer ist durch den grundsätzlichen Ausschluss der Möglichkeit, die Berufsmäßigkeit der Betreuung nachträglich festzustellen, auch nicht unverhältnismäßig beschwert. Ist es ihm unzumutbar, die Betreuung ehrenamtlich weiterzuführen, so kann er gemäß § 1908b Abs. 2 BGB seine Entlassung verlangen. In dem Fall kann er zugleich seine Bereitschaft erklären, die Betreuung als Berufsbetreuer zu führen. So wird dem Betreuungsgericht bei der Neubestellung des Betreuers eine umfassende Abwägung ermöglicht, wie sie das Gesetz vorsieht. Diese Abwägung kann dann dazu führen, dass der Betreuer erneut, nunmehr als Berufsbetreuer bestellt wird, jedoch ist dies keineswegs zwingend (a.A. MünchKomm/Wagenitz, BGB, 6. Aufl. 2012, § 1836 Rn. 6: "bloße Förmelei").

Dem steht nicht entgegen, dass eine nachträgliche Feststellung der Berufsmäßigkeit der Betreuung möglich ist, wenn das Betreuungsgericht bei der Bestellung "versäumt" hat, dies festzustellen (vgl. BGH NJW-RR 2006, 145, 148). War vom Betreuungsgericht von vornherein beabsichtigt, den Betreuer als Berufsbetreuer zu bestellen, wird durch eine nachträgliche Feststellung weder der einheitliche Abwägungsprozess beeinträchtigt, noch besteht die oben geschilderte Missbrauchsgefahr. Auch die vom OLG Naumburg (OLG Naumburg, Beschluss vom 09.07.2008, Az.: 4 WF 123/07 = FamRZ 2009, 370; OLG Naumburg, Beschluss vom 26.01.2011, Az.: 2 Wx 17/10 = FamRZ 2011, 1252) entschiedenen Fälle betreffen Sachlagen, bei denen das Gericht einen Berufspfleger bestellen wollte und lediglich die Berufsmäßigkeit nicht ausdrücklich festgestellt hatte.

Unter Anwendung der vorstehenden Grundsätze auf den vorliegenden Fall kommt daher nicht in Betracht, die bestehende ehrenamtliche Betreuung in eine Berufsbetreuung umzuwandeln, ohne dass es darauf ankommt, ob der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die berufsmäßige Führung von Betreuungen erfüllt. Das Betreuungsgericht hat bei der Bestellung des Beschwerdeführers zum Betreuer des Betroffenen im Beschluss vom 12.10.2006 nicht versäumt, die Berufsmäßigkeit der Betreuung festzustellen. Zu jenem Zeitpunkt lagen die Voraussetzungen dazu nicht vor und war dies auch vom Beschwerdeführer nicht gewollt. Im Übrigen kommt eine isolierte Änderung des Bestellungsbeschlusses aus den oben angeführten Rechtsgründen nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Die Rechtsbeschwerde wird gemäß § 70 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 FamFG zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Es ist bislang nicht hinreichend geklärt, ob und unter welchen Voraussetzungen eine ehrenamtliche Betreuung nachträglich in eine Berufsbetreuung umgewandelt werden kann. Diese Problematik kann über den hier entschiedenen Einzelfall hinaus in einer Vielzahl von Fällen auftreten.

Gegenstandswert: 3.000,- € (§§ 131, 30 KostO)

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt, die binnen einer Frist von einem Monat nach Zustellung dieses Beschlusses durch Einreichung einer schriftlichen Beschwerdeschrift beim Bundesgerichtshof eingelegt werden kann. Die Beschwerdeschrift muss den Beschluss bezeichnen, gegen den die Beschwerde eingelegt wird, die Erklärung, dass die Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird und sie muss unterschrieben sein. Die Beschwerde kann nur durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden (§§ 10 Abs. 4, 70, 71 Abs. 1 FamFG).