AG Gummersbach, Urteil vom 06.02.2012 - 19 C 76/11
Fundstelle
openJur 2013, 42149
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrags abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung einer Vergütung aus anwaltlicher Tätigkeit geltend.

Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Unter dem 08. März 2011 rief der Beklagte - nachdem bereits zuvor ein Kontakt mit der Klägerin bestanden, er eine Beratungsgebühr bezahlt, sodann mitgeteilt hatte, "die Angelegenheit solle zunächst ruhen" - bei der Klägerin an. Er teilte mit, es gehe nunmehr um eine Scheidung von seiner Ehefrau. Seine Ehefrau wolle an einem zu vereinbarenden Beratungstermin ebenfalls teilnehmen. Ein Termin wurde für den 10. März 2011 vereinbart. Es fand dann am 10. März 2011 in der Kanzlei der Klägerin ein Beratung durch die Klägerin statt, wobei sich zu Beginn der Beratung herausstellte, dass die Vorstellungen der Beteiligten, d. h. des Beklagten und seiner Ehefrau, höchst unterschiedlich waren. Auf Wunsch des Beklagten wurde das Protokoll des Beratungsgesprächs an beide Eheleute versandt. Unter dem 19. März 2011 bat der Beklagte die Klägerin um ein weiteres Gespräch, welches in der Folgezeit stattfand. Unter dem 25. März 2011 wandte sich der Beklagte erneut an die Kanzlei der Klägerin und bat um eine Beratung in einer unterhaltsrechtlichen Angelegenheit. Am 29. März 2011 meldete sich für die Ehefrau des Beklagten Rechtsanwälte Dr. I., F. und Partner in P. und zeigten an, dass sie die rechtlichen Interessen der Ehefrau des Beklagten verträten. Unter dem 09. April 2011 fand ein weiteres Beratungsgespräch in der Kanzlei der Klägerin statt, in welchem der Beklagte einen von ihm gefertigten Vertragsentwurf betreffend die Klärung diverser familienrechtlichen Angelegenheiten vorlegte. Unter dem 19.04.2011 schrieb die Klägerin die Verfahrensbevollmächtigten der Ehefrau des Beklagten an. In diesem Schreiben heißt es u. a.

"(...)

Es ist richtig, dass die Unterzeichnerin die rechtlichen Interessen des N. C. vertritt. Bereits am 10. März 2011 kamen die Eheleute C. zu der Unterzeichnerin in die Kanzlei zu einem gemeinsamen Beratungsgespräch (Hervorhebung nicht im Original). Im Verlaufe des Gesprächs stellte sich jedoch relativ schnell heraus, dass eine einvernehmliche, gütliche Regelung mit einem Anwalt schwierig sein dürfte.

(...)"

Am selben Tag wurde der Beklagte gebeten, einen Auslagenvorschuss in Höhe von 800,- EUR an die Klägerin zu erbringen. Er kündigte dann unter dem 26. April 2011 das Mandat. Unter dem 26. April 2011 übermittelte die Klägerin dem Beklagten eine "Kostennote" über einen Betrag von 1.811,36 EUR bezogen auf deren konkreten Inhalt auf Blatt 29 der Gerichtsakte Bezug genommen wird. Zahlungen auf diese Kostennote erfolgten in der Folgezeit nicht.

Die Klägerin bestreitet, dass der Beklagte sich mit seiner Ehefrau gemeinsam habe beraten lassen; zu keinem Zeitpunkt habe sie den Beklagen und seine Ehefrau schriftlich beraten. Dazu behauptet sie, vielmehr sei es üblich, dass zu den Gesprächen der Mandant nicht alleine erscheine, sondern fast immer eine weitere Person. Sie meint weiter, dass von Interessenkollision daher beim besten Willen nicht die Rede sein könne. Wenn der Beklagte, welcher sich bei allen übrigen Gesprächen alleine mit ihr - der Klägerin - unterhalten habe, zu einem Gespräch seine Ehefrau hinzugebeten habe, so führe dies noch nicht zu einer gemeinsamen Beratung. Ein Mandatsverhältnis zur Ehefrau des Beklagten habe zu keinem Zeitpunkt bestanden.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.811,36 EUR nebst Zinsen in Höhe von 13,5 Prozent seit dem 16.05.2011 an sie zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er behauptet, er habe sich gemeinsam mit seiner Ehefrau am 10.03.2011 von der Klägerin beraten lassen. Er meint, die gemeinsame Beratung, die erkennbar zu einer Interessenkollision zwischen den Parteien führen müsse, sei nicht zulässig. Dazu behauptet er, es sei zwar von vornherein klargewesen, dass er und seine Ehefrau sich bemüht hätten, eine einvernehmliche Regelung zu finden, dies sei aber keineswegs sicher gewesen, was ja auch die Folgezeit gezeigt habe. Weiter behauptet der Beklagte, die Klägerin habe die offensichtlich auf der Hand liegende Interessenkollision nicht erkannt sondern dann anschließend auch noch beide schriftlich beraten durch "das gemeinsame Schreiben".

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch aus anwaltlichem Geschäftsbesorgungsvertrag zu.

Denn aufgrund des schuldhaften, zumindest fahrlässigen Verstoßes der Klägerin gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen ist gemäß § 134 BGB von einer Nichtigkeit der mit dem Beklagten geschlossenen Vereinbarung auszugehen mit der Folge, dass kein Anspruch der Klägerin gegen diesen auf Zahlung eines anwaltlichen Honorars besteht, wobei bei Nichtigkeit des Anwaltsvertrags wegen Verstoßes gegen § 43a Abs. 4 BRAO auch kein Aufwendungsersatz gemäß § 812 BGB geltend gemacht werden kann (vgl. dazu Kleine-Cosack, BRAO, 5. Auflage 2008, § 43a Rz. 111, Rz. 131, LG Freiburg, Urteil vom 09.06.2009, Aktenzeichen 6 O 86/07).

Dass die Klägerin gegen das Verbot, widerstreitende Interessen zu vertreten, verstoßen hat, folgt dabei vorliegend ohne weiteres aus dem von ihr selbst verfassten Schreiben vom 19.04.2011, in welchem explizit von einer gemeinsamen Beratung des Beklagten und seiner Ehefrau die Rede ist. Bereits in dieser ersten Beratung beider Eheleute hätte die Klägerin als sorgfältige, die Grundpflichten des § 43a BRAO beachtende Rechtsanwältin wegen ihrer zu diesem Zeitpunkt erkennbar gewordenen widerstreitenden Interessen beiden Eheleuten, insbesondere dem Beklagten, gegenüber klar machen müssen, dass sie nicht beide Eheleute vertreten könne. Dass solche objektiven Interessengrundsätze bereits im ersten Gespräch offenbar geworden sind, ergibt sich dabei ebenfalls ohne weiteres aus der Passage des Schreibens der Klägerin vom 19.04.2011, Blatt 23 der Gerichtsakte, in welcher es heißt, dass sich im Verlaufe des Gesprächs relativ schnell herausgestellt habe, dass eine "einvernehmliche gütliche Regelung mit einem Anwalt schwierig sein dürfte", sich mithin das Vorhandensein objektiver Interessengrundsätze als solches zeigte. Zwar ist eine Tätigkeit eines Rechtsanwalts im Einverständnis beider Parteien mit dem Ziel der Vermittlung und Schlichtung - etwa als sog. "Anwaltsmediator" - zulässig, und dass ein "Anwaltsmediator" nicht von einer Partei, sondern von zwei Parteien mit unterschiedlicher Zielvorstellung zur gemeinsamen Beratung und Vermittlung beauftragt wird, führt noch nicht automatisch zur Annahme eines Verstoßes gegen die Vorschrift des § 43a BRAA, denn selbst bei divergierenden Interessen ist die Einschaltung eines gemeinsamen Rechtsanwalts nicht prinzipiell verboten (zu vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 26.04.2001, Aktenzeichen 2 U 1/00), nachdem sich jedoch zeigt, dass eine Vermittlung nicht möglich ist, darf der Rechtsanwalt bzw. die Rechtsanwältin eine Partei in derselben Angelegenheit (und um eine solche handelt es sich vorliegend) nicht weiter beraten und vertreten. Hiergegen hat die Klägerin verstoßen, indem sie den Beklagten auch nach dem vorgenannten gemeinsamen Beratungsgespräch weiter anwaltlich vertrat.

Es war daher - wie erkannt - zu entscheiden, und die Klage musste der Abweisung unterliegen.

Die Nebenentscheidungen fußen auf §§ 91, 708 Nr. 11 ZPO.