Bayerischer VGH, Beschluss vom 16.10.2013 - 22 C 13.1836
Fundstelle
openJur 2013, 41264
  • Rkr:

Prozesskostenhilfe;Anspruch eines Nachbarn auf Einschreiten gegen eine Gaststätte wegen behaupteter Lärmbelästigungen;Keine Prozesskostenhilfe für ein Beschwerdeverfahren wegen Versagung von Prozesskostenhilfe

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt Prozesskostenhilfe für eine Verpflichtungsklage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach, mit welcher der Beklagte zum Einschreiten gegen die benachbarte Gaststätte des Beigeladenen verpflichtet werden soll.

Der Beigeladene führt seit dem Jahr 1995 eine Gaststätte, über die bis zu den Beschwerden des in der Nachbarschaft wohnenden Klägers im Frühjahr 2013 keine negativen Tatsachen aktenkundig geworden sind. Der Kläger fühlt sich durch Unterhaltungen, Gelächter und Gekicher insbesondere der weiblichen Gäste des Beigeladenen in seiner Nachtruhe ab 22.00 Uhr gestört. Auf seine Beschwerden haben die örtlich zuständige Polizeiinspektion und das Landratsamt wie folgt reagiert:

• Beschwerde des Klägers vom 9. Mai 2013 über Vorfälle am 8. Mai 2013 (Behördenakte Bl. 41) – kein Polizeieinsatz – schriftliche Aufforderung des Landratsamts vom 15. Mai 2013 an den Beigeladenen, seine Gäste zu ruhigerem Verhalten anzuhalten; Information an die Polizei mit Schreiben vom 16. Mai 2013.

• Beschwerde des Klägers vom 16. Mai 2013 über Vorfälle am 16. Mai 2013 – kein Polizeieinsatz.

• Beschwerde des Klägers vom 5. Juni 2013 über Vorfälle am 5. Juni 2013 (VGH Akte Bl. 14) – Polizei vor Ort, kein ruhestörender Lärm festgestellt, kein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet.

• Beschwerde des Klägers vom 10. Juli 2013 über einen Vorfall am 10. Juli 2013 (VGH-Akte Bl. 15) – Polizei vor Ort, kein ruhestörender Lärm festgestellt, kein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet.

• Beschwerde des Klägers vom 18./25. Juli 2013 über Vorfälle am 18. Juli 2013 (VGH-Akte Bl. 17, 22) – Polizei vor Ort, keine lauten Geräusche festgestellt, aber Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet – Einstellungsverfügung des Landratsamts vom 12. August 2013 zum Ordnungswidrigkeitenverfahren (VGH-Akte Bl. 16).

• Beschwerde des Klägers vom 26. Juli 2013 über Vorfälle am 26. Juli 2013 (VGH-Akte Bl. 26 ff.) – Polizei vor Ort, Verstoß gegen die zeitliche Beschränkung für den Betrieb des Wirtschaftsgartens (Gäste nach 22.00 Uhr auf der Terrasse festgestellt), Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet – gebührenfreie Verwarnung des Landratsamts vom 22. August 2013 an den Beigeladenen (VGH-Akte Bl. 24).

Bereits am 17. Mai 2013 hat der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach erhoben, gerichtet auf unverzügliches Tätigwerden des Beklagten zur Beseitigung der Lärmbelästigung und Ruhestörung durch die Gäste des Cafés, auf Verhängung und Vollstreckung eines Ordnungsgeldes, notfalls auf Untersagung der Benutzung des Gartens zum Verzehr und zum Rauchen sowie für den Fall der Erfolglosigkeit eines Ordnungsgelds auf unverzügliche Anordnung der Schließung der Betriebsstätte. Zur Begründung bezog sich der Kläger auf einen Vorfall am 8. Mai 2013, als er wiederholt aus dem Schlaf gerissen worden sei, da eine kleine Gruppe von vier Damen es vorgezogen habe, nach dem Verlassen der Gaststätte des Beigeladenen sich noch an einer Brücke lautstark zu unterhalten und zu kichern. Als er sich gegen 23.05 Uhr bei den Damen über das ungebührliche Verhalten beschwert habe, sei er noch angepöbelt worden. Auf seinen Antrag auf Einschreiten vom 9. Mai 2013 an das Landratsamt sei nicht reagiert worden. Vielmehr sei es am 16. Mai 2013 erneut zu einer Lärmbelästigung und Ruhestörung gekommen, als fünf Frauen gegen 22.10 Uhr gelacht und gekichert hätten.

Den darüber hinaus gestellten Antrag des Klägers auf Prozesskostenhilfe hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 13. August 2013 abgelehnt. Der Klage fehle die hinreichende Erfolgsaussicht, denn nach dem bisherigen Sachstand sei weder das hier zuständige Landratsamt auf die Beschwerden des Klägers hin untätig geblieben, noch sei derzeit ein Anspruch des Klägers auf ein weitergehendes Handeln des Landratsamts in dieser Angelegenheit ersichtlich.

Der Kläger hat gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt. Die Versagung der Prozesskostenhilfe verletze seine Grundrechte. Die Ablehnung des Prozesskostenhilfegesuchs im Vorfeld bedeute eine Voreingenommenheit, Befangenheit und „Vorverurteilung“ des Gerichts, so dass von einem fairen Verfahren nicht mehr die Rede sein könne.

Außerdem hat der Kläger beantragt, ihm für dieses Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, denn das Landratsamt sei auf die Beschwerden des Klägers hin tätig geworden.

Der Beigeladene führt aus, er wirke bei Terrassenbetrieb darauf hin, dass sich um 22.00 Uhr noch anwesende Gäste in das Innere des Lokales begeben würden. Es handele sich fast ausschließlich um Stamm- oder wiederkehrende Gäste, die beim Verlassen des Lokals darauf hingewiesen würden, sich ruhig zu verhalten. Die Gäste, überwiegend Angehörige der mittleren bis älteren Generation, beherzigten dies auch. Wenn sie sich dann auf dem Weg zum Pkw oder auf dem Heimweg noch unterhielten oder verabschiedeten, könne der Beigeladene keinen weitergehenden Einfluss nehmen als bisher und sie um ruhiges Verhalten bitten. Außer dem Kläger habe sich von der Nachbarschaft noch nie jemand beschwert; in den vergangenen Jahren habe bestes Einvernehmen mit der Nachbarschaft geherrscht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten.

II.

Die Beschwerde ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht, weil seine Klage voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO).

Nach derzeitigem Sachstand hat der Kläger keinen Anspruch auf Ordnungsmaßnahmen, auf Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung, um bereits geltende Auflagen durchzusetzen, oder auf Erteilung weiterer nachbarschützender Auflagen nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG oder gar auf Widerruf der gaststättenrechtlichen Erlaubnis des Beigeladenen nach § 15 Abs. 2 GastG.

Der Gaststättenbehörde steht zwar ein breites gaststättenrechtliches und ordnungswidrigkeitenrechtliches Instrumentarium zur Verfügung, um etwaige Verstöße zu sanktionieren und künftige Verstöße zu unterbinden. Ob Lärmeinwirkungen für die Bewohner der Nachbargrundstücke das zumutbare Maß überschreiten, bestimmt sich aber nicht nach der Einstellung eines besonders empfindlichen Dritten, sondern nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen (vgl. BVerwG, U.v. 7.5.1996 – 1 C 10.95BVerwGE 101, 157/161 f.; BVerwG, B.v. 18.5.2009 – 8 B 13.09 – juris Rn. 4 f.). Der Kläger darf daher nicht unter Verweis auf seine besondere Lärmempfindlichkeit jede Lebensäußerung anderer Menschen als Ruhestörung werten, zumal die Betriebszeit im Wirtschaftsgarten der Gaststätte des Beigeladenen bereits um 22.00 Uhr endet und in den Innenräumen um 23.00 Uhr.

Zwar ist einer Gaststätte nicht nur der Lärm zuzurechnen, der durch den eigentlichen Gaststättenbetrieb entsteht, sondern auch sonstiger der Gaststätte zurechenbarer Lärm, wie jener durch Gäste auf dem Weg zu und von der Gaststätte (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG). Aber vorliegend sind – bisher – keine so häufigen oder so schwerwiegenden Ruhestörungen aktenkundig geworden, dass insofern derzeit behördliche Maßnahmen beansprucht werden könnten. Im Gegenteil haben die polizeilichen Ermittlungen auf die Beschwerden des Klägers vom 5. Juni 2013, vom 10. Juli 2013 und vom 18. Juli 2013 nicht zur Feststellung ruhestörenden Lärms geführt. Der einzige aktenkundige Verstoß des Beigeladenen gegen die Betriebszeitenregelung am 26. Juli 2013 wurde vom Landratsamt mit einer gebührenfreien Verwarnung geahndet. Dies ist zwar eine Maßnahme von geringer Intensität, aber bisher sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass sie nicht ausgereicht hätte, um das geltende Recht gegenüber dem Beigeladenen durchzusetzen.

III.

Der Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wegen Versagung von Prozesskostenhilfe ist unstatthaft, da für ein Prozesskostenhilfeverfahren und ein sich hierauf beziehendes Beschwerdeverfahren keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann. Sinn und Zweck der Prozesskostenhilfe ist es, einer bedürftigen Partei die gerichtliche Durchsetzung bzw. Verteidigung eines materiell-rechtlichen Anspruchs zu ermöglichen. Unter „Prozessführung“ i.S.v. § 114 Satz 1 ZPO i.V.m. § 166 VwGO ist deshalb nur das eigentliche Streitverfahren, nicht aber das Verfahren zu verstehen, in dem die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe geprüft werden (vgl. VGH BW, B.v. 30.3.2010 – 6 S 2429/09 – juris Rn. 12 m.w.N.; BayVGH, B.v. 20.9.2013 – 22 C 13.1970 – Rn. 3).

Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.

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