AG Neuss, Beschluss vom 31.05.2012 - 51 F 10/12
Fundstelle
openJur 2013, 41033
  • Rkr:

Keine Anwendbarkeit von § 33 Abs. 1 VersAusglG auf durch Vergleich abgefundene Unterhaltsansprüche

Tenor

1. Der Antrag wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Aussetzung einer durch den Versorgungsausgleich bedingten Kürzung der Rente des Antragstellers bei der Antragsgegnerin zu 2) nach § 33 VersAusglG.

Der Antragsteller und die Antragsgegnerin zu 1) waren verheiratet. Die Ehe wurde durch Urteil des Amtsgerichts Neuss vom 01.09.2009, Aktenzeichen 51 F 12/07, rechtskräftig geschieden. Der zugleich nach dem bis zum 31.08.2009 geltenden Recht durchgeführte Versorgungsausgleich bestimmte:

"Vom Versicherungskonto Nr. 0 des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung Bund werden auf das Versicherungskonto Nr. 0 der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Rheinland Rentenanwartschaften von monatlich 510,71 EUR, bezogen auf den 31.01.2007, übertragen." Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Anlage F1, Bl. 6 d.A., Bezug genommen.

Dem Scheidungsausspruch unmittelbar vorausgegangen war ein Vergleich der Beteiligten in der Sitzung am 01.09.2009. Hierdurch wurde u.a. die Folgesache nachehelicher Unterhalt, mit welcher die Antragsgegnerin zu 1) eine nacheheliche Unterhaltsrente in Höhe von 1.600,50 EUR monatlich gefordert hatte, und die Folgesache Zugewinn beendet. Der Vergleich lautet in Ziff. 1. wie folgt (vgl. Protokoll der Sitzung vom 01.09.2009, Anlage F 2 zur Antragsschrift vom 13.01.2012, Bl. 10 ff., hier Bl. 11 d.A.):

"1. Der Antragsteller verpflichtet sich, zum Ausgleich des nachehelichen Unterhalts, sowie zur Übertragung des Miteigentumsanteils der Antragsgegnerin an ihn an der Immobilie N in K - Grundbuch von K - an die Antragsgegnerin insgesamt einen Betrag von 115.000,00 EUR zu zahlen. Die Zahlung ist fällig zum 31. Oktober 2009."

Seit dem 01.06.2011 bezieht der am 00.00.0000 geborene Antragsteller von der Antragsgegnerin zu 2) Rente wegen voller Erwerbsminderung. Diese beträgt ab 01.01.2012 (1.169,45 EUR abzüglich 95,89 EUR Krankenversicherungs- und 22,80 EUR Pflegeversicherungsbeitrag = ) 1.050,76 EUR. Aufgrund des Versorgungsausgleichs ist die Rente um monatlich 510,71 EUR oder 19,5450 Entgeltpunkte gekürzt worden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Anlage F 3 zum Schriftsatz vom 13.01.2012, Bl. 13 ff. d.A., Bezug genommen. Neben seinen Renteneinkünften verfügt der Antragsteller über Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von monatlich 1.807,00 EUR.

Die am 00.00.0000 geborene Antragsgegnerin zu 1) bezieht gegenwärtig keine Versorgung aus dem durchgeführten Versorgungsausgleich. Der Antragsteller zahlt an die Antragsgegnerin zu 1) gegenwärtig keinen Unterhalt.

Der Antragsteller ist der Auffassung, die Antragsgegnerin zu 1) hätte ohne Abfindung und ohne Kürzung durch den Versorgungsausgleich einen Unterhaltsanspruch gegen ihn in Höhe von monatlich 1.348,92 EUR. Deshalb sei die Kürzung der laufenden Versorgung auszusetzen. Wie der Abfindungsbetrag von 115.000,00 EUR zustande gekommen sei, sei heute nicht mehr nachvollziehbar; eine konkrete Aufteilung des Abfindungsbetrages sei nicht erfolgt.

Mit seinem am 16.01.2012 bei Gericht eingegangenen Antrag beantragt der Antragsteller,

die durch Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 03.11.2011 aufgrund des Urteils des Amtsgerichts Neuss, Familiengericht vom 01.09.2009, Aktenzeichen 51 F 12/07 vorgenommene Kürzung der Rente des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Versicherungsnummer 0) in Höhe von monatlich 510,71 EUR wird ausgesetzt.

Die Antragsgegnerin zu 1) beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin zu 1) ist der Auffassung, § 33 VersAusglG finde vorliegend keine Anwendung. In dem am 01.09.2009 abgeschlossenen Vergleich seien lediglich Zugewinnausgleichsansprüche geregelt worden; eine weitergehende Regelung, insbesondere über den Unterhalt sei nicht getroffen worden.

Die Antragsgegnerin zu 2) hat keine eigenen Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten und zu den Gerichtsakten genommenen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Akte des Amtsgerichts Neuss, Aktenzeichen 51 F 12/07, war zu Informationszwecken beigezogen.

II.

Der Antrag hat keinen Erfolg.

Die Entscheidung über den Antrag des Antragstellers richtet sich nach den §§ 33, 34 VersAusglG. Diese regeln die Anpassung rechtskräftiger Entscheidungen über den Versorgungsausgleich bei Unterhaltsansprüchen. Die Vorschriften dienen im Wesentlichen dazu, verfassungswidrige Härten zu vermeiden, die dadurch entstehen können, dass ein Ehegatte aus den im Versorgungsausgleich erworbenen Anrechten (noch) keine Leistungen bezieht, obwohl gleichzeitig sein Unterhaltsanspruch wegen der Kürzung der Versorgung des anderen Ehegatten wegfällt (vgl. Breuers, in: jurisPK-BGB Band 4, 5. Aufl. 2010, § 33 Rdn. 1; OLG Hamm, Beschl. vom 08.10.2010, 5 UF 20/10, FamRZ 2011, 815 ff., zit. nach juris, Rdn. 20).

Das zum 01.09.2009 in Kraft getretene Versorgungsausgleichsgesetz findet auf den Streitfall Anwendung, da die Antragstellung erst im Januar 2012 erfolgte und das bis zum 31.08.2009 geltende Recht nach der Übergangsvorschrift des § 49 VersAusglG auf Anträge, die auf einen zeitlich begrenzten Wegfall der Kürzung der Versorgung i.S. des § 5 VAHRG a.F. gerichtet sind, nur noch dann anzuwenden ist, wenn sie vor dem 01.09.2009 eingegangen sind.

In der Sache selbst hat der Antrag jedoch keinen Erfolg. Denn die Voraussetzungen für die Anpassung liegen nach § 33 VersAusglG nur teilweise vor:

Gem. § 33 Abs. 1 VersAusglG wird die Kürzung der laufenden Versorgung der ausgleichspflichtigen Person auf Antrag ausgesetzt, solange die ausgleichsberechtigte Person aus einem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht keine laufende Versorgung erhalten kann und sie gegen die ausgleichspflichtige Person ohne die Kürzung durch den Versorgungsausgleich einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch hätte.

Zwar erhält der Antragsteller bereits eine laufende Rente aus einem nach § 32 Nr. 1 VersAusglG anpassungsfähigen Anrecht, welches aufgrund des durchgeführten Versorgungsausgleichs gekürzt worden ist. Auch bezieht die ausgleichsberechtigte Antragsgegnerin zu 1) mangels Erreichen des Renteneintrittsalters noch keine Altersversorgung. § 33 VersAusglG setzt jedoch weiter voraus, dass die ausgleichsberechtigte Person bei ungekürzter Versorgung einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch gegen den Antragsteller hätte oder anders ausgedrückt, dass die Kürzung der Rente Einfluss auf den Unterhalt hat (vgl. Gutdeutsch, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar, BGB, § 33 VersAusglG, Rdn. 3 [Stand: 01.05.2012]). Dies im Streitfall anzunehmen, ist angesichts des Vergleichs vom 01.09.2009, mit welchem nacheheliche Unterhaltsansprüche der Antragsgegnerin endgültig abgefunden wurden, problematisch. Ob abgefundene Unterhaltsansprüche die Anwendbarkeit von § 33 VersAusglG ausschließen, wird in der Kommentarliteratur zu § 33 VersAusglG indes nicht einheitlich beantwortet. Obergerichtliche Entscheidungen zu dieser Fragestellung auf der Grundlage des seit dem 01.09.2009 geltenden Rechts sind dem Gericht bislang nicht bekannt geworden. Nach Meinung von Gutdeutsch und Breuers schließen abgefundene Unterhaltsansprüche die Anwendbarkeit von § 33 VersAusglG aus (vgl. Breuers, in: jurisPK-BGB Band 4, 5. Aufl. 2010, § 33 Rdn. 24 mwN., insbesondere auf Gutdeutsch, FamRB 2010, 149 ff.; s. auch Gutdeutsch, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar, BGB, § 33 VersAusglG, Rdn. 3 [Stand: 01.05.2012]). Nach anderer Ansicht ist auch nach neuem Recht bei abgefundenen Unterhaltsansprüchen das Unterhaltsprivileg zu gewähren (vgl. mit unterschiedlicher Begründung Gräper, in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2010, § 33 VersAusglG, Rdn. 11; s. auch Brudermüller in Palandt, BGB, 71. Aufl. 2012, § 33 VersAusglG, Rdn. 3: § 33 Abs. 1 VersAusglG finde solange Anwendung, wie der Verpflichtete dem Berechtigten ohne die Abfindung laufenden gesetzlichen Unterhalt zu leisten hätte; wohl auch Borth, Versorgungsausgleich, 5. Aufl. 2010, Rdn. 877 und Ruland, Versorgungsausgleich, 2. Aufl. 2009, Rdn. 881). Das Gericht schließt sich im Streitfall der erstgenannten Auffassung an. Die Auffassung überzeugt, da § 33 VersAusglG verlangt, dass die Kürzung Einfluss auf den Unterhalt hat. Gutdeutsch weist insoweit zu Recht daraufhin, dass der Zweck des Unterhaltsprivilegs verfehlt würde, wenn die Aussetzung der Kürzung - wie hier - nur dem Ausgleichspflichtigen (hier dem Antragsteller) nutzen würde. Dies berücksichtigt die andere Auffassung, die im Anschluss an die frühere Rechtsprechung daran festhält, dass § 33 VersAusglG auch die Fälle abgefundener Unterhaltsansprüche erfasse, nicht. Die erstgenannte Auffassung kann jedoch zu Recht darauf verweisen, dass das Unterhaltsprivileg nach neuem Recht nach dem Willen des Gesetzgebers mehrfach eingeschränkt worden ist (vgl. BT-Drucks. 16/10144, S. 72). Das Gesetz will nicht mehr jede Härte für den ausgleichspflichtigen Ehepartner beseitigen, sondern diese nur auf ein erträgliches Maß vermindern (vgl. Gutdeutsch, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar, BGB, § 33 VersAusglG, Rdn. 3 [Stand: 01.05.2012]). Daher lässt sich die frühere Rechtsprechung nicht mehr unbesehen auf die gegenwärtige Gesetzeslage übertragen.

Im Streitfall sind etwaige Unterhaltsansprüche der Antragsgegnerin zu 1) durch den am 01.09.2009 abgeschlossenen Vergleich endgültig abgefunden worden. Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Wortlaut des am 01.09.2009 abgeschlossenen Vergleichs. Darin verpflichtete sich der Antragsteller u.a. "zum Ausgleich des nachehelichen Unterhalts" einen Betrag von 115.000,00 EUR an die Antragsgegnerin zu 1) zu zahlen.

Das Gericht weist im Übrigen darauf hin, dass diskutiert wird, ob weitere Voraussetzung für die Anpassung des Versorgungsausgleichs ist, dass der Ausgleichspflichtige den Unterhalt tatsächlich zahlt (Breuers, in: jurisPK-BGB Band 4, 5. Aufl. 2010, § 33 Rdn. 31). Auch daran fehlt es hier.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG.