OLG Schleswig, Beschluss vom 28.08.2013 - 5 U 76/13
Fundstelle
openJur 2013, 38947
  • Rkr:

Eine Bank hat den Anleger ungefragt über die Höhe der internen Vertriebskosten aufzuklären, wenn diese 15% des einzuwerbenden Kommanditkapitals überschreiten.

Tenor

I. Die Beklagte wird gemäß § 522 Abs. 2 ZPO darauf hingewiesen, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg bietet, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Der Senat beabsichtigt deshalb, die Berufung aus den nachfolgenden Gründen ohne mündliche Verhandlung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

II. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen, sofern die Berufung nicht aus Kostengründen innerhalb der genannten Frist zurückgenommen werden sollte.

III. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für den zweiten Rechtszug auf 9.573,06 € festzusetzen.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die beklagte Bank auf Schadenersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Schiffsfondsbeteiligung in Anspruch.

Am 3. August 2006 kam es zwischen dem Kläger, seiner Ehefrau, der Zeugin P., und dem zuständigen Berater der Beklagten, dem Zeugen R. zu einem Anlagegespräch. Dem Kläger wurde die Beteiligung an einem Schiffsfonds der "MS Santa-B-Schiffe mbH & Co. KG" erläutert. Am Ende des Gesprächs unterzeichnete der Kläger einen entsprechenden Beitritt zu der vorgenannten Gesellschaft mit einem Betrag über 10.000,00 €. Das formularvertraglich vorgesehene Agio von 5 % wurde gestrichen und handschriftlich durch "0 %" ersetzt. Die Beitrittserklärung enthält auch eine gesondert zu unterschreibende Empfangsquittung, wonach der Anleger bestätigt, u. a. den Emissionsprospekt (Stand 28.02.2006) einschließlich entsprechender Anlagen erhalten sowie vor der Unterzeichnung ausreichend Zeit gehabt zu haben, die wesentlichen Verträge und insbesondere auch die Risikohinweise zu lesen. Ferner unterschrieb der Kläger am 3. August 2006 eine sog. "Erklärung zum Verkaufsgespräch Geschlossene Fonds". Darin wird formularvertraglich u.a. bestätigt, dass der Kläger mit seiner Unterschrift folgende Umstände zur Kenntnis genommen hat:

- die Beklagte nur als Vermittlerin geschlossener Fonds tätig geworden ist und dafür eine Provision erhalten hat

- die prozentuale Gewichtung geschlossener Fonds möglichst 10 bis 15 % des Gesamtvermögens nicht überschreiten sollte

- der aktuelle Prospekt zum Beteiligungsangebot für den geschlossenen Fonds übergeben wurde …

- die Risiken dieser Beteiligung umfassend erläutert wurden und die entsprechenden Informationen der Fondsgesellschaft in Form des Risikoprofils ausgehändigt worden sind.

Der Kläger zahlte für die Anlage 10.000,00 € und erhielt Ausschüttungen in Höhe von 426,94 €.

Für die Eigenkapitalbeschaffung des Fonds MPC "Offen Flotte" fielen 26,4 % des beschafften Kommanditkapitals an. Nach dem prognostizierten Investitions- und Finanzplan (vgl. S. 78 des Emissionsprospekts, Stand 28.02.2006) sollte insgesamt ein Eigenkapital von 197.270.000,00 € (= 35,08 % der Gesamtinvestition) aufgebracht werden, die restlichen 64,92 % (= 365.150.000,00 €) sollten durch Hypothekendarlehen fremdfinanziert werden. Das Eigenkapital (197.270.000,00 €) sollte zu 20.125.000,00 € vom Reeder K., zu jeweils 70.000,00 € von der Firma M. und der Firma T. GmbH und in Höhe restlicher 177.005.000,00 € durch einzuwerbendes Kommanditkapital aufgebracht werden. Für die Einwerbung des Kommanditkapitals (177.005.000,00 €) wurden – ausweislich des Prospekts (Seite 78) - Kapitalbeschaffungskosten in Höhe von 39.450.000,00 € sowie zusätzlich die gesamten Agioeinnahmen (= 5 % des einzuwerbenden Kommanditkapitals, insgesamt 9.863.500,00 €) einkalkuliert, mithin insgesamt 49.313.500,00 €. Dies entspricht einer Quote von 26,4 % des einzuwerbenden Eigenkapitals (186.868.500 = 177.005.000 + 9.863.500 €).

Die weiteren Einzelheiten ergeben sich aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils. Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 9.573,06 € nebst 2 % Zinsen seit dem 3. September 2007 bis 19. Juni 2012 sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20. Juni 2012 zu zahlen Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte an der Beteiligung an der MS „Santa-B-Schiffe“ mbH & Co. KG mit einem Zeichnungsbetrag in Höhe von 10.000,00 €. Wegen der weitergehenden Zinsen hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie ist der Auffassung, dass bereits der Tatbestand des angefochtenen Urteils unrichtig sei, weil der Kläger nie beanstandet haben soll, dass allein für die Eigenkapitalbeschaffung 26,4 % des einzuwerbenden Kapitals einkalkuliert wurden. Der Kläger habe lediglich mit Schriftsatz vom 11. Februar 2013 vorgetragen, dass die Quote der sog. weichen Kosten bezogen auf das Eigenkapital „in einer Größenordnung von ca. 26 %“ liege. Im Übrigen vermenge das Landgericht die Begriffe Eigenkapital, Beschaffungskosten und Provisionen. Die Schwelle von 15 % werde hier nicht erreicht, weil es maßgeblich auf das Verhältnis der Kosten der Eigenkapitalbeschaffung zu den Gesamtinvestitionskosten und nicht lediglich zu dem Beteiligungskapital ankomme. Um die Rentierlichkeit einer Fondsanlage beurteilen zu können, müssten die Eigenkapitalbeschaffungskosten nicht in ein Verhältnis zum Eigenkapital, sondern zu dem gesamten aufgewendeten Investitionskapital (d.h. einschließlich Fremdkapital) gesetzt werden. Im Übrigen sei der Kläger mit dem rechtzeitig übergebenen Emissionsprospekt zutreffend über die Höhe der Provisionen aufgeklärt worden. Den Erhalt des Prospekts habe der Kläger schriftlich bestätigt. Die geltend gemachten Ansprüche seien darüber hinaus verjährt.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Die finanzierenden Banken hätten als Sicherheit erstrangige Schiffshypotheken über 120 % der ausgereichten Darlehen erhalten sowie zusätzlich die Abtretung sämtlicher Ansprüche aus Kauf- und Charterverträgen. Die Schiffe der MS Santa-B seien zwischenzeitlich alle veräußert worden und die entsprechenden Verwertungserlöse hätten die finanzierenden Banken erhalten. Die Anleger hätten einen Verlust von 100 % erleiden müssen. Das Emissionsprospekt sei nicht ausgehändigt worden. Die Ansprüche seien auch nicht verjährt. Eine grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers im Hinblick auf Rückvergütungen und die Höhe der Eigenkapitalbeschaffungskosten läge nicht vor.

II.

Die Berufung hat im Sinne von § 522 Abs. 2 ZPO offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen. Die Ausführungen der Beklagten aus der Berufungsbegründung vom 6. August 2013 rechtfertigen keine andere Entscheidung. Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:

1. Nach dem Inhalt des angefochtenen Urteils ist unstreitig, dass allein für die Beschaffung des einzuwerbenden Kommanditkapitals (186.868.500,00 €) Kosten in Höhe von 26,4 %, mithin insgesamt 49.313.500,00 € angefallen sind. An diese Feststellungen ist der Senat gemäß § 318 ZPO gebunden. Eine Berichtigung des Tatbestandes nach § 320 ZPO hat die Beklagte nicht beantragt.

2. Die Beklagte war im Rahmen des Gesprächs am 3. August 2006 verpflichtet, den Kläger im Wege einer objektgerechten Beratung ungefragt über die Höhe der internen Vertriebskosten aufzuklären. Nach der grundlegenden Entscheidung des BGH vom 12. Februar 2004 (III ZR 359/02, WM 2004, 631-635; btr. die Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds) muss der Anleger über (interne) Vertriebskosten, die der Kapitalanlage nicht zugutekommen, jedenfalls dann generell unterrichtet werden, wenn dieser „Abfluss“ 15 % überschreitet, denn der Verbraucher müsse nicht ohne weiteres mit internen Vertriebskosten in dieser Größenordnung rechnen.

Bei diesem Schwellenwert von 15 % kommt es auf die Relation zwischen Vertriebskosten und Beteiligungssumme an. Dies hat der BGH inzwischen mehrfach entschieden (vgl. BGH, Urteil vom 03.03.2011, III ZR 170/10, WM 2011, 640-642, zitiert auch in juris, Rn. 22; BGH, Urteil vom 18.04.2013, III ZR 252/12, BKR 2013, 288-290, zitiert auch in juris, Rn. 15 m.w.N.).

Hintergrund dieser Rechtsprechung ist der Umstand, dass der Anlageberater/-vermittler oder diejenigen, die sich eines Emissionsprospekts zum Vertrieb bedienen, im Rahmen ihrer vertraglich geschuldeten Auskunftserteilung sämtliche für die Anlageentscheidung bedeutsamen Umstände wahrheitsgemäß und vollständig darstellen müssen. Die zur Akquisition verwendeten Prospekte sind naturgemäß allgemein dahin ausgerichtet, die angebotenen Anlagen als (besonders) werthaltig und rentabel herauszustellen. Sie erwecken regelmäßig den Anschein, dass der Preis der Anlage jedenfalls in einem angemessenen Verhältnis zu dem vom Veräußerer für sie erbrachten sachlichen Leistungen steht. Das schließt nach dem nächstliegenden Verständnis durchschnittlicher Verbraucher normalerweise zugleich die Vorstellung aus, in dem „Gesamtaufwand“ (Preis) könnten so außergewöhnliche Gewinnspannen für den Veräußerer oder Vergütungen für den Vertreiber stecken, die die Werthaltigkeit und Rentabilität der Anlage von vornherein in Frage stellen könnten (vgl. BGH, Urteil vom 12.02.2004, a.a.O., zitiert in juris, Rn. 36). Je niedriger das für die Investition zur Verfügung stehende Eigenkapital ist, umso höher sind naturgemäß die Kosten für die Beschaffung des notwendigen Fremdkapitals. Diese Kosten mindern den Ertrag der Gesamtinvestition und können sich damit auch nachteilig auf die Rendite auswirken. Deshalb ist es zum Schutz des Anlegers gerechtfertigt, bei der Berechnung des Schwellenwerts die Höhe der Vertriebskosten in Relation zu dem einzuwerbenden Kommanditkapital und nicht zu den Gesamtinvestitionskosten zu setzen.

Selbst wenn man berücksichtigt, dass der Kläger hier tatsächlich kein Agio gezahlt hat und dies für alle Anleger unterstellt, ergäbe sich dann immer noch eine Eigenkapitalbeschaffungskostenquote von mehr als 22 % (= 39.450.000,00 € in Relation zu den eingeworbenen Kommanditkapital von 177.005.000,00 €).

3. Die Beklagte hat den Kläger über die Höhe der internen Kapitalbeschaffungs-/Vertriebskosten wegen des einzuwerbenden Kommanditkapitals nicht ordnungsgemäß aufgeklärt und damit ihre Pflicht zur objektgerechten Anlageberatung verletzt.

Grundsätzlich kann die Aufklärung auch in schriftlicher Form durch Übergabe des Emissionsprospekts erfolgen, sofern das Prospektmaterial hinsichtlich Form und Inhalt geeignet ist, die notwendigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln und der Prospekt dem Anlageinteressenten so rechtzeitig vor dem Vertragsschluss übergeben wird, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen werden kann (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 28.02.2011, 5 U 112/10, zitiert auch in juris, Rn. 12). Dabei trägt der Anleger die Darlegungs- und Beweislast für die fehlende oder nicht rechtzeitige Übergabe des Emissionsprospekts. Allerdings obliegt es zunächst der beklagten Bank, im Wege ihrer sekundären Darlegungslast zu erklären, wann, in welcher Form und in welchem Umfang Prospekte an den anlageinteressierten Kunden ausgehändigt worden sind. Soweit der Anleger bereits im Zeichnungsschein eine „Empfangsbestätigung“ für die Aushändigung des Prospekts unterzeichnet hat, steht allein dieser Umstand einer Beweisaufnahme zur streitigen (rechtzeitigen) Prospektübergabe nicht entgegen. Eine solche „Empfangsbestätigung“ besagt nämlich zum einen nichts Näheres über die Rechtzeitigkeit der Prospektübergabe und nimmt den Anleger zum anderen nicht die Möglichkeit, das Gegenteil zu beweisen (BGH, Urteil vom 06.12.2012, WM 2013, 68, 69, zitiert auch in juris Rn. 17).

Hier hat der Kläger durch seine Unterschrift auf dem Zeichnungsschein sowie unter die Erklärung zum Verkaufsgespräch zwar bestätigt, dass ihm der aktuelle Prospekt übergeben worden ist. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht jedoch fest, dass der Emissionsprospekt erst später zugeschickt werden sollte. Die Zeugin P. hat nämlich den Vortrag des Klägers bestätigt, dass der Emissionsprospekt jedenfalls nicht am Tage der Zeichnung (3. August 2006) übergeben worden ist, sondern erst noch zugeschickt werden sollte. Das Landgericht hat der Zeugin geglaubt. Der zuständige Anlageberater, der Zeuge R., konnte sich hingegen nicht mehr konkret daran erinnern, ob der Prospekt tatsächlich bereits während des Beratungsgesprächs am 3. August 2006 übergeben worden ist.

Nach den Bekundungen der Zeugin P. dauerte das Beratungsgespräch „vielleicht 30 Minuten“, nach Bekundungen des Zeugen R. habe man „mit 45 Minuten für solch ein Gespräch rechnen müssen“. In dieser kurzen Zeit ist es jedoch unmöglich, einen mehr als 81 Seiten langen Emissionsprospekt zu lesen und noch während des laufenden Verkaufsgesprächs zur Kenntnis zu nehmen. Der Kläger hat damit bewiesen, dass die behauptete schriftliche Aufklärung über die Höhe der internen Vertriebskosten nicht ordnungsgemäß erfolgt ist.

4. Der Anspruch ist auch nicht gemäß §§ 195, 199 BGB verjährt. Grobe Fahrlässigkeit im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegt nicht vor. Der Umstand, dass der Kläger die sog. Erklärung zum Verkaufsgespräch unterzeichnet und damit formularmäßig eine entsprechende Kenntnis des Umstands bestätigt hat, dass die Beklagte als Vermittlerin eine Provision erhalte, begründet noch nicht die für den Verjährungsbeginn erforderliche grob fahrlässige Unkenntnis. Vielmehr war die Beklagte gehalten, generell und ungefragt ihre Anleger über den Umstand aufzuklären, dass hier die internen Vertriebskosten (die der Kapitalanlage des Anlegers nicht zugutekommen), den Schwellenwert von 15 % überschreiten. Eine Verpflichtung des Anlegers, den erst nach der Zeichnung übersandten Emissionsprospekt zeitnah zu studieren, gibt es nicht.

Nach alledem hat die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.