BGH, Urteil vom 25.04.2001 - XII ZR 263/98
Fundstelle
openJur 2010, 7328
  • Rkr:
Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats und Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 11. August 1998 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Durch schriftlichen Mietvertrag vom 7. März 1994 vermietete die Klägerin dem Beklagten Verkaufs- und Lagerräume in der S.straße 27 in E. für die Zeit vom 1. Juni 1994 bis 31. Mai 2004 (mit Verlängerungsklausel) "zum Betrieb eines Kindergeschäfts (Verkauf)". Von Beginn des Mietverhältnisses an gab es Streitigkeiten zwischen den Parteien. Diese führten dazu, daß die Klägerin zwischen dem 20. März 1995 und dem 2. April 1996 insgesamt 14 fristlose Kündigungen aussprach. Mit Schreiben vom 20. März 1995 erklärte sie die -erste -fristlose Kündigung des Mietvertrages mit der Aufforderung an den Beklagten, das Mietobjekt spätestens zum 10. April 1995 an sie herauszugeben. Mit Schreiben vom 7. April 1995 führte sie aus, sie halte die bestehende fristlose Kündigung vom 20. März 1995 aufrecht und kündige "hiermit nochmals ausdrücklich fristlos" aus weiteren Gründen; ansonsten verweise sie auf die fristlose Kündigung vom 20. März 1995. Unter dem 13. April, dem 18. April, dem 26. April, dem 5. Mai, dem 15. Mai, dem 29. Mai, dem 19. Juni, dem 21. Juni, dem 13. Oktober und dem 21. November 1995 sowie dem 16. Januar und 2. April 1996 sprach die Klägerin in entsprechender Weise erneut, jeweils unter ausdrücklicher Aufrechterhaltung aller bisherigen Kündigungen, aus weiteren Gründen eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses aus.

Im April 1995 erhob die Klägerin Räumungsklage gegen den Beklagten, gestützt auf ihre Kündigungen vom 20. März, 7. April, 13. April, 18. April und 26. April 1995. Im Verlauf des Verfahrens erweiterte sie ihr Vorbringen um die zur Begründung der jeweils nachfolgenden Kündigungen geltend gemachten Vorgänge. Das Landgericht erhob Beweis über die in dem Kündigungsschreiben vom 15. Mai 1995 enthaltenen Vorwürfe gegenüber dem Beklagten und verurteilte diesen sodann aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme antragsgemäß zur Räumung und Herausgabe der Mieträume. Während des Berufungsverfahrens gegen dieses Urteil räumte der Beklagte, der mit Schreiben vom 11. Januar 1996 das Mietverhältnis seinerseits - zum 30. April 1996 -gekündigt hatte, das Mietobjekt und zog aus. Daraufhin stellte das Oberlandesgericht fest, daß der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt sei.

Im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin im September 1996 die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 82.188,18 DM nebst Zinsen als Mietausfallschaden für den Zeitraum vom April 1996 bis einschließlich September 1996 sowie zur Beseitigung von Mängeln des Mietobjekts begehrt. In der Folgezeit hat sie ihr Begehren jeweils um weitere Mietausfallbeträge ergänzt, weil die Mieträume noch nicht hätten weitervermietet werden können. Mit Schriftsatz vom 16. Januar 1997 hat sie die Klage erweitert um den Antrag festzustellen, daß das Mietverhältnis "durch fristlose Kündigung der Klägerin vom 15. Mai 1995 wirksam beendet wurde".

Inzwischen hatte der Beklagte seinerseits im Oktober 1996 gegen die Klägerin Schadensersatzklage sowie Klage auf Feststellung erhoben, daß seine Kündigung vom 11. Januar 1996 das Mietverhältnis beendet habe.

Das Landgericht hat beide Verfahren zum Zweck der Durchführung einer Beweisaufnahme verbunden und nach Durchführung der Beweiserhebung das Parallelverfahren bis zur Rechtskraft der (Teil-)Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit ausgesetzt.

In diesem hat das Landgericht nach der Beweisaufnahme durch "Teil-Endurteil" antragsgemäß festgestellt, daß das Mietverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Klägerin vom 15. Mai 1995 beendet worden sei. Die Berufung des Beklagten gegen dieses Urteil hatte keinen Erfolg. Mit der hiergegen gerichteten Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren auf Abweisung der erhobenen Feststellungsklage weiter.

Gründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an die Vorinstanz.

1.

Das Berufungsgericht hat die in der Kündigungserklärung der Klägerin vom 15. Mai 1995 geltend gemachten Kündigungsgründe ebenso wie das Landgericht für durchgreifend erachtet und demgemäß die in dem landgerichtlichen Urteil -entsprechend dem Begehren der Klägerin -getroffene Feststellung, daß das Mietverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 15. Mai 1995 beendet worden sei, durch Zurückweisung der Berufung des Beklagten bestätigt.

2.

Dieses Urteil kann nicht bestehenbleiben. Denn die Klage, der das Berufungsgericht darin -in Übereinstimmung mit dem Landgericht -stattgegeben hat, ist nicht schlüssig.

Wird ein Mietverhältnis wirksam außerordentlich gekündigt, so wird es mit dem Zugang der Kündigungserklärung bei dem Vertragspartner entweder mit sofortiger Wirkung oder, im Falle einer Befristung, mit deren Ablauf beendet, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob als Folge der Beendigung des Dauerschuldverhältnisses noch Abwicklungspflichten zu erfüllen sind. Die Rechtsfolgen der erklärten Kündigung können nach dem Zeitpunkt ihres Zugangs weder einseitig widerrufen noch zurückgenommen werden (vgl. Senatsurteil BGHZ 139, 123, 126 f m.w.N; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 8. Aufl. Rdn. 907). Ist das Mietverhältnis durch wirksame außerordentliche Kündigung beendet worden, so gehen weitere, nachfolgende Kündigungserklärungen ins Leere; sie können insbesondere nicht dazu führen, daß das bereits beendete Mietverhältnis -erstmals oder erneut "beendet" würde.

Mit diesen Grundsätzen ist der Feststellungsantrag, den die Klägerin als Inhalt ihres Klagebegehrens, gestützt auf ihre insgesamt siebente fristlose Kündigung, erhoben hat, nicht zu vereinbaren. Da die Klägerin mit Schreiben vom 20. März 1995 erstmals eine außerordentliche ("fristlose") Kündigung, befristet bis zum 10. April 1995, ausgesprochen hatte, wurde das Mietverhältnis zum 10. April 1995 beendet, falls die Kündigung inhaltlich gerechtfertigt war. War das nicht der Fall, dann führte die fristlose Kündigung vom 7. April 1995 mit ihrem Zugang bei dem Beklagten zur Beendigung des Mietverhältnisses, sofern die Gründe, auf die sie gestützt war, die fristlose Kündigung rechtfertigten. Entsprechendes gilt für die jeweils nachfolgend erklärten Kündigungen.

Die fristlose Kündigung vom 15. Mai 1995 hat daher nur dann zur Beendigung des Mietverhältnisses geführt, wenn dieses nicht bereits zuvor durch eine der Kündigungen vom 20. März, vom 7. April, vom 13. April, vom 18. April, vom 26. April und vom 5. Mai 1995 -in dieser Reihenfolge -sein Ende gefunden hatte und zudem die in der Erklärung vom 15. Mai 1995 angeführten Gründe die außerordentliche Kündigung rechtfertigten.

Angesichts der Rechtslage, die durch die wiederholten Kündigungen der Klägerin -die diese noch im Berufungsverfahren ausdrücklich sämtlich für gerechtfertigt erklärt hat - geschaffen wurde, hätte das Feststellungsbegehren mit dem von der Klägerin verfolgten Ziel hiernach etwa in der Form schlüssig gestellt werden können, daß das Mietverhältnis durch die Kündigung vom 20. März 1995, hilfsweise durch diejenige vom 7. April 1995, usw. ..., hilfsweise durch diejenige vom 15. Mai 1995 beendet worden sei. Die Vorinstanzen hätten sodann gegebenenfalls die Vorwürfe aus den ersten sechs Kündigungserklärungen in zeitlicher Abfolge nacheinander rechtlich prüfen müssen, bevor sie sich mit der Berechtigung der am 15. Mai 1995 ausgesprochenen fristlosen Kündigung -als Grundlage für die behauptete Beendigung des Mietverhältnisses - befaßten.

Denkbar wäre ein schlüssiges Klagebegehren auch etwa in der Form gewesen, daß beantragt worden wäre festzustellen, das Mietverhältnis sei (beispielsweise) "seit Ende Mai 1995" beendet. In diesem Fall hätten die Vorinstanzen, ohne an eine bestimmte Prüfungsreihenfolge gebunden zu sein, zunächst einen oder einige Vorgänge aus den in den ersten sieben Kündigungserklärungen (vom 20. März bis zum 15. Mai 1995) genannten Kündigungsgründen auswählen und anhand der dort erhobenen Vorwürfe prüfen können, ob diese die darauf gestützte(n) außerordentliche(n) Kündigung(en) rechtfertigten.

In der gewählten Form kann das Feststellungsbegehren hingegen nicht zum Erfolg führen. Nach dem bisherigen Gesamtvorbringen der Klägerin zu ihrem prozessualen Klagebegehren und dem hierzu geltend gemachten Sachvortrag scheidet auch eine etwaige "Auslegung" oder "Modifizierung" des -unschlüssigen -Klageantrags etwa im Sinne einer der vorgenannten Antragsmöglichkeiten nach dem derzeitigen Sach- und Rechtsstand im Revisionsverfahren aus. Das angefochtene Urteil kann daher nicht bestehen bleiben.

3. Der Rechtsstreit ist allerdings nicht -im Sinne einer Abweisung der erhobenen Klage -zur Endentscheidung reif. Zwar ist eine Änderung des Klageantrags, mit deren Hilfe die Klägerin ihr Begehren in eine schlüssige Klage abändern würde, in der Revisionsinstanz grundsätzlich unzulässig (BGHZ 11, 192, 195 und 222, 224; 28, 131, 137; BGH, Urteil vom 18. Juni 1998 -IX ZR 311/95 = WM 1998, 1689, 1691). Das gilt jedoch nicht für das Berufungsverfahren. Der Mangel des bisherigen Verfahrens kann in der Berufungsinstanz gegebenenfalls durch weiteres Parteivorbringen in Verbindung mit einem entsprechend geänderten Klageantrag behoben werden (vgl. Musielak/Ball, ZPO, 2. Aufl. § 565 Rdn. 21 m.w.N.).

Um hierzu Gelegenheit zu geben, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.

Auf die von der Klägerin als Revisionsbeklagter in der Revisionsverhandlung erhobene Gegenrüge aus § 139 ZPO kommt es bei dieser Sachlage nicht an (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 7. Dezember 2000 -I ZR 179/98 -zur Veröffentlichung bestimmt, und vom 7. Dezember 1989 -VII ZR 343/88 = BGHR ZPO § 139 Abs. 1 Anwaltsprozeß 4).

Für das weitere Verfahren wird -in materiell-rechtlicher Hinsicht - auf die Rügen der Revision gegenüber den Ausführungen des angefochtenen Urteils zu § 554 a BGB hingewiesen, insbesondere soweit darin bei der Behandlung der Frage, ob die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr zumutbar war, die gebotene Gesamtwürdigung aller für die Vertragsfortsetzung wesentlichen Umstände einschließlich des Verhaltens der kündigenden Klägerin unterblieben ist (vgl. BU Bl. 13 im 2. Absatz).