LG Konstanz, Urteil vom 17.05.2013 - 2 O 112/13 C
Fundstelle
openJur 2013, 33025
  • Rkr:

Der Arrestbeschluss vom ... wird aufgehoben, der Antrag auf Erlass des Arrestes zurückgewiesen.

Tenor

1. Der Arrestbeschluss vom 15.04.2013 wird aufgehoben, der Antrag auf Erlass des Arrestes zurückgewiesen.

2. Die Arrestklägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Arrestklägerin darf die Vollstreckung durch eine Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Arrestbeklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

I.

Die Arrestklägerin (fortan: Klägerin) verfolgt mit dem Arrestgesuch die Sicherung der Zwangsvollstreckung in das Vermögen der Arrestbeklagten (fortan: Beklagte) wegen von ihr vorgetragener Schadensersatzansprüche gegen die Beklagten als Gesamtschuldner in Höhe von 17.686.827,53 Euro. Diese Ansprüche sollen aus dem Erwerb von Aktien an der H. AG resultieren.

Gegenüber allen Beklagten behauptet die Klägerin Ansprüche aus cic, Prospekthaftung, unerlaubter Handlung und vorsätzlich sittenwidriger Schädigung. Daneben nimmt sie die Beklagte Ziff.1 auch wegen Verletzung eines Garantievertrages in Anspruch.

Mit Arrestbeschluss vom 15.04.2013 hat die Kammer durch die Einzelrichterin den dinglichen Arrest in das gesamte Vermögen der Beklagten angeordnet (AS. 277 f.). Alle drei Beklagten haben gegen den Arrestbeschluss Widerspruch eingelegt (AS. 337, 361 u. 459).II.

Bei der Klägerin handelt es sich um einen Private-Equity-Fond mit Sitz in Amsterdam. Sie konzentriert sich auf Investitionen in wachstumsorientierte, kleine und mittelständische Technologie-Unternehmen in den Niederlanden, Deutschland und Belgien. Die Klägerin wird vertreten durch die A. Private-Equity Management B.V.

Die Klägerin und die Beklagte Ziff. 1 sind die Hauptaktionäre der in VS-Villingen ansässigen H. AG.

Die H. AG, gegründet am 29.12.1986 als H. Form- und Licht GmbH ist die Kerngesellschaft der H.-Gruppe. Sie ist international auf dem Gebiet gestaltender und funktionaler Außen-, Gebäude- und Architekturbeleuchtung tätig. Das Leistungsspektrum der H.-Gruppe umfasst die Entwicklung, das Design, die Fertigung und den Vertrieb von Außen- und Gebäudeleuchten sowie die Konzeption und Durchführung von Projekten für Architekturbeleuchtung.

Der Beklagte Ziff. 2 war bereits seit 1999 im väterlichen Unternehmen tätig. Die H. AG wurde ab dem Jahr 2007 als Aktiengesellschaft geführt. In diesem Jahr übernahm der Beklagte Ziff. 2 auch das Amt des Vorstandsvorsitzenden der H. AG.

Der Beklagte Ziff. 3 wechselte im Jahr 2006 zur H.-Gruppe. Er übernahm zum 01.01.2009 das Amt des Finanzvorstands in der H. AG.

Die Beklagten Ziff. 2 und 3 sind auch Geschäftsführer der H. Technologie GmbH, bei welcher es sich um die Komplementärin der Beklagten Ziff. 1 handelt. Der Beklagte Ziff. 2 hält 100% der Geschäftsanteile an der H. Technologie GmbH. Zusammen mit seinem Vater J. H. hält der Beklagte Ziff. 2 auch die Gesellschaftsanteile an den Kommanditisten der Beklagten Ziff. 1, nämlich der H. Consulting GmbH und der H. Verwaltungs-GmbH. Zur Veranschaulichung der Gesellschaftsverhältnisse des Kerns der H.-Gruppe wird auf das Schaubild Anlage Ast. 3 Bezug genommen. Zur Übersicht über die gesamte H.-Gruppe wird auf S.13 und 14 der Ast. 18 Bezug genommen.

Die Chronologie der hier streitgegenständlichen Vorgänge stellt sich wie folgt dar:

Ab April 2011 kam es zu ersten Kontakten zwischen den Parteien. Es kam zu mehreren Gesprächen, so u.a. am 05.04.2011 und am 27.05.2011. Am 15.06.2011 legte die Klägerin ihr Kaufinteresse an Aktien der H. AG in einem unverbindlichen Angebotsbrief nieder. Anfang August 2011 präsentierten die Beklagten Ziff. 2 und 3 die Unternehmenszahlen.

Am 30.08.2011 stellte der Beklagte Ziff. 2 die H. AG mit einer Power-Point Präsentation vor. Insoweit wird auf Anlage Ast.19 Bezug genommen.

Am 20.09.2011 wurde die H. AG durch die Beklagten Ziff. 2 und 3 mit den Umsatzzahlen und Prognosen erneut präsentiert. Insoweit wird auf die Anlage Ast.20 Bezug genommen.

Anfang Oktober 2011 gab die Klägerin den Auftrag für eine Due Diligence-Prüfung bei Wirtschaftsprüfern und Anwälten in Auftrag. Der Bericht der Wirtschaftsprüfer wurde der Klägerin mit Datum vom 27.10.2011 vorgelegt und derjenige der Anwaltskanzlei P. und Partner am 01.11.2011 (sog. Red Flag Due Diligence-Report, Anlage AG (2) 22, 23).

In der Folge kaufte die Klägerin in den Jahren 2011 und 2012 in drei Tranchen Aktien an der H. AG zu einem Kaufpreis in Höhe von insgesamt 17.686.827,53 Euro:

Am 03.11.2011 schlossen die Klägerin, die Beklagte Ziff. 1 und die H. AG ein sog. Investment Agreement (Anlage Ast.4). Die Klägerin erwarb 372.024 Primary Shares (neue auf den Namen lautende Stammaktien der H. AG ohne Nennbetrag (Stückaktien)) zum Preis von 6.250.500,00 Euro. Sie erwarb weitere 372.024 Secondary Shares (bereits bestehende auf den Namen lautende Stückaktien der H. AG), deren Inhaber die Beklagte Ziff. 1 war. An die Beklagte Ziff. 1 wurde auch ein Kaufpreis in Höhe von 6.250.250,00 Euro bezahlt. Zusammen hat die Klägerin in dieser Tranche Aktien der H. AG in Höhe von 12.500.750,00 Euro erworben.

Im Annex 6 zum Investment Agreement hat die H. Holding Garantien abgegeben. Hierzu wird auf die Ziff. 6.7 und 6.19 Bezug genommen (Ast.4).

Im Dezember 2011 rückte Herr D., welcher die Klägerin neben dem Vice president der A. Private Equity Management BV, Herrn Y., bei den Vertragsverhandlungen vertreten hat, in den Aufsichtsrat der H. AG. Vorstandsvorsitzender war J. H.; weiterer Aufsichtsratsvorsitzender Herr R. 10 Monate später übernahm Herr D. die Position des Aufsichtsratsvorsitzenden.

Am 30.01.2012 entschied sich die Klägerin zu einer weiteren Investition in die H. AG, wie dies schon im Investment Agreement vom 03.11.2011 angedacht gewesen war (Ast. Ziff. 1.9.a). Die Parteien schlossen daraufhin am 15.02.2012 das First Supplement to the Investment Agreement (Anlage Ast.5). Die Parteien bezeichnen diesen Vertrag als sog. Follow-on Investment. Hiernach kaufte die Klägerin weitere 44.643 Primary Shares und 44.643 Secondary Shares. Sie zahlte hierfür insgesamt 1.500.750,00 Euro, der Betrag wurde wieder hälftig an die H. AG und hälftig an die Beklagte Ziff. 1 bezahlt. Nach diesem Aktienkauf hielt die Klägerin 28,57% der Anteile an der H. AG.

Im Laufe des Jahres 2012 wurde dann der Börsengang für die H. AG vorbereitet. Nach dem Zulassungsbeschluss durch die Wertpapierbörse Frankfurt war der erste Handelstag der H.-Aktie der 25.10.2012. Bei Eröffnung wurde die Aktie gehandelt mit einem Stückpreis von 15,50 Euro. Die Klägerin kaufte am 26.10.2012 58.000 Stückaktien zu einem Kaufpreis von 899.000,00 Euro und am 06.11.2012 weitere 180.000 Stückaktien zum Preis von 2.786.327,53 Euro. Die nach dem Börsengang gekauften Aktien machen damit einen Kaufpreis von 3.685.327,53 Euro aus.

Zum Gesamtüberblick über den Erwerb der H.-Aktien seitens der Klägerin wird auf die Darstellung in der Anlage Ast.7 Bezug genommen.

Danach (und bis heute) hält die Klägerin 20,54% der H.-Aktien und die Beklagte Ziff. 1 39,9%. Der Rest der Aktien befindet sich in Streubesitz.

Am Donnerstag, dem 17.01.2013, informierte der leitende Angestellte der H. AG L. den Aufsichtsratsvorsitzenden D. über den Verdacht, dass systematisch Umsatzzahlen seitens der Beklagten Ziff. 2 und 3 manipuliert und Scheinumsätze in erheblichem Ausmaß bilanziert worden sein sollen. So sei beispielsweise der Umsatz von 2011 um mehrere Millionen überhöht bilanziert worden. Herr L. legte diesbezüglich dem Aufsichtsratsvorsitzenden D. auch Unterlagen vor.

Dieser sah in den nächsten 3 Tagen unter Hinzuziehung der Anwaltskanzlei P. und Partner aus M. und Herrn L. Unterlagen durch und befand den geäußerten Vorwurf als berechtigt.

Er berief daraufhin am Montag, den 21.01.2013 eine telefonische Aufsichtsratssitzung ein, in welcher die Beklagten Ziff. 2 und 3 als Vorstände der H. AG abberufen und ihre Dienstverträge fristlos gekündigt wurden. Ferner wurde beschlossen, eine sofortige wirtschaftliche und rechtliche Sonderuntersuchung durch unabhängige Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte durchführen zu lassen, um das genaue Ausmaß eines durch die Unregelmäßigkeiten entstandenen Schadens bei der Gesellschaft sowie in diesem Zusammenhang bestehender Ansprüche festzustellen (Niederschrift über die Aufsichtsratssitzung vom 21.01.2013, Anlagen Ast.27). Die Beschlüsse wurden in einer Aufsichtsratssitzung vom 30.01.2013 nochmals bestätigt (Niederschrift Ast.26, dort S.6).

Noch am 21.01.2013 informierte der der neu berufene Vorstand der H. AG die Öffentlichkeit durch eine ad-hoc-Mitteilung darüber, dass es wahrscheinlich bei der H. AG über einen längeren Zeitraum mit Kenntnis des Vorstandes zu Verstößen gegen Bilanzierungsregelungen gekommen ist und der Verdacht besteht, dass die H. AG zumindest seit dem Jahr 2011 fingierte Umsätze ausgewiesen hat (Anlage Ast.10).

Wenige Tage später nahm die Staatsanwaltschaft Mannheim Ermittlungen auf. Am 30.01.2013 kam es zur Durchsuchung in den Räumlichkeiten der H. AG sowie des Beklagten Ziff. 2.

Am 04.02.2013 sperrten die Banken der H. AG die Guthaben und Kreditlinien.

Am 13.02.2013 stellte die H. AG Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Als vorläufiger Insolvenzverwalter wurde Herr Rechtsanwalt G. bestellt.

Die H. Aktie stürzte ab; am 08.03.2013 wurde der Handel mit den Aktien ausgesetzt.

Am 04.04.2013 erhielt die Klägerin vom Insolvenzverwalter G. den seitens der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft E. sowie der Anwaltskanzlei P. und Partner erstellten, nicht unterzeichneten Bericht über die Sonderuntersuchung bei der H. AG (Anlage Ast.18); hierauf wird vollumfänglich Bezug genommen.

In der Folge meldeten auch Töchterunternehmen der H. AG Insolvenz an, so z.B. die H. Lichttechnik GmbH, die e. GmbH und die V. GmbH.

Wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung wurde auch bezüglich der Beklagten Ziffer 1 Insolvenzantrag beim Amtsgericht Villingen-Schwenningen gestellt.

Die Klägerin trägt im Kern vor,

die Beklagte Ziff.1 hafte wegen zwei Garantieverletzungen (Ziff. 6.7 und Ziff. 6.19 von Annex 6 zum Investment Agreement) auf Schadensersatz. Die Vollständigkeit der wesentlichen Verträge sei zu Unrecht versichert worden. Die Zusatzvereinbarungen hinsichtlich der Beauftragung der e. GmbH durch die H. AG (Drittfinanzierung) seien nicht vorgelegt worden. Des weiteren sei die Versicherung, das Geschäft mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes weiterzuführen, gebrochen worden durch die Bilanzmanipulationen, die im Ergebnis dazu geführt hätten, dass im Jahr 2011 der Umsatz um rund 9 Millionen zu hoch und der Jahresüberschuss um rund 6 Millionen zu hoch angegeben worden sei. Nach dem Sonderuntersuchungsbericht sei im Geschäftsjahr 2012 der Umsatz um rund 15 Millionen und der Jahresüberschuss um rund 9 Millionen überhöht.

Die Beklagte Ziff.1 hafte auch aus cic, weil die Beklagten Ziff. 2 und 3 als deren Geschäftsführer und gleichzeitig organschaftliche Vertreter der H. AG nicht darüber aufgeklärt und informiert hätten, dass sie bereits vor Eingehen des Investments den Entschluss gefasst hätten, Manipulationen zur Generierung von Scheinumsätzen der H. AG vorzunehmen. Dieser Entschluss, der später auch ausgeführt worden sei, gehe insbesondere aus der e-Mail vom 18. Oktober 2011 des Beklagten Ziff. 3 an den Beklagten Ziff. 2 hervor (Anlage Ast. 32).

Aus diesem Tatentschluss und seiner Verwirklichung folgten auch die Ansprüche aus Prospekthaftung, unerlaubter Handlung und § 826 BGB.

In gleicher Weise hafteten die Beklagten Ziff. 2 und Ziff. 3, die im Wesentlichen wie folgt gegen Rechnungslegungsvorschriften verstoßen und Bilanzmanipulationen vorgenommen hätten:

Produktentwicklungskosten, die in die Bilanzen vergangener Jahresabschlüsse bei der Aktivierung von Lieferungen und Leistungen aus dem Verkauf der Produkte mit eingeflossen seien, seien auf Veranlassung der Beklagten Ziff. 2 und Ziff. 3 erneut in den Geschäftsjahren 2011 und 2012 aktiviert worden, indem unter Verstoß, bzw. Umgehung der Vorschriften zum Wahlrecht der Aktivierung von Produktentwicklungskosten nach dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) bzw. der IFRS und IAS dieser bereits in früheren Geschäftsjahren abgerechnete Aufwand erneut an scheinbar konzernfremde Projektgesellschaften (im Wesentlichen die E. GmbH) fakturiert worden sei. Die E. GmbH habe dann auf Veranlassung der Beklagten Ziff. 3 diese Kosten wieder an die 100 %-ige Konzerntochter der H. AG (H. Lichttechnik GmbH) weiterbelastet, sodass tatsächlich nur ein Scheinumsatz generiert worden sei. Ferner seien Kreisbuchungen mit der e. GmbH, die Auftraggeberin und Subunternehmerin in einer Person gewesen sei, veranlasst worden. Daneben seien überhöhte Baumaßnahmen aktiviert worden, Rechnungen vorfakturiert und Rückstellungen in nicht ausreichender Höhe für nicht mit Lieferbeziehungen unterlegte Derivat-Geschäfte vorgenommen worden.

Wegen der Einzelheiten der Bilanzmanipulationen wird vollinhaltlich auf den Schriftsatz der Klägerin vom 10.04.2013 (AS 201 bis 229) Bezug genommen.

Bei Kenntnis des Tatplanes der Beklagten hätte die Klägerin die Investitionsentscheidung nicht getroffen.

Den Arrestgrund für die geltend gemachten Ansprüche leitet die Klägerin aus dem deliktischen und strafrechtlich relevanten Verhalten der Beklagten her, welches die Gefahr der Vollstreckungsvereitelung in sich trage. Als zusätzliche Handlung habe der Beklagte Ziff. 2 die Vollstreckung dadurch vereitelt, dass er sich wenige Tage nach Bekanntwerden des Bilanzskandals Eigentümergrundschulden auf seinem Eigenheim in der Gesamthöhe von 990.000.- EUR habe eintragen lassen, um sich diese als Sicherungsobjekte zu bewahren.

Die Klägerin beantragt,

den Arrestbefehl durch Urteil zu bestätigen.

Die drei Beklagten beantragen,

den Arrestbefehl aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beklagten verteidigen sich gemeinsam mit dem Argument, dass bereits kein Arrestgrund vorliege, weil allein der Verdacht einer Straftat keine Schlüsse auf eine Vollstreckungsvereitelung zulasse.

Ein Arrestanspruch bestehe nicht, da es keinen Tatplan für einen Kapitalanlagebetrug gebe.

Die Umsatzzahlen seien überhaupt nicht maßgeblich für den Kaufentschluss der Klägerin gewesen, der es in erster Linie darauf angekommen sei, Anteile an einem im High-End Bereich positionierten Unternehmen zu erwerben, das auf einem Zukunftsmarkt tätig ist. Im Übrigen sei die Klägerin über die Firmenverhältnisse aufgrund des vollständig zugänglich gemachten Datenraumes im Rahmen der Due Diligence-Prüfung voll informiert gewesen. Die Aktivierung von Produktentwicklungskosten sei bereits im August 2011 in England zusammen mit Wirtschaftsprüfern und Rechtsanwälten nach BilMoG und IFRS als machbar beurteilt worden. Im Verteiler der e-Mail vom 18.10.2011 sei auch der Rechtsberater der H. AG, Rechtsanwalt B., aufgenommen, sodass schon deshalb die Herleitung eines kriminellen Komplottes hieraus alles andere als glaubhaft sei. Die Fakturierung der Produktentwicklungskosten sei wirtschaftlich als Rechteübertragung an die E. GmbH anzusehen.

Der Bericht über die Sonderuntersuchung sei nicht zur Glaubhaftmachung geeignet, da er nicht einmal unterzeichnet sei. Vorfakturierungen hätten zu keinem Schaden der Klägerin geführt. Die Rückstellungen für Derivate seien von den Due Diligence-Prüfern der Klägerin akzeptiert worden, die aufgrund des zugänglich gemachten Datenraumes über die sogenannte back to back Finanzierung der e. GmbH im Bilde gewesen seien.

Die Beklagte Ziff.1 verteidigt sich auch damit, dass sie nur Verkäuferin ihrer Aktienanteile gewesen sei und die Beklagten Ziff. 2 und Ziff. 3 im Übrigen nur für die H. AG aufgetreten seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrages der Beklagten wird auf deren umfangreiche Schriftsätze, sowie auf die im Termin übergeben Unterlagen Bezug genommen.

Gründe

Der zulässige Arrestantrag ist unbegründet; der erlassene Arrestbeschluss vom 15.04.2013 ist deshalb aufzuheben und der Arrestantrag abzuweisen.

Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung lässt sich mit den beschränkten Möglichkeiten der Untersuchung und Glaubhaftmachung, die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur zulässig sind, ein gemeinsamer Tatplan der Beklagten im Sinne eines Kapitalanlagebetruges, dessen Opfer die Klägerin aufgrund ihrer Investition in Aktien der H. AG geworden ist, mit den von der Klägerin vorgelegten Mitteln der Glaubhaftmachung nicht mit der ausreichenden Sicherheit feststellen. Dies wäre aber die Grundvoraussetzung, um aus einer solchen habhaften kriminellen Tat die Besorgnis der Vollstreckungsvereitelung herzuleiten, ohne zusätzliche Handlungen der Vollstreckungsvereitelung zu verlangen.

Insoweit fehlt es bereits an einem erforderlichen Arrestgrund. Hinsichtlich der Beklagten Ziff. 1 und Ziff. 3 hat die Klägerin keine zusätzlichen Handlungen, die auf eine Vollstreckungsvereitelung schließen lassen, vorgetragen.

Hinsichtlich des Beklagten Ziff. 2 hat sie sich auf die Bestellung von Eigentümergrundschulden auf dessen Eigenheim in Höhe von EUR 990.000.- berufen, was für sich gesehen aber noch nicht als Handlung einer Vollstreckungsvereitelung hinreicht. Allein der Umstand, dass eine Grundschuld abgetreten werden kann, wie auch ein Grundstück als Ganzes jederzeit übertragen werden kann, vermag keine Vollstreckungsvereitelung zu belegen. Hinzu kommt, dass der Beklagte Ziff. 2 die Löschung einer Eigentümergrundschuld in Höhe von EUR 330.000.- durch Vorlage eines Grundbuchauszuges glaubhaft gemacht hat.

Hierzu Im Einzelnen:

Die von der Klägerin behaupteten Bilanzmanipulationen durch Fakturierung von Produktentwicklungskosten vergangener Jahre, die bereits Eingang in frühere Jahresabschlüsse gefunden haben, sind, was die Fakturierung als solche angeht, unstreitig. Insoweit erscheint ein Verstoß gegen das Verbot der handelsrechtlichen Aktivierung dieser Kosten in der Bilanz plausibel und glaubhaft.

Eine Bilanzierung von Entwicklungskosten nach dem am 29.05.2009 in Kraft getretenen Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) wurde ersichtlich nicht vorgenommen. Die fakturierten Rechnungen an die sogenannten Projektgesellschaften, wie beispielhaft in der mündlichen Verhandlung anhand der Fakturierung von Entwicklungskosten der Produktfamilie Livorno an die E. GmbH demonstriert wurde (Seite 21 aus dem Sonderuntersuchungsbericht Ast.18) bieten hierfür keine belastbare Grundlage. Die Aktivierung nach BilMoG unter Zugrundelegung von § 255 Abs. 2a HGB setzt eine saubere Trennung von allgemeinen Forschungskosten und damit die Dokumentation des Überganges von der Forschungs- auf die Entwicklungsphase voraus, was auch nach IFRS gilt. Ist dies nicht möglich, besteht aus Gründen des Vorsichtsgebotes ein explizites Ansatzverbot (IAS 38.53). Abgesehen von der fehlenden Dokumentation (siehe Checkliste in Seidel/Krieger/Muske, Bilanzierung von Entwicklungskosten nach dem BilMoG in BB 2009, 1286, 1288) ergibt sich ein Ausschluss der Nachkalkulierung von Ausgaben der Entwicklungsphase, die bereits als Aufwendungen erfasst wurden, aus IAS 38.71.

Die Übertragung von immateriellen Schutzrechten hat in den fakturierten Rechnungen keinen hinreichenden Anhalt.

Ebenso dürfen selbstverständlich vorfakturierte Rechnungen, denen keine Lieferung oder Leistung und damit keine Forderung zugrunde liegt, nicht in den Jahresabschluss aufgenommen werden.

Letztlich kann aber mit diesen und den anderen vorgetragenen Bilanzmanipulationen, die alle zeitlich nach der Investitionsentscheidung vom 03.11.2011 liegen, keine kausale Täuschung der Klägerin hergeleitet werden, die für die erste Tranche der Aktienkäufe herangezogen werden könnte.

Insofern behauptet die Klägerin auch nicht, dass der für die Due Diligence-Prüfung zur Verfügung gestellte Datenraum unvollständig gewesen sei, sodass sie von falschen Umsätzen, bezogen auf den Zeitraum des Abschlusses des Investment Agreements, ausgegangen sei.

Soweit die Klägerin zur Begründung der Täuschung vor der Zeichnung der ersten Tranche darauf hinweist, dass ihr für die Due Diligence-Prüfung Unterlagen in Bezug auf die Geschäfte mit der e. GmbH in Katar nicht vollständig vorgelegt worden seien, weisen die Beklagten zurecht darauf hin, dass sich die Kreditierung der e. GmbH durch die H. AG aus den vorgelegten Unterlagen im Datenraum ergeben hätte. Auf S. 24 des sog. Red Flag Due Diligence Reports der Kanzlei P. und Partner (Anlage AG (2) 22) ist ersichtlich, dass der Kanzlei Verträge mit der e. GmbH vom 08.06.2011 und vom 09.09.2011 vorlagen, auf diese wird im Red Flag Report auf S. 24 und 25 ausdrücklich hingewiesen und das Payment auch als Back-to-Back Payment bezeichnet.

Soweit die Klägerin in ihrem jüngsten Schriftsatz vom 10.05.2013 einräumt, dass die Finanzierung der e. GmbH dann wohl bekannt gewesen sei, allerdings nicht, dass auch die Kosten für Drittlieferfirmen der e. seitens der H. AG vorfinanziert worden wären, so kann dies im Rahmen der Plausibilitätsprüfung und der eingereichten Unterlagen (der angeblich fehlende Vertrag wurde nicht vorgelegt) nicht konkret überprüft werden. Im Übrigen würde ein Fehlen solch untergeordneter Unterlagen auch nicht ausreichen, um eine Garantiehaftung der Beklagten Ziffer 1 wegen Verstößen gegen Ziffer 6.7 und 6.19 des Annexes 6 des Investment Agreements vom 03.11.2011 wegen Fehlens vertragswesentlicher Unterlagen anzunehmen.

Die E-Mail vom 18.10.2011 (Anlage Ast.32), in welcher der Beklagte Ziff. 3 diese Aktivierung der Entwicklungskosten außerhalb der strengeren Vorgaben nach BilMoG bereits andenkt, ist zwar auch dem Beklagten Ziff. 2 zugegangen. Eine Reaktion seinerseits hierauf ist jedoch nicht bekannt. Hieraus einen gemeinsamen sog. Gesamtplan für einen Kapitalanlagebetrug der Beklagten Ziff. 2 und 3 herzuleiten, ist nach Auffassung der Kammer nicht hinreichend plausibel unterlegt, da nicht bekannt ist, wie sich der Beklagte Ziff. 2 zu dieser e-Mail verhalten hat und im Übrigen die e-Mail auch an einen Rechtsanwalt adressiert war. Hinzukommt, dass in der mündlichen Verhandlung unstreitig vorgetragen wurde, dass im Rahmen der Bilanzierungsumstellung auf IFRS auch Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte eingeschaltet gewesen seien, sodass unklar bleibt, ob die Bilanzierungsmaßnahmen auch durch einen falschen Rechtsrat mit beeinflusst waren.

Dass die von den Beklagten Ziffer 2 und 3 in den Power-Point-Präsentationen Ast. 19 und 20 im August und September 2011 dargestellten Prognosen in Bezug auf die künftige Umsatzentwicklung bei der H. AG schon auf einer falschen Tatsachenbasis beruhten, vermochte die Klägerin selbst nicht vorzutragen und bemüht insoweit nur den vorgefassten Plan für spätere Bilanzmanipulationen zur Generierung von Scheinumsätzen der H. AG.

Mithin ist ein Anspruch auf Schadensersatz für die erste Tranche über EUR 12.500.750.- nicht glaubhaft gemacht.

Eine Verletzung des Garantievertrages seitens der Beklagten Ziff. 1 wegen unvollständiger Vertragslage ist auf dieser Basis auch nicht glaubhaft.

Für die zweite Tranche (Follow on) des Aktienerwerbs könnten die im November und Dezember 2011 von der H. AG an die E. GmbH und schließlich an die H. Lichttechnik GmbH und andere Konzerntöchter weiterfakturierten Werkzeug- und Produktentwicklungskosten in einer Gesamthöhe von EUR 4,6 Millionen (Mitteilung vom 23.12.2011, Sonderuntersuchungsbericht Ast.18, Seite 55, bzw. Seite 24 ff., Ziff. 2) mitursächlich für die Kaufentscheidung gewesen sein, die ein entsprechend falsches Bild über die Umsatz- und Ertragslage zeichnen.

Dies gilt umso mehr für den Erwerb der dritten Tranche hinsichtlich der im Prospekt für den Börsengang enthalten Scheinumsätze, ungeachtet der übrigen Einwendungen der Beklagten. Die diesbezüglichen Schadensersatzansprüche vermögen aber in der Gesamtschau nicht die Gefahr einer Vollstreckungsvereitelung zu begründen, weshalb es letztlich an einem Arrestgrund fehlt.

Die Schadensersatzansprüche der Klägerin beruhen insoweit zwar auf Vermögensdelikten zu ihrem Nachteil bzw. Ansprüchen aus cic oder Prospekthaftung. Dennoch scheitert der Arrestantrag aber an dem fehlenden Vorliegen eines Arrestgrundes. Denn entgegen der Ansicht der Klägerseite genügt es keineswegs zur Darlegung eines Arrestgrundes, dass dem Arrestanspruch eine gegen das Vermögen der Gläubigerseite gerichtete Straftat zugrunde liegt. Nach längst herrschender Auffassung kommt es im Hinblick darauf, dass mit der Aufdeckung ihrer Straftaten auch für die Schädigerseite eine neue Situation eingetreten ist, vielmehr darauf an, dass konkrete Anhaltspunkte die Besorgnis rechtfertigen, der Schuldner werde - gewissermaßen auf der Linie der zurückliegenden Straftaten - seine unredliche Verhaltensweise gegenüber dem Tatopfer fortsetzen und sein Vermögen dem drohenden Zugriff der Gläubigerseite zu entziehen versuchen (vgl. OLG Bamberg, Urteil vom 12.11.2012, AZ: 4 U 168/12, recherchiert in Juris RdNr. 52). Auch das OLG Rostock fordert im Urteil vom 23.02.2005, AZ: 6 U 159/04, bei einer gegen das Vermögen des Gläubigers gerichteten Straftat des Schuldners für das Vorliegen eines Arrestgrundes, dass zusätzliche weitere Maßnahmen hinzu kommen müssen, welche den Anspruch des Gläubigers gefährden. Hinzu kommen muss, dass der Schuldner durch zusätzliche weitere Maßnahmen den Anspruch des Gläubigers gefährdet hat und deshalb konkret gemäß § 917 Abs. 1 ZPO zu befürchten ist, dass die spätere Vollstreckung vereitelt oder erschwert wird (ebenso OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.03.2011, AZ: 19 W 10/11; Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 23.03.2011, AZ: 13 SaGa 2/10; OLG Hamm, Urteil vom 16.08.2006, AZ: 20 U 84/06; OLG Frankfurt, Beschluss vom 21.12.2000, AZ: 16 W 48/00 und OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20.10.1998, AZ: 22 W 53/98). Die Rechtsprechung ist sich auch einig, dass in jedem Einzelfall geklärt werden muss, ob konkret erkennbare Umstände vorliegen, welche die Vollstreckungsvereitelung befürchten lassen. Solche Umstände sind hier aber nicht ersichtlich. Hinsichtlich der Beklagten Ziff. 1 und 3 hat die Klägerin solche Umstände schon gar nicht vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht.

Soweit die Klägerin unter Bezugnahme auf die Anlage Ast. 36 vorträgt, dass der Beklagte Ziff. 2 unmittelbar nach seiner Absetzung als Vorstandsvorsitzender und Bekanntwerden des Bilanzmanipulationsskandals am 06.02.2013 drei Eigentümergrundschulden á 330.000,00 Euro und damit Eigentümergrundschulden in einer Gesamthöhe von 990.000,00 Euro auf eigenen Immobilien habe eintragen lassen, hat der Beklagte Ziffer 2 in der mündlichen Verhandlung durch Vorlage eines aktuellen Grundbuchauszugs glaubhaft gemacht, dass eine der drei Eigentümergrundschulden bereits wieder gelöscht ist. Er hat auch unbestritten vorgetragen, dass die beiden anderen Eigentümergrundschulden nicht abgetreten seien. Da ein Grundstück sowieso jederzeit weiterveräußert werden kann, genügt allein die Bestellung von Grundschulden nicht für die Befürchtung einer Vollstreckungsvereitelung. Hinzu kommt, dass durch die Absetzung der Beklagten Ziff. 2 und 3 als Vorstände der H. AG sowie die fristlose Kündigung der Beschäftigungsverhältnisse und insbesondere die Aufnahme der Ermittlungen durch die Schwerpunktstaatsanwaltschaft in Mannheim eine deutliche Zäsur eingetreten ist. Die Bilanzmanipulationen wurden ganz überwiegend zum Vorteil der H. AG vorgenommen. Nun geht es allerdings um die Haftung der Beklagten Ziff. 2 und 3 mit ihrem Privatvermögen. Dass sie hier Maßnahmen zur Vollstreckungsvereitelung vorgenommen hätten, oder solche drohen, ist nicht ersichtlich. Die Beklagten sind sich auch bewusst, dass sie nun unter Beobachtung stehen.

Für die Beklagte Ziff. 1 ist eine drohende Vollstreckungsvereitelung gänzlich unwahrscheinlich. Die Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung unstreitig vorgetragen, dass bezüglich der Beklagten Ziff. 1 nun beim Amtsgericht Villingen-Schwenningen ebenfalls Insolvenzantrag gestellt worden sei. Dies deckt sich auch mit den Berichten in der Presse. Da hier nun das Amtsgericht Villingen-Schwenningen mit der Beklagten Ziff. 1 im Rahmen des beantragten Insolvenzverfahrens befasst ist, hält es das Gericht für unwahrscheinlich, dass die Beklagte Ziff. 1 hier noch Vollstreckungsvereitelungsmaßnahmen vornehmen wird.

Im Ergebnis ist deshalb mangels eines Anspruchsgrundes der Arrestbeschluss aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.

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