OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.03.2013 - I- 24 U 204/12
Fundstelle
openJur 2013, 32952
  • Rkr:
Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO im Beschlussverfahren zurückzuweisen. Dem Kläger wird Gelegenheit gegeben, hierzu binnen z w e i W o c h e n ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.

Der für den 23. Mai 2013 geplante Senatstermin entfällt.

Gründe

Die Berufung des Klägers hat nach einstimmiger Auffassung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

I.

Bereits die Aktivlegitimation des Klägers lässt sich nicht feststellen.

1.

Schuldnerin der anwaltlichen Dienstleistung und Gläubigerin des Honoraranspruchs ist die Dr. B., Sch. & Kollegen GbR (im Folgenden: GbR), welche vom Beklagten als Geschäftsführer der T GmbH (im Folgenden: GmbH) für diese mandatiert worden ist. Auch die diversen Honorarechnungen, die Grundlage der Klageforderung über insgesamt EUR 5.315,96 sind, stammen von der GbR. Die somit materiell berechtigte GbR ist eine Außengesellschaft, die nach Anerkennung der Rechts- und Parteifähigkeit durch den Bundesgerichtshof (Urteil vom 29. Januar 2001, NJW 2001, 1056) grundsätzlich nur selbst Forderungen gegen Dritte geltend machen kann. Denn nicht die einzelnen Gesellschafter, sondern die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist materiell Rechtsinhaberin (BGH a.a.O.; NJW-RR 2004, 275 (276); WuM 2008, 49; Senat Grundeigentum 2011, 1368; Urteil vom 8. Januar 2013, Az. I-24 U 114/12).

2.

Klagen statt der Gesellschaft alle Gesellschafter, so mag eine bloße Falschbezeichnung der Klagepartei vorliegen, der durch eine Rubrumsberichtigung auf die GbR Rechnung getragen werden kann (BGH NJW 2003, 1043; NJW-RR 2004, 275 (276); WuM 2008, 49; Palandt/Sprau, BGB, 72. Auflage, § 714 Rn. 23; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Auflage, § 62 Rn. 13 a). Dies wird - jedenfalls für eine Übergangszeit - nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Jahr 2001 insoweit bejaht, als die Gesellschafter als Streitgenossen anstelle der parteifähigen GbR sollen klagen können (vgl. auch OLG Brandenburg NZG 2006, 381 f., nach dieser Entscheidung war die Übergangszeit im Jahr 2005 jedoch bereits abgelaufen; vgl. Senat a.a.O.; siehe auch Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 62 Rn. 13 a).

Hier kommt eine Rubrumsberichtigung bereits deshalb nicht in Frage, weil der Kläger nicht gemeinsam mit Rechtsanwalt Dr. B. klagt.

3.

Auch die vom Kläger beantragte Zahlung an die GbR vermag den Mangel der Aktivlegitimation nicht zu heilen. Macht der Kläger eine fremde Forderung im eigenen Namen geltend, so liegt dem keine aus dem materiellen Recht folgende Ermächtigung zugrunde. Im Allgemeinen ist der Gesellschafter einer GbR nämlich nicht berechtigt, eine der Gesamthand zustehende Forderung allein gegen einen Dritten im eigenen Namen geltend zu machen. Nach § 709 Abs. 1 und § 730 Abs. 2 S. 2 BGB können die Gesellschafter, falls nicht ein anderes vereinbart ist, die Geschäfte der Gesellschaft nur gemeinschaftlich führen, mithin auch nur gemeinschaftlich eine Forderung einklagen (BGHZ 102, 152 (154 m.w.N.); NJW-RR 2008, 1484 ff.; Rz. 34, jetzt und im Folgenden zitiert nach Juris). Es ist auch nicht ersichtlich, dass eine Notkompetenz gemäß § 744 Abs. 2 BGB, wonach gerade die Klage eines einzelnen Gesellschafters eine Maßnahme sein muss, die zur Erhaltung eines zur Gemeinschaft gehörenden Gegenstandes erforderlich ist, vorliegt (BGHZ 39, 14; BGH NJW-RR 2008, 1484 ff., Rz. 36). Auch eine besonders gelagerte Konstellation, die eine Prozessführungsbefugnis eines einzelnen Gesellschafters möglich erscheinen lässt, liegt nicht vor. Dies kann der Fall sein, wenn der klagende Gesellschafter ein berechtigtes Interesse an der Geltendmachung der Forderung im eigenen Namen hat, eine Klage im Namen der Gesellschaft aus gesellschaftswidrigen Gründen unterblieben ist und der verklagte Gesellschaftsschuldner an dem gesellschaftswidrigen Verhalten des die Gesellschaftsklage ablehnenden Mitgesellschafters beteiligt ist (vgl. BGH NJW 2000, 734; NJW-RR 1484 ff.; Rz. 37 m.w.N.). Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist hier nichts ersichtlich.

Die Voraussetzungen der beschränkt zulässigen Einzelklagebefugnis eines Gesellschafters einer Personengesellschaft aus dem Gesellschaftsverhältnis auf Leistung an die Gesellschaft (actio pro socio) liegen hier ebenfalls nicht vor (vgl. hierzu Zöller/Vollkommer, a.a.O., Vor § 50 Rn. 23 m.w.N.).

Es ist zudem weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger als gewillkürter Prozessstandschafter ermächtigt worden wäre, eine der Gesellschaft zustehende Forderung im eigenen Namen geltend zu machen. Hierzu wäre auch nicht einmal ausreichend, wenn der Kläger nach dem Gesellschaftsvertrag zur alleinigen Vertretung der Gesellschaft berechtigt wäre. Er müsste darüber hinaus von dem Verbot des § 181 BGB, als Vertreter der Gesellschaft mit sich im eigenen Namen Geschäfte zu schließen, befreit sein (BGH DB 2002, 1526 ff., Rz. 20; siehe auch NJW-RR 2008, 1484 ff., Rz. 35 m.w.N.). Auch hierfür ist nicht ersichtlich.

Insgesamt lässt sich somit eine Aktivlegitimation des Klägers nicht erkennen.

II.

Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers vom Vorliegen seiner Aktivlegitimation und weiterhin davon ausginge, dass der Beklagte schuldhaft seine Insolvenzantragspflicht gemäß § 15 a InsO (§ 64 Abs. 1 GmbHG a.F.) und damit einhergehend den Haftungstatbestand des § 823 Abs. 2 BGB verwirklicht hätte, so hätte er weiterhin seinen Schaden nicht schlüssig dargelegt.

1.

Wird eine GmbH zahlungsunfähig oder überschuldet, hat der Geschäftsführer nach § 15 a Abs. 1 S. 1 InsO, § 64 Abs. GmbHG a.F. ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber 3 Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, einen Insolvenzeröffnungsantrag zu stellen. Diese Vorschriften sind Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB (BGHZ 126, 181 (190); BGH NJW 2012, 3510 ff., Rz. 9). Ihr Schutzzweck erfasst nicht nur Alt-, sondern auch Neugläubiger, die in Unkenntnis der Insolvenzreife der Gesellschaft noch in Rechtsbeziehungen zu ihr getreten sind (BGHZ 29, 100 (104); 171, 46 Rz. 13; BGH NJW 2012, 3510 ff., Rz. 9).

2.

Der vom Kläger geltend gemachte Schaden fällt indes nicht unter das von § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15 a Abs. 1 InsO geschützte Interesse. Dem Vorbringen des Klägers muss nämlich entnommen werden, dass er die GbR als Neugläubigerin ansieht. Er wirft dem Beklagten vor, dass dieser bis spätestens zum 31. März 2010 die Bilanz hätte vorlegen müssen und daraus dann hervorgegangen wäre, dass Insolvenzreife vorliege. Wäre die Insolvenzreife der GmbH bekannt gewesen, wären die hier streitgegenständlichen, nach dem 31. März 2010 erteilten Mandate nicht mehr bearbeitet worden (Berufungsbegründung vom 16. November 2012, S. 12, GA 189)

Die Neugläubiger haben bei Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht einen Anspruch gegen den Geschäftsführer auf Ausgleich des Schadens, der ihnen dadurch entsteht, dass sie in Rechtsbeziehungen zu einer überschuldeten oder zahlungsunfähigen Gesellschaft getreten sind (BGHZ 126, 181 (198); 171, 46 Rz. 13; BGH ZIP 2009, 1220, Rz. 15; NJW 2012, 3510 ff., Rz. 13). Das Verbot der Insolvenzverschleppung dient nicht nur der Erhaltung des Gesellschaftsvermögens, sondern hat auch den Zweck, konkursreife Gesellschaften mit beschränktem Haftungsfonds vom Geschäftsverkehr fernzuhalten, damit durch diese nicht Gläubiger geschädigt oder gefährdet werden (BGHZ 126, 181 (194); 164, 50 (60); BGH NJW 2012, 3510 ff., Rz. 13). Soweit durch die Schutzvorschriften des § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. und § 15 a Abs. 1 InsO potentielle Neugläubiger vor der Eingehung solcher Geschäftsbeziehungen mit einer insolvenzreifen GmbH geschützt werden sollen, geschieht dies zu dem Zweck, sie davor zu bewahren, einer solchen Gesellschaft noch Geld- oder Sachkredit zu gewähren und dadurch einen Schaden zu erleiden. Anders als der Schaden der Altgläubiger, der in der durch die Insolvenzverschleppung bedingten Masse- und Quotenverminderung besteht, liegt der Schaden eines Neugläubigers darin, dass er der Gesellschaft im Vertrauen auf deren Solvenz noch Geld- oder Sachmittel zur Verfügung gestellt hat, ohne einen entsprechend werthaltigen Gegenanspruch oder eine entsprechende Gegenleistung zu erlangen (BGHZ 164, 50 (60); 171, 46 Rz. 13; BGH ZIP 2011, 1007 Rz. 40; NJW 2012, 3510 ff., Rz. 13). Ersatzfähig sind danach nur Schäden, die durch die Insolvenzreife der Gesellschaft verursacht worden sind.

Weiterhin ist bei der Frage nach den Rechtsfolgen der Insolvenzverschleppungshaftung zu berücksichtigen, dass es sich um einen deliktsrechtlichen Anspruch handelt (BGH ZIP 2011, 1007 Rz. 14 f.; NJW 2012, 3510 ff. Rz. 14). Schadensersatzansprüche aus einer unerlaubten Handlung richten sich selbst dann in der Regel nur auf Ersatz des negativen bzw. des Erhaltungsinteresses, wenn zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger vertragliche Beziehungen bestanden haben (BGH NJW 1998, 983 (984); 2000, 2669 (2670); 2012, 3510 ff., Rz. 14; BGHZ 188, 78 Rn. 8 f.). Davon zu unterscheiden ist der Anspruch auf Ersatz des positiven oder Erfüllungsinteresses. Dieses ist zu ersetzen, wenn der Anspruchsinhaber verlangen kann, so gestellt zu werden, als ob eine Verbindlichkeit ordnungsgemäß erfüllt worden wäre. Da die deliktische Haftung nicht an das Bestehen einer Verbindlichkeit und deren Nicht- oder Schlechterfüllung anknüpft, richtet sich der deliktische Schadensersatzanspruch allein auf das Erhaltungsinteresse (BGHZ 188, 78 Rz. 8; BGH NJW 2012, 3510 ff., Rz. 14 m.w.N.).

Der Neugläubiger ist deshalb von dem wegen Verletzung der Insolvenzantragspflicht deliktisch haftenden Geschäftsführer so zu stellen, wie er stehen würde, wenn dieser seiner Insolvenzantragspflicht rechtzeitig nachgekommen wäre. In diesem Fall hätte der Neugläubiger nicht mehr in vertragliche Beziehungen zur Gesellschaft treten können. Der zu ersetzende Schaden besteht deshalb nicht in dem wegen Insolvenz der Gesellschaft "entwerteten" Erfüllungsanspruch. Auszugleichen ist vielmehr lediglich das negative Interesse, zum Beispiel in Form von Waren- und Lohnkosten, die der Neugläubiger wegen des Vertragsschlusses mit dem Schuldner aufgewendet hat (BGHZ 126, 181 (201); 164, 50 (60); BGH ZIP 1999, 967; ZIP 2009, 1220 ff., Rz. 15; NJW 2012, 3510 ff., Rz. 15 m.w.N.). Entgangener Gewinn ist davon nur ausnahmsweise erfasst (BGH ZIP 2009, 1220 Rz. 15; NJW 2012, 3510 ff., Rz. 15).

Hier macht der Kläger keinen Anspruch auf Ausgleich eines negativen Interesses geltend. Vielmehr verlangt er den Betrag, den die GbR bei ordnungsgemäßer Vertragserfüllung durch die GmbH als Honorar hätte vereinnahmen können. Seiner Natur nach enthält es auch Gewinnanteile. Ein Anspruch auf Ersatz entgangenen Gewinns (§ 252 BGB) kann einem Neugläubiger jedoch nur dann zustehen, wenn ihm wegen des Vertragsschlusses mit der insolventen Gesellschaft ein Gewinn entgangen ist, den er ohne diesen anderweitig hätte erzielen können (BGHZ 171, 46 Rz. 21; NJW 2006, 60 (62f.); ZIP 2009, 1220 ff., Rz. 16). Dass die GbR derartige Einbußen erlitten hat, hat der Kläger jedoch weder vorgetragen, noch ist es aus dem Akteninhalt ersichtlich. Entsprechendes gilt für ersatzfähige Aufwendungen, die der GbR durch die Mandatsausführung möglicherweise entstanden sind.

III.

Käme man zu einer Haftung des Beklagten und ließe sich ein Schaden feststellen, so wäre indes auch ein Mitverschulden der GbR gemäß § 254 BGB zu erwägen. Der für die GbR handelnde Rechtsanwalt wusste um die wirtschaftlichen Probleme der GmbH, auch wenn ihm unter Umständen nicht im Einzelnen bekannt war, ob und wann Insolvenzreife eingetreten ist. Dies ergibt sich aus dem Aktenvermerk vom 21. Januar 2010 (Anlage K 14, GA 109-111). Es hätte deshalb nahe gelegen, die anwaltliche Tätigkeit von der Bezahlung eines Vorschusses gemäß § 9 RVG abhängig zu machen, wie dies auch (bei solventen Mandanten) durchaus üblich ist. Erkennbare Anhaltspunkte für Zahlungsschwierigkeiten der GmbH ergaben sich zudem daraus, dass bereits die Rechnung vom 4. Mai 2010 (Anlage K 3.2, GA 42) nicht bezahlt worden war, die GbR in der Folgezeit jedoch weitere Mandate übernommen hat (vgl. Rechnungen vom 2. September 2010, Anlage K6, GA 47 und Anlage K7, GA 48; vom 16. September 2010, Anlage K8, GA 49; vom 2. Februar 2011, Anlage K4, GA 45; vom 26. August 2011, Anlage K5, GA 46 und vom 27. Dezember 2011, Anlage K12, GA 57, unter Beachtung der dort angegebenen Leistungszeiträume).

IV.

Die weiteren in § 522 Abs. 2 Nrn. 2, 3 und 4 ZPO genannten Voraussetzungen liegen ebenfalls vor.

Der Senat weist darauf hin, dass die Rücknahme der Berufung vor Erlass einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO gemäß GKG KV 1222 S. 1 und 2 kostenrechtlich privilegiert ist; statt vier fallen nur zwei Gerichtsgebühren an (OLG Brandenburg MDR 2009, 1363 = AGS 2009, 553 f.; Senat ZIP 2010, 1852 f.).