BGH, Urteil vom 10.05.2000 - IV ZR 297/98
Fundstelle
openJur 2010, 7161
  • Rkr:
Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 31. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 11. Mai 1998 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 25. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Der Kläger führt in I. einen Gewerbebetrieb, der zunächst aus einer Videothek, einer Spielhalle und einem Pilslokal bestand. Das beklagte Versicherungsmaklerunternehmen hatte es übernommen, für dieses Objekt unter anderem eine Feuerversicherung abzuschließen. Nachdem die Beklagte insoweit bei der W. Versicherung Deckung ab dem 1. November 1994 beschafft hatte, erweiterte der Kläger seinen Betrieb um einen im ersten Stockwerk eingerichteten Billardsalon. Er beauftragte die Beklagte, für eine entsprechende Ergänzung des Versicherungsschutzes zu sorgen. Mit Schreiben vom 22. September 1994 erbat die Beklagte darauf bei der W. Versicherung Deckung auch für den Billardsalon, die ihr ab dem 23. Dezember 1994 auch zugesagt wurde.

Mit Schreiben vom 22. September 1995 übersandte die Beklagte dem Kläger einen Versicherungsschein der W. Versicherung vom 29. März 1995, der sich auf den Spielhallenbetrieb und den Billardsalon, jeweils mit Bewirtung, bezieht, unter anderem den Abschluß einer Feuerversicherung ausweist und als Versicherungsablauf den 1. November 1995 bezeichnet. Unter der Überschrift "Besondere Vereinbarungen und Bestimmungen" enthält der Versicherungsschein unter anderem den Hinweis "Die Kündigungsklausel gilt gestrichen. Der Vertrag endet zum 01.11.95".

Am 7. Februar 1996 gegen 1.00 Uhr brach im Pilslokal ein Brand aus. Eine dort beschäftigte Mitarbeiterin hatte im Laufe des vorangegangenen Abends die Aschenbecher im Lokal in eine blecherne Kaffeedose entleert, diese Dose schließlich unentleert auf den Deckel eines metallenen Abfalleimers gestellt, über dem sich in etwa 10-20 cm Abstand eine Holzplatte befand. Ein in der blechernen Kaffeedose entstandener Brand entzündete die Holzplatte. Das sich danach entwickelnde Feuer führte zu erheblichen Schäden an Einrichtung und Gebäude. Die W. Versicherung verweigerte Versicherungsleistungen, weil der mit ihr geschlossene Versicherungsvertrag am 1. November 1995 abgelaufen war.

Der Kläger hat daraufhin die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Die Beklagte sei beauftragt worden, für durchgehenden und lückenlosen Versicherungsschutz zu sorgen. Dieser Verpflichtung habe sie mit Abschluß des nur zeitlich befristeten Versicherungsvertrages nicht genügt. Der Haftpflichtversicherer der Beklagten habe den Anspruch des Klägers deshalb bereits dem Grunde nach anerkannt. Der Feuerversicherer wäre auch eintrittspflichtig gewesen. Den Kläger treffe im Hinblick auf eine etwaige Verletzung von Sicherheitsvorschriften der Vorwurf grober Fahrlässigkeit nicht.

Das Landgericht hat die auf Zahlung von 126.584 DM nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen; die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt er sein Klagebegehren weiter.

Gründe

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. a) Das Berufungsgericht nimmt an, der Kläger habe bereits einen Verstoß der Beklagten gegen den Maklervertrag nicht substantiiert dargelegt. Er habe zu den Vereinbarungen mit der Beklagten hinsichtlich einer Feuerversicherung für das Pilslokal nur vorgetragen, die Beklagte sei beauftragt worden, durchgehend für ausreichenden und notwendigen Versicherungsschutz zu sorgen; die Beklagte habe zugesagt, sich darum zu bemühen. Nach einer solchen Zusage habe dem Kläger klar sein müssen, daß fortlaufender Versicherungsschutz noch nicht bestanden habe. Dies habe sich auch deutlich aus dem Versicherungsschein vom 29. März 1995 ergeben. Eine Pflichtverletzung durch die Beklagte lasse sich danach nicht feststellen. Eine solche ergebe sich angesichts der klaren Angaben im Versicherungsschein schließlich auch nicht daraus, daß die Beklagte auf den Vertragsablauf zum 1. November 1995 nicht ausdrücklich hingewiesen habe.

b) Diese Erwägungen sind -wie die Revision mit Recht rügt durch einen Verfahrensfehler beeinflußt. Das Berufungsgericht hat Vortrag des Klägers zum Inhalt seines Auftrags an die Beklagte, den er unter Beweis gestellt hat, übergangen.

Der Kläger hat bereits mit seiner Klage vorgetragen, die Beklagte sei beauftragt gewesen, für eine durchgehende und lückenlose Versicherung des Objekts zu sorgen. Das hat die Beklagte bestritten und ihrerseits behauptet, sie sei lediglich beauftragt worden, das Objekt ab dem 1. November 1994 zu versichern. Das Berufungsgericht hat aber nicht ausreichend beachtet, daß der Kläger daraufhin (Schriftsatz vom 23. Juni 1997) seinen Vortrag wie folgt ergänzt und durch das Zeugnis seiner Ehefrau unter Beweis gestellt hat:

"Zwar ist auf dem mit Schreiben der Beklagten vom 22.09.95 übergebenen Versicherungsschein der Ablauf der Versicherung vermerkt. Allerdings hat die nachbenannte Zeugin den Geschäftsführer der Beklagten daraufhin sogar ausdrücklich angesprochen. Daraufhin erklärte dieser, der Kläger brauche sich keine Gedanken zu machen. Das Objekt werde durchgehend versichert. Dafür werde die Beklagte rechtzeitig Sorge tragen und den Vertrag entsprechend verlängern."

Die Beklagte ist auch diesem Vortrag entgegengetreten. Ihr Geschäftsführer habe auf den Vertragsablauf hingewiesen und lediglich zugesichert, er werde sich um eine Anschlußversicherung bemühen. In der Berufungsinstanz hat der Kläger mit der Berufungsbegründung auf seinen erstinstanzlichen Vortrag -und dabei ausdrücklich auf den Schriftsatz vom 23. Juni 1997 -Bezug genommen. Er war damit Bestandteil seines Berufungsvorbringens; einer wiederholenden Darstellung bedurfte es nicht, zumal noch das Landgericht auf der Grundlage seines bisherigen Vorbringens von einer Pflichtverletzung der Beklagten ausgegangen war.

Ist dieser -vom Berufungsgericht übergangene -Vortrag des Klägers zugrunde zu legen, dann ging auch die Beklagte von einem Auftrag aus, der sie verpflichtete, für eine durchgehende -mithin fortlaufende -Versicherung zu sorgen; sie hat danach auch ausdrücklich die rechtzeitige Verlängerung des (befristeten) Feuerversicherungsvertrages zugesagt. Da sie eine solche Verlängerung unstreitig nicht bewirkt hat, ist vom Kläger eine Verletzung der Vertragspflichten durch die Beklagte substantiiert und schlüssig dargetan worden. Das Berufungsgericht war demgemäß gehalten, dem von der Beklagten bestrittenen Vortrag des Klägers durch Beweisaufnahme nachzugehen.

c) Der Vortrag der Parteien gibt darüber hinaus Anlaß zu folgenden Hinweisen: Der Kläger hat den Versicherungsschein der W. Versicherung vom 29. März 1995 durch die Beklagte erst mit Schreiben vom 22. September 1995 und damit erst zu einem Zeitpunkt übersandt erhalten, in dem der Ablauf der Versicherung etwa sechs Wochen später bereits feststand. Selbst wenn die Beklagte nur den Auftrag gehabt haben sollte, für Versicherungsschutz ab dem 1. November 1994 zu sorgen, ergab sich für sie schon wegen dieses zeitlichen Zusammenhanges aus dem übernommenen Maklerauftrag die Pflicht, den Kläger klar und eindeutig darauf hinzuweisen, daß er in wenigen Wochen ohne Versicherungsschutz sein werde, er umgehend für die Erhaltung und Sicherung des Versicherungsschutzes Sorge tragen müsse (vgl. zu den Maklerpflichten BGHZ 94, 356, 359 f.). Sollte davon auszugehen sein, daß die Beklagte -wie sie selbst vorträgt -dem Kläger zugesagt hat, sich um eine Anschlußversicherung zu bemühen, war sie als Maklerin des Klägers verpflichtet, diesen rechtzeitig vor Ablauf der Versicherung über das Fehlschlagen ihrer Bemühungen zu unterrichten, um diesem Gelegenheit zu geben, selbst und anderweit den Erhalt des Versicherungsschutzes zu sichern. Daß die Beklagte dieser Pflicht genügt hätte, ist bislang nicht dargetan.

d) Soweit die Revision meint, die danach gebotene weitere Sachaufklärung sei im vorliegenden Falle deshalb entbehrlich, weil der Haftpflichtversicherer der Beklagten bereits mit Schreiben vom 3. Juni 1996 ein die Beklagte bindendes Schuldanerkenntnis dem Grunde nach erklärt habe, ist ihr nicht zu folgen. Vielmehr hat das Berufungsgericht das Schreiben des Haftpflichtversicherers rechtsfehlerfrei dahin ausgelegt, daß mit ihm jedenfalls kein Anerkenntnis dem Kläger gegenüber erklärt worden ist. Seine Würdigung, das Schreiben berichte zwar darüber, daß der Versicherer seinem Versicherungsnehmer -der Beklagten -Deckungsschutz gewährt und eine Abschlagszahlung überwiesen habe, es enthalte aber keine Verpflichtungserklärung für die Beklagte gegenüber dem Kläger, ist möglich und insbesondere -entgegen der Auffassung der Revision -nicht denkgesetzwidrig. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß nach dem weiteren Inhalt des Schreibens der Geschädigte um eine Schadensaufstellung gebeten worden ist. Auf die vom Berufungsgericht und der Revision weiterhin erörterten Fragen zum Umfang der Vollmacht des Haftpflichtversicherers kommt es danach schon nicht mehr an.

2. a) Das Berufungsgericht nimmt weiter an, daß der Kläger -hätte die Beklagte für eine Verlängerung der Feuerversicherung bis über den Tag des Brandes hinaus gesorgt -aus dieser Versicherung keinen Ersatz für den Brandschaden erlangt hätte. Der Feuerversicherer wäre nach §§ 7 Nr. 1 a, 2 AFB 87, 6 Abs. 1 VVG wegen grob fahrlässiger Verursachung des Brandes durch dem Kläger zurechenbares Verhalten leistungsfrei gewesen. Die im Lokal arbeitende Bedienung habe mit dem Abstellen der Blechdose dicht unter einer Holzabdeckung die Sicherheitsvorschrift Nr. 3.6 des Feuerversicherers verletzt, nach der Aschenbecher "nur in doppelwandigen Metallbehältern mit selbstschließendem Deckel zu entleeren" seien. Dieser brandauslösende Verstoß sei vom Kläger verschuldet im Sinne des § 6 Abs. 1 VVG. Dem Kläger sei aus Personalversammlungen das Fehlverhalten der Bedienung bekannt gewesen; er habe es abstellen müssen.

b) Diese Erwägungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Nachprüfung nicht uneingeschränkt stand; auch sie rechtfertigen die Abweisung der Klage nicht.

aa) Allerdings hat das Berufungsgericht zunächst zutreffend darauf abgestellt, daß einem hypothetischen, im Zeitpunkt des Brandes bestehenden Feuerversicherungsvertrag die Versicherungsbedingungen und die Sicherheitsvorschriften zugrunde zu legen seien, die mit dem am 1. November 1995 abgelaufenen Vertrag vereinbart worden waren. Denn nach dem Vortrag des Klägers hatte die Beklagte von vornherein für durchgehende Deckung zu sorgen, jedenfalls aber ausdrücklich die Verlängerung des befristeten Vertrages zugesagt. Demgemäß hätte bei pflichtgemäßem Verhalten der Beklagten beim Brand ein Feuerversicherungsvertrag bestanden, dem die Sicherheitsvorschriften der W. Versicherung und die allgemeinen Bedingungen für die Feuerversicherung (AFB 87) zugrunde liegen. Soweit das Berufungsgericht auf dieser Grundlage zur Annahme von Leistungsfreiheit des Feuerversicherers gemäß § 7 Nr. 1 a, 2 AFB 87 i. V. mit Nr. 3.6 der Sicherheitsvorschriften gelangt, erweisen sich seine Erwägungen dagegen nicht als rechtsfehlerfrei.

bb) Das Berufungsgericht legt unter Hinweis auf §§ 7 AFB, 6 Abs. 1 VVG dar, daß der Feuerversicherer wegen grob fahrlässiger Verursachung des Brandes durch dem Kläger zurechenbares Verhalten leistungsfrei gewesen wäre.

Abgesehen davon, daß der Hinweis auf eine grob fahrlässige Verursachung des Brandes auf eine Beurteilung nach § 61 VVG und nicht auf den vom Berufungsgericht herangezogenen § 6 Abs. 1 VVG hindeutet, will das Berufungsgericht insoweit an eine Verursachung "durch dem Kläger zurechenbares Verhalten" anknüpfen. Es geht dem Berufungsgericht danach also nicht um ein Verhalten des Klägers selbst, sondern um das eines Dritten, das -soll es "zugerechnet" werden -das eines Repräsentanten des Klägers sein müßte. In der Folge nimmt das Berufungsgericht zwar auch das Verhalten einer Bedienung im Lokal des Klägers in den Blick, stellt aber insoweit nicht fest, daß diese als Repräsentantin des Klägers anzusehen ist. Dafür ist im übrigen nach dem Vortrag der Parteien auch nichts ersichtlich. Schon deshalb wird die vom Berufungsgericht bejahte Leistungsfreiheit des Feuerversicherers von der für sie gegebenen Begründung nicht getragen.

Zwar spricht das Berufungsgericht auch von einem vom Kläger verschuldeten Verstoß. Ob damit aber nunmehr allein an ein Verhalten des Klägers selbst angeknüpft werden soll, ist angesichts der einleitenden Erwägungen ("zurechenbares Verhalten") nicht sicher festzustellen. Die Erwägungen des Berufungsgerichts stellen sich insoweit als widersprüchlich dar. Hinzu kommt, daß das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang von einem Verschulden des Klägers im Sinne von § 6 Abs. 1 VVG ausgehen will. Für die Leistungsfreiheit des Versicherers genügt nach dieser Vorschrift jedes Verschulden des Versicherungsnehmers. Dagegen tritt nach § 7 Nr. 2 Abs. 1 Satz 3 AFB 87 Leistungsfreiheit des Versicherers nicht ein, wenn die Verletzung der Obliegenheit weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruht. Die Begründung des Berufungsgerichts verdeutlicht nicht hinreichend, daß es diese Einschränkung der Voraussetzungen der Leistungsfreiheit des Versicherers bei seiner Würdigung des Verhaltens des Klägers erkannt hat.

cc) Schließlich: Wenn das Berufungsgericht allein auf ein Überwachungsverschulden des Klägers hat abstellen wollen, erweisen sich seine dazu getroffenen Feststellungen nicht als verfahrensfehlerfrei.

Das Berufungsgericht stellt fest, dem Kläger sei das Fehlverhalten seiner Bedienung bekannt gewesen. Bei diesem Fehlverhalten kann es nach dem Zusammenhang seiner Erwägungen nur darum gegangen sein, daß die Bedienung die in der blechernen Kaffeedose gesammelten Abfälle nicht ordnungsgemäß in den metallenen Abfalleimer entleert, vielmehr die unentleerte Kaffeedose auf diesem Abfalleimer abgestellt hat. Nach dem Vortrag des Klägers hatte dieser das Personal angewiesen, die Aschenbecher auf den Tischen zunächst in die blecherne Kaffeedose zu entleeren, sodann Papierabfälle getrennt zu entsorgen und den Rest in den metallenen Abfalleimer zu entleeren. Das ihm bekannte Fehlverhalten des Personals habe darin bestanden, daß die Trennung des Papiers nicht erfolgt, vielmehr alles in den Metallbehälter gekippt worden sei. In diesem Zusammenhang hat der Kläger bestritten, davon Kenntnis gehabt zu haben, daß die blecherne Kaffeedose schon zuvor unentleert auf dem Abfalleimer abgestellt worden sei.

Die Feststellung des Berufungsgerichts, dem Kläger sei das Fehlverhalten der Bedienung bekannt gewesen, findet danach im Klägervortrag keine Stütze. Die Beweislast für den Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung aber trifft die Beklagte. Demgemäß war es an ihr, vorzutragen und zu beweisen, daß der Kläger von einem anweisungswidrigen Verhalten seines Personals, was die Entleerung der blechernen Kaffeedose anlangt, Kenntnis hatte. Auf dieser Grundlage fehlt es bislang an verfahrensfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts.

dd) Soweit das Berufungsgericht schließlich annimmt, der Kläger habe entgegen der Sicherheitsvorschrift Nr. 3.8 nach Betriebsschluß nicht alle brennbaren Abfälle und Abfallbehälter aus den Gasträumen entfernt, entbehrt diese Annahme -was ein dem Kläger selbst vorwerfbares Verhalten anlangt -tatsächlicher Feststellungen und einer näheren Begründung.