OLG Köln, Beschluss vom 04.01.2013 - III-1 RBs 334/12
Fundstelle
openJur 2013, 29903
  • Rkr:
Tenor

Das Verfahren wird wegen Verjährung eingestellt.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse. Ausgenommen sind die dem Betroffenen darin entstandenen notwendigen Auslagen, die er selbst trägt.

Gründe

I.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat den bisherigen Sachstand wie folgt dargestellt:

I.

Der Landrat des Kreises I hat gegen den Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 22.12.2011 wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften eine Geldbuße von 80,- Euro festgesetzt und ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats angeordnet (Bl. 32 f. d.A.). Gegen diesen seinem Verteidiger am 30.12.2011 zugestellten (Bl. 40 f. d.A.) und ihm unter Hinweis auf die an seinen Verteidiger erfolgte Zustellung formlos übersandten (Bl. 34 d.A.) Bußgeldbescheid hat der Betroffene mit anwaltlichem Schreiben vom 02.01.2012 form- und fristgerecht Einspruch eingelegt (Bl. 42 f. d.A.).

Das Amtsgericht Geilenkirchen hat den Betroffenen am 25.09.2012 - 17 OWi-407 Js 771/12-40/12 - wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von 80,00 Euro verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet, das erst nach Rechtskraft des Urteils und Abgabe des Führerscheins, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten nach Rechtskrafteintritt wirksam werden sollte (Bl. 75R, 77 ff. d.A.).

Gegen dieses in Abwesenheit des von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbundenen und nicht von seinem Verteidiger vertretenen Betroffenen verkündete (Bl. 74 d.A.), seinem Verteidiger am 01.10.2012 (Bl. 93 d.A.) und ihm am 04.10.2012 zugestellte (Bl. 91, 91 R d.A.) Urteil hat der Betroffene mit anwaltlichem Schreiben vom 04.10.2012, eingegangen beim Amtsgericht Geilenkirchen als Telefaxschreiben am 05.10.2012, Rechtsbeschwerde eingelegt (Bl. 92 d.A.) und diese mit weiterem anwaltlichem Schreiben vom 07.11.2012, eingegangen beim Amtsgericht Geilenkirchen als Telefaxschreiben am gleichen Tag (Bl. 97 ff. d.A.), mit der Verletzung materiellen Rechts begründet (Bl. 97 ff. d.A.). Der Betroffene ist der Auffassung der Verfolgung der Ordnungswidrigkeit stehe das Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung entgegen, weil die Zustellung des Bußgeldbescheids an seinen Verteidiger mangels einer sich bei den Akten befindlichen Vollmachtsurkunde unwirksam erfolgt sei und der Zustellung daher keine verjährungsunterbrechende Wirkung zukomme (Bl. 57 f. d.A.). Zudem lasse sich dem Urteil nicht entnehmen, dass das Gericht sich mit der Möglichkeit des Absehens von der Verhängung eines Fahrverbots auseinandergesetzt hat (Bl. 93 d.A.)."

Darauf nimmt der Senat Bezug und merkt ergänzend zum Verfahren vor der Verwaltungsbehörde an, dass Rechtsanwalt Dr. T sich, nachdem im Rahmen der Fahrerermittlung der Fahrzeughalterin, der Firma I2 GmbH & Co. KG, unter dem 17.10.2011 eine Zeugenanhörung im Bußgeldverfahren übermittelt worden war, mit Schriftsatz vom 25.10.2011 für die Fahrzeughalterin gemeldet, um Akteneinsicht nachgesucht und eine Strafprozessvollmacht der Firma I2 GmbH & Co. KG vom 25.10.2011 beigefügt hatte. Nachdem der Betroffene als Fahrer ermittelt und ihm unter dem 24.11.2011 ein Anhörungsbogen im Bußgeldverfahren übermittelt worden war, war, hat Rechtsanwalt Dr. T sich mit Schriftsatz vom 22.12.2011 zum Verteidiger des Betroffenen bestellt und angekündigt, eine ihn legitimierende Vollmachtsurkunde nachzureichen, was in der Folgezeit allerdings nicht geschehen ist.

II.

Das Verfahren war gemäß §§ 46 Abs. 1 OwiG, 206 a Abs. 1 StPO einzustellen, da gemäß § 26 Abs. 3 StVG Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Einer förmlichen Aufhebung des angefochtenen Urteils bedarf es insoweit nicht (vgl. SenE v. 9. 4. 1997 - Ss 105/97; SenE v. 17. 4. 1988 - Ss 135/98 = StraFo 1998, 417; SenE v. 13. 10. 2000 - Ss 398/00; SenE v. 23. 10. 2001 - Ss 406/01; SenE v. 3. 1. 2003 - Ss 536/02; SenE v. 25. 4. 2003 - Ss 157/03; SenE v. 20.04.2003 - Ss 156/03; Göhler-Seitz, OWiG, 14. Aufl. § 79 Rn 47a m. w. N).

Die Verjährungsfrist beträgt bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24 StVG gem. § 26 Abs. 3 StVG drei Monate, solange wegen der Handlung weder eine Bußgelbbescheid ergangen noch öffentliche Klage erhoben ist, danach 6 Monate. Nach § 31 Abs. 3 S. 1 OWiG begann die Verfolgungsverjährung am Tattag, dem 11.09.2011. Die dreimonatige Verjährungsfrist ist zunächst durch die in der Übersendung des Anhörungsbogens, datiert auf den 24.11.2011, an den Betroffenen liegende Bekanntgabe, dass gegen ihn ein Ermittlungsverfahren eigeleitet worden ist, unterbrochen worden. Innerhalb der damit erneut in Gang gesetzten Verjährungsfrist von drei Monaten ist keine weitere verjährungsunterbrechende Handlung vorgenommen worden. Insbesondere hat die Zustellung des Bußgeldbescheides an den Verteidiger des Betroffenen nicht zu einer Unterbrechung der Verjährung geführt. Zwar beträgt die Verjährungsfrist nach § 26 Abs. 3 StVG sechs Monate, "wenn ein Bußgeldbescheid ergangen" ist. Auch wurde diese Bedingung unter der Geltung des alten Rechts so verstanden, dass die sechsmonatige Verjährungsfrist ab dem Erlass des Bußgeldbescheids gelte (Jagusch/Hentschel Straßenverkehrsrecht 34. Aufl. § 26 StVG Rdn. 7; Mühlhaus/Janiszewski StVO 14. Aufl. § 26 StVG Rdn. 4). Daran kann aber jedenfalls nach dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes vom 26. Januar 1998 mit Blick auf die Neuregelung der Verjährungsunterbrechung in § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 OWiG nicht uneingeschränkt festgehalten werden: Indem diese Vorschrift die verjährungsunterbrechende Wirkung des Bußgeldbescheids nur für den Fall an dessen Erlass knüpft, dass die Zustellung binnen zwei Wochen nach diesem Zeitpunkt erfolgt, Dies macht eine Änderung der Auslegung des § 26 Abs. 3 2. Halbsatz StVG erforderlich. Dem erklärten Sinn und Zweck der Änderung des § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 OWiG, nämlich die Verwaltungsbehörden zu einer zügigen Erledigung anzuhalten, auf diese Weise der Beschleunigung zu dienen und die Rechtssicherheit zu fördern (BTDrucks. 13/3691, S. 7, und 13/8655, S. 12), würde es ersichtlich zuwiderlaufen, wenn die Verlängerung der Verjährungsfrist auf sechs Monate nach § 26 Abs. 3 2. Halbsatz StVG unabhängig von dem Zeitpunkt der Zustellung des Bußgeldbescheids bereits mit dessen Erlass einträte. Eine § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 n.F. OWiG berücksichtigende Auslegung des § 26 Abs. 3 2. Halbsatz StVG, die die Rechtsfolgen der beiden Vorschriften sinnvoll aufeinander abstimmt, kann nur dahin gehen, dass der Bußgeldbescheid - mit der Folge der Verlängerung der Verjährungsfrist auf sechs Monate ab diesem Zeitpunkt - mit seinem Erlass nur dann "ergangen" ist, wenn er binnen zwei Wochen zugestellt wird (BGHSt 45, 261).

Eine wirksame Zustellung des Bußgeldbescheides ist aber nicht erfolgt. Der Bußgeldbescheid ist dem Verteidiger Rechtsanwalt Dr. T am 30.12.2011 nicht wirksam zugestellt worden. An den gewählten Verteidiger kann nur dann wirksam zugestellt werden, wenn sich gem. § 51 Abs. 3 S. 1 OWiG eine Urkunde über seine Bevollmächtigung bei den Akten befindet wobei es auch ausreichend ist, wenn die Vollmacht vom Betroffenen in der Hauptverhandlung zu Protokoll erklärt worden ist. Im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit ist jedenfalls am Erfordernis einer schriftlichen, bei den Akten befindlichen Vollmacht - sei es in Form einer Vollmachtsurkunde oder einer beurkundeten Bevollmächtigung - festzuhalten, so wie es der § 51 Abs. 3 S. 1 OWiG verlangt. Konkludentes Verhalten erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Eine großzügigere Auslegung der Vorschrift kann Unklarheit schaffen und sich insbesondere auch zu Lasten eines Angeklagten auswirken. Zweckmäßigkeitserwägungen haben demgegenüber zurückzustehen. (BGHSt 41, 303; BGH NStZ-RR 2009, 144). Soweit in der obergerichtlichen Rechtsprechung trotz Fehlens einer bei den Akten befindlichen Verteidigervollmacht bzw. in der Hauptverhandlung zu Protokoll erklärten Vollmacht eine wirksame Zustellung angenommen worden ist, betraf dies Fälle, in denen nur eine außergerichtliche Vollmacht zu den Akten gereicht worden war (vgl. dazu Brandenburgisches Oberlandesgericht VRS 113, 434; Thüringer OLG VRS 112, 360, OLG Düsseldorf NJW 2008, 2727 ff. = NZV 2008, 588 ff.; OLG Dresden, VerkMitt 2007, Nr.63; OLG Zweibrücken, Beschluss v. 08.04.2008, zitiert nach juris; OLG Hamm DAR 2004, 105; KG Berlin VRS 112, 475 und VRS 122, 34; OLG Karlsruhe, Beschluss NStZ 2009, 295;; vgl. auch SenE vom 01.06.2007 - 83 Ss-OWi 48/07 -139-; SenE vom 02.02.2010 - III-1RBs 27/10). bzw. die Berechtigung zur Entgegennahme von Zustellungen von der Verteidigervollmacht ausgeschlossen worden war . Um eine derartige Fallgestaltung geht es hier nicht.

Es liegt auch kein Fall vor, in dem der Betroffene dem Verteidiger zwar keine Verteidigervollmacht, aber eine ausdrückliche Zustellungsvollmacht erteilt hat, die von der gesetzlichen Fiktion der Zustellungsvollmacht gem. § 51 Abs. 3 S. 1 OwiG, § 145 a Abs. 1 StPO zu unterscheiden ist und formlos nachgewiesen werden kann (OLG Rostock NStZ-RR 2003, 336). Denn auch eine solche Zustellungsvollmacht hat der Betroffene nicht erteilt.

Die Vollmacht, die die Firma I2 GmbH & Co. KG am 25.10.2011 an Rechtsanwalt Dr. T erteilt hatte, beinhaltet zwar eine Verteidigervollmacht. Sie diente im Rahmen der Fahrerermittlung, in dem die Firma I2 GmbH & Co. KG als Halterin angeschrieben worden war, der Akteneinsicht. Ein Bußgeldverfahren gegen den Betroffenen war zu diesem Zeitpunkt noch nicht eröffnet. Erst nachdem er als Betroffener angehört worden war, hat sich Rechtsanwalt Dr. T wieder gemeldet und zwar nun ausdrücklich für den Betroffenen mit dem Versprechen dessen schriftliche Vollmacht nachzureichen. Es ist demnach seitens der Auftraggeber genau danach differenziert worden, ob die Juristische Person oder die Privatperson handelte, mag sie auch Geschäftsführer der Komplementär GmbH sein und genau gewusst haben, dass nur sie als Fahrer in Betracht kam. Diese Umstände schließen es aus, die Verteidigervollmacht vom 25.10.2011 als eine solche des Betroffenen auszulegen.

Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts ersetzt die auch formlose Übersendung des Bußgeldbescheides an den Betroffenen nicht dessen Zustellung, da insoweit kein Zustellungswille der Behörde vorlag.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 1 OWiG, 467 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 StPO. Gemäß § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO war davon abzusehen, die notwenigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen, weil seine Verurteilung bei Hinwegdenken des Verfahrenshindernisses als sicher erscheint (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 467 Rn 16). Die Unschuldsvermutung schließt eine Kostenüberbürdung jedenfalls dann nicht aus, wenn die Schuld des Angekl. in einer bis zur Schuldspruchreife durchgeführten Hauptverhandlung festgestellt worden ist (OLG Celle [28.05.02] NJW 2002, 3720 [3721)