FG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.02.2013 - 2 K 2760/11
Fundstelle
openJur 2013, 27546
  • Rkr:
Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Streitig ist, ob der Besuch eines islamischen Mädchenkollegs Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a Einkommensteuergesetz (EStG) ist.

Die verheiratete Klägerin ist türkische Staatsangehörige und islamischer Religionszugehörigkeit. Sie bezog für ihre am 2. Januar 1993 geborene Tochter B von der beklagten Bundesagentur für Arbeit - Familienkasse X - Kindergeld. Wegen Vollendung des 18. Lebensjahrs wurde die Festsetzung des Kindergelds durch Bescheid vom 18. November 2010 aufgehoben.

Am 17. Dezember 2010 beantragte die Klägerin Weiterzahlung des Kindergelds für ihre Tochter, da diese noch die Schule besuche. Nach der vorgelegten Bescheinigung der I e.V., mit dem Datum 10. Dezember 2010 besuchte das Kind die erste Klasse im Vollzeitunterricht. Die Schulausbildung sollte am 16. Juli 2012 enden.

Durch Bescheid vom 4. Januar 2011 lehnte die Familienkasse die Festsetzung des Kindergelds für B ab Februar 2011 ab, da die Anspruchsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 EStG für die Zahlung von Kindergeld für ein über 18 Jahre altes Kind nicht erfüllt seien. Der Besuch der Islamschule stelle keine Ausbildung i.S.d. EStG dar.

Gegen den Ablehnungsbescheid legte die Klägerin am 11. Januar 2011 mit der Begründung Einspruch ein, sie habe zwei Bekannte, deren Kinder auch diese Schule besuchten und ohne weiteres Kindergeld bekämen. Auf die Frage nach dem Berufsziel des Kindes teilte die Klägerin mit, B habe ein solches noch nicht.

Durch Entscheidung vom 20. Juli 2011 wies die Familienkasse den Einspruch als unbegründet zurück. Ein Anspruch auf Kindergeld bestehe nicht, da sich das volljährige Kind nicht in Berufsausbildung befinde. Der Besuch der Islamschule sei nicht konkret berufsbezogen, denn er führe nicht zu einem Beruf.

Zur Begründung ihrer am 3. August 2011 erhobenen Klage lässt die Klägerin im Wesentlichen folgendes vortragen: Die Klage sei begründet, da die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG vorlägen. Ihre Tochter besuche seit September 2009 bis voraussichtlich Mitte Juli 2011 das Islamische Mädchenkolleg in Z. Hierbei handle es sich um eine Privatschule. Voraussetzung für die Aufnahme ins Kolleg sei die Erfüllung der Schulpflicht der entsprechenden Bundesländer. Ein bestimmter Schulabschluss werde im Islamischen Mädchenkolleg in Z nicht erworben. Allerdings würden den Schülerinnen Grundkenntnisse und Fähigkeiten vermittelt, die für die Fortsetzung der Berufsausbildung, beispielsweise durch Aufnahme eines Studiums der Theologie oder Islamwissenschaften, eine grundlegende Basis darstellten. Parallel dazu sei es den Absolventinnen nach erfolgreichem Abschluss auch möglich, beispielsweise in einer Moschee oder einer islamischen Gemeinde als Lehrerin tätig zu werden. Die Schülerinnen würden in unterschiedlichen Fächern unterrichtet. Dabei stünden islamische Unterrichtsfächer im Vordergrund. Gegenstand der Ausbildung sei jedoch auch das Erlernen bzw. Vertiefen von Sprachen sowie allgemeinbildende Unterrichtsfächer. So würden die Absolventinnen u.a. in Geschichte, Politik, Englisch, Musik, Kunst und Arabisch u.a. ausgebildet. Entgegen der Auffassung der Familienkasse diene der Besuch der Islamschule durchaus der Berufsausbildung. Im Rahmen dieser Ausbildung würden Fähigkeiten vermittelt, welche für eine etwaige sich anschließende weitere Berufsausbildung durchaus vorteilhaft seien. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass es ihrer Tochter nach Abschluss des islamischen Mädchenkollegs möglich sei, in einer Moschee oder einer islamischen Gemeinde als Lehrerin zu arbeiten. Auf die Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 10. Oktober 2000 6 K 795/98 Ki (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2001, 514) werde verwiesen. Der dortige dreijährige Besuch des islamischen Instituts in K sei mit dem hier streitgegenständlichen Besuch der Tochter in der Islamschule in Z vergleichbar. In beiden Fällen werde der Absolvent u.a. im Islam unterrichtet, was ihm nach Abschluss des Instituts bzw. der Schule ermögliche, ein Studium aufzunehmen oder als Lehrerin in einer islamischen Gemeinde oder Moschee zu arbeiten. Dies sei als Berufsausbildung anzusehen.

Der Anspruch auf Weiterzahlung des Kindergelds ab Februar 2011 ergebe sich desweiteren aus Art. 3 Grundgesetz (GG). Ihr seien Fälle bekannt, in denen Familien, deren Töchter ebenfalls die Islamschule in Z besuchten, Kindergeld gewährt werde. Art. 3 GG verpflichtet daher die Familienkasse, auch ihr Kindergeld für ihre Tochter B zu bewilligen.

Der Kindergeldanspruch ergebe sich zudem aus dem Umstand, dass die Tochter B ausweislich der Bescheinigung der Universität, Y seit 1. Oktober 2011 am Fernunterrichtsprogramm des türkischen Ferngymnasiums zum Erwerb des türkischen Abiturs teilnehme. Sofern B die Prüfungen im Laufe des Jahres 2012 bestehe, erwerbe sie Ende September 2012 das türkische Abitur. Dieses Fernstudium führe die Tochter neben ihrer Ausbildung an der Islamschule in Z durch. Das erfolgreiche Fernstudium sowie der Erwerb des türkischen Abiturs ermöglichten es dem Kind, an einer türkischen Universität zu studieren.

Die Klägerin beantragt, den Ablehnungsbescheid vom 4. Januar 2011 sowie Einspruchsentscheidung vom 20. Juli 2011 aufzuheben und die Familienkasse zu verpflichten, für die Tochter B von Februar 2011 bis Juli 2011 Kindergeld zu gewähren.

Die Familienkasse beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Kindergeld, da sich ihre Tochter im Streitzeitraum nicht in Berufsausbildung befunden habe. Um Wiederholungen zu vermeiden, werde auf die zutreffenden Ausführungen in der Einspruchsentscheidung verwiesen. Unstreitig könne im Islamischen Mädchenkolleg in Z weder ein Schulabschluss noch ein Ausbildungsabschluss erzielt werden. Der vom Niedersächsischen Finanzgericht entschiedene Sachverhalt im Verfahren 6 K 795/98 Ki sei mit dem Vorliegenden nicht vergleichbar. Wie von der Klägerin richtig ausgeführt worden sei, handle es sich um einen Fall, bei dem die Wohnsitzfrage zu klären gewesen sei. Im dortigen Verfahren habe das Kind am islamischen Institut eine dreijährige Ausbildung absolviert, die mit der Erlangung eines religiösen Reifezeugnisses (vergleichbar mit dem Fachhochschulabschluss oder dem Abitur) abgeschlossen worden sei. Dies habe zu einem vierjährigen Hochschulstudium berechtigt. Die gesamte siebenjährige Ausbildung sei auf das Ausbildungsziel Hodscha ausgerichtet gewesen. Hierzu sei die Ausbildung in K absolviert worden. Eine solche Ausbildung sei im syrischen Kulturkreis möglich. Ein Schulabschluss, wie das religiöse Reifezeugnis, sei im Islamischen Mädchenkolleg in Z jedoch nicht zu erlangen.

In § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG habe der Gesetzgeber festgelegt, dass eine Berücksichtigung für Kinder über 18 Jahren nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich sei. Das Kind müsse für einen Beruf ausgebildet werden. Nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) umfasse der Begriff Berufsausbildung jede Ausbildung zu einem künftigen Beruf. In Berufsausbildung befinde sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht habe, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereite. Einzubeziehen seien alle Maßnahmen, die dem Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen dienten, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet seien. D.h., es müsse ein konkretes Berufsziel vorhanden sein und die Ausbildungsmaßnahme müsse zielführend hierfür sein. Keine Berufsausbildung sei dann gegeben, wenn die absolvierte Maßnahme nicht der Vorbereitung auf einen konkreten angestrebten Beruf diene, sondern der Erlangung allgemeiner Erfahrungen. Dies sei vorliegend der Fall. Ein bestimmtes Berufsziel werde nicht angestrebt und der Unterricht möge allgemeine Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen, insbesondere des Islams zum Inhalt haben, eine konkrete Vorbereitung auf einen bestimmten Beruf beinhalte dies jedoch nicht.

Soweit sich die Klägerin auf Art. 3 GG berufe, greife der Gleichheitssatz vorliegend nicht ein. Art. 3 Abs. 1 GG als allgemeines Gleichheitsrecht lege fest, dass im wesentlichen gleiche Sachverhalte rechtlich gleich und im Wesentlichen ungleiche Sachverhalte rechtlich ungleich behandelt werden müssten. Willkürbehandlungen seien verboten. Würden Unterschiede gemacht, so seien diese sachlich nachvollziehbar zu begründen. Vorliegend werde angeblich für Kinder an dem Islamischen Mädchenkolleg Kindergeld gezahlt. Diese Festsetzungen seien fehlerhaft und müssten korrigiert werden. Eine Gleichbehandlung im Unrecht gebe es nicht. Dies bedeute, dass sich die Klägerin auf eine fehlerhafte Kindergeldfestsetzung auch nicht berufen könne.

Soweit vorgetragen werde, die Tochter nehme seit Oktober 2011 am Fernunterricht des türkischen Ferngymnasiums zur Erlangung des türkischen Abiturs teil, sei dies für das vorliegende Klageverfahren unerheblich. Streitig sei lediglich der Zeitraum von Februar 2011 bis Juli 2011 (Ergehen der Einspruchsentscheidung), so dass dieser Fernunterricht im Klageverfahren keine Berücksichtigung finden könne.

Die Klägerin hat folgende Unterlagen, auf deren Inhalt Bezug genommen wird, als Nachweise vorgelegt:

Bestätigung des Islamischen Mädchenkollegs vom 6. Dezember 2011 über den Schulbesuch von B. Schulprogramm des Zer Mädchenkollegs. Bescheinigung der Universität - Kontaktstelle für Westeuropa -, in Y über die Teilnahme von B am Unterricht des türkischen Ferngymnasiums im Schuljahr 2011/2012 ab 1. Oktober 2011.

Auf rechtlichen Hinweis des Gerichts hat die Klägerin ihren Anspruch auf Kindergeld auf den Zeitraum Februar 2011 bis Juli 2011 eingeschränkt.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der angefochtene Ablehnungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin deshalb nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Familienkasse war nicht verpflichtet, für die Tochter B der Klägerin Kindergeld festzusetzen. Denn das Kind befand sich im streitigen Zeitraum nicht in Berufsausbildung.

Nach § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG ist ein Kind kindergeldrechtlich zu berücksichtigen, das für einen Beruf ausgebildet wird.

Nach der Übernahme des Kindergeldrechts in das EStG durch das Jahressteuergesetz 1996 vom 11. Oktober 1995 (Bundesgesetzblatt - BGBl. - I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438) hat der BFH den Begriff der Berufsausbildung neu bestimmt und erweiternd ausgelegt (vgl. Urteile vom 9. Juni 1999 VI R 33/98, BStBl II 1999, 701; vom 24. Juni 2004 III R 3/03, BStBl II 2006, 294).

Er umfasst jede Ausbildung zu einem künftigen Beruf. Zur Berufsausbildung gehört auch die Schulausbildung (Urteil des BFH vom 9. Juni 1999 VI R 34/98, BStBl II 1999, 705). In Berufsausbildung befindet sich, wer seine Berufsziele noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft darauf vorbereitet (Urteil des BFH vom 24. Juni 2004 III R 3/03, a.a.O.).

Dieser Vorbereitung dienen alle Maßnahmen, bei denen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind (ständige Rechtsprechung des BFH z. B. Urteil vom 2. April 2009 III R 85/08, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2009, 1502; vom 18. März 2009 III R 26/06, BStBl II 2010, 296). Sie müssen nicht zwingend in einer Ausbildungs- oder Studienordnung vorgeschrieben sein, auch muss die Ausbildungsmaßnahme nicht überwiegend Zeit und Arbeitskraft des Kindes in Anspruch nehmen (Urteil des BFH vom 9. Juni 1999 VI R 33/98, a. a. O.). Den Eltern und dem Kind wird bei der Gestaltung der Ausbildung ein weiter Entscheidungsspielraum zugebilligt (Urteil des BFH vom 24. Juni 2004 III R 3/03, a. a. O.). Eine inhaltliche Wertung der angestrebten Berufsausbildung steht der Familienkasse und dem Gericht nicht zu. Anders als für den Abzug als Sonderausgaben gem. § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG ist es auch nicht erforderlich, dass eine nach Landesrecht anerkannte allgemeinbildende Schule besucht wird. Maßgeblich ist, ob das Kind mit dem Schulbesuch eine nicht nur vorübergehende Betätigungsmöglichkeit schaffen wollte, die dem Aufbau oder der Erhaltung und Sicherung seiner Lebensgrundlage dienen konnte und sollte (vgl. Urteil des BFH vom 18. Dezember 1987 VI R 149/81, BStBl II 1988, 494).

Zur Berufsausbildung gehört auch der Erwerb von Sprachfertigkeiten (Beschluss des Bundesverfassungsgericht vom 10. November 1998 2 BvR 1057/91 - 2 BvR 1226/91 - 2 BvR 980/91, BStBl II 1999, 182, 191). Ein planmäßig theoretisch-systematischer schulischer (Fremd-)Sprachunterricht weist regelmäßig den erforderlichen Bezug zu einem später ausgeübten Beruf auf. Dies gilt vor allem, wenn der Sprachunterricht in einer Studien- oder Ausbildungsordnung vorgeschrieben oder empfohlen wird (Urteile des BFH vom 9. Januar 1999 VI R 143/98, BStBl II 1999, 710; vom 9. Juni 1999 VI R 24/99, BFH/NV 2000, 27). Fehlt es hieran, kann grundsätzlich ein begleitender Sprachunterricht von wöchentlich zehn Stunden als ausreichend angesehen werden (vgl. Rechtsprechung des BFH zu Au-pair-Auslandsaufenthalten, Urteil vom 18. März 2009 III R 26/06, BStBl II 2010, 296, m. w. N.).

Der Besuch des islamischen Mädchenkollegs stellt nach diesen Rechtsgrundsätzen, denen der Senat folgt, keine Berufsausbildung im Sinne von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG dar, weil er nicht auf einen angestrebten Beruf vorbereitete, sondern auf ein Leben als Frau und Mutter nach dem Islam. Die Kenntnisse und Fähigkeiten, die ein Mädchen benötigt, um in Deutschland ein dem islamischen Glauben entsprechendes Leben zu führen, werden nicht in den deutschen staatlichen Schulen vermittelt. Die religiöse Erziehung und Bildung islamischer Mädchen bleibt vielmehr dem Elternhaus und den islamischen Gemeinschaften überlassen. Die Klägerin hat der Familienkasse im außergerichtlichen Vorverfahren auf Anfrage am 18. Juli 2011 mitgeteilt, ihre Tochter werde die Schule zwei Jahre besuchen. Ein genaues (Berufs-)Ziel habe sie noch nicht.

Der zweijährige Besuch der Islamschule genügte nicht den Anforderungen an eine hinreichend gründliche theoretisch-systematische Ausbildung zur Vorbereitung auf einen Beruf. Nach dem vorgelegten Schulprogramm wurde das Kolleg mit dem Ziel gegründet, jungen muslimischen Mädchen nach Erfüllung der gesetzlichen Schulpflicht ihre Kultur und Religion näher zu bringen. Die Mädchen sollen durch den Unterricht in den Bereichen Sprache, Kultur und Allgemeinwissen gestärkt werden, um so ein selbstbewusstes Auftreten in der Gesellschaft zu gewährleisten. Aufgrund dieser Kenntnisse erweiterten sich die Perspektiven der Schülerinnen. Diese würden so zu weltoffenen Menschen. Die (gewonnene) Selbstsicherheit führe zu einem erfolgreichen Leben in der Familie, im Umfeld sowie in der Gesellschaft. Grundlage der Erziehungs- und Bildungsarbeit sei der islamische Glaube. Erst das Zusammenwirken von Wissensvermittlung und Charakterbildung lasse die jungen Mädchen zu einer Persönlichkeit reifen. Durch diese Erziehung sollten auch die Kenntnisse in der deutschen und türkischen Sprache, die im Alltag und Berufsleben von größter Bedeutung seien, gefördert werden. Nach den Unterrichtsfächern in dem vorgelegten Zeugnis, liegt der Schwerpunkt des Unterrichts in der Vermittlung der Grundlagen des islamischen Glaubens (Koranrezitation, Koranverse erlernen, Arabisch, islamischer Katechismus, Leben des Propheten Mohammed, Glaubenslehre, Ethik). Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Vermittlung von Allgemeinwissen und Charakter- bzw. Persönlichkeitsbildung (Fächer: Allgemeinwissen, Hauswirtschaft, Kunst, Musik, Sport, soziale Kompetenzen). Auf den Sprachunterricht in Deutsch, Türkisch und Englisch entfallen nur jeweils zwei, d. h. insgesamt sechs von 36 wöchentlichen Unterrichtsstunden.

Der Besuch des islamischen Mädchenkollegs endete ohne Abschluss und eröffnete keinen unmittelbaren Zugang zu einem Beruf. Nach seiner religiösen und persönlichkeitsbildenden Ausrichtung besteht auch kein ausreichender inhaltlicher Zusammenhang zu einem von dem Kind angestrebten Beruf. Denn dieses hatte nach den Angaben der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt überhaupt noch keinen konkreten Berufswunsch. Der zweijährige Internatsaufenthalt in Z nach Erfüllung der gesetzlichen Schulpflicht mag zwar das Allgemeinwissen des Kindes verbessert und dessen Persönlichkeitsentwicklung gefördert haben. Zentrales Anliegen der Unterrichtung war jedoch - wie ausgeführt - die Ausrichtung der Lebensführung junger Frauen in Deutschland an den Vorgaben des islamischen Glaubens und dessen kultureller Tradition. Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass es sich hierbei um eine strukturierte Wissensvermittlung handelte, die als Grundlage für eine spätere Berufsausübung dienen konnte.

Bei dieser Beurteilung wird nicht verkannt, dass auch bei einer Sprachausbildung der erforderliche Bezug zu einem Beruf bestehen kann. Ein solcher Bezug ist hier jedoch nicht in dem erforderlichen Umfang gegeben. Durch den Sprachunterricht wurden die Mädchen nicht systematisch auf den Erwerb eines anerkannten Prüfungsabschlusses vorbereitet. Es ist auch nicht dargelegt worden, dass B an einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht teilgenommen hat, der dem Erwerb berufsbezogener Sprachkenntnisse diente. Bei einem Unterricht verschiedener Sprachen von wöchentlich insgesamt sechs Stunden kann auch nicht von einem ernsthaften Sprachunterricht gesprochen werden, der der Berufsausübung zugeordnet werden kann. Nach der vorstehend nachgewiesenen Rechtsprechung des BFH zu den Au-pair-Aufenthalten werden hierzu regelmäßig zehn Wochenstunden eines qualifizierten Sprachunterrichts gefordert.

Die Klägerin vermag auch nicht mit Erfolg einzuwenden, ihre Tochter habe eine religiöse Ausbildung entsprechend derjenigen eines islamischen Hodscha absolviert, die das Niedersächsische Finanzgericht im Urteil vom 10. Oktober 2000 6 K 795/98 KI (a.a.O.) als Berufsausbildung anerkannt habe. Diesem Urteil liegt ein mit dem vorliegenden nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. Ein Hodscha ist ein islamischer Religionsgelehrter, welcher häufig einen akademischen Abschluss besitzt, in der Moschee das Gebet leitet, die Freitagspredigt hält sowie den Koran lehrt (vgl. Wikipedia die Freie Enzyklopädie, Stichwort: Hodscha). Die religiöse Unterweisung in dem islamischen Mädchenkolleg ist nicht mit einem drei- bis fünfjährigen Studium in K/Syrien - wie im Urteilsfall gegeben - vergleichbar. Die Behauptung der Klägerin, die Absolventinnen des Mädchenkollegs hätten die Befähigung, in einer islamischen Gemeinde oder Moschee als Lehrer zu arbeiten, ist nicht glaubhaft. Hierfür wurde auch kein überzeugender Nachweis erbracht.

Es kann auch dahinstehen, ob Familienkassen - wie von der Klägerin behauptet - in anderen Fällen den Besuch des Mädchenkollegs als Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a EStG angesehen und deshalb Kindergeld festgesetzt haben. Denn der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gewährt keinen Anspruch auf Anwendung einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis. Eine Gleichheit im Unrecht gibt es nicht (vgl. Urteil des BFH vom 20. Juni 1989 VIII R 82/86, BStBl II 1989, 836; vom 11. Januar 2006 II R 12/04, BStBl II 2006, 615 und vom 24. Februar 2010 III R 3/08, BFH/NV 2010, 1262; Beschluss des BFH vom 18. Juli 2002 V B 112/01, BStBl II 2003, 675).

Ob die Teilnahme des Kindes am Unterricht des türkischen Ferngymnasiums ab 1. Oktober 2011 eine Ausbildung zu einem Beruf ist, bedarf hier ebenfalls keiner Entscheidung, da diese Unterrichtsteilnahme außerhalb des streitgegenständlichen Zeitraums liegt.

Nach alledem war die Familienkasse berechtigt, für den Streitzeitraum die Festsetzung des Kindergelds abzulehnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.