LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.02.2013 - 11 Sa 130/12
Fundstelle
openJur 2013, 27520
  • Rkr:

1. Die Betriebsparteien können sich grundsätzlich bei der Berücksichtigung von kinderbezogenen Leistungen im Sozialplan auf die Eintragungen in der Lohnsteuerkarte beziehen.

2. Vereinfachungs- und Nachweisbarkeitsgründe rechtfertigen die Ungleichbehandlung von Mitarbeitern, deren Kinder nicht in der Lohnsteuerkarte eingetragen sind gegenüber solchen, deren Kinderzahl sich der Lohnsteuerkarte zum vereinbarten Stichtag entnehmen lässt.

3. Die genannten Gründe rechtfertigen es dagegen nicht, für ein Kind, das mit 0,5 Kinderfreibeträgen in den Lohnunterlagen ausgewiesen ist, einen vollen Kinderzuschlag zu gewähren, zwei Kindern, die mit je 0,5 Freibeträgen, insgesamt also mit 1,0 Freibeträgen eingetragen sind, ebenfalls nur insgesamt einen Kinderzuschlag zuzusprechen, bzw. eines der beiden Kinder gänzlich unberücksichtigt zu lassen.

4. Dies gilt insbesondere, nachdem das Lohnsteuerkartensystem durch "ELSTAM" abgelöst ist, die Finanzbehörden die Lohnsteuerunterlagen unmittelbar verwalten und Nachfragen nach dorthin erleichtert und verbindlich möglich sind.

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lörrach vom 18.07.2012 - 3 Ca 94/12 - abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, 4.000,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit 01.02.2012 an den Kläger zu zahlen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen Kinderzuschlag zur Sozialplanabfindung.

Der Kläger war bis 31.01.2012 bei der Beklagten beschäftigt. Zu diesem Zeitpunkt musste er das Arbeitsverhältnis wegen Betriebsschließung beenden.

Im Hinblick auf die Betriebsschließung war in der eingerichteten Einigungsstelle von den Betriebsparteien am 14.01.2012 ein Sozialplan unterzeichnet worden, in dem sich Abfindungsregelungen finden. Dort heißt es unter anderem:

V. Abfindungsregelungen

1. Abfindungsformel für Mitarbeiter im nichtrentennahen Lebensalter.

b) Die weiteren Festbeträge berechnen sich wie folgt:

(1) Für jedes zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Sozialplans auf der Lohnsteuerkarte eingetragene unterhaltspflichtige Kind wird ein Zusatzbetrag in Höhe von EUR 4.000,00 brutto gezahlt.

Der Kläger lebt getrennt und ist seinen beiden minderjährigen Kindern unterhaltsverpflichtet. In der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2012, die der Beklagten vorlag, waren für den Kläger die Lohnsteuerklasse II und die Zahl der Kinderfreibeträge mit 1,0 eingetragen.

Die Beklagte hat dem Kläger neben der Basisabfindung den Kinderzuschlag für ein Kind bezahlt. Hierbei verhielt sie sich wie in allen anderen Fällen dergestalt, dass sie die Anzahl der Kinderzuschläge von den Einträgen der Kinderfreibeträge in den amtlichen Lohnsteuerunterlagen abhängig machte und bei geraden Zahlen in genau dieser Höhe Zuschläge bezahlte, bei ungeraden Zahlen aber aufrundete.

Der Kläger hat Zahlung des Kinderzuschlags auch für sein zweites Kind verlangt und beantragt,

die Beklagte wird verurteilt, EUR 4.000,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.02.2012 an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte hat

Klagabweisung

beantragt.

Sie hat die im Sozialplan geregelte Bestimmung, wonach von den Eintragungen in den dem Arbeitgeber vorliegenden Lohnunterlagen auszugehen ist, für zulässig gehalten, auch einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz hat sie nicht gesehen, weil Praktikabilitätsüberlegungen dem gegenübergestanden hätten. Bei den Verhandlungen über den Sozialplan habe man letztlich in Kauf genommen, dass es möglicherweise zu gewissen Ungerechtigkeiten kommen könne, weil das ausgehandelte Finanzvolumen gedeckelt gewesen sei und bei der Verteilungsdiskussion kein anderes als das vorhandene Datenmaterial zur Verfügung gestanden habe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Zwar führe die Wortlautauslegung des V. 1. b. (1) des Sozialplans zu keinem eindeutigen Auslegungsergebnis, weil die Eintragung von Kinderfreibeträgen in den Lohnsteuerunterlagen nicht sicher erkennen lasse, wie vielen Kindern der Anspruchsberechtigte unterhaltsverpflichtet ist, der Gesamtzusammenhang und die Entstehungsgeschichte der Sozialplanregelung spreche aber dafür, dass es den Betriebspartnern darum gegangen sei, eine schnelle und einfach anwendbare Regelung zu schaffen, mit der die Deckelung des ausgehandelten Sozialplanvolumens nicht gefährdet werde. Dies ergebe sich zum einen aus der Stichtagsregelung zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Sozialplans und zum anderen daraus, dass auf im Betrieb bekannte Daten zur Berechnung des Kinderzusatzbetrags abgestellt werde, auch wenn dies - wie in den Verhandlungen zum Abschluss des Sozialplans erkannt worden sei - im Einzelfall zu Ungerechtigkeiten führen könne und tatsächlich vorhandene unterhaltsberechtigte Kinder nicht zu einem Anspruch auf den Abfindungszusatzbetrag führten. Mit diesem Auslegungsergebnis aber ergebe sich im vorliegenden Fall aus dem Sozialplan kein Anspruch des Klägers auf den begehrten Zusatzbetrag. Die von den Betriebsparteien getroffene Regelung sei auch nicht gleichbehandlungswidrig, dies gelte sowohl hinsichtlich der Stichtagsregelung als auch bezüglich des Abstellens auf die in den Lohnunterlagen eingetragenen Daten, als auch insofern, als die Betriebsparteien eine Aufrundungsregelung einführten. Die in all dem liegende Ungleichbehandlung sei durch das Erfordernis der praktischen Durchführbarkeit der Sozialplanbestimmung in kurzer Zeit und der Verlässlichkeit der Berechnung des Gesamtvolumens der hierfür im Rahmen des Sozialplans bereitgestellten Finanzmittel sachlich gerechtfertigt.

Mit seiner am 31.08.2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Berufung gegen das ihm am 01.08.2012 zugestellte Urteil, die er vor Ablauf der Fristverlängerung am 31.10.2012 begründet hat, verfolgt der Kläger den geltend gemachten Anspruch weiter. Er bleibt bei seiner Auffassung, dass nach dem Wortsinn der Formulierung im Sozialplan alle unterhaltsberechtigten Kinder mit einem Zusatzbetrag von EUR 4.000,00 bei der Abfindung berücksichtigt werden sollten, soweit für sie ein Kinderfreibetrag in der Lohnsteuerkarte 2010 oder in der Bescheinigung ELSTAM eingetragen war. Das vom Arbeitsgericht gewählte Kriterium, wonach die Lohnsteuerunterlagen auf den ersten Blick die Zahl der unterhaltsberechtigten Kinder erkennen lassen müssten, enthalte der Sozialplan nicht. Indem die Beklagte mit der gewählten Formulierung einverstanden gewesen sei, habe sie sich darauf eingelassen, sich im Zweifelsfall beim Finanzamt über die Zahl der in der Bescheinigung eingetragenen unterhaltsberechtigten Kinder zu erkundigen. Weil dem Kläger die Steuerklasse II bescheinigt worden sei, habe die Beklagte im Übrigen auch erkennen können, dass sich hinter dem eingetragenen Zähler 1,0 zwei Kinder verbargen, was die Beklagte darüber hinaus auch positiv gewusst habe. Eine Regelung, die den Kläger aufgrund seiner erhöhten Kinderzahl benachteilige, verstoße darüber hinaus gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, denn es sei durch nichts gerechtfertigt, dem Arbeitnehmer mit einem Kind und 0,5 Kinderfreibetrag EUR 4.000,00 brutto zusätzliche Sozialplanabfindung zu gewähren, während der Arbeitnehmer mit zwei unterhaltsberechtigten Kindern für das zweite Kind keine Zusatzabfindung erhalte.

Der Kläger stellt den Antrag:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lörrach vom 18.07.2012 - 3 Ca 94/12 - abgeändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, EUR 4.000,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 01.02.2012 an den Kläger zu bezahlen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält mit dem Arbeitsgericht einen Anspruch auf den Zusatzbetrag von EUR 4.000,00 weder aus dem Sozialplan noch aus dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz für gegeben. So sei nach Wortlaut und Sinn und Zweck der Regelung eindeutig, dass der Kläger, auf dessen Lohnsteuerkarte bei Abschluss des Sozialplans eine 1 eingetragen war, neben der Basisabfindung Anspruch auf Gewährung eines Festbetrages in Höhe von EUR 4.000,00 habe. Dies entspreche auch Sinn und Zweck der Regelung, denn nachdem sich die Betriebsparteien auf ein Sozialplanvolumen verständigt gehabt hätten sei es im Wesentlichen darum gegangen, dieses Sozialplanvolumen anhand der sozialplanrelevanten Daten der betroffenen Mitarbeiter aufzuteilen. Im Verlauf der Einigungsstellensitzung am 14.01.2012 sei die Problematik der unterhaltspflichtigen Kinder nochmals ausdrücklich zwischen den Betriebsparteien thematisiert worden. An diesem Tage habe zwingend, um einen Wechsel in die Transfergesellschaft mit Wirkung zum 31.01./01.02.2012 vollziehen zu können, eine abschließende Entscheidung getroffen werden müssen. Deshalb wäre es nicht möglich gewesen, eine weitere Klärung der tatsächlichen Zahl der unterhaltsberechtigten Kinder vorzunehmen. Da der Beklagten die Zahl der unterhaltsberechtigten Kinder auch nicht anderweitig bekannt gewesen sei, habe der Betriebsrat sich schlussendlich mit dem arbeitgeberseitigen Formulierungsvorschlag einverstanden erklärt. Dem Kläger stehe ein Zahlungsanspruch auch nicht aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz zu, denn es liege keine sachwidrige Ungleichbehandlung gegenüber Mitarbeitern vor, deren unterhaltsberechtigte Kinder auf der Lohnsteuerkarte vollständig eingetragen sind. Das Bundesarbeitsgericht habe es ausdrücklich für zulässig erklärt, dass ein Sozialplan nur für solche Mitarbeiter eine erhöhte Abfindung vorsehen könne, deren unterhaltspflichtige Kinder in der Lohnsteuerkarte eingetragen seien. Mit Blick auf die nur begrenzt zur Verfügung stehenden Finanzierungsmittel habe der Arbeitgeber die Anspruchsvoraussetzungen an bekannte und feststehende tatsächliche Umstände anknüpfen können. Wie der Kläger selbst einräume, wäre die Beklagte ansonsten gezwungen gewesen, weitere Nachforschungen, zum Beispiel beim Finanzamt, anzustellen, ein solcher Verwaltungsaufwand aber sollte dem Arbeitgeber im Interesse einer möglichst praktikablen Handhabung nicht auferlegt werden. Eine Ungleichbehandlung liege auch nicht darin, dass Mitarbeiter, deren Lohnsteuerkarte einen Freibetrag von 0,5 Prozent aufweisen, gleichwohl den vollen Zusatzbetrag erhalten haben, der Passus sei auf ausdrückliche Forderung der Arbeitnehmerseite eingefügt worden, was der Betriebsrat mit dem Hinweis begründet habe, dass es keine halben Kinder gäbe. Auch hier gelte für die Rechtfertigung der eventuellen Ungleichbehandlung, dass das Erfordernis, weitere Nachforschungen gegenüber den betreffenden Mitarbeitern oder Dritten zu betreiben, die Möglichkeit ausschlösse, die sich aus dem Sozialplan ergebenden finanziellen Belastungen abschließend zu kalkulieren. Dies aber stünde in klarem Widerspruch zu der ganz herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur, wonach es den Betriebsparteien gestattet sei, nur solche Kinder zu berücksichtigten, die auf der Lohnsteuerkarte eingetragen sind.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Parteienvorbringens in der Berufung wird auf die Berufungsbegründung und die Erwiderung der Beklagten hierauf verwiesen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingereichte und ausgeführte, sich hinreichend mit den Entscheidungsgründen auseinandersetzende, somit insgesamt zulässige Berufung des Klägers ist auch begründet. Anders als das Arbeitsgericht geht das Berufungsgericht davon aus, dass dem Kläger ein Anspruch auf einen Zusatzbetrag zur Sozialabfindung nach § V. 1. b. (1) des Sozialplans für zwei Kinder und nicht nur für ein Kind zusteht.

1. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung eines weiteren Zusatzbetrags in Höhe von EUR 4.000,00 ergibt sich unmittelbar aus V. 1. b. (1) des Sozialplans vom 14.01.2012. Danach wird für jedes zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Sozialplans auf der Lohnsteuerkarte eingetragene unterhaltspflichtige Kind ein Zusatzbetrag in Höhe von EUR 4.000,00 brutto gezahlt. Wie diese Regelung zu verstehen ist, ergibt sich aus ihrer Auslegung.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Sozialpläne als Betriebsvereinbarungen besonderer Art wegen ihrer aus § 77 Abs. 4 Satz 1, § 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG ff. normativen Wirkung wie Tarifverträge auszulegen (vgl. BAG 22.03.2005 - 1 AZR 3/04 - NZA 2005, 831). Die Auslegung von Tarifverträgen folgt wiederum nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. nur BAG 16.06.2004 - AP TVG § 4 - Effektivklausel Nr. 24) den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Dabei ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist ohne am Buchstaben haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in der tariflichen Norm seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung, ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorrang, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt.

b) Unter Berücksichtigung dessen geht anders als das Arbeitsgericht das Berufungsgericht davon aus, dass bereits die Wortlautauslegung dazu führen muss, dass der Kläger Anspruch auf den Zusatzbetrag der V. 1. b. (1) des Sozialplans vom 14.01.2012 für zwei Kinder erworben hat. Nach der genannten Vorschrift soll für jedes zum Zeitpunkt des Abschlusses des Sozialplans auf der Lohnsteuerkarte eingetragene unterhaltspflichtige Kind ein Zusatzbetrag von EUR 4.000,00 brutto gezahlt werden. Dies bedeutet zweierlei, zum einen eine Stichtagsregelung, wonach maßgeblich allein die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Abschlusses des Sozialplans, also am 14.01.2012, sein sollten, zum anderen, dass nur Kinder Berücksichtigung finden sollten, für die auf der Lohnsteuerkarte ein Eintrag vorgenommen wurde.

Richtig ist, dass der Wortlaut der Regelung eine Unklarheit enthält, und zwar insoweit, als es zum Zeitpunkt des Sozialplanabschlusses keine aktuellen Lohnsteuerkarten mehr gab, sondern die für das Jahr 2010 ausgestellte weitergalt. Bei Neueinstellungen oder steuerrechtlich relevanten Veränderungen ab dem Jahr 2011 sind nun maßgeblich die vom Finanzamt ausgestellten Bescheinigungen über die elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale (ELSTAM). Wenn in der Sozialplanregelung vom 14.01.2012 der Begriff Lohnsteuerkarte weiter verwendet wurde, so kann damit nur entweder die Lohnsteuerkarte 2010 oder eine aktuelle Bescheinigung über elektronische Lohnsteuerabzugsmerkmale aus der ELSTAM-Datenbank gemeint gewesen sein. Hierüber besteht zwischen den Parteien kein Streit.

Die Eintragung und damit die steuerrechtliche Erfassung von Kindern erfolgte in den Lohnsteuerkarten und erfolgt auch in den ELSTAM-Ausdrucken über Kinderfreibeträge. Für jedes Kind, das einem Arbeitnehmer steuerrechtlich zugeordnet wird, erfolgt ein Eintrag in die Lohnsteuerkarte, sei es mit dem Faktor 0,5, sei es mit dem Faktor 1,0. Zugleich aber ist jedes mit einem dieser Faktoren bedachte Kind ein unterhaltsberechtigtes Kind und es ist auf der Lohnsteuerkarte eingetragen. Da der Kläger unstreitig zwei unterhaltsberechtigte Kinder hat und beide, wenn auch mit dem Faktor 0,5 in dem ELSTAM-Ausdruck eingetragen sind, erfüllt er damit die Voraussetzungen zum Erhalt des Zusatzbetrags schon nach dem Wortlaut der Sozialplanklausel.

Hätten die Betriebsparteien stattdessen den Zusatzbetrag nicht von der Zahl der auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Kinder, sondern der eingetragenen Kinderfreibeträge abhängig machen wollen, so wäre es ihnen unbenommen geblieben, statt des Wortes Kinder den Begriff Kinderfreibetrag zu wählen. Gerade dies ist aber nicht erfolgt.

Soweit das Arbeitsgericht davon ausgeht, die Lohnsteuerkarte oder die ELSTAM-Bescheinigung zum Zeitpunkt des Abschlusses des Sozialplans müsse auf den ersten Blick die Zahl der unterhaltsberechtigten Kinder erkennen lassen, findet dies im Wortlaut der Regelung keine Stütze und kommt auch sonst nicht in anderer Weise in der Regelung zum Ausdruck.

Die Wortlautauslegung macht auch durchaus Sinn. Die Parteien konnten damit zum einen den Anspruch inhaltlich beschränken auf Unterhaltspflichten, die durch die Lohnsteuerkarte belegt sind und Fälle ausschließen, in denen zum Beispiel nicht steuerrechtlich erfasste Unterhaltsleistungen für Kinder geltend gemacht werden oder Kinder auf einer anderen Lohnsteuerkarte, beispielsweise des Ehepartners, in Gänze eingetragen sind. Aber auch in zeitlicher Hinsicht macht der Wortlaut Sinn, wenn mit der Regelung ausgeschlossen werden soll, dass Ansprüche durch nachträgliche Einträge oder Veränderungen in die Lohnsteuerkarte erworben werden könnten, beispielsweise weil das Kind eines Arbeitnehmers bisher in vollem Umfang und ausschließlich auf der Lohnsteuerkarte des Ehegatten eingetragen gewesen war, nunmehr aber in Kenntnis des Sozialplans umgetragen wird.

c) Das Berufungsgericht geht nicht davon aus, dass der wirkliche Wille der Betriebsparteien bei Abschluss des Sozialplans der vorstehenden Wortlautauslegung der Regelung widersprechen würde, jedenfalls hätte ein vom Wortlaut abweichendes Ergebnis seinen Niederschlag im Sozialplan nicht gefunden.

Soweit die Beklagte auf einen E-Mail-Verkehr verweist und darauf, dass sie im E-Mail vom 13.01.2012, 14.51 Uhr in Bezug auf die Unterhaltspflichten geschrieben habe Kinderzuschlag (laut Lohnsteuerkarte aufgerundete Kinder) EUR 4.500,00, ergeben sich daraus keinerlei Hinweise auf einen bestimmten Willen. Insoweit ist eben auch darauf hinzuweisen, dass es in der Forderung des Betriebsrats lediglich hieß Kinderzuschlag EUR 6.000,00. Vereinbart aber haben die Parteien dann einen Betrag von EUR 4.000,00, der unter dem Angebot der Beklagten aus der E-Mail vom 13.01.2012 lag. Warum es zu dieser betragsmäßigen Reduzierung kam, ist nicht erkennbar, ein Akzept eines Gestaltungswillens der Beklagten durch den Betriebsrat erschließt sich hieraus jedenfalls nicht.

Auch die ausgetauschten Excel-Dateien zeigen lediglich, dass bei der für den Kinderzuschlag maßgeblichen Spalte keine Bruchteile aufgeführt wurden und offensichtlich im Sinne beider Parteien des Sozialplans eine Aufrundung erfolgt ist. Bereits die Bezeichnung aber der Spalte differiert zwischen den Parteien, die eine überschreibt die Spalte mit Kinder, die andere mit Kinderfreibetrag. Auch hieraus kann jedenfalls kein übereinstimmender Wille der Betriebspartner gefolgert werden.

Die Beklagte berichtet über Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Betriebsratsgremiums in Bezug auf das Betriebsratsmitglied M., der gegenüber zwei Kindern unterhaltsverpflichtet ist, auf dessen Lohnsteuerkarte aber nur ein unterhaltsberechtigtes Kind eingetragen wurde und der sich ungerecht behandelt fühlte. Daraus ergibt sich aber nicht, dass für den verheirateten Herr M. mit dem Faktor 1 zwei Kinder in die Lohnsteuerkarte eingetragen waren, da er nicht der Lohnsteuerklasse II unterfiel und auch die Möglichkeit bestanden haben könnte, dass ein Kind auf seiner und ein weiteres Kind auf der Lohnsteuerkarte seiner Frau eingetragen war. In diesem Falle hätte Herr M. auch nach dem Wortlautverständnis der Sozialplanregel nur einen Kinderzuschlag zur Sozialplanabfindung erhalten können.

Wenn die Beklagte vorträgt, der Betriebsrat habe zunächst eine Frist von drei Wochen für den Nachweis von Unterhaltspflichten erreichen wollen, dann aber doch der schlussendlich gefundenen Formulierung zugestimmt, so kann dies jedenfalls auch bedeuten, dass er lediglich bewusst darauf verzichten wollte, Arbeitnehmern zum einen den Nachweis von Unterhaltspflichten unabhängig von Steuerunterlagen führen zu lassen, zum anderen auch ihm durch steuerrechtliche Änderungen innerhalb eines nachgeschobenen Zeitraums die Möglichkeit zu verschaffen, in den Genuss der Zusatzabfindung zu gelangen.

Entscheidend gegen die Annahme eines dem Wortlaut entgegenstehenden übereinstimmenden Willens der Betriebsparteien spricht die von der Beklagten übermittelte Aussage des Betriebsrats: es gibt keine halben Kinder. Daraus entnimmt das Berufungsgericht den Willen des Betriebsrats, halbe Kinderfreibeträge aufzurunden. Daraus ergibt sich aber nicht das Verständnis des Betriebsrats, die Aufrundung halber Kinderfreibeträge nur dann vorzunehmen, wenn sie nummerisch aus den Eintragungen in die Lohnsteuerunterlagen ersichtlich werden. Genauso gut kann gemeint gewesen sein, dass in jedem Fall alle auch nur mit 0,5 Freibeträgen bedachte Kinder in vollem Umfang berücksichtigt werden sollen, also auch dann, wenn zwei oder vier oder mehr Kinder mit lediglich jeweils 0,5 Kinderfreibeträgen auf der Steuerkarte zu Buche schlagen. Eine solche Auffassung jedenfalls würde dem Gedanken der Gleichbehandlung am ehesten Rechnung tragen.

d) Auch Praktikabilitätserwägungen können nicht entscheidend gegen die Wortlautauslegung der Regelung sprechen, wonach für jeden aufgerundeten Kinderfreibetrag die Zusatzabfindung gezahlt werden soll, unabhängig davon ob die Steuerunterlagen nummerischen einen Bruchteil ausweisen oder nicht. Es war der Beklagten unbenommen, möglich und zumutbar, in allen Zweifelsfällen, die sich beispielsweise aus Unterschieden zwischen den Eintragungen in den Lohnunterlagen und den Weihnachtsgeschenklisten ergeben konnten, die betroffenen Arbeitnehmer zu fragen oder eine Anfrage an das zuständigen Finanzamt danach zu richten, wie viele unterhaltsberechtigte Kinder sich hinter den eingetragenen Kinderfreibeträgen verbergen. Anlass hierzu hatte die Beklagte schon angesichts des ihr bekannten Umstandes, dass der Kläger die Lohnsteuerklasse II aufwies und deshalb schon eine tatsächliche Vermutung dafür sprach, dass seine Kinder nur mit dem Freibetrag 0,5 eingetragen waren. Eine solche Erkundigung wäre auch zeitlich zwischen der Abschlusssitzung der Einigungsstelle und dem Ingangsetzen der Beschäftigungsgesellschaft (14. bis 31. Januar) möglich gewesen.

Aus all dem aber folgt, dass sich der Anspruch des Klägers auf den Zusatzbetrag von EUR 4.000,00 brutto für sein zweites Kind schon dem Wortlaut nach aus der Regelung V. 1. b. (1). des Sozialplans ergibt.

2. Der Anspruch ist aber auch aus dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gegeben. Dass es eine Ungleichbehandlung darstellt, wenn das erste oder dritte Kind eines Arbeitnehmers, das mit einem Kinderfreibetrag von 0,5 in den Lohnsteuerunterlagen eingetragen ist, den Zusatzbetrag von EUR 4.000,00 brutto erhält, während ein zweites oder viertes Kind, das ebenfalls mit einem Freibetrag von 0,5 in den Lohnsteuerunterlagen erscheint, nur weil ein oder mehrere weitere Kinder vorhanden sind und entsprechend steuerrechtlich berücksichtigt werden, leer ausgeht, kann nicht ernsthaft bestritten werden. Diese Ungleichbehandlung ist nicht sachlich gerechtfertigt.

Die Ungleichbehandlung rechtfertigt insbesondere nicht ein Bestreben, im Interesse einer möglichst praktikablen Handhabung den Verwaltungsaufwand eventuell erforderlich werdender weiterer Nachforschungen zu vermeiden. Dieses Anliegen erscheint gerechtfertigt wenn es darum geht, nur die Kinder berücksichtigen zu wollen, die überhaupt, durch Eintrag in die Lohnsteuerunterlagen nachweisbar und steuerlich belegt, unterhaltsberechtigt sind und andere auszuschließen, deren Unterhaltsberechtigung erst außerhalb steuerrechtlicher, zum Zeitpunkt des Sozialplanabschlusses festgestellter Belege erforscht und nachgewiesen werden muss. Insoweit bestehen keine Bedenken dagegen, mit der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 12.03.1997 - NZA 1997, 1058) davon auszugehen, dass ein Sozialplan nur für solche Mitarbeiter eine erhöhte Abfindung vorsehen kann, deren unterhaltspflichtige Kinder in der Lohnsteuerkarte eingetragen sind. Hat ein Arbeitnehmer für Kinder keinen Unterhaltsfreibetrag in die Lohnsteuerunterlagen eintragen lassen, so kann dem unabhängig von anderen steuerrechtlichen Motiven zugrundeliegen, dass er keine Unterhaltsverpflichtung trägt, dieser nicht nachkommt oder Streit darüber besteht. Enthalten die Lohnsteuerunterlagen jedoch Einträge für ein Kind, sei es auch nur mit einem halben Kinderfreibetrag, so ist davon prima facie nicht auszugehen.

Eine weitergehende Verfahrenserleichterung aber rechtfertigt die Ungleichbehandlung unterhaltsberechtigter Kinder nicht. Dies gilt insbesondere angesichts des Umstands, dass es eine Lohnsteuerkarte seit dem Jahr 2011 nicht mehr gibt, vielmehr noch die Lohnsteuerkarte 2010 Anwendung findet und seit 2011 im Zuge der Einführung des ELSTAM-Verfahrens die Finanzämter allein zuständig sind für die Feststellung und Vermittlung lohnsteuerrechtlich relevanter Daten. Jedenfalls seither und in Zukunft hat das Finanzamt dem Arbeitgeber die persönlichen steuerrelevanten Daten der Arbeitnehmer verbindlich mitzuteilen, der Arbeitgeber hat die erforderlichen Auskünfte dort ohnehin einzuholen, in diesem Zuge kann der Arbeitgeber auch die Anzahl der Kinder, die den Kinderfreibeträgen zugrundeliegen, erfragen, dies ist ihm auch zumutbar.

Die Berufungskammer ist nicht der Auffassung, dass das Bestreben der Betriebsparteien, das Sozialplanvolumen einzuhalten, die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes rechtfertigt. Ein Überschreiten des Sozialplanvolumens im Einzelfall macht diesen nicht hinfällig, bei dem angegebenen Sozialplanvolumen von 3,75 Mio. dürften die in Betracht kommenden Zusatzbeträge auch keinen entscheidenden Einfluss auf die Willensentscheidung der Betriebspartner gehabt haben.

Da die Beklagte unterlegen ist, trägt sie gemäß § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits.

Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen.