BGH, Urteil vom 19.07.2001 - IX ZR 246/00
Fundstelle
openJur 2010, 6157
  • Rkr:
Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 9. Mai 2000 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung -auch über die Kosten des Revisionsverfahrens -an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen der Verletzung von Pflichten aus einem Steuerberatermandat auf Schadensersatz in Anspruch.

Die Klägerin war persönlich haftende Gesellschafterin einer Kommanditgesellschaft, die auf einem Grundstück, das steuerliches Betriebsvermögen war, ein Einzelhandelsgeschäft betrieb. Im Frühjahr 1991 beschlossen die Gesellschafter -beraten von dem Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht Dr. F. -, den Geschäftsbetrieb einzustellen. Rechtsanwalt Dr. F. wurde beauftragt, eine Lösung zu finden, um zu verhindern, daß diese Maßnahme als Entnahme des Betriebsgrundstücks unter Aufdeckung stiller Reserven steuerlich nachteilige Folgen hatte. An dieser Aufgabe war auch der verklagte Steuerberater, der die Kommanditgesellschaft und die Gesellschafter seit vielen Jahren steuerlich beriet, beteiligt. Der Umfang dieser Beteiligung ist zwischen den Parteien streitig.

Zur Lösung des steuerlichen Problems wurde schließlich die Kommanditgesellschaft in eine GmbH umgewandelt und das Vermögen der Kommanditgesellschaft mit allen Aktiven und Passiven auf die GmbH übertragen. Dabei wurden Bilanzen, die der Beklagte zum 31. Juli 1991 (Schlußbilanz für die KG) und zum 1. August 1991 (Eröffnungsbilanz für die GmbH) anzufertigen hatte, zugrundegelegt. Letztlich scheiterte die Steuerunschädlichkeit der Umwandlung daran, daß diese erst am 12. November 1992 zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet wurde. Damit war die sechsmonatige Frist in § 20 Abs. 7 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) vom 6. September 1976 (BGBl. I S. 2643) versäumt worden.

Die Klägerin, die wegen des Entnahmegewinns zur Einkommen-und Kirchensteuer veranlagt wurde, hat mit ihrer Klage den Beklagten auf Schadensersatz in Höhe von zunächst 181.480,37 DM in Anspruch genommen. Aufgrund einer Neuberechnung des Aufgabegewinns durch die Finanzbehörden hat die Klägerin später -gegen den Widerspruch des Beklagten -die Klage in Höhe von 75.964,65 DM für erledigt erklärt. Das Landgericht hat der Klage dem Grunde nach stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Gründe

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

I.

Das Berufungsgericht hat sein Urteil wie folgt begründet:

Dem Beklagten sei eine schuldhafte Pflichtverletzung nicht anzulasten. Er habe die von ihm anzufertigenden Bilanzen am 22. Januar 1992 -und damit so rechtzeitig, daß die Anmeldung der Umwandlung problemlos vor Ablauf der Frist des § 20 Abs. 7 UmwStG am 31. Januar 1992 möglich gewesen wäre - in der Kanzlei des Rechtsanwalts Dr. F. abgeben lassen. Einen über die Erstellung der Bilanzen hinausgehenden konkreten Auftrag habe er nicht gehabt. Zwar seien die steuerrechtlichen Fragen der Gesellschaftsumwandlung mit ihm erörtert worden. Auch sei ihm bekannt gewesen, daß man sich für eine derartige Umwandlung gerade deswegen entschieden gehabt habe, um steuerliche Nachteile zu vermeiden. Auf die 6-Monats-Frist des § 20 Abs. 7 UmwStG hinzuweisen, habe er aber keinen Anlaß gehabt. Jedenfalls habe er eine etwaige Hinweispflicht nicht schuldhaft verletzt. Die genannte Frist habe dem Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht Dr. F. bekannt sein müssen. Für den Beklagten habe nicht der geringste Anhaltspunkt für eine Unkenntnis des Fachanwalts bestanden. Er habe deshalb die Versäumung der Anmeldefrist nicht vorhersehen können. Falls man dennoch von einer schuldhaften Pflichtverletzung ausgehe, sei der Schaden dem Beklagten wegen des ungewöhnlich groben Fehlverhaltens des Dr. F. nicht zurechenbar.

II.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Die Feststellungen des Berufungsgerichts schließen es nicht aus, daß der Beklagte seine Pflichten aus dem Mandatsverhältnis schuldhaft verletzt hat, weil er die Klägerin -oder statt ihrer Rechtsanwalt Dr. F. -spätestens bei Abgabe der Bilanzen auf den kurz bevorstehenden Ablauf der Frist des § 20 Abs. 7 UmwStG hätte hinweisen müssen, dies aber nicht getan hat.

a) Die Feststellung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe nur ein Mandat zur Erstellung der Bilanzen gehabt, ist auch ohne Revisionsrüge für den Senat nicht bindend, weil die tatsächlichen Grundlagen des Berufungsurteils insoweit widersprüchlich sind (vgl. BGH, Urteil vom 5. November 1968 -VI ZR 179/67, MDR 1969, 133; vom 9. Dezember 1987 -IVa ZR 155/86, NJW-RR 1988, 407, 409; vom 5. Oktober 1988 -VIII ZR 222/87, NJW-RR 1989, 306, 307; MünchKomm-ZPO/Wenzel, 2. Aufl. § 561 Rn. 10; Zöller/Gummer, ZPO 22. Aufl. § 554 Rn. 11).

Im Tatbestand seines Urteils erwähnt das Berufungsgericht als unstreitig, daß der Beklagte an der "Findung" einer "Lösung", wie die steuerlichen Folgen einer Entnahme des Betriebsgrundstücks vermieden werden könnten, "beteiligt" gewesen sei. Schon dies läßt sich mit der Feststellung, der Beklagte habe nur den "konkreten Auftrag" gehabt, die erforderlichen Bilanzen zu erstellen, schwerlich vereinbaren. Denn die Erstellung der Bilanzen hatte mit der "Lösungsfindung" nichts mehr zu tun; vielmehr trug der Beklagte damit nur einen Teil zur Umsetzung der Lösung bei.

In den Entscheidungsgründen ist das Berufungsgericht "dem Landgericht darin (gefolgt), daß mit dem Beklagten die steuerrechtlichen Fragen der Gesellschaftsumwandlung erörtert worden sind und dem Beklagten bekannt war, daß die Lösung einer Umwandlung der KG in eine GmbH deshalb gewählt worden ist, um steuerrechtliche Nachteile bezüglich des Geschäftsgrundstücks zu vermeiden". Jedenfalls die Erörterung der mit der Umwandlung verbundenen steuerrechtlichen Fragen deutet auf einen Auftrag hin, der über die bloße Erstellung von Bilanzen hinausging.

An einer anderen Stelle kommt das Berufungsgericht wiederum darauf zu sprechen, daß der Beklagte "in die Entscheidungsfindung (gemeint ist hier die Umwandlung der Kommanditgesellschaft in eine GmbH) mit einbezogen" gewesen sei, und verweist hierbei auf zwei Schreiben des Beklagten an Rechtsanwalt Dr. F. vom 17. und 24. Juni 1991. In dem ersten Schreiben heißt es:

"nach unserem letzten Gespräch habe ich mich nochmals mit der Betriebsauflösung und den steuerlichen Folgen beschäftigt, bin jedoch noch nicht in alle Einzelheiten eingestiegen. Es ist jedoch zu befürchten, daß das Finanzamt zu einer Betriebsaufgabe kommt und die stillen Reserven des Gebäudes steuerlich erfassen wird.

Eine Betriebsverpachtung setzt voraus, daß ...

Wir müssen uns gemeinsam überlegen, hier einen anderen Weg zu finden."

Das zweite Schreiben lautet:

"Beiliegend übersende ich Ihnen im Zusammenhang mit der Firma ... KG eine Ablichtung des Bundessteuerblatts Teil II aus dem Jahr 1989, Seite 363. Hieraus ist ersichtlich, daß unter Umständen keine gewerbliche Tätigkeit mehr vorliegt.

Ich bitte Sie, nochmals zu prüfen, wenn eine GmbH gegründet wird, ob nach dem Umwandlungs-Steuergesetz eine Sachgründung notwendig ist. Wir können die Firma dann zu Buchwerten an die GmbH übertragen ...".

Derartige Äußerungen sind für einen Steuerberater, der lediglich Bilanzen zu erstellen hat, ganz ungewöhnlich. Sie legen vielmehr die Annahme nahe, daß der Beklagte um seinen Rat gebeten worden ist, wie die Umwandlung steuerneutral durchgeführt werden könne, und die Klägerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. F., entsprechend beraten hat.

b) Für die Revisionsinstanz ist davon auszugehen, daß der Beklagte -gemäß dem Klägervortrag -entweder kraft eines Dauermandats oder eines auf den Übertragungsvorgang bezogenen Einzelmandats gehalten war, "steuerliche Strategien zu entwickeln, nach denen eine Aufdeckung der stillen Reserven und eine Überführung der Immobilie aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen zu vermeiden sei".

c) Im Rahmen eines derartigen Auftrags hat der Steuerberater seinen Mandanten umfassend zu beraten und ungefragt über alle bedeutsamen steuerlichen Einzelheiten und deren Folgen zu unterrichten. Insbesondere muß der Steuerberater seinen Auftraggeber möglichst vor Schaden bewahren; deswegen muß er den nach den Umständen sichersten Weg zu dem erstrebten steuerlichen Ziel aufzeigen und sachgerechte Vorschläge zu dessen Verwirklichung unterbreiten (BGH, Urt. v. 13. Februar 1992 -IX ZR 105/91, WM 1992, 701, 703; vom 18. Dezember 1997 -IX ZR 153/96, WM 1998, 301, 302).

Im vorliegenden Fall gehörte zu der Beratung über die "steuerliche Strategie" ein Hinweis auf die nach § 20 Abs. 7 UmwStG geltende Frist, weil von deren Einhaltung das Gelingen der angestrebten steuerneutralen Umwandlung abhing. Der Hinweis war spätestens bei Abgabe der Bilanzen am 22. Januar 1994 geboten, und dies um so mehr, als der Ablauf der ohnehin kurzen Frist unmittelbar bevorstand, ohne daß der Beklagte davon ausgehen konnte, daß die Klägerin oder Rechtsanwalt Dr. F. sogleich Anstalten machen würde, die Umwandlung anzumelden, oder dies etwa schon getan hatte.

Darauf, daß die Klägerin oder der von ihr ebenfalls als Berater eingeschaltete Rechtsanwalt Dr. F. die Frist kennen und beachten würde, durfte sich der Beklagte nicht verlassen. Denn wenn sich der eine Berater auf den anderen verläßt, ist die Erreichung des von dem Mandanten angestrebten Ziels gefährdet (vgl. zur Anwaltshaftung BGH, Urt. v. 18. März 1993 -IX ZR 120/92, WM 1993, 1376, 1378; vom 8. Juli 1993 -IX ZR 242/92, WM 1993, 1967, 1968). Im vorliegenden Fall war beiden dieses Ziel bekannt, und beide wußten, daß sie zum Zwecke der Erreichung dieses Ziels eingeschaltet worden waren. Selbst wenn beide getrennte Aufgabenbereiche gehabt haben sollten, war deshalb an deren Schnittstellen eine Abstimmung erforderlich. Damit hat sich das Berufungsgericht nicht auseinandergesetzt.

Etwas anderes hätte zwar möglicherweise dann zu gelten, wenn der Beklagte hier nur ein Mandat gehabt hätte, den von der Klägerin als "Spezialisten" eingeschalteten Rechtsanwalt Dr. F. "zu begleiten". In einem solchen Fall muß der allgemeine Steuerberater den Spezialisten grundsätzlich nicht überwachen. Er hat den Mandanten vor Fehlleistungen des Spezialisten nur zu warnen, wenn er diese erkennt oder erkennen und zugleich annehmen muß, daß der Mandant die Gefahr möglicherweise nicht erkennt (vgl. BGH, Urt. v.

4. Mai 2000 -IX ZR 142/99, WM 2000, 1591, 1593). Diese Voraussetzungen sind hier nicht festgestellt. Selbst davon, daß Dr. F. als "Spezialist" eingeschaltet war, kann hier mangels entsprechender Feststellungen nicht ausgegangen werden.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich zugleich, daß das Unterlassen eines gebotenen Hinweises auch schuldhaft war (vgl. BGHZ 129, 386, 399).

2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist an dem Zurechnungszusammenhang zwischen der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Beklagten und dem Schaden der Klägerin nicht deshalb zu zweifeln, weil auch Rechtsanwalt Dr. F. seine Pflichten verletzt hat (vgl. BGH, Urt. v. 10. Mai 1990 -IX ZR 113/89, WM 1990, 1710, 1712). Haben mehrere Berater -neben-oder nacheinander - denselben Auftraggeber durch eine schuldhafte Vertragsverletzung geschädigt, so haften sie grundsätzlich als Gesamtschuldner (BGH, Urt.

v. 18. März 1993 -IX ZR 120/92, aaO; vom 20. Januar 1994 -IX ZR 46/93, WM 1994, 948, 949 f.).

III.

Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben (§ 564 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie noch nicht entscheidungsreif ist (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Zum Umfang des dem Beklagten erteilten Mandats sind noch tatrichterliche Feststellungen möglich. Mit dem von der Klägerin behaupteten, von dem Beklagten jedoch bestrittenen Dauermandat hat sich das Berufungsgericht nicht befaßt. Zu der Frage eines Einzelmandats ist zum Beispiel noch die Gebührenabrechnung des Beklagten zu würdigen, die von den Parteien unterschiedlich gedeutet wird. Außerdem hat das Berufungsgericht die Aussage des Zeugen Dr. F. nicht gewürdigt.

Wenn das Berufungsgericht aufgrund der erneuten Verhandlung zu dem Ergebnis gelangen sollte, daß die Klage nicht abweisungsreif ist, wird es das erstinstanzliche Urteil gleichwohl nicht bestätigen können. Denn ein Grundurteil durfte -wie der Beklagte mit seiner Berufung zu Recht beanstandet hat insoweit nicht ergehen, als die Klage in der Hauptsache einseitig für erledigt erklärt worden war. Dadurch hatte sich das Klagebegehren in ein solches auf Feststellung der Erledigung umgewandelt (vgl. BGHZ 106, 359, 366; BGH, Beschl. v. 26. Mai 1994 -I ZB 4/94, NJW 1994, 2363, 2364). Über diesen Feststellungsantrag hat das Landgericht -wie das Berufungsgericht, rechtlich bedenkenfrei, annimmt -in seinem Grundurteil mit entschieden. Ein Grundurteil über einen unbezifferten Feststellungsantrag scheidet jedoch wesensgemäß aus (BGH, Urt. v. 7. November 1991 -III ZR 118/90, NJW-RR 1992, 531; vom 14. Oktober 1993 -III ZR 157/92, NJW-RR 1994, 319; vom 27. Januar 2000 -IX ZR 45/98, NJW 2000, 1572). Ausnahmsweise kann ein Grundurteil über eine Feststellungsklage ergehen, wenn damit ein bestimmter Betrag in der Weise geltend gemacht wird, daß die Klage auch zu einem Ausspruch über die Höhe des Anspruchs führen soll (BGH, Urt. v. 9. Juni 1994 -IX ZR 125/93, NJW 1994, 3295 f., insofern in BGHZ 126, 217 nicht abgedruckt; vom 27. Januar 2000 -IX ZR 45/98, aaO). Die Voraussetzungen dieser Ausnahme liegen hier nicht vor.