BGH, Beschluss vom 25.10.2000 - 5 StR 399/00
Fundstelle
openJur 2010, 5843
  • Rkr:
Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 13. Juni 2000 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 47 Fällen und wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in 21 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte als Geschäftsführer zweier portugiesischer Firmen, die - soweit dies hier von Belang ist - ihre Geschäftstätigkeit ausschließlich von ihrer deutschen Betriebsstätte aus auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausübten, weder Lohnsteueranmeldungen abgegeben noch Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung an die jeweiligen Einzugsstellen abgeführt. Wie der Angeklagte erkannt hatte, mußte er nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der portugiesischen Republik vom 15. Juli 1980 auch den lohnsteuerlichen Verpflichtungen nicht in Portugal, sondern in Deutschland nachkommen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

Ergänzend zum Antrag des Generalbundesanwalts weist der Senat auf folgendes hin:

1. Für die Darstellung einer Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO ist es grundsätzlich erforderlich, daß das Urteil erkennen läßt, welches steuerlich erhebliche Verhalten des Angeklagten im Rahmen welcher Abgabenart und (gegebenenfalls) in welchem Besteuerungszeitraum zu einer Steuerverkürzung geführt hat und welche innere Einstellung der Angeklagte dazu hatte (BGHR § 370 Abs. 1 - Berechnungsdarstellung 5). Entsprechendes gilt für das Vorenthalten von Beiträgen zur Sozialversicherung gemäß § 266a Abs. 1 StGB. Soweit das Landgericht hier lediglich die jeweils verkürzten Lohnsteuern und die nicht abgeführten Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung pauschal festgestellt hat und auf eine Darstellung der für die Ermittlung des Schuldumfangs maßgeblichen Berechnungsgrundlagen verzichtet hat, gefährdet dies allerdings den Bestand des Urteils im konkreten Fall nicht.

Zwar ist es grundsätzlich rechtsfehlerhaft, wenn der Tatrichter die Berechnungsgrundlagen selbst nicht darlegt und sich stattdessen hinsichtlich der Richtigkeit der Berechnung auf die Angaben von als Zeugen vernommenen Ermittlungspersonen wie z. B. von Steuerfahndungsbeamten bezieht (vgl. Harms NStZ-RR 1998, 97, 100 f.). Bei einem derartigen Vorgehen ist es nämlich für das Revisionsgericht nicht überprüfbar, ob der Tatrichter von zutreffenden Besteuerungsgrundlagen ausgegangen ist und den jeweiligen Schuldumfang aufgrund eigener Feststellungen zutreffend ermittelt hat (BGHR aaO - Berechnungsdarstellung 2 - 7, 9). Die Anwendung steuerlicher und sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften auf den festgestellten Sachverhalt ist ebenso Rechtsanwendung wie die daraus folgende Berechnung der verkürzten Steuern bzw. der nicht abgeführten Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung, durch die der jeweilige Schuldumfang der Straftat bestimmt wird. Diese Rechtsanwendung obliegt dem Strafrichter, nicht den als Zeugen gehörten Ermittlungsbeamten oder Beamten der Finanzverwaltung (vgl. BGHR aaO - Berechnungsdarstellung 9; vgl. auch Joecks, Festschrift 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft der Fachanwälte für Steuerrecht e. V., 1999, S. 661).

Eine Berechnungsdarstellung ist jedoch ausnahmsweise dann entbehrlich, wenn ein sachkundiger Angeklagter, der zur Berechnung der hinterzogenen Steuern bzw. der nicht abgeführten Beiträge zur Sozialversicherung in der Lage ist, ein Geständnis ablegt (vgl. BGHR AO § 370 Abs. 1 - Berechnungsdarstellung 2, 4, 8).

So lag der Sachverhalt hier. Der Angeklagte hat ein Geständnis abgelegt. Dieses erstreckte sich nicht nur darauf, daß die von ihm geleiteten Firmen Betriebstätten im Inland unterhielten, sondern auch auf die Höhe der verkürzten Lohnsteuern und der nicht abgeführten Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung. Der Angeklagte, der verantwortlich die Bücher führte und fachlich auch in der Lage war, die zu entrichtenden Abgaben zu berechnen, war hierfür ersichtlich auch sachkundig.

2. Das Landgericht hat auch für die Strafzumessung als Hinterziehungssumme diejenigen Lohnsteuerbeträge zugrunde gelegt, die aus den ausgezahlten Bruttoarbeitslöhnen errechnet wurden und für den Schuldspruch maßgeblich sind. Hierbei hat das Landgericht nicht berücksichtigt, daß bei Lohnsteuerhinterziehung für die Bemessung der Strafe auf den dem Staat dauerhaft entstandenen Schaden abzustellen ist, der sich nach den tatsächlichen Verhältnissen der Arbeitnehmer richtet (vgl. BGHSt 38, 285, 290). Diese waren hier aber weder dem Tatrichter noch dem Angeklagten bei seinem Geständnis bekannt. Ist aber die genaue Berechnung der endgültig geschuldeten Lohnsteuern nicht ohne weiteres möglich, kann der Tatrichter statt der Ermittlung der tatsächlichen Verhältnisse von geschätzten, gegebenenfalls niedrigeren Durchschnittssteuersätzen ausgehen (vgl. BGH aaO). Dies hat das Landgericht nicht getan.

Der Senat schließt jedoch aus, daß bei Beachtung der genannten Grundsätze geringere Strafen verhängt worden wären. Das Landgericht hat eine Strafrahmenmilderung nach § 46a, § 49 Abs. 1 StGB vorgenommen, ohne daß die Voraussetzungen dafür vorgelegen haben. Der Angeklagte hatte aus seinem privaten Vermögen bereits 800.000 DM an Steuerschulden getilgt und weitere Zahlungen in Aussicht gestellt. Darin hat der Tatrichter eine Schadenswiedergutmachung und ein ernsthaftes Bemühen um einen Täter-Opfer-Ausgleich gesehen.

Die Nachzahlung hinterzogener Steuern stellt indes keine Wiedergutmachung im Sinne des § 46a Nr. 1 StGB dar. Diese Vorschrift bezieht sich vor allem auf die immateriellen Folgen einer Straftat, die zwar auch bei Vermögensdelikten denkbar sind (BGHR StGB § 46a Nr. 1 - Ausgleich 1; BGH NStZ 2000, 205); erforderlich ist aber jedenfalls ein kommunikativer Prozeß zwischen Täter und Opfer, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein muß (BGH NStZ aaO). Bei Steuerdelikten, deren geschütztes Rechtsgut allein die Sicherung des staatlichen Steueranspruchs ist (vgl. BGHSt 36, 100, 102; 40, 109; 41, 1, 5), kommt ein Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne des § 46a Nr. 1 StGB nicht in Betracht (vgl. BayObLG NJW 1996, 2806 und wistra 1997, 313, 314).

Die getroffenen Feststellungen tragen auch nicht die Anwendung von § 46a Nr. 2 StGB. Die in § 46a Nr. 2 StGB normierte Fallgruppe verlangt, daß der Täter das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt und dies erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert. Die Bestrebungen müssen Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein. Verlangt wird, damit die Schadenswiedergutmachung ihre friedensstiftende Wirkung entfalten kann, daß der Täter einen über die rein rechnerische Kompensation hinausgehenden Beitrag erbringt (BGH wistra 2000, 176, 177; NStZ 2000, 205, 206). Der Senat kann offen lassen, ob die Nachzahlung von Steuern überhaupt ein Fall der Schadenswiedergutmachung im Sinne von § 46a Nr. 2 StGB sein kann. Keinesfalls ausreichend ist jedenfalls die hier allein vorliegende, mit der Inaussichtstellung weiterer Zahlungen verbundene teilweise geleistete Steuernachzahlung.