AG Groß-Gerau, Beschluss vom 09.02.2011 - 73 F 1471/09
Fundstelle
openJur 2013, 23422
  • Rkr:

Eine betriebliche Altersversorgung in Form der Kapitalzusage, die anhand des bis zum 31.08.2008 geltenden Rechts nicht mittels des Versorgungsausgleichs ausgeglichen wurde, unterfällt jetzt dem schuldrechtlichen Ausgleich gem. §§ 20 - 22 VersorgungsausglG.

Tenor

Der Antragstellerin wird Verfahrenskostenhilfe für den 1. Rechtszug unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin ... bewilligt, soweit die Zahlung eines Betrages in Höhe von 5.215,83 € eingeklagt werden soll.

Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.

Raten auf die Verfahrenskostenhilfe werden festgesetzt in Höhe von 155,- € monatlich. Die Raten sind am 1. jeden Monats, erstmals im Monat April 2011 zu zahlen.

Gründe

Die im Jahre ... geschlossene Ehe der Parteien wurde durch das Familiengericht Groß-Gerau am ... geschieden (Rechtskraft: ...

Im Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrages () hatte der im Jahre geborene Ehemann (Antragsgegner dieses Verfahrens) eine Anwartschaft auf eine betriebliche Altersversorgung der Adam Opel AG erworben in Form einer Rentenzusage. Zum 01.01.2006 wurde die Altersversorgung in diesem Unternehmen jedoch einheitlich auf eine Kapitalzusage umgestellt und deswegen beschränkte das Scheidungsurteil den Versorgungsausgleich auf die gesetzlichen Rentenanwartschaften (in Übereinstimmung mit OLG Hamm NJW 22/2007 Seite 1600 und BGH FamRZ 1003, 664 und BGH FamRZ 2005, 1463).

Wegen des Verlangens der Ehefrau nach Zahlung von Zugewinnausgleich korrespondierten die Parteienvertreterinnen zunächst nur für einige Wochen nach Scheidungsausspruch weiter; der vorläufig letzte Schriftsatz der Vertreterin des Ehemannes datiert vom 31.10.2006.

Die Ehefrau verlangt jetzt die Zahlung von Zugewinnausgleich in Höhe von 64.560,-- €. Das Endvermögen des Ex-Ehemannes habe sich zum Stichtag auf 17.735,66 € belaufen, so dass ihr von diesem Betrag die Hälfte zustehe. Zusätzlich bezieht sie sich auf die Versorgungsanwartschaften des Ex-Ehemannes bei der Firma Opel: ein Schreiben des Arbeitgebers habe ergeben, dass der Antragsgegner zum Stichtag einen Kapitalwert in Höhe von 111.445,-- € bezüglich seiner auf Kapitalzusage umgestellten Versicherung gehabt habe, so dass er nun die Hälfte auch dieses Betrages zahlen müsse.

Der frühere Ehemann hat die Verjährungseinrede erhoben. Zudem habe die Anspruchsstellerin das Anfangsvermögen des Antragsgegners nicht berücksichtigt (5.112,92 € am 29.05.1987).

Der Antragstellerin war die beantragte Verfahrenskostenhilfe zum überwiegenden Teil zu versagen, weil ihr Zahlungsbegehren aus rechtlichen Gründen nur zu einem Teil Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 ZPO).

Zwar steht die Verjährungseinrede der Bewilligung nicht entgegen, weil der Begriff der "Verhandlungen" gemäß des § 203 BGB in der Rechtssprechung recht weit ausgelegt wird und daher die Verjährung bis zum 31.10.2006 gehemmt gewesen sein mag, so dass der Antragseingang am 18.12.2009 noch vor Eintritt der 3-jährigen Verjährungsfrist erfolgt sein mag. Dies ist im Hauptverfahren zu entscheiden.

8Jedoch kann die Antragstellerin ihr Zahlungsbegehren nicht auf das betriebliche Anrecht des früheren Ehemannes stützen. Zwar hat es der Bundesgerichtshof für möglich gehalten, ein Anrecht aus einem Lebensversicherungsvertrag nach Ausübung des Kapitalwahlrechtes, das nach Ende der Ehezeit ausgeübt wurde, in den Zugewinnausgleich einzubeziehen (FamRZ 2003, 664, 665). Diese Ausführungen zum "Wechsel der Anrechtsform" lassen sich auf ein betriebliches Anrecht und somit auf den hier zur Rede stehenden Fall übertragen, auch wenn ein solcher Wechsel hier nicht auf eine Entscheidung des Arbeitnehmers, sondern auf einer des Arbeitgebers beruhte.

Ein Anrecht kann jedoch nicht sowohl dem Zugewinnausgleich als auch dem Versorgungsausgleich unterfallen. Daher ist hier ausschlaggebend, dass der Gesetzgeber zum 01.09.2009 mit § 22 Versorgungsausgleichsgesetz auch Kapitalzahlungen aus einem noch nicht ausgeglichenen Anrecht in den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich verwiesen hat.

Nach der Neuregelung des Versorgungsausgleiches werden also von ihm im Bereich der betrieblichen Altersversorgung auch Anrechte auf Kapitalbasis erfasst, sogar dann, wenn die Kapitalzahlung zum Zeitpunkt der Geltendmachung bereits erfolgt ist (Ruland, Versorgungsausgleich, 2. Auflage Rn.-Nr. 681 f.). Aus welchem Grund das betriebliche Anrecht im Zuge der Ehescheidung noch nicht ausgeglichen wurde, ist - abgesehen vom ausdrücklichen Ausschluss Kraft Vereinbarung oder gerichtlicher Entscheidung - unerheblich (Ruland a. a. O. Rn.-Nr. 638, 639).

Die Übergangsvorschrift des § 48 Versorgungsausgleichsgesetz steht dem nicht entgegen: Wenn die frühere Ehefrau nach Eintritt der Voraussetzungen des § 20 Versorgungsausgleichsgesetz den Antrag auf Ausgleich der Kapitalzahlung stellt, ist auf diesen Antrag das aktuelle Recht anzuwenden.

Die Anwendung des § 22 Versorgungsausgleichsgesetz stellt für diesen Fall auch eine wesentlich angemessenere Regelung dar. Der frühere Ehemann hatte bei Ende der Ehezeit eine Altersversorgungsanwartschaft erworben, an der die Ehefrau noch zu diesem Zeitpunkt geltenden Recht beteiligt werden sollte. Die gebotene Einbeziehung in den Versorgungsausgleich wurde erst durch die Verfügung des Arbeitgebers im Zuge des Scheidungsverfahrens unmöglich gemacht. Der Einbeziehung in den Zugewinnausgleich führt zu dem Problem der Bewertung der Kapitalzusage zum maßgeblichen Stichtag, das praktisch nur von einem Sachverständigengutachten beantwortet werden kann. Würde jetzt dem Antragsgegner eine Ausgleichszahlung wegen "Zugewinnes" auferlegt, dann müsste diese wahrscheinlich aus Billigkeitsgesichtspunkten bis zu seiner Verrentung gestundet werden, weil er vorher das entsprechende Kapital tatsächlich nicht hat und er das betriebliche Anrecht - anders als zum Beispiel eine Lebensversicherung - auch nicht beleihen kann. Über § 22 Versorgungsausgleichsgesetz wird die Kapitalzusage auch für die frühere Ehefrau ihrem eigentlichen Zweck zugeführt, nämlich der Sicherung des Lebensstandards nach Ausscheiden aus dem Erwerbsleben.

Hinsichtlich des Betrages, für den Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden ist, wird auf die beigefügte Berechnung Bezug genommen.

Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte