OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.04.2013 - I-5 W 9/13
Fundstelle
openJur 2013, 22269
  • Rkr:
Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss der 10. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 28.11.2012 abgeändert.

Dem Kläger wird zur vorläufig unentgeltlichen Wahrnehmung seiner Rechte erster Instanz Prozesskostenhilfe ab dem 22.06.2012 bewilligt und ihm Rechtsanwalt Dr. Büchler in Mönchengladbach beigeordnet.

Eine Kostenerstattung findet nicht statt

Gründe

I.

Der Kläger begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die von ihm erhobene Klage, mit der er die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für Schäden an dem 1990 auf dem Grundstück B…-Str. 142 in S… errichteten Einfamilienhaus geltend macht. Für den Bau dieses Hauses wurden u.a. Kalksandsteine verwendet, die von einer Rechtvorgängerin der Beklagten hergestellt worden sind.

Das Landgericht hat durch Beschluss vom 28.11.2012 den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht der Klage zurückgewiesen. Es hat dies damit begründet, die Feststellungsklage sei zwar zulässig, weil sich der von dem Kläger behauptete Schaden noch in der Entwicklung befände und völlig offen sei, ob und welche Maßnahmen vom Kläger zur Schadensbeseitigung zu ergreifen wären. Der Kläger habe aber keinen Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte. Ein Anspruch nach § 823 I BGB sei mangels Eigentumsverletzung nicht gegeben, weil Stoffgleichheit gegeben sei. Die Beklagte hafte auch nicht wegen einer fahrlässigen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht oder Produktüberwachungspflicht. Der beweisbelastete Kläger habe nicht näher dargelegt oder unter Beweis gestellt, dass die von der Beklagten behaupteten Prüfungen nicht stattgefunden haben sollen. Nach dem derzeitigen Sachstand könne der Kläger nicht belegen, dass die Beklagte den Bedenken in den Schreiben des Bundesverbandes K… Industrie e.V. vom 16.11.1987 und der K… Union & Co. KG vom 11.05.1988 nicht nachgegangen sei. Eine Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz könne nicht festgestellt werden, weil dieses Gesetz erst am 01.01.1990 in Kraft getreten sei.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers vom 17.01.2013. Er ist der Auffassung, das Landgericht habe sich mit einer vorläufigen Prüfung der Erfolgsaussicht auf Grundlage des Klagebegehrens im Zeitpunkt der Beantragung der Prozesskostenhilfe begnügen dürfen und müssen und deswegen das weitere Verteidigungsvorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 27.08.2012 nicht mehr berücksichtigen dürfen. Auch in der Sache sei die Versagung der Prozesskostenhilfe verfehlt, weil er substantiiert dargelegt habe, dass die Beklagte durch die Verwendung von Abfällen aus der Rauchgasentschwefelung als Substitut für Branntkalk bei der Herstellung von Kalksandsteinen ein fehlerhaftes Produkt in den Verkehr gebracht habe. Der Nachweis für die baurechtliche Zulassung dieses Produkts sei nicht erbracht worden und habe auch nicht erbracht werden können.Es sei eine Eigentumsverletzung gegeben, weil von einer „Stoffgleichheit“ im Sinne der Rechtsprechung des BGH nicht die Rede sein könne. Das Haus sei keineswegs ausschließlich unter Verwendung der streitgegenständlichen mangelhaften Kalksandsteine errichtet worden und sei nicht von vorneherein für den bestimmungsgemäßen Zweck unbrauchbar geworden, weil sich der Mangel erst durch das nachträgliche Hinzutreten von Feuchtigkeit über einen längeren Zeitraum realisiert habe. Analog zum Arzthaftungsrecht seien ihm Erleichterungen der Darlegungs- und Beweislast zuzubilligen, weswegen es sich verbiete, die Richtigkeit des Beklagtenvor-trags aus dem Schriftsatz vom 27.08.2012 zu unterstellen. Zudem habe das Landgericht das Schreiben der F…-H… & Cie. GmbH außer Acht gelassen, in dem die Eintrittspflicht für die gegebenen bzw. drohenden Schäden anerkannt worden sei.

Die Beklagte verteidigt den ergangenen Beschluss.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde durch Beschluss vom 19.02.2013 nicht abgeholfen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.

Dem Kläger ist Prozesskostenhilfe zu bewilligen, weil die Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 ZPO).

1.

Aufgrund der unstreitigen und vom Kläger dargelegten und unter Beweis gestellten Tatsachen hat die Klage Aussicht auf Erfolg, weil der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 826 I BGB besitzen könnte.

a) Bei der Prüfung, ob die Klage Aussicht auf Erfolg hat, ist, wovon auch das Landgericht zutreffend ausgegangen ist, auf den Sach- und Streitstand zum Zeitpunkt der Beschlussfassung abzustellen (Zöller-Geimer, ZPO, 29. Auflage 2012, § 119 Rz. 44) und war auch das Vorbringen der Beklagten aus dem Schriftsatz vom 27.08.2012 zu berücksichtigen. Das Landgericht hat hierdurch entgegen der Ansicht des Klägers nicht die in Art. 3 I GG i.V.m. Art. 20 III GG gewährleistete Rechtsschutzgleichheit verletzt. Dieser Grundsatz erfordert es, dass das Gericht eine Entscheidung über den Antrag alsbald nach Eintritt der Entscheidungsreife trifft. Diese ist aber erst gegeben, wenn der Antragsteller das Prozesskostenhilfebegehren schlüssig begründet, die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt, etwaige Nachfragen des Gerichts beantwortet hat und der Antragsgegner daraufhin ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt hat.

Vorliegend hat das Landgericht zutreffend das Vorbringen der Beklagten aus dem Schriftsatz vom 27.08.2012 bei seiner Entscheidung berücksichtigt, weil vor Eingang dieses Schriftsatzes noch keine Entscheidungsreife gegeben war. Der Kläger hat sein Prozesskostenhilfegesuch erst mit Schriftsatz vom 22.06.2012 hinreichend begründet. Denn er ist erst durch diesen Schriftsatz der Aufforderung des Gerichts durch Verfügung vom 18.05.2012 zur Erläuterung seines Vortrags in der Klageschrift nachgekommen und hat auch erst mit diesem Schriftsatz seine Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen gemäß Verfügung des Gerichts vom 22.05.2012 erläutert. Danach war der Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, worauf das Landgericht bereits in seiner Verfügung vom 18.05.2012 hingewiesen hatte. Da die Beklagte innerhalb der ihr gewährten und verlängerten Frist Stellung genommen hat, war ihr Vorbringen bei der Beschlussfassung schon unter Berücksichtigung des Grundsatzes auf Wahrung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG) zwingend zu berücksichtigen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von dem Kläger zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Dieses hat einen Verstoß gegen die Rechtsschutzgleichheit nur für den hier nicht gegebenen Fall bejaht, dass über einen spruchreifen Bewilligungsantrag erst zusammen mit der Hauptsache entschieden wird (BVerfG, Beschl. v. 26.06.2003, 1 BvR 1152/02, juris Rz. 1 = NJW 2003, 3190 f.).

b) Das Landgericht ist aus zutreffenden Gründen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, davon ausgegangen, dass die Feststellungsklage zulässig ist.

c) Die Klage hat Aussicht auf Erfolg, weil sich aus den unstreitigen und vom Kläger dargelegten und unter Beweis gestellten Tatsachen ein Anspruch gegen die Beklagte auf Schadensersatz nach § 826 I BGB ergeben könnte.

aa) Ein Anspruch des Klägers auf Schadensersatz nach § 823 I BGB ist nicht gegeben, weil eine Eigentumsverletzung nach dem Vorbringen des Klägers nicht festgestellt werden kann.

Nach der Rechtsprechung des BGH ist für deliktische Schadensersatzansprüche kein Raum, wenn sich der geltend gemachte Schaden mit dem Unwert deckt, welcher der Sache wegen ihrer Mangelhaftigkeit von Anfang an schon bei ihrem Erwerb anhaftete (BGH Urt. v. 18.01.1983, VI ZR 310/79, juris Rz. 10 = NJW 1983, 810 - Gaszug; Urt. v. 12.02.1992, VIII ZR 276/90, juris Rz. 20 = BGHZ 177, 183 ff. – Kondensatoren ). In einem solchen Fall besteht zwischen dem Schaden und der im Mangel verkörperten Entwertung der Sache „Stoffgleichheit“. Diese liegt nach der Rechtsprechung des BGH vor, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise der Fehler von Anfang an die Gesamtsache, für deren Beeinträchtigung Schadensersatz begehrt wird, ergreift, etwa, weil die Sache als Ganzes wegen des Mangels von vornherein nicht oder nur in sehr eingeschränktem Maße zum vorgesehenen Zweck verwendbar ist (BGH Urt. v. 24.03.1992, VI ZR 210/91, juris Rz. 12 = NJW 1992, 1678 f.). Dieses Kriterium zieht der BGH auch bei der Geltendmachung von Schäden an Gebäuden heran, um zu prüfen, ob eine Eigentumsverletzung vorliegt. Insoweit wird die Verletzung des Integritätsinteresses verneint, wenn niemals Eigentum am Grundstück in mangelfreiem Zustand bestanden hat (BGH Urt. v. 24.11.1976, VIII ZR 137/75, juris Rz. 26 m.w.N. = BGHZ 67, 359 ff. – Schwimmerschalter; Urt. v. 30.05.1963, VII ZR 136/61, NJW 1983, 1827 – Ortbeton; Urt. v. 12.12.2000, VI ZR 242/99, juris Rz. 15 f. = BGHZ 146, 144 ff. – Elektroofenschlacke; OLG Brandenburg, Urt. v. 05.12.2012, 4 U 118/11, juris Rz. 87 = BauR 2013, 509 red. Ls.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist eine Eigentumsverletzung an dem Grundstück des Klägers durch die Lieferung angeblich mangelhafter Kalksandsteine nicht festzustellen, weil das bebaute Grundstück aus rechtlicher Sicht nie im mangelfreien Zustand existiert hat. Das auf dem Grundstück des Klägers errichtete Haus war durch den Einbau der Kalksandsteine, die nach der Behauptung des Klägers wegen der Verwendung von Schwefelverbindungszusätzen ihre Tragfähigkeit eingebüßt haben und die Standsicherheit des gesamten Gebäudes konkret gefährden, von seiner Errichtung an mit einem Mangel behaftet. Dem steht nicht entgegen, dass sich die Beeinträchtigung der Brauchbarkeit des Hauses erst durch das nachträgliche Hinzutreten von Feuchtigkeit realisiert hat. Denn der behauptete Mangel liegt bereits darin, dass Steine für das Außenmauerwerk und damit für tragende Wände verwendet worden sind, die ihre Stabilität durch den Einfluss von Feuchtigkeit verlieren können. Ein aus für tragende Wände ungeeigneten Steinen errichtetes Haus ist von vornherein als zum dauerhaften Wohnen ungeeignet anzusehen (OLG Brandenburg, a.a.O., juris Rz. 88). Es kommt dabei nicht darauf an, ob das Haus und die Garage ausschließlich aus den streitgegenständlichen Kalksandsteinen oder, wie der Kläger behauptet, jedenfalls im Keller und Erdgeschoss auch aus anderen Steinen errichtet worden ist und ob wegen des vorhandenen Mangels ein Abriss erforderlich werden wird oder ein Austausch der schadhaften Teile „Stück für Stück“ in Betracht kommt. Denn die Gefahr für die Stabilität ist bereits mit dem Einbau der Kalksandsteine begründet worden und macht das Haus für den bestimmungsgemäßen Zweck, nämlich eine ungefährdete Nutzung zu Wohnzwecken, unbrauchbar.

Da bereits eine Eigentumsverletzung nicht gegeben ist, kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob die Beklagte ihre Verkehrssicherungs- und Produktüberwachungspflicht verletzt hat.

bb) Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Schadensersatz nach § 1 I 2 ProdHaftG.

Zwar dürfte das ProdHaftG, das erst zum 01.01.1990 in Kraft getreten ist, hier anwendbar sein, weil die an den Kläger gelieferten Kalksandsteine ausweislich der vorgelegten Lieferscheine im Februar und März 1990 von der Rechtsvorgängerin der Beklagten an das S…-Bauzentrum geliefert und dadurch nach Inkrafttreten des ProdHaftG in Verkehr gebracht worden sind. Etwaige Ansprüche des Klägers nach § 1 I 2 ProdHaftG sind jedoch nach § 13 ProdHaftG erloschen, weil seit dem Inverkehrbringen der Steine durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten im Jahr 1990 zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Jahr 2011 bereits mehr als 10 Jahre vergangen waren.

cc) Die Beklagte hat das Bestehen eines solchen oder eines anderen Anspruchs auch nicht aufgrund des Schreibens vom 17.02.2012 anerkannt, weil sie sich darin nur bereit erklärt hat, zu prüfen, ob das Haus des Klägers unter Verwendung von Kalksandsteinen errichtet worden ist, die unter ständiger Durchfeuchtung an Druckfestigkeit verlieren können.

dd) Aufgrund des tatsächlichen Vorbringens des Klägers ist jedoch ein Anspruch des Klägers auf Schadensersatz nach § 826 I BGB schlüssig dargelegt.

Der Tatbestand des § 826 I BGB ist erfüllt, wenn eine Handlung objektiv gegen die guten Sitten verstößt, der Handelnde die die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände kennt, Art und Richtung des Schadens und die Schadensfolgen vorausgesehen und gewollt oder jedenfalls billigend in Kauf genommen hat und durch diese Handlung ein Vermögensschaden bei dem Anspruchsteller eingetreten ist.

Eine sittenwidrige Handlung könnte dann bejaht werden, wenn die Verantwortlichen der Rechtsvorgängerin der Beklagten, obwohl sie u.a. aufgrund des Schreibens des Bundesverbandes der Kalksandsteinindustrie vom 16.11.1987 um die potentielle Schadensneigung des Produkts infolge der veränderten chemischen Zusammensetzung wussten, zur Kosteneinsparung und damit Gewinnmaximierung die in der Herstellung billigeren Kalksandsteine in den Verkehr gebracht hätten, ohne vorher alle technisch erforderlichen Prüfungen vorzunehmen, die die Gewähr dafür bieten konnten, dass ein Schaden durch das veränderte Produkt möglichst ausgeschlossen wird. Dies hat der Kläger hinreichend dargelegt.

Unstreitig beabsichtigte die Rechtsvorgängerin der Beklagten durch den Einsatz von Sprühabsorbtionsrückständen bei der Herstellung der streitgegenständlichen Kalksandsteine erhebliche Kosten einzusparen. Diese Kosteneinsparung konnte dadurch erzielt werden, dass die Beklagte durch den Einsatz dieses Bindemittels einerseits Branntkalk als Rohstoff einsparen konnte, andererseits pro abgenommener Tonne Sprühabsorbtionsrückstände von den Stadtwerken D… eine Vergütung von 17,- DM erhielt, wobei bis zu 40.000 t pro Jahr abgenommen werden sollten. Die Änderung des Zusatzstoffes diente damit auch der Gewinnmaximierung.

Die Beklagte, die ausweislich des von ihr vorgelegten Schreibens vom 11.11.1987 den Bundesverband K… e.V. um Auskunft gebeten hat, ob die Sprühabsorbtionsrückstände ohne Bedenken als Zuschlagstoff eingesetzt werden könnten (Anlage KE 2), erhielt mit Schreiben des Bundesverband K… e.V. vom 16.11.1987 (Anlage K 11 = Anlage KE 3) Auskunft über das Prüfungsergebnis. Ihr wurde mitgeteilt, dass die Anwesenheit von Sulfit und Sulfat u.a. als Effekt haben könne, dass die CSH-Phasenbildung beschleunigt werde, aber eine schlecht kristallisierte Ausbildung mit geringerer Eigenfestigkeit bestehe, dass eine Minderung der Steinfestigkeiten infolge ungünstigerer CSH-Phasen und infolge von „Gipsresten“ im Stein denkbar sei und dies insbesondere für die Zugbeanspruchung im nassen Zustand gelte, und dass bei stärkerer Nässebelastung größere Mengen aus dem Stein austretender Sulfit- und Sulfationen u.U. größere Treibreaktionen in angrenzenden Zementmörteln oder –putzen verursachen könnten. Zudem empfahl der Bundesverband K… e.V. darüber hinaus einige Punkte zu prüfen. Da die Rechtsvorgängerin der Beklagten hierdurch konkrete Anhaltspunkte dafür hatte, dass die mit den Sprühabsorptionsrückständen hergestellten Steine insbesondere im Zusammenwirken mit Feuchtigkeit nicht hinreichend stabil sein könnten, war sie gehalten, alle technisch möglichen Untersuchungen durchführen zu lassen, um sicherzustellen, dass diese Gefahr nicht gegeben war, um künftige Schäden an den mit den Kalksandsteinen errichteten Gebäuden ausschließen zu können. Dies gilt unabhängig davon, ob, wie der Kläger dargelegt und unter Beweis gestellt hat, auch der damalige Präsident des Bundesverbandes der K…-Industrie e.V. die Geschäftsführung der Rechtsvorgängerin der Beklagten persönlich vor der Verwendung des Abfallprodukts für die Herstellung von Kalksandsteinen gewarnt haben soll.

Die Beklagte hat zwar dargelegt, welche Prüfungen ihre Rechtsvorgängerin auf das genannte Schreiben hin hat vornehmen lassen. Da der Kläger für die Tatbestandsvoraussetzungen beweisbelastet ist, ist sein Bestreiten mit Nichtwissen nicht ausreichend und nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand davon auszugehen, dass die behaupteten, zudem teilweise durch Unterlagen belegten Prüfungen durchgeführt worden sind.

Der Kläger hat jedoch hinreichend dargelegt, dass die von der Rechtsvorgängerin der Beklagten durchgeführten Untersuchungen technisch nicht ausreichend gewesen seien, um zu klären, ob bei den mit veränderter Rezeptur hergestellten Kalksandsteinen das Risiko der Instabilität, das sich letztlich auch verwirklicht haben soll, besteht. Denn der Kläger hat ausdrücklich auf das Gutachten des Prof. Dr. Ing. B… (Anlage K 17) und auf dessen Ausführungen Bezug genommen, wonach die Nachweise für die Verwendbarkeit des neuen Produkts nicht geführt worden seien und nicht hätten geführt werden können, weil die Kalksandsteine nicht der DIN 106 i.V.m. DIN 4226 entsprochen hätten. Für diese Annahme spricht jedenfalls der Umstand, dass in dem von der Beklagten vorgelegten Bericht des Prüfungs- und Forschungsinstituts des Bundesverbandes K… e.V. vom 26.07.1989 festgehalten ist, dass die (für die Festigkeit der Steine relevanten) CSH-Phasen sämtliche 3 Proben nicht den üblichen länglichen CSH-Phasen entsprachen, vielmehr verkümmert ausgebildet seien (Anl. KE 8, Seite 3). Eine genauere Darlegung, welche nach dem damaligen Stand der Technik möglichen und gebotenen Prüfungen unterblieben sein sollen, die die Verwendbarkeit der Steine hätte klären und den behaupteten und für die Schäden verantwortlichen Mangel der Kalksandsteine hätten zu Tage bringen können, ist dem Kläger als Laien nicht zumutbar. Insoweit wird durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu klären sein, ob alle technisch erforderlichen und damals nach dem Stand von Wissenschaft und Technik gebotenen Prüfungen durch die Beklagte erfolgt sind.

Sollte sich danach ergeben, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten diese Kalksandsteine trotz der Bedenkenhinweise auf den Markt gebracht hat, ohne vorher alle technisch notwendigen Prüfungen durchgeführt zu haben, um auszuschließen, dass die Steine ein Schadenspotential in sich bergen, wäre dies ein erhebliches Indiz dafür, dass ihre Verantwortlichen sich im Hinblick auf die zu erzielende Kostenersparnis und den damit verbundenen höheren Gewinn bewusst der Erkenntnis einer wegen der nicht ausreichenden Prüfung weiterhin bestehenden Gefahr der Instabilität verschlossen und dadurch eine Schädigung der Kunden bei Verwirklichung dieser Gefahr billigend in Kauf genommen haben. Dies ist ausreichend, um den Vorsatz der Geschäftsführung der Rechtsvorgängerin der Beklagten im Rahmen des Prozesskostenhilfebewilligungsverfahrens schlüssig darzulegen.

Soweit die Beklagte sich dahin einlässt, die auf diese Weise hergestellten Steine sollten nur als „Hintermauersteine“ verkauft werden, die üblicherweise nicht mit Frost oder Feuchtigkeit in Berührung kämen, entlastet sie das nicht. Im Gegenteil: Da eine entsprechende Einschränkung der Verwendungsfähigkeit jedenfalls nicht allgemein bekannt gemacht wurde (z.B. durch Kennzeichnung der Stein), musste die Beklagte damit rechnen, dass die Steine wie jeder andere Kalksandstein verwendet würde. Andererseits legt dieser Umstand nahe, dass auch die Beklagte Bedenken hinsichtlich der Verwendungseignung der Steine hatte.

Da der Kläger zudem unter Beweis gestellt hat, dass die von ihm in seinem Haus verbauten Kalksandsteine zu den mit Sprühabsorbtionsrückständen hergestellten und fehlerhaften Kalksandsteinen gehören und dadurch die Schäden an seinem Haus verursacht worden sein sollen, hat er die Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten nach § 826 BGB schlüssig dargetan.

Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 127 IV ZPO nicht veranlasst (Zöller-Philippi, 29. Auflage 2012, § 127 ZPO Rz. 39).

Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: 50.000,- €