Hessischer VGH, Beschluss vom 12.02.2013 - 1 A 2440/11.Z
Fundstelle
openJur 2013, 20437
  • Rkr:

Aus der in § 4 Abs. 2 BPolBG enthaltenen Regelung, wonach die dem Dienstvorgesetzten vorbehaltene Feststellung der Polizeidienstunfähigkeit im Sinne von § 4 Abs. 1 BPolBG auch aufgrund des Gutachtens eines beamteten Bundespolizeiarztes festgestellt werden kann, ergibt sich, dass auch die Einschätzung, ob eine ärztliche Untersuchung wegen bestehender Zweifel an der Dienstfähigkeit gemäß § 44 Abs. 6 BBG erforderlich ist, in der Bundespolizei von einem beamteten Bundespolizeiarzt getroffen werden darf; es handelt sich insoweit um ein wesensgleiches Minus.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 18. November 2011 – 9 K 1195/11.F – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 23.367,75 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen der vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 4 VwGO liegen nicht vor.

Der Senat hat keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), mit dem das Verwaltungsgericht die gegen die Versetzung des Klägers in den Ruhestand durch den Bescheid der Beklagten vom 9. August 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 16. März 2011 gerichtete Anfechtungsklage abgewiesen hat. Der angefochtene Bescheid ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Antragsvorbringen ist insgesamt nicht geeignet, Zweifel hieran hervorzurufen.

Entgegen der Behauptung des Klägers lässt sich dem Gutachten von Prof. Dr. Dose vom 5. Mai 2009 nicht entnehmen, dass er als dienstfähig gelten könne, wenn er die Weisung befolge, keinen Kontakt mehr zu der Beamtin M. aufzunehmen; jedenfalls begründe das Gutachten keine gewichtigen Zweifel an seiner Dienstfähigkeit. Der Gutachter war zu einer ärztlichen Feststellung der vollständigen oder teilweisen Dienstfähigkeit des Klägers einschließlich der Polizeidienstfähigkeit nicht berufen. Das ist allein Sache des Dienstherrn (§§ 47 Abs. 1 Satz 1 BBG, 4 Abs. 1 BPolG), der seine Entscheidung nur auf das Gutachten eines Amtsarztes oder eines hierfür zugelassenen Gutachters stützen darf (§ 48 Abs. 1 Satz 1BBG). Dementsprechend enthält das Gutachten von Prof. Dr. Dose keine Bewertung der Dienstfähigkeit des Klägers, sondern nur die folgende Aussage:

 „Aus Sicht des Unterzeichners sind Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit des Beamten im Rahmen der festgestellten ‚wahnhaften Störung‘ mit hoher Wahrscheinlichkeit nur insofern eingeschränkt, als die Beziehung zu Frau M. und die daran geknüpften dienstlichen Verflechtungen betroffen sind. In Bereichen, die von dieser Beziehung und den daraus resultierenden Komplikationen unberührt sind, ist von einer unbeeinträchtigten Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit des Beamten auszugehen.“ (S. 55 des Gutachtens, Bl. 166 d. A.)

Diese Aussage ist allerdings eingebettet in wiederholte nachdrückliche Hinweise auf die Notwendigkeit einer psychiatrisch/psychotherapeutischen Behandlung (vgl. S. 54 –56 des Gutachtens, Bl. 165 – 167 d. A.). Da eine solche Behandlung zu keiner Zeit stattgefunden hat, durfte die Beklagte davon ausgehen, dass eine schwerwiegende gesundheitliche Beeinträchtigung des Klägers in Gestalt einer „wahnhaften Störung“ sowohl zur Zeit der Begutachtung als auch im maßgeblichen Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung vom 16. März 2011 vorgelegen hat, und dass deshalb hinreichender Anlass für eine nähere Überprüfung der Dienstfähigkeit bestand. Letzteres ergibt sich im übrigen auch mit aller Deutlichkeit aus dem Inhalt der im Verwaltungsvorgang dokumentierten zahlreichen Eingaben des Klägers.Daran ändert es nichts, dass der Kläger nach seinen Angaben seit dem 1. Dezember 2008 zur Bundespolizeidirektion Frankfurt am Main abgeordnet und damit räumlich und dienstlich von der Beamtin M.getrennt worden war.

Die Beklagte war befugt, aus der Weigerung des Klägers, sich der von ihm verlangten stationären Beobachtung zu unterziehen, zu folgern, dass der Kläger dienstunfähig im Sinne von § 44 Abs. 1 BBGist, wie das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil (vom 18. November 2011 - 9 K 1195/11.F - Rn. 43 - 46, zit. nach Juris)zutreffend dargelegt hat. Mit Recht hat das Verwaltungsgericht auch hervorgehoben, dass nur derjenige sich einer Begutachtung nach § 44Abs. 6 BBG unterziehen muss, demgegenüber die Untersuchung aus amtsärztlicher Sicht für erforderlich gehalten wird. Diese Voraussetzung ist hier indessen gegeben. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ergibt sich aus § 4 Abs. 2 BPolBG (vom Verwaltungsgericht irrtümlich als BPolG bezeichnet), dass die beamteten Polizeiärzte der Bundespolizei den Amtsärzten hinsichtlich der Einschätzung der Erforderlichkeit einer ärztlichen Untersuchung bei Zweifeln über die Dienstunfähigkeit gleichstehen.Das Verwaltungsgericht führt in diesem Zusammenhang zu Recht aus,dass die beamteten Ärzte der Bundespolizei ebenso wie Amtsärzte gemäß § 4 Abs. 2 BPolBG sogar zur Erstellung eines Gutachtens berufen sind, aufgrund dessen die Polizeidienstunfähigkeit durch den Dienstvorgesetzten festgestellt werden kann. Daraus ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts zu folgern, dass beamtete Ärzte der Bundespolizei erst recht befugt sind, zu beurteilen, ob eine weitere ärztliche Untersuchung gemäß § 44 Abs.6 BBG erforderlich ist. Da es sich insoweit um ein wesensgleiches Minus handelt, stehen dieser Auslegung Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 8Abs. 1 EMRK nicht entgegen.

Da der Beklagte mithin keinen Verfahrensfehler begangen hat,kommt es auf die vom Kläger gerügten Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu einer Heilung entsprechend dem in § 46 VwVfGenthaltenen Rechtsgedanken, (a. a. O. Rn.39, zit. nach Juris) nicht an.

Die Berufung ist auch nicht wegen einer Divergenz im Sinne des Zulassungsgrundes nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zuzulassen. Das angefochtene Urteil enthält keine Abweichung von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. März 2009 – 2 C 46.08– (ZTR 2009, 555, hier zit. nach Juris). Insbesondere hat das Verwaltungsgericht keinen Rechtssatz aufgestellt, nach dem der Dienstherr entgegen dem Grundsatz „Weiterbeschäftigung vor Versorgung“ (vgl. § 42 Abs. 3 BBG) nicht verpflichtet wäre,vor einer Versetzung in den Ruhestand nach Möglichkeiten der Weiterbeschäftigung durch anderweitige Verwendung des Beamten zu suchen. Der Divergenzentscheidung lag ein grundlegend anderer Sachverhalt zu Grunde; darauf hat die Beklagte zu Recht hingewiesen. In dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall waren Art und Umfang der zur (Teil-)Dienstunfähigkeit des Beamten führenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen dem Dienstherrn bekannt; gleichwohl wurde ohne weiteres von einer Weiterbeschäftigung des Beamten abgesehen. Im vorliegenden Fall hingegen weigert sich der Kläger, an den hierfür erforderlichen ärztlichen Feststellungen mitzuwirken, obwohl er nach § 44 Abs. 6BBG dazu verpflichtet ist. Infolge dessen ist die Beklagte von vornherein außer Stande, nach einer anderweitigen Beschäftigung zu suchen; denn es fehlt an einer medizinischen Grundlage für die prognostische Erwartung, dass der Kläger den Anforderungen eines anderen Amtes/Dienstpostens gerecht werde.

Da der Antrag auf Zulassung der Berufung erfolglos bleibt, hat der Kläger gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Die Festsetzung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 5 VwGO. Der Senat berechnet den Streitwert ebenso wie das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. November 2011.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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