VG Ansbach, Beschluss vom 28.03.2013 - AN 15 X 13.00641
Fundstelle
openJur 2013, 20402
  • Rkr:
Tenor

1. Dem Landratsamt ... wird die Anordnung erteilt, die Wohnräume, einschließlich der Nebenräume des Antragsgegners in ..., zum Zwecke der Sicherstellung der im beabsichtigten Bescheid des Landratsamts ... näher bezeichneten Waffenbesitzkarten des Antragsgegners, des Europäischen Fernwaffenpasses Nr... des Antragsgegners, der auf den Waffenbesitzkarten des Antragsgegners eingetragenen Schusswaffen sowie weiterer, auch erlaubnisfreier, Schusswaffen und Munition zu durchsuchen.

2. Der Antragsteller wird mit der Zustellung dieses Beschlusses an den Antragsgegner beauftragt.

3. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

4. Der Streitwert wird auf 1.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Für den Antrag auf richterliche Durchsuchungsanordnung ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben, weil die begehrte Durchsuchungsanordnung im Zusammenhang mit einer Verwaltungsvollstreckung eines Bescheids aus dem öffentlich-rechtlichen Waffenrecht steht (§ 40 Abs. 1 VwGO). Zur Entscheidung des Antrags auf Erteilung der Durchsuchungsanordnung nach Art. 13 Abs. 2 GG ist die Kammer des Verwaltungsgerichts Ansbach zuständig, weil sich dies aus § 5 Abs. 3 VwGO ergibt (so zutreffend BayVGH, Beschluss vom 8.5.1984, NJW 1984, 2402 mit überzeugender Begründung). Die zielgerichtete Suche nach in Waffenbesitzkarten eingetragenen Schusswaffen, nach etwaigen weiteren Schusswaffen und nach Munition in den Wohn- und Nebenräumen des Antragsgegners stellt eine Durchsuchung im Sinne des Art. 13 Abs. 2 GG dar und bedarf daher einer richterlichen Durchsuchungsanordnung, wie sich aus § 46 Abs. 4 Satz 2 des Waffengesetzes vom 11. Oktober 2002 (BGBl I S. 3970, ber. S. 4592) (WaffG) ergibt.

Die Voraussetzungen für die begehrte Durchsuchungsanordnung liegen gem. § 46 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 WaffG vor. Der beabsichtigte Bescheid des Antragstellers, womit gegenüber dem Antragsgegner ein Waffenverbot nach § 41 WaffG ausgesprochen und die sofortige Sicherstellung angeordnet werden soll, ist weder nichtig noch offenkundig rechtswidrig, so dass er nach Bekanntgabe Grundlage für die Vollziehung sein kann. Zwar hat das Gericht im Rahmen des § 46 Abs. 4 Satz 2 WaffG in der Regel nicht die Rechtmäßigkeit des zu vollziehenden Verwaltungsaktes zu prüfen, jedoch darf die Vollziehung eines offenkundig und prima facie rechtswidrigen Verwaltungsaktes nicht gestattet werden, da ansonsten der Richtervorbehalt nach Art. 13 Abs. 2 GG bzw. § 46 Abs. 4 Satz 2 WaffG eine bloße Formsache wäre, was dem Normzweck nicht gerecht werden würde (vgl. VGH, Beschluss vom 25. August 2003, AZ: 21 C 03.320).

Der vorliegende Sachverhalt, der sich aus dem Aktenvermerk der Polizeiinspektion ...vom 25. März 2013, dem von der Ehefrau des Antragsgegners verfassten Abschiedsbrief und der Tatsache der Unterbringung des Antragsgegners gemäß Art. 1 Abs. 1, 10 Abs. 2 UnterbringG im Nervenklinikum ... ergibt, rechtfertigt prima facie ein Waffenverbot nach § 41 WaffG. Nach § 41 Abs. 2 WaffG kann ein Verbot von erlaubnispflichtigen Waffen und Munition ausgesprochen werden, wenn dieses zur Kontrolle des Umgangs mit diesen Gegenständen geboten ist. Vorliegend sind gewichtige Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der Antragsgegner psychisch krank ist und insbesondere aufgrund des von seiner Ehefrau verübten Suizids auch bei ihm eine konkrete Suizidgefahr besteht. Die Kammer folgt den zutreffenden Gründen des Bescheids des Landratsamts ... vom ... 2013 und sieht in entsprechender Anwendung von § 117 Abs. 5 VwGO von einer weiteren Darstellung der Gründe ab. Zudem bestehen Anhaltspunkte dafür, dass beim Antragsgegner die persönliche Eignung nach § 6 WaffG nicht vorliegt, so dass auch ein Vorgehen gem. § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG möglich erscheint. Für das waffenrechtliche Verbot wird gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO Sofortvollzug angeordnet werden, so dass es nach Bekanntgabe sofort vollziehbar sein wird.

Nach § 46 Abs. 4 Satz 1 WaffG können Erlaubnisurkunden sowie die in Abs. 2 und 3 bezeichneten Waffen oder Munition sofort sichergestellt werden. Da § 46 Abs. 3 WaffG Bezug nimmt auf ein Verbot nach § 41 WaffG, können auf der Grundlage von § 46 Abs. 4 WaffG alle Erlaubnisurkunden und Waffen (einschließlich Munition), auf die sich das Verbot nach § 41 WaffG erstreckt, sichergestellt werden, d.h. erlaubnisfreie und erlaubnispflichtige Waffen.

Mit der vom Gesetzgeber nach § 46 Abs. 4 WaffG eröffneten Möglichkeit, im Fall eines vollziehbaren Verbots nach § 41 WaffG eine sofortige Sicherstellung und eine dafür erforderliche Wohnungsdurchsuchung anzuordnen, soll ein Unterlaufen der Besitzuntersagung vermieden werden. Ein solches umgehendes Vorgehen der Behörde ist im vorliegenden Fall auch angebracht, da, wie oben ausgeführt, zu befürchten ist, dass der Antragsgegner die Waffen missbräuchlich verwendet, wenn ihm eine Frist zur Herausgabe der Waffen gesetzt wird. Ein Vorgehen nach § 46 Abs. 3 WaffG, nach dem eine Fristsetzung erforderlich ist, ist daher im vorliegenden Fall nicht geeignet und somit durfte sich der Antragsteller für ein Vorgehen nach § 46 Abs. 4 WaffG entscheiden.

Wegen der Gefahr der missbräuchlichen Verwendung durch Begehung eines Suizids muss die Sicherstellung als Zwangsmittel - unmittelbarer Zwang gem. Art. 34 VwZVG - entgegen Art. 36 VwZVG nicht angedroht werden. Der Erfolg der Maßnahme wäre ansonsten gefährdet. Darüber hinaus entfällt die grundsätzlich erforderliche Androhung nach Art. 35 VwZVG, da eine mit Strafe bedrohte Handlung unterbunden wird: Der Besitz von erlaubnispflichtigen Waffen ohne Erlaubnis ist gem. § 52 Abs. 3 Nr. 2 WaffG strafbar. Nach Erlass des sofort vollziehbaren Widerrufs der Waffenbesitzkarten wäre der Anwendungsbereich dieser Vorschrift eröffnet.

Andere Zwangsmittel als der unmittelbare Zwang nach Art. 34 VwZVG kommen nicht in Betracht. Eine Ersatzvornahme scheidet schon mangels vertretbarer Handlung aus, ein Zwangsgeld lässt keinen rechtzeitigen und zweckentsprechenden Erfolg versprechen. Zudem sieht § 46 Abs. 4 WaffG ausdrückliche eine Durchsuchung zum Zwecke der sofortigen Sicherstellung vor. Klarzustellen ist aber, dass der Antragsgegner nach Bekanntgabe des Waffenverbots die Möglichkeit haben muss, die Waffen freiwillig herauszugeben. Bei einer freiwilligen Herausgabe ist eine zwangsweise Durchsetzung weder erforderlich noch möglich.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass im Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses lediglich ein dem Antragsgegner unbekannter Entwurf des Waffenverbots und der Sicherstellungsanordnung vorliegt. Grundsätzlich müssen zwar im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die geplante Wohnungsdurchsuchung zum Zwecke der Vollstreckung der Sicherstellungsanordnung vorliegen (insbesondere muss in der Regel gem. Art. 18 VwZVG ein wirksamer Verwaltungsakt vorliegen), jedoch genügt in Ausnahmefällen, dass die Vollstreckungsvoraussetzungen spätestens zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des behördlichen Bescheids und des die Wohnungsdurchsuchung gestattenden Beschlusses gegeben sind (vgl. VGH, Beschluss vom 13. Mai 2004, AZ: 21 C 03.2626). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor, da die Verwirklichung der drohenden Gefahr, die mit der behördlichen Anordnung unterbunden werden soll – die missbräuchliche Verwendung der Waffen – sofort mit Bekanntgabe der Bescheide zu erwarten ist.

Aus dem gleichen Grund ist eine Anhörung des Antragsgegners vor Erlass des gerichtlichen Beschlusses nicht erforderlich (vgl. BVerfGE 57, 346, 359)

Die Durchsuchung der Wohn- und Nebenräume des Antragsgegners steht auch mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang. Denn die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über Schusswaffen durch eine Person, bei der zu befürchten ist, dass sie die Waffen missbräuchlich verwendet, stellt eine Gefahr dar, die das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 GG zurücktreten lässt. Sonstige Gründe, aus denen die Vollstreckung unter Durchsuchung der Wohn- und Nebenräume für den Antragsgegner eine unverhältnismäßige Härte bedeuten könnte, sind nicht erkennbar.

Um den Erfolg der Durchsuchung nicht zu gefährden, ist der Antragsteller im Wege der Amtshilfe zu beauftragen, den Beschluss gem. § 14 Abs. 3 VwGO dem Antragsgegner unmittelbar bei Beginn der Durchsuchung durch Übergabe zuzustellen.

Die Entscheidung zu den Kosten beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO.