OLG Köln, Beschluss vom 30.01.2013 - 4 UF 218/12
Fundstelle
openJur 2013, 20367
  • Rkr:
Tenor

I.

Der Antragsteller wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, den von dem Amtsgericht - Familiengericht - Waldbröl am 16.10.2012 erlassenen Beschluss - 12 F 123/12 - auf die Beschwerde des Antragsgegners teilweise abzuändern und seinen, des Antragstellers, Antrag auf teilweise Abänderung des vor dem Oberlandesgericht Köln am 09.11.2009 geschlossenen Vergleichs - 14 UF 141/07 - zurückzuweisen.

Für den Antragsteller besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 22.02.2013.

II.

Dem Antragsgegner wird auf seinen Antrag vom 04.12.2012 für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens gegen den unter Ziffer I. näher bezeichneten Beschluss unter Beiordnung von Rechtsanwältin E Verfahrenskostenhilfe bewilligt, und zwar auf der Grundlage seiner Erklärung zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen vom 13.12.2012 ohne Auferlegung von Ratenzahlungen.

Gründe

Dieser Anhörungsbeschluss beruht auf § 117 Abs. 3 FamFG. Der Senat beabsichtigt, von der ihm nach § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG eröffneten Möglichkeit zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren Gebrauch zu machen, da eine mündliche Verhandlung bereits im ersten Rechtszug stattgefunden hat und von deren Wiederholung weitere Erkenntnisse nicht zu erwarten sind.

Die gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde des Antragsgegners verspricht auch in der Sache Erfolg.

(1) Der Antragsgegner beanstandet zu Recht, dass das Amtsgericht ihm berufsbedingte Fahrtkosten in einer zu geringen Höhe angerechnet hat, anderenfalls dieses nicht zu anrechenbarem Eigeneinkommen gelangt wäre.

Die von dem Antragsgegner geltend gemachten berufsbedingten Fahrtkosten führen auf der Grundlage der von dem Amtsgericht angenommenen und von dem Antragsteller auch nicht bestrittenen Fahrtstrecken nicht bloß zur Berücksichtigung eines Betrages von 271,00 € monatlich, sondern bei richtiger Berechnung zu einem solchen von 539,00 €. Die einfache Entfernung zwischen dem Wohnort des Antragsgegners und seiner Berufsschule in G, die er zweimal in der Woche aufsucht, beträgt unstreitig gerundet 86 km und die von seinem Wohnort bis zu seiner Ausbildungsstelle bei der W e. V. in I gerundet 40 km. Hieraus folgt eine wöchentliche Gesamtfahrleistung inklusive Rückwegen in der Summe von [(86 km x 2 x 2) + (40 x 2 x 3)] 584 km. Der Quotient aus der Division mit der Anzahl von Ausbildungstagen je Woche (5) beträgt 117 km und gibt die tägliche Fahrtleistung wieder. Unter weiterer Berücksichtigung, dass nach Ziffer 10.2.2 der Unterhaltsleitlinien des Oberlandesgerichts Köln für die ersten 30 km der einfachen Strecke, also sowohl für den Hin- als auch für den Rückweg, in der Regel 0,30 € angesetzt werden können, errechnen sich monatlich entstehende Fahrtkosten in der Höhe von [(30 km x 2 x 0,30 €) + (57 km x 0,20 €)] x 220 Arbeitstagen/Jahr : 12 Monate = 539,00 €.

Dieser Betrag überschreitet die positiven Einkünfte des Antragsgegners im ersten Lehrjahr bis einschließlich August 2012 von monatlich (316,00 € zzgl. Kindergeld von 184,00 € =) 500,00 € und im zweiten Lehrjahr von monatlich (332,00 € + 184,00 € =) 516,00 €. Auf die von dem Amtsgericht vorgenommenen weiteren Abzüge von monatlich 90,00 € wegen ausbildungsbedingten Mehrbedarfs und von 107,00 € wegen Führerscheinerwerbskosten kommt es deswegen nicht an.

Auf der Grundlage des von dem Amtsgericht angenommenen und von dem Antragsgegner gebilligten bereinigten monatlichen Nettoeinkommens von 2.413,00 € ist der Antragsteller in die Einkommensgruppe 4 der Düsseldorfer Unterhaltstabelle einzustufen. Deshalb hat es bei der vergleichsweise festgelegten Unterhaltsverpflichtung des Antragstellers zu verbleiben.

(2) Die von dem Antragsteller auch im zweiten Rechtszug geltend gemachten weiteren unterhaltsmindernden Umstände stehen dem Erfolg der Beschwerde des Antragsgegners nicht entgegen:

(2.1) Das gilt zunächst, soweit er meint, sein von dem Amtsgericht in der Höhe von 2.413,00 € ermitteltes Einkommen sei um weitere Beträge zu bereinigen:

(2.1.1) Der Senat teilt im Gleichlauf mit dem Amtsgericht nicht seine Auffassung, anlässlich der Trennung und Scheidung entstandene Anwaltskosten und Gerichtskosten in der nunmehr auf monatlich 75,00 € beschränkten Höhe müssten berücksichtigt werden. Zwar wird die Abzugsfähigkeit von im Zusammenhang mit einem Scheidungsverfahren entstandenen notwendigen Verfahrenskosten in angemessenen Raten und dementsprechend auch von Verfahrenskostenhilferaten diskutiert; hierzu gehören indessen nur Kosten des Scheidungsverfahrens selbst einschließlich der amtswegigen Folgesache Versorgungsausgleich (vgl.: OLG Hamm, Urteil vom 05.10.1995 - 1 UF 403/94 - zitiert nach juris Rn. 2; Büttner/Niepmann/Schwamb, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 11. Auflage, Rn. 1057 f.; nur den Selbstbehalt treffend: OLG Karlsruhe, Urteil vom 18.07.1997 - 2 UF 227/96 - zitiert nach Juris Rn. 27). Die Kosten, die der Antragsteller anmeldet, sind indessen in dem Verfahren 12 F 423/05 des Amtsgerichts Waldbröl = 14 UF 141/07 des Oberlandesgerichts Köln entstanden, in dem es nach Maßgabe des vorgelegten Vergleichsbeschlusses (Anl. AS 1 = Bl. 5 GA) in erster Linie um die Regelung des Ehegatten- und Kindesunterhalts und im Übrigen um die Beteiligung der Ehegatten an Hausfinanzierungs- und -fertigstellungskosten ging. Die Kosten eines Verfahrens über Ehegattenunterhalt, gleich ob als Folgesache oder isoliertes Verfahren, sind in der Regel nicht abzugsfähig, da sonst der Unterhaltsberechtigte über den Unterhalt das von ihm betriebene oder gegen ihn gerichtete Verfahren mitfinanzieren müsste. Beim Kindesunterhalt scheidet die Abzugsfähigkeit von Verfahrenskostenhilferaten schlechterdings aus, weil die Raten in der Höhe von dem an das Kind zu zahlenden Unterhalt abhängig sind.

(2.1.2) Das gilt ferner, soweit der Antragsteller Pfändungsbeträge zwischen 150,00 € und 180,00 € wegen eines Ursprungskredits aus dem Jahr 2001 bei der D-Bank geltend macht. Nach wie vor fehlt es an nachvollziehbaren Darlegungen des Antragstellers, in welcher Höhe der Kredit ursprünglich aufgenommen und im Jahr 2003 aufgestockt wurde und ob die Aufnahme/Aufstockung ehebedingt war.

(2.1.3) Zwar beruft sich der Antragsteller nicht mehr auf eine Pauschale von 5 % wegen berufsbedingter Fahrtkosten, die ohne konkrete Darlegungen nach Ziffer 10.2.1 der Kölner Unterhaltsleitlinien (Stand: 01.01.2011 wie 01.01.2013) in der Regel keine Berücksichtigung finden kann. Aber auch sein weiteres Vorbringen, er verfüge über einen Pkw, dessen monatliche Kosten sich einschließlich Benzingeld, Steuern und Versicherung auf 100,00 € monatlich beliefen, und diesen benötige er, um seiner Pflicht zur Rufbereitschaft bei den X Stadtwerken alle vier Wochen gerecht werden zu können, rechtfertigt insoweit keine negativen Ansatz, da der Entscheidung zugrunde zu legen ist, dass er über diesen Pkw in erster Linie privat verfügt und deswegen nur beruflich veranlasste Fahrtkosten geltend machen kann. Es fehlt indessen an einem verifizierbaren Vortrag dazu, an wie vielen Tagen je Woche, Monat oder Jahr er auf das Fahrzeug zur Wahrnehmung der Rufbereitschaft angewiesen war und welche Entfernung zwischen Wohnort und Arbeitsstelle besteht.

(2.2.) Der Senat vermag sich auch nicht den Vorstellungen des Antragstellers anzuschließen, die von dem Antragsgegner dessen Einkommen betreffend geltend gemachten Abzugspositionen seien nicht zu berücksichtigen:

(2.2.1) Das gilt zunächst, soweit er nach wie vor die Auffassung vertritt, der Antragsgegner könne seine Ausbildungsstätten ohne weiteres mit öffentlichen Verkehrsmitteln aufsuchen. Insoweit ist der Entscheidung das Vorbringen des Antragsgegners im Schriftsatz vom 21.09.2011, das der Antragsteller als solches auch nicht bestreitet, als unstreitig zugrunde zu legen. Sein Vorbringen wird im Übrigen durch die im Internet abrufbare Fahrplanauskunft des VRS bestätigt. Daraus ergibt sich, dass der Antragsgegner seinen Wohnsitz morgens gegen 5.00 Uhr verlassen müsste, um pünktlich um 8.00 Uhr in der Berufsschule in G zu sein; auf dieser Fahrt müsste er zweimal umsteigen, was die Gefahr von Verspätungen mit sich brächte. Auch für die Strecke von Y nach I benötigt er mit öffentlichen Verkehrsmitteln mindestens eine Stunde und riskiert damit in der praktischen Ausbildung ebenfalls unpünktliches Erscheinen. Auf dieser Grundlage erscheint auch dem Senat der Einsatz eines Pkw für die Fahrten zur Berufsschule und zur Praktikumsstelle und zurück notwendig. Dass der jüngere Bruder des Antragsgegners die Schule in U, wo dieser ein Berufsgrundschuljahr absolviert, mit öffentlichen Verkehrsmitteln aufsucht, rechtfertigt eine andere Sicht bezogen auf die Anerkennungsfähigkeit der Fahrtkosten des Antragsgegners nicht.

(2.2.2) Bei dem Abzug von 90,00 € handelt es sich nicht um eine berufsbedingte Pauschale, sondern um eine Pauschale für ausbildungsbedingten Mehrbedarf (siehe auch Anm. 8. zur Düsseldorfer Tabelle und Ziffer 10.2.3 der Kölner Unterhaltsleitlinien). Dieser findet seine Rechtfertigung neben sonstigen berufsbedingten Aufwendungen in einem Arbeitsanreiz (vgl.: Büttner/Niepmann/Schwamb, a. a. O., Rn. 560) und in der Notwendigkeit der Anschaffung von Büchern, sonstigen Lernmitteln und Einrichtungsgegenständen, die bei einem Arbeitnehmer normaler Weise nicht anfallen bzw. durch steuerliche Absetzung einen gewissen Ausgleich finden. Eine Verrechnung mit Fahrtkosten findet daher nicht statt. Das gegenteilige Vorbringen des Antragstellers ist im Übrigen auch deswegen unerheblich, weil der Antragsteller auch ohne Berücksichtigung des von dem Amtsgericht vorgenommenen weiteren Abzugs von monatlich 90,00 € wegen ausbildungsbedingten Mehrbedarfs in die Einkommensgruppe 4 der Düsseldorfer Unterhaltstabelle einzustufen ist (siehe oben Ziffer 1 letzter Absatz).

(2.2.3) Soweit der Antragsteller schließlich eine von dem Amtsgericht zuerkannte Führerscheinerwerbsrate von monatlich 107,00 € nicht akzeptieren möchte, sei er darauf hingewiesen, dass es auf die Abzugsfähigkeit auch dieser Position nach Maßgabe der Ausführungen zu Ziffer 1 dieses Beschlusses (3. Absatz) nicht ankommt, da die zu berücksichtigenden Fahrtkosten das positive Einkommen des Antragsgegners auch ohne Berücksichtigung einer Führerscheinerwerbsrate übersteigen.

Aus dem Vorstehendem erhellt, dass auch der Antrag des Antragstellers vom 09.01.2013, ihm für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, unbegründet sein dürfte, weil seine weitere Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg i. S. v. § 113 Abs. 1 FamFG i. V. m. § 114 ZPO verspricht.

Abschließend wird der Antragsteller auf die Möglichkeit der Zurücknahme seines Abänderungsantrages vom 27.04.2012 (soweit dieser im Anschluss an dessen teilweise Zurückweisung durch das Amtsgericht noch anhängig ist) zum Zweck der Ersparnis eines Teils der bereits angefallenen Gerichtskosten und zwecks Vermeidung der eventuellen Entstehung weiterer außergerichtlicher Kosten hingewiesen.

Innerhalb der Frist bis zum 22.02.2013 besteht für beide Beteiligten auch Gelegenheit zur Stellungnahme zum Gegenstandswert der Beschwerde, den der Senat bei Addition von [2 x (378,00 € - 346,00 €)] + [5 x (378,00 € - 330,00 €)] + [5 x (378,00 € - 223,00 €)] in der Summe von 1.079,00 € sieht.

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