OLG Hamm, Beschluss vom 01.02.2011 - 1 Vollz (Ws) 807/10
Fundstelle
openJur 2013, 19969
  • Rkr:
Tenor

Die Rechtsbeschwerde wird zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.

Der angefochtene Beschluss wird dahingehend abgeändert, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung insgesamt als unbegründet zurückgewiesen wird.

Der Betroffene trägt - unter Abänderung der Kostenentscheidung und Beibehaltung des festgesetzten Gegenstandswertes im angefochtenen Beschluss - die Kosten erster Instanz und die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.

Der durch Urteil vom 01.03.2002 (30 VRs 405/03 StA Düsseldorf) u.a. wegen schwerer räuberischer Erpressung verurteilte Betroffene befindet sich aufgrund dieses Urteils nach Verbüßung der verhängten Freiheitsstrafe von neun Jahren seit dem 16.06.2009 in Sicherungsverwahrung in der Justizvollzugsanstalt Aachen. Mit Schreiben vom 10.02.2010 und 16.02.2010 beantragte er, ihm die Genehmigung zum Kauf und Besitz verschiedener, jeweils nur allgemein beschriebener Gegenstände zu erteilen, die er überwiegend zur Ausstattung seines Haftraums verwenden wollte. U.a. handelt es sich hierbei um zwei Stehlampen, einen Toaster und eine Matratze mit Rost bzw. Schichtholzrahmen. Wegen der nur allgemeinen Beschreibung forderte ihn die Vollzugsanstalt auf, die Bezugsquelle, das Fabrikat und den Typ des jeweiligen Gegenstandes zu benennen. Mit der Begründung, dass es einzelne Artikel bzw. Angebote nach Abschluss des Bewilligungsverfahrens in mutmaßlich fünf bis sechs Monaten evtl. gar nicht mehr gebe, beließ es der Betroffene unter teilweiser Angabe ungefährer Maße jedoch weitestgehend bei einer allgemeinen Umschreibung der Gegenstände und verwies unter Angabe von Seitenzahlen darauf, dass sich seine Angaben auf den aktuellen X-Katalog beziehen würden.

Am 28.04.2010 hat die Vollzugsanstalt die Anträge des Betroffenen teilweise endgültig beschieden. So könne eine eigene Kaltschaum- bzw. Latexmatratze mit Lattenrost aus Gründen der Sicherheit und Ordnung, die näher dargelegt worden sind, generell nicht zugelassen werden. Bzgl. der Stehlampen, des Toasters und weiterer Gegenstände erließ sie keine endgültige Entscheidung, weil hierzu konkretisierende Angaben des Betroffenen erfordlich seien. Kauf und Besitz der beantragten Gegenstände seien damit weder genehmigt noch abgelehnt.

Auf den hiergegen gerichteten Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung vom 12.05.2010 hat die Strafvollstreckungskammer den Bescheid der Antragsgegnerin vom 28.04.2010 insoweit aufgehoben, als darin

a) abgelehnt wurde, dem Antragsteller den Kauf und Besitz einer Kaltschaum- bzw. Latexmatratze nebst Lattenrost zu genehmigen,

b) hinsichtlich der vom Antragsteller begehrten Stehlampen und einem Toaster lediglich ein Zwischenbescheid erlassen wurde

und diese verpflichtet, den Betroffenen unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer neu zu bescheiden. Hinsichtlich der Stehlampen und des Toasters habe der Antragsteller alle erforderlichen Angaben gemacht, um der Antragsgegnerin eine Entscheidung zu ermöglichen. Hinsichtlich des Besitzes einer eigenen Matratze sei die Annahme, dies gefährde die Sicherheit und Ordnung der Anstalt fehlerhaft. Die Ablehnung des Antrags auf Bezug eines eigenen Lattenrostes sei erstmals im gerichtlichen Verfahren begründet worden und allein deshalb aufzuheben. Im Übrigen ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung verworfen worden.

Gegen diesen, der Leiterin der Justizvollzugsanstalt am 19.11.2010 zugestellten Beschluss richtet sich deren Rechtsbeschwerde vom 16.12.2010, eingegangen beim Landgericht am gleichen Tag, mit der sie im Wesentlichen geltend macht, das Landgericht habe fehlerhaft einen Ermessensfehlgebrauch angenommen, wozu sie näher ausführt. Außerdem hat sie einen Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung des Bescheidungsbeschlusses gemäß § 116 Abs. 3 Satz 2 StVollzG gestellt.

Das Justizministerium ist der Beschwerde beigetreten.

II.

Der Senat hat die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen, weil der angefochtene Beschluss eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat.

Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet, wobei der Senat zugleich über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung in der Sache selbst entscheiden konnte, weil die Sache spruchreif ist (§ 119 Abs. 4 StVollzG). Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Aussetzung der Vollstreckung des Bescheidungsbeschlusses gemäß § 116 Abs. 3 Satz 2 StVollzG ist mit der abschließenden Entscheidung in der Hauptsache gegenstandslos.

Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 StVollzG darf der Gefangene seinen Haftraum in angemessenem Umfang mit eigenen Sachen ausstatten. Allerdings können nach § 19 Abs. 2 StVollzG Vorkehrungen und Gegenstände, die die Übersichtlichkeit des Haftraumes behindern oder in anderer Weise die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährden, ausgeschlossen werden. Der "angemessene Umfang", die "Übersichtlichkeit des Haftraumes", die "Sicherheit der Anstalt" und die "Ordnung der Anstalt" sind sämtlich unbestimmte Rechtsbegriffe, die gerichtlich voll überprüfbar sind, und die nicht nur die Vollzugsbehörde, sondern auch die Strafvollstreckungskammer bei der konkretisierenden Anwendung in tatsächlicher Hinsicht hinreichend vollständig ausfüllen müssen (so schon OLG Hamm NStZ 1990, 151 m.w.N.).

Allerdings liegen die in § 19 StVollzG für den Ausschluss von Gegenständen aus dem Haftraum genannten unbestimmten Rechtsbegriffe nicht schon bei jeder nur denkbaren Beeinträchtigung der Sicherheitsinteressen oder des Ordnungsgefüges der Anstalt vor. Vielmehr müssen bestehende tatsächliche Anhaltspunkte dafür feststellbar sein, dass eine konkrete Gefährdung von einigem Gewicht vorliegt (OLG Hamm, NStZ 1990, a.a.O.; OLG Nürnberg, ZfStrVollz 1982, 314). Hierüber hat die Anstalt eine Ermessensentscheidung zu treffen (Schwind/Böhm, StVollzG, 3. Aufl., § 19 Rdnr. 7). Sie kann im gerichtlichen Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz nur auf Rechtsfehler wie Ermessensüberschreitung oder Ermessensfehlgebrauch überprüft werden; dagegen ist es dem Gericht versagt, sein eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens der Behörde zu setzen (§ 115 Abs. 5 StVollzG; Schwind/Böhm, a.a.O., § 115 Rdnr. 19).

Dass sich der Beschwerdegegner in der Sicherungsverwahrung befindet, rechtfertigt keine von den dargelegten Grundsätzen abweichende Beurteilung. Der Gesetzgeber hat in § 131 Satz 2 StVollzG bestimmt, dass den persönlichen Bedürfnissen der Sicherungsverwahrten "nach Möglichkeit" Rechnung zu tragen ist. Einen Rechtsanspruch auf eine besondere Ausstattung des Haftraumes gibt die Vorschrift dem Verwahrten nicht (vgl. Arloth/Lückemann, StVollzG § 131 Rdn. 4). Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 5. Februar 2004 (vgl. BVerfGE 109, 133, 166, 167) ausgeführt, im Vollzug der Sicherungsverwahrung müssten die Möglichkeiten der Besserstellung der Untergebrachten so weit ausgeschöpft werden, wie sich dies mit den Belangen der Anstalt vertrage. Um dem Sicherungsverwahrten die lange Dauer der Freiheitsentziehung erträglicher zu machen, seien ihm im Rahmen des Möglichen gegenüber dem regulären Strafvollzug größere Freiheiten zu gewähren. Zwischen dem allgemeinen Strafvollzug und dem Vollzug der Sicherungsverwahrung müsse der Abstand gewahrt bleiben.

Aus diesem in den §§ 131 bis 134 StVollzG vorgezeichneten privilegierten Vollzug folgt indes nicht, dass in Bezug auf den erforderlichen Sicherheitsstandard innerhalb einer Justizvollzugsanstalt, je nachdem, ob Strafgefangene oder Sicherungsverwahrte betroffen sind, unterschiedliche Maßstäbe anzuwenden wären. Für die Sicherungsverwahrung gelten nach § 130 StVollzG grundsätzlich die Vorschriften über den Vollzug der Freiheitsstrafe, darunter § 19 StVollzG, entsprechend. Da Strafe wie Sicherung nur mit dem Mittel der Freiheitsentziehung durchgeführt werden können, sind sachliche Gründe vorhanden, die eine teilweise Übereinstimmung des Vollzuges der Sicherungsverwahrung mit dem der Strafe rechtfertigen (vgl. BVerfG a.a.O.). Gemessen an diesen Grundsätzen ist es nicht zu beanstanden, dass die Vollzugsanstalt die Gefährdungslage, die durch die Aushändigung der beantragten Gegenstände an einen Anstaltsinsassen für die Sicherheit entstünde, bei einem Sicherungsverwahrten nicht anders einschätzt als bei einem Strafgefangenen.

Vor dem geschilderten Hintergrund ist die Strafvollstreckungskammer zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Betroffene bzgl. der beiden Stehlampen und des Toasters schon alle zur abschließenden Entschließung der Beschwerdeführerin erforderlichen Angaben gemacht hat und diese deshalb einen endgültigen Bescheid erlassen konnte. Die Beschwerdeführerin hat schon in ihrem angegriffenen Bescheid vom 28.04.2010 in nicht zu beanstandender Weise darauf hingewiesen, dass es hierzu weiterer konkreter Informationen wie Benennung der Bezugsquelle, des Fabrikats und des Typs des jeweiligen Gegenstandes durch den Betroffenen bedurft hätte und sie ohne solche Angaben nicht beurteilen kann, ob das Gerät den Sicherheitsanforderungen einer großen Haftanstalt mit höchster Sicherheitsstufe, wie sie die Justizvollzugsanstalt Aachen darstellt, genügt. Dass der Betroffene zuvor zur Konkretisierung auf Produktpaletten eines aktuellen Versandhauskatalogs verwiesen hat bzw. die Leuchten nach ihrer voraussichtlichen Höhe und der Anzahl der Leuchtkörper sowie den Toaster als "handelsüblich" beschrieben hat, ändert hieran nichts. Abgesehen davon, dass er sich auch damit bis heute nicht auf seine konkrete Bezugsquelle festgelegt hat, hat die Beschwerdeführerin zu Recht darauf abgestellt, dass die Umsetzung der Rechtsauffassung der Strafvollstreckungskammer eine unüberschaubare Menge vergleichbarer Verfahren nach sich ziehen und zu einem unnötigen und unzumutbaren zeitlichen und personellen Mehraufwand führen würde. Es obliegt allein dem Inhaftierten durch konkrete Benennung eines Produkts mit der entsprechenden Bezugsquelle der Haftanstalt eine individuelle Prüfung der Verträglichkeit mit den Sicherheitsstandards des Hauses zu ermöglichen (so im Ergebnis auch Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 07.09.2009 (3 Vollz (Ws) 48/09), zitiert bei juris). Wieso das dem Betroffenen hier nicht möglich sein oder ihn überfordern sollte, erschließt sich dem Senat nicht. Die Begründung des Betroffenen, ein von ihm gewünschter Artikel sei bis zum Zeitpunkt der Bewilligung eventuell nicht mehr erhältlich, überzeugt ebenso wenig und geht selbst bei der von ihm unterstellten Verfahrensdauer von bis zu drei Monaten bis zur Bewilligung an der Realität vorbei.

Entgegen der Auffassung der Strafvollstreckungskammer ist auch die - endgültige - Ablehnung des Antrags auf Ausstattung des Haftraums mit einer eigenen Kaltschaum- bzw. Latexmatratze mit Lattenrost zu Recht erfolgt. Denn die Antragsgegnerin hat bei ihrer Entscheidung die erforderliche Gesamtabwägung nach den oben genannten Anforderungen vorgenommen und im Ergebnis zutreffend entschieden. Es überzeugt nicht, wenn die Strafvollstreckungskammer meint, die Beschwerdeführerin habe ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt, weil von der vom Betroffenen beantragten Matratzenart als geschlossenes System keine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung ausgehe. Ganz abgesehen davon, dass der Betroffene sich auch hier nicht auf ein bestimmtes Modell festgelegt hat, dürfte das Gegenteil der Fall sein. Gerade handelsübliche Matratzen bieten ganz besonders gute Möglichkeiten, unerlaubte Gegenstände zu verstecken. Dies belegen schon die vom Betroffenen selbst vorgelegten Fotos von entsprechenden Matratzen (Bl. 48 d.A.). Diese sind auf ihrer Außenhaut mit Löchern bzw. tiefen Rillen versehen, die sich als Versteck für kleinere Gegenstände wie Rauschmittel oder Bargeld eignen. Die Haftanstalt hat in ihrer Entscheidung zutreffend auch darauf abgestellt, dass handelsübliche Latex- und Kaltschaummatratzen zur Verbesserung des Schlafkomforts Hohlräume aufweisen, die als Verstecke missbraucht werden können, wohingegen die von der Anstalt gestellten Matratzen einen durchgehend geschäumten Schaumstoffkern enthalten, der wesentlich schwerer zweckentfremdet werden kann. Dass die Haftanstalt daneben bedacht hat, dass durch die Verwendung eines einheitlichen Matratzentyps die regelmäßigen Haftraumkontrollen erheblich erleichtert und zeitlich verkürzt werden, ist ebenso wenig zu bemängeln. Zusammenfassend hat die Beschwerdeführerin den Kauf und Besitz einer eigenen Matratze unter Hinweis auf die erheblichen Manipulationsmöglichkeiten zu Recht generell und endgültig abgelehnt.

Die damit in Zusammenhang stehende Ablehnung des Antrags auf Bezug eines Lattenrostes begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Dass die Beschwerdeführerin hier Gründe nachgeschoben hat, begegnet ausnahmsweise keinen Bedenken. Denn im Genehmigungsverfahren konnte sie angesichts der vom Betroffenen bei seiner Antragstellung verwandten Formulierung "Matratze mit Rost bzw. Schichtholzrahmen" davon ausgehen, dass dieser sich beides nur im Verbund anschaffen wollte. Von daher bestand nach Ablehnung des Antrags auf Anschaffung einer Matratze für sie keine Veranlassung mehr, näher auf die Zulässigkeit der Anschaffung eines Lattenrostes einzugehen. Erst im gerichtlichen Verfahren ist deutlich geworden, dass der Betroffene wohl beides unabhängig voneinander bewilligt haben wollte. Die jetzt zur Begründung der Ablehnung herangezogenen Sicherheitsbedenken begegnen keinen Bedenken. So verweist die Beschwerdeführerin zu Recht darauf, dass Teile eines Lattenrostes als Ausbruchswerkzeug und Waffe missbraucht werden könnten und die üblicherweise verwandten beweglichen Kunststoffhalterungen weitere Versteckmöglichkeiten bieten. Die Sache ist deshalb auch insoweit entscheidungsreif und der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung insgesamt abweisungsreif.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 121 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 StVollzG i.V.m. § 473 Abs. 1 StPO. Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 52, 60 GKG.