LAG Niedersachsen, Urteil vom 08.02.2013 - 12 Sa 904/12
Fundstelle
openJur 2013, 17303
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts A-Stadt vom 20.06.2012 - 4 Ca 89/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Im Rahmen eines von der Klägerin geltend gemachten Auskunftsanspruchs streiten die Parteien über die Wirksamkeit einer Mandantenübernahmeklausel.

Der Beklagte war auf Basis des Anstellungsvertrages vom 22.03.2004 in der Zeit vom 15.04.2004 bis 30.06.2011 als Rechtsanwalt bei der Klägerin, einer Rechtsanwaltsgesellschaft mit Niederlassung in A-Stadt, beschäftigt.

Anlässlich einer am 06.11.2007 geschlossenen Tantiemevereinbarung unterzeichneten die Parteien darüber hinaus folgende Ergänzung ihres Anstellungsvertrages:

„Der Mitarbeiter ist verpflichtet, 20 % der Nettohonorare, die er innerhalb von zwei Jahren nach Beendigung des Anstellungsvertrages mit Mandanten, die während des laufenden Anstellungsvertrages von der Gesellschaft betreut wurden, verdient, an die Gesellschaft abzuführen. Die erzielten Honorare sind der Gesellschaft pro Quartal durch Vorlage von Kopien der an die Mandanten übersandten Rechnungen nachzuweisen. Von der vorstehenden Klausel erfasst werden nur diejenigen Mandanten, welche vom Standort A-Stadt oder dem Mitarbeiter ganz oder teilweise betreut wurden.“ (Bl. 8 f. d. A.)

Unmittelbar nach Beendigung seiner Tätigkeit bei der Klägerin nahm der Beklagte als angestellter Rechtsanwalt eine Tätigkeit für die P. AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft auf. Diese neue Arbeitgeberin des Beklagten und die Klägerin sind in derselben Immobilie in der A-Straße in A-Stadt ansässig.

Mit Schreiben vom 27.12.2011 forderte die Klägerin den Beklagten auf, seiner in der Mandantenübernahmeklausel vom 06.11.2007 vereinbarten Auskunftspflicht Rechnung zu tragen (Bl. 12 f. d. A.). Mit weiteren Schreiben vom 19.01. und 08.02.2012 gab die Klägerin diesem Verlangen Nachdruck und setzte eine letzte Frist zum 13.02.2012. Da der Beklagte die geforderten Auskünfte nicht erteilte, reichte die Klägerin mit am 29.02.2012 beim Arbeitsgericht A.-Stadt eingegangenen Schriftsatz Stufenklage auf Auskunft und Zahlung ein.

Diese Klage stützt die Klägerin auf die Mandantenübernahmeklausel in Ziffer 6 der am 06.11.2007 geschlossenen Tantiemevereinbarung. Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte für seine neue Arbeitgeberin - zumindest teilweise - dieselben Kunden rechtlich berate, welche er zuvor von Seiten der Klägerin aus betreut habe. Er sei daher verpflichtet, 20 % der Nettohonorare an die Klägerin abzuführen und der Klägerin die erzielten Honorare quartalsweise durch Vorlage von Kopien der an die Mandanten übersandten Rechnungen nachweisen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen,

a) der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, welche Honorare er selbst oder im Rahmen seiner Tätigkeit für die P. Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft oder die P. L. Aktiengesellschaft, beide A-Straße, A-Stadt, in der Zeit vom 01. Juli 2011 bis zum 31. Dezember 2011 mit Mandanten, die während seines Anstellungsvertrages bei der Klägerin von der Klägerin betreut wurden, verdient hat sowie die Honorarabrechnungen hierüber vorzulegen,

b) erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben an Eides Statt zu versichern,

c) an die Klägerin eine Entschädigung in einer nach Erteilung der Auskunft noch zu bestimmenden Höhe nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat dazu die Auffassung vertreten, dass ein Auskunftsanspruch der Klägerin nicht bestehe, weil die vereinbarte Mandantenübernahmeklausel unwirksam sei. Die Klausel sei von der Klägerin als allgemeine Geschäftsbedingung vorformuliert worden. Sie sei unklar, weil sich ihr nicht entnehmen lasse, ob nur Umsätze aus selbständiger Tätigkeit oder auch Arbeitsentgelt erfasst sein solle. Die Klausel behindere den Beklagten unbillig in seinem beruflichen Fortkommen. Den Auskunftsanspruch dürfe er schon mit Rücksicht auf seine berufliche Verschwiegenheitsverpflichtung als Rechtsanwalt nicht erfüllen.

Mit Urteil vom 20.06.2012 hat das Arbeitsgericht A-Stadt die Klage insgesamt abgewiesen. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts ist darauf gestützt, dass die Erteilung der begehrten Auskunft einen nicht gerechtfertigten Verstoß gegen die anwaltliche Pflicht zur Verschwiegenheit gemäß § 43a Abs. 2 BRAO darstellen würde. Diese Entscheidung ist am 29.06.2012 an die Klägerin zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete Berufungsschrift ist am 25.07.2012 und die dazugehörige Berufungsbegründung am 17.09.2012 und damit am letzten Tag der verlängerten Berufungsbegründungsfrist beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

Zur Begründung der Berufung macht die Klägerin geltend, dass die am 06.11.2007 mit dem Beklagten vereinbarte Mandantenübernahmeklausel transparent und angemessen sei und nichts Unzulässiges verlange. Die Durchsetzung des Auskunftsanspruchs kollidiere nicht mit der anwaltlichen Verschwiegenheitsverpflichtung des Beklagten aus § 43a Abs. 3 BRAO. § 49b Abs. 4 BRAO erlaube die Auskunftserteilung von Rechtsanwalt zu Rechtsanwalt. Den Vertrauensschutzinteressen der Mandanten der neuen Arbeitgeberin des Beklagten werde dadurch Rechnung getragen, dass alle beteiligten Rechtsanwälte den gleichen strengen Verschwiegenheitspflichten unterlägen. Schließlich sei die vom Beklagten vertretene Position widersprüchlich, wenn er einerseits Mandantenübernahmeklauseln grundsätzlich für zusätzlich halte und andererseits eine Verschwiegenheitspflicht annehme, die faktisch die Durchsetzung jedweder Mandantenübernahmeklausel unmöglich mache.

In der mündlichen Verhandlung am 08.02.2013 hat die Klägerin ferner vorgetragen, dass die mit dem Kläger am 06.11.2007 vereinbarte Klausel in ähnlicher Form auch mit anderen angestellten Anwälten abgeschlossen worden sei. Die verwendeten Formulierungen seien jedoch nicht immer identisch.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts A-Stadt vom 20.06.2012 - 4 Ca 89/12 - abzuändern und den Beklagten zu verurteilen,

a) der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, welche Honorare er selbst oder im Rahmen seiner Tätigkeit für die P. Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft oder die P. L. Aktiengesellschaft, beide A-Straße, A-Stadt, in der Zeit vom 01. Juli 2011 bis zum 31. Dezember 2011 mit Mandanten, die während seines Anstellungsvertrages bei der Klägerin von der Klägerin betreut wurden, verdient hat sowie die Honorarabrechnungen hierüber vorzulegen,

b) erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben an Eides Statt zu versichern,

c) an die Klägerin eine Entschädigung in einer nach Erteilung der Auskunft noch zu bestimmenden Höhe nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte macht geltend, dass ihm die Klausel in Ziffer 6 der Tantiemevereinbarung vom 06.11.2007 von der Klägerin gestellt worden sei, ohne dass er in relevanter Weise Einfluss auf ihren Inhalt hätte nehmen können. Die Klausel scheitere am Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, da sie mit dem Begriff der „Nettohonorare“ auf die Tätigkeit eines selbständigen Anwalts zugeschnitten sei und nicht erkennen lasse, wie sie in Bezug auf angestellte Anwälte umgesetzt werden soll. Die Klausel benachteilige den Beklagten unangemessen und begrenze in unzulässiger Weise seine Berufsausübungsfreiheit. Schließlich habe das Arbeitsgericht zu Recht erkannt, dass der geltend gemachte Auskunftsanspruch gegen die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht aus § 43a Abs. 2 BRAO verstoße. Die Erteilung der streitbefangenen Auskünfte lasse sich auch nicht aus § 49b Abs. 4 BRAO rechtfertigen, da die dortige Ausnahmevorschrift lediglich die Übertragung von Vergütungsforderungen zwischen Anwälten im Rahmen von Kanzleiübernahmen oder für den Forderungseinzug durch Abrechnungsstellen regele.

Ergänzend wird auf zwischen den Parteien in der zweiten Instanz gewechselten Schriftsätze sowie die Sitzungsniederschrift vom 08.02.2013 verwiesen.

Gründe

Die statthafte und form- sowie fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig aber unbegründet.

I.

Die von den Parteien am 06.11.2007 unterzeichnete Mandantenübernahmeklausel ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam und der in ihr enthaltene Auskunftsanspruch kann wegen Verstoßes gegen zwingendes Gesetzesrecht (§ 43a Abs. 2 BRAO) nicht umgesetzt werden.

1. Die im Zusammenhang mit der Tantiemevereinbarung vom 06.11.2007 zwischen den Parteien unter Ziffer 6 unterzeichnete Mandantenübernahmeklausel ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, da sie den Kläger entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.

a) Es handelt sich bei der Mandantenübernahmeklausel in Ziffer 6 der Vereinbarung vom 06.11.2007 um eine allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB. Danach sind allgemeine Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schrift sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind. Zusätzlich bestimmt § 310 Abs. 3 Ziffer 1 BGB, dass allgemeine Geschäftsbedingungen als vom Unternehmer gestellt gelten, es sei denn, dass sie durch den Verbraucher in den Vertrag eingeführt werden.

Da es sich bei dem Beklagten als angestellten Rechtsanwalt zumindest im Verhältnis zur Klägerin seiner damaligen Arbeitgeberin um einen „Verbraucher“ im Sinne von § 13 BGB handelt, gilt die in Ziffer 6 vereinbarte Klausel als von der Klägerin „gestellt“. Die Klägerin hat nicht eingewandt, dass es der Beklagte gewesen sein soll, der diese - nicht in seinem Interesse liegende - Klausel in den Vertrag eingeführt haben soll. Der Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB ist damit eröffnet.

b) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind auch grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Es bedarf einer umfassenden Würdigung der beiden Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Dabei ist auch die Stellung der Klausel im Gesamtvertrag zu berücksichtigen, ebenso wie kompensierende oder summierende Effekte. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt (BAG 23.09.2010, 8 AZR 897/08, NZA 89 f., Rn. 27).

Im vorliegenden Fall ergibt sich die Unangemessenheit der vereinbarten Mandantenübernahmeklausel aus zwei Aspekten: Einerseits aus dem Umstand, dass der Beklagte stets 20 % der mit den vormaligen Mandanten der Klägerin erwirtschafteten Nettohonorare abführen soll, ganz gleich, in welchem Verhältnis die Höhe dieser Nettohonorare zu dem vom Beklagten jetzt bezogenen Angestelltenentgelt stehen. Andererseits benachteiligt die Klausel den Beklagten deshalb unangemessen, weil er dem Direktionsrecht seiner neuen Arbeitgeberin unterworfen ist und es somit nicht in der Hand hat, der Verletzung der Mandantenschutzklausel auszuweichen.

aa) Zwar hat sich das Bundesarbeitsgericht am Rande einer Entscheidung vom 07.08.2002 (10 AZR 586/01, AP Nr. 4 zu § 75 d HGB, Rn. 17) auf den Standpunkt gestellt, dass Mandantenübernahmeklauseln auch ohne Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung einer Karenzentschädigung grundsätzlich zulässig und verbindlich sind, soweit sie dem Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Arbeitgebers dienen und das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers nicht unbillig erschweren. Dabei hatte das Bundesarbeitsgericht eine Mandantenübernahmeklausel zu beurteilen, nach der im Falle des Ausscheidens für fünf Jahre 20 % des Nettoumsatzes der entsprechenden Mandanten an den ehemaligen Arbeitgeber abzuliefern waren. Das Bundesarbeitsgericht hat die Klausel für unwirksam erklärt, da eine Bindung über einen längeren Zeitraum als zwei Jahre unverhältnismäßig sei. Mit der Größenordnung des abzuführenden Jahresumsatzes von 20 % hat sich das Bundesarbeitsgericht nicht näher auseinandergesetzt. Entscheidend ist jedoch, dass in der vom Bundesarbeitsgericht beurteilten Konstellation die vormalige Arbeitnehmerin als Steuerassistentin nach bestandener Prüfung zur Steuerberaterin eine selbständige Tätigkeit ausgeübt hat. Dies bedeutet, dass ihr die nicht abzuführenden 80 % des Jahresumsatzes mit den jeweiligen Mandanten stets verbleiben. Dadurch ist die Angemessenheit der Klausel sichergestellt. Selbst wenn sich die vormalige Angestellte dafür entscheidet, in großer Anzahl Mandate zu übernehmen, welche bei ihrem vormaligen Arbeitgeber in der Beratung waren, so ist doch gewährleistet, dass der weit überwiegende Teil des selbst erwirtschafteten Umsatzes - nämlich 80 % - bei ihr verbleiben.

Dieses Korrektiv ist im Rahmen der zu beurteilenden Klausel vom 06.11.2007 im Falle der Tätigkeit des Beklagten als angestellter Anwalt nicht gegeben: Die „20 % der Nettohonorare“ der Klausel können sich dem Wortsinn nach nicht auf das aktuelle Angestelltengehalt des Beklagten bei seiner neuen Arbeitgeberin beziehen, sondern nehmen die Nettohonorare in Bezug, welche die aktuelle Arbeitgeberin von ihren Mandanten beanspruchen kann. Soweit diese Mandate nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz auf der Basis eines denkbaren hohen 6- oder gar 7-stelligen Gegenstandswertes abgerechnet werden, kann sich ohne weiteres die Konstellation ergeben, dass der 20 %ige vom Beklagten eigentlich abzuführende Anteil dieses Nettohonorars die dem Beklagten von seiner jetzigen Arbeitgeberin gewährte monatliche Festvergütung übersteigt. Das gleiche gilt für den Fall, dass die aktuelle Arbeitgeberin des Beklagten mit ihren Mandanten auf der Basis (hoher) Stundensätze abrechnet. Auch in dieser Konstellation ist nicht gewährleistet, dass der Beklagte in voller Höhe an diesen Nettoumsätzen teilhat. Eine gesicherte und angemessene Relation zwischen den mit vormaligen Mandanten der Klägerin zu erzielenden Umsätzen und dem davon an die Klägerin eigentlich abzuführenden Anteils von 20 % ist daher nicht zu gewährleisten. Die Klausel benachteiligt den Beklagten unangemessen.

Wegen der abstrakt-generellen Maßstäbe, nach denen die AGB-Kontrolle durchzuführen ist, kommt es hier nicht darauf an, ob eine solche Konstellation in der Vergangenheit bereits eingetreten ist oder konkret für die Zukunft zu besorgen. Entscheidend ist, dass der Wortlaut der Ziffer 6 der Vereinbarung vom 06.11.2007 eine Konstellation erfasst, nach der der Beklagte mehr an die Klägerin abzuführen hätte, als er in dem entsprechenden Referenzzeitraum bei seiner neuen Arbeitgeberin tatsächlich ins Verdienen bringen kann.

bb) Die unter Ziffer 6 der Vereinbarung vom 06.11.2007 enthaltene Klausel benachteiligt den Beklagten auch deshalb unangemessen, weil sie dem Beklagten nicht die tatsächliche Chance eröffnet, sich der Abführung dieser „Strafabgabe“ zu entziehen. Nur selbständig tätige Rechtsanwälte können „Nettohonorare“ vereinnahmen. Abhängig beschäftigte Rechtsanwälte erhalten ein Gehalt. Insofern spricht die Verwendung des Begriffes „Nettohonorare“ in der fraglichen Klausel dafür, dass die Verwender zunächst nur eine etwaige Konkurrenztätigkeit ihres vormaligen angestellten Anwaltes als sodann selbständiger Anwalt im Blick gehabt haben. Ein solcher selbständiger Anwalt könnte sich nach eigener Risikoabwägung entscheiden, entweder im Feld der Mandanten seines vormaligen Arbeitgebers Akquise zu betreiben und dabei die Gefahr einzugehen, die Kompensationsabgabe leisten zu müssen, oder aber er könnte sich einer solchen nachvertraglichen Wettbewerbstätigkeit bewusst enthalten, um die Zahlung der 20 %igen Abgabe sicher zu vermeiden.

Demgegenüber unterliegt der Beklagte als angestellter Anwalt dem Direktionsrecht (§ 106 GewO) seiner neuen Arbeitgeberin. Wenn die neue Arbeitgeberin die Entscheidung träfe, dem Beklagten Mandate aus dem Mandantenkreis der vormaligen Arbeitgeberin zu übertragen, so hätte der Beklagte hiergegen keine durchgreifende rechtliche Handhabe. Derweil die neue Arbeitgeberin des Beklagten zunächst die vollständigen Nettohonorare aus solchen Mandaten vereinnahmen würde, müsste der Beklagte von seinem Grundgehalt die vereinbarte „Strafabgabe“ leisten, ohne dieser entgehen zu können. Diese denkbare Konstellation benachteiligt den Beklagten unangemessen.

Eine geltungserhaltende Reduktion der Klausel kommt mit Blick auf § 306 Abs. 2 BGB nicht in Betracht. Eine gesetzliche Regelung zum Schutz des Mandantenstamms nach beendetem Arbeitsverhältnis gibt es nicht.

2. Die von der Klägerin begehrte Auskunft braucht der Beklagte ferner deshalb nicht zu erteilen, weil er durch sie gegen seine anwaltliche Pflicht zur Verschwiegenheit gemäß § 43a Abs. 2 BRAO verstoßen würde. Diese Pflicht bezieht sich auf alles, was ihm in Ausübung seines Berufes bekannt geworden ist, insbesondere die Identität des Mandanten, die Tatsache seiner Beratung, aber auch die Höhe der vereinbarten Vergütung. Die streitbefangene Klausel will den Beklagten verpflichten, „die Honorarabrechnungen“ vorzulegen. Diesen ließe sich dann nicht nur das geschuldete Honorar, sondern auch - zumindest in Stichpunkten - der Gegenstand des erteilten Mandats entnehmen.

a) Gemäß § 2 Abs. 3 BORA gilt diese Pflicht zur Verschwiegenheit nicht, soweit die Berufsordnung oder andere Rechtsvorschriften Ausnahmen zulassen oder die Durchsetzung der Abwehr von Ansprüchen aus dem Mandatsverhältnis oder die Verteidigung des Rechtsanwalts in eigener Sache die Offenbarung erfordern.

Als gesetzlich normierte Ausnahme zur Verschwiegenheitsverpflichtung will sich die Klägerin hier auf § 49b Abs. 4 BRAO berufen. Danach ist die Abtretung von Vergütungsforderungen oder die Übertragung ihrer Einziehung an Rechtsanwälte oder rechtsanwaltliche Berufsausübungsgemeinschaften sogar ohne ausdrückliche Einwilligung des Mandanten zulässig. Der neue Gläubiger oder Einziehungsermächtigte ist dann in gleicher Weise zur Verschwiegenheit verpflichtet wie der beauftragte Rechtsanwalt. Ein unmittelbarer Anwendungsfall dieser Vorschrift ist vorliegend nicht gegeben. Die Klägerin macht nicht geltend, dass ihr Vergütungsforderungen der P. AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit oder ohne Zustimmung der jeweiligen Mandanten übertragen worden seien.

b) § 49b BRAO kann weder der allgemeine Rechtssatz entnommen werden, dass zwischen Anwälten - auch verschiedener Büros - mandatsübergreifend die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht aufgehoben wäre noch besteht Anlass § 49 b Abs. 4 BRAO im Wege einer Analogie in seinem Anwendungsbereich auszudehnen. Die Vorstellung, die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht würde generell gegenüber allen Berufsgenossen nicht gelten, ist abwegig und wird soweit ersichtlich auch von der Klägerin nicht ernsthaft vertreten. Für eine Analogie zu § 49b BRAO fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke im Gesetz. Im Übrigen würden gegen das von der Klägerin geforderte Verständnis des Informationsaustausches über erteilte Anwaltsrechnungen verfassungsrechtliche Bedenken bestehen. Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 02.12.2009 (I ZB 65/09, NJW 2010, 1380 bis 1381) zwar angenommen, dass die Auskunftspflichten nach § 807 ZPO die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht zurückdrängen. Obwohl mit § 807 ZPO eine gesetzliche Ermächtigung für die Offenlegung von Daten der Schuldner vorliegt, hat der Bundesgerichtshof zusätzlich eine Abwägung der betroffenen Grundrechte der Mandanten auf informationelle Selbstbestimmung mit den Eigentums- und Vermögensinteressen der Gläubiger des Rechtsanwalts (Art. 14 GG) vorgenommen. Von einer solchen Kollision der Grundrechte kann im vorliegenden Fall nicht die Rede sein. Die Mandantinnen und Mandanten der P. AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft haben soweit ersichtlich keine mit dem beruflichen Schicksal des Beklagten verbundenen finanziellen Verpflichtungen gegenüber der Klägerin. Es gibt keinen vernünftigen Grund dafür, warum diese Mandanten Eingriffe in ihr informationelles Selbstbestimmungsrecht bezüglich des an die P. AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erteilten Mandats und die dafür abgerechneten Honorare hinnehmen sollten.

II.

Die Kosten ihrer erfolglosen Berufung hat die Klägerin gemäß § 97 ZPO zu tragen.

Die Revision ist gemäß § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG zugelassen, da bislang eine höchstrichterliche Klärung der Wirksamkeit und Reichweite von in Arbeitsverhältnissen vereinbarten Mandantenübernahmeklauseln und etwaiger Kollisionen von Auskunftsverpflichtungen des vormaligen Angestellten mit § 43a Abs. 2 BRAO nicht erfolgt ist. Vergleichbare Schutzklauseln werden jedoch im Geschäftsverkehr der Anwälte und Steuerberater untereinander in nicht unerheblichem Umfang vereinbart.