Brandenburgisches OLG, Urteil vom 11.03.2013 - 1 U 7/12
Fundstelle
openJur 2013, 17003
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 21. Dezember 2011 abgeändert und die Klage unter Aufhebung des Versäumnisurteils des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 3. August 2011 abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für den Antrag zu 1.) auf 7.500,00 € und für den Antrag zu 2.) auf 2.500,00 € (1/3 von 7.500,00 €) festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger, selbst Journalist, nimmt den Beklagten, der Lokalpolitiker ist, auf Unterlassung einer Äußerung in einer Wahlwerbeanzeige in Anspruch.

Der Kläger ist als freiberuflicher Journalist unter anderem für die M… (M…) tätig. Der Beklagte war im Jahr 2009 Fraktionschef der … im Kreistag der U…. Im September 2009 berichtete der Kläger in zwei Artikeln in der M… über die Wahl eines neuen Landrates für den Landkreis U….

In Vorbereitung dieser Berichterstattung kam es am 14. September 2009 zu einem Telefonat zwischen dem Kläger und dem Beklagten, bei dem der Beklagte seine Auffassungen über die Frage einer Direktwahl des Landrates äußerte.

Daraufhin veröffentlichte der Kläger am 17. September 2009 unter der Überschrift „Geheimer Machtpoker um Landratswahl“ einen Artikel, in dem es unter anderem heißt: „Nach internen Informationen wollen a…, b… und … die Landratswahl durch den Bürger unterlaufen und die Direktwahl wieder abschaffen. Es geht um Posten und um die Macht.“ Dazu führte er weiter aus, dass es den genannten Parteien darum ginge, eine Wiederwahl des parteilosen Amtsinhabers zu verhindern und mit ihrer Mehrheit im Kreistag einen Kandidaten der a… durchzusetzen.

In einem weiteren Artikel vom 24. September 2009 schrieb der Kläger unter der Überschrift „Politisches Erdbeben“ über von der Partei „Die x…“ gegenüber b…, a… und … erhobene Wahlbetrugsvorwürfe, weil diese Parteien in Geheimverhandlungen über eine Koalition dem Bürger das Recht auf eine Direktwahl des Landrates verwehren wollten.

Unter Bezugnahme auf diesen Artikel „Politisches Erdbeben“ vom 24. September 2009 verfasste nunmehr der Beklagte seinerseits unter dem 25. September 2009 eine Wahlkampfanzeige, die am darauffolgenden Tag, am Tage vor der Bundes- und Landtagswahl, in der Zeitschrift „B…“ veröffentlicht wurde. In der Anzeige heißt unter anderem:

„Das war ein herrlicher Aufmacher am Donnerstag in der Tageszeitung unter dem Artikel „Politisches Erdbeben“. Es ist schon erstaunlich (oder auch nicht?) wie in dem Beitrag Herr K… von der x… zitiert wird und der Wahrheitsgehalt ausschließlich auf dessen Aussagen basiert. Mein Angebot, die Dinge aus Sicht der … darzustellen, wurde leider aber scheinbar bewusst ausgeschlagen. Herr S… verschweigt, dass die … schon im Frühjahr eine der Kreistagsfraktionen war, die die Direktwahl abgelehnt hat und ankündigte, das Thema im Herbst noch einmal zu diskutieren.“

Der Kläger begehrt, den Beklagten zur Unterlassung dieser Veröffentlichung zu verurteilen. Er sieht in der Äußerung „Mein Angebot die Dinge aus Sicht der … darzustellen wurde leider aber scheinbar bewusst ausgeschlagen“ eine unwahre, seine Seriosität als Journalist in Frage stellende Tatsachenbehauptung.

Der Kläger hat vor dem Landgericht beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen,

in Bezug auf die journalistische Tätigkeit des Klägers wörtlich oder sinngemäß zu behaupten und/oder behaupten zu lassen bzw. zu verbreiten oder verbreiten zu lassen

„Mein Angebot, die Dinge aus der Sicht der … darzustellen, wurde leider aber scheinbar bewusst ausgeschlagen.“,

wenn dies geschieht wie in der Anzeige „Redakteur S… als Steigbügelhalter der x…“ im „B…“ Ausgabe S…, vom 26. September 2009, S. 7.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat den Beklagten mit Versäumnisurteil vom 3. August 2011 nach Antrag des Klägers verurteilt und das Versäumnisurteil nach rechtzeitigem Einspruch des Beklagten mit der angefochtenen Entscheidung vom 21. Dezember 2011 antragsgemäß aufrecht erhalten. Mit der Berufung verfolgt der Beklagte seinen erstinstanzlichen Antrag auf Aufhebung des Versäumnisurteils und Abweisung der Klage weiter. Er ist der Auffassung, in seinem Artikel lediglich eine Meinung wiedergegeben zu haben, die unter den Grundrechtsschutz des Art. 5 Abs. 1 GG falle. Im Übrigen sei seine Äußerung auch inhaltlich zutreffend.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 21. Dezember 2011 abzuändern und die Klage unter Aufhebung des Versäumnisurteils des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 3. August 2011 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

In der mündlichen Berufungsverhandlung hat der Kläger ferner beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, in Bezug auf die journalistische Tätigkeit des Klägers wörtlich oder sinngemäß zu behaupten und/oder behaupten zu lassen, bzw. zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen, „mein Angebot, die Dinge aus Sicht der … darzustellen wurde leider aber scheinbar bewusst ausgeschlagen“ und dadurch den Eindruck zu erwecken, dass der Kläger nicht überparteilich sei und seine journalistischen Sorgfaltspflichten dahin verletze, dass er bestimmte parteipolitische Ansichten im öffentlichen politischen Diskurs einseitig ausblende bzw. unterdrücke, wenn dies geschieht, wie in der Anzeige Redakteur S… als Steigbügelhalter der x… im B…, Ausgabe S…, vom 26.09.2009, Seite 7.

Der Beklagte beantragt auch insoweit,

die Klage abzuweisen.

Der Kläger verteidigt die Entscheidung des Landgerichts und sieht in der Äußerung des Beklagten eine wahrheitswidrige Tatsachenbehauptung, die ihn insoweit in seiner Berufsehre als Journalist verletze, als sie ihm unseriöse Recherche vorwerfe.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung ist begründet.

Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Unterlassung der beanstandeten Äußerung entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB in Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB. Bei der maßgeblichen Äußerung des Beklagten in der am 26. September 2009 veröffentlichten Wahlwerbeanzeige handelt es sich um eine Tatsachenbehauptung, die unstreitig wahr ist. Die Verbreitung wahrer Tatsachen fällt jedoch immer unter den Grundrechtsschutz des Art. 5 GG, soweit sie Dritten zur Meinungsbildung dienen können (BGH NJW 2007, 686), was hier offenkundig der Fall ist. Rechtswidrig können wahre Tatsachenbehauptungen nur dann sein, wenn die Aussage entweder die Intim- oder Privatsphäre oder eine andere besonders geschützte Sphäre betrifft oder wenn der betreffenden Person ein besonderer Schaden droht, der außer Verhältnis zur Verbreitung der Wahrheit steht; beides ist hier nicht der Fall.

1.) Das Landgericht ist in der angefochtenen Entscheidung zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei der bis zur Berufungshauptverhandlung zum Klagegegenstand gemachten (in dem ursprünglichen Klageantrag isoliert angeführten) Äußerung des Beklagten nicht um eine Meinungsäußerung, sondern um eine dem Beweis zugängliche Tatsachenbehauptung handelt. Insoweit wird auf die dazu gemachten Rechtsausführungen des Landgerichts Bezug genommen.

Maßgeblich für die Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung ist die Frage, ob der sich aus dem objektiven Inhalt der Äußerung ergebende Erklärungswert einem Beweis zugänglich ist, oder nicht. Tatsachenbehauptungen unterscheiden sich von Werturteilen dadurch, dass bei diesen die subjektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit im Vordergrund steht, während für jene die objektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Äußerung charakteristisch ist. Für die Einstufung als Tatsachenbehauptung kommt es daher wesentlich darauf an, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist, was bei Meinungsäußerungen ausscheidet, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet werden und sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen.

Die Deutung einer Äußerung zielt auf die Ermittlung des objektiven Sinns, den die Äußerung aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums bei Würdigung ihres Kontextes und der erkennbaren Begleitumstände hat. Fernliegende Deutungen sind ebenso auszuscheiden wie nicht tragfähige Annahmen einer verdeckten Äußerung (statt vieler BVerfG, Beschl. v. 19. Dezember 2007 - 1 BvR 967/05, zit. nach juris, dort Rdnr. 30 m. w. Nachw.). Für die Ermittlung des Aussagegehalts einer Äußerung ist darauf abzustellen, wie sie unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs von einem unvoreingenommenen Durchschnittsleser verstanden wird. Dazu muss jede beanstandete Äußerung in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (zum Ganzen BGH, Urt. v. 3. Februar 2009 - VI ZR 36/07, zit. nach juris, dort Rdnr. 11; Urt. v. 16. November 2004 - VI ZR 298/03, zit. nach juris, dort Rdnr. 23 m. w. Nachw.).

Danach kann dem Satz „Mein Angebot, die Dinge aus der Sicht der … darzustellen, wurde leider aber scheinbar bewusst ausgeschlagen“ zwanglos die Tatsachenbehauptung entnommen werden, dass es ein Angebot des Beklagten zu einer weiteren Erläuterung seiner Auffassungen gab, und dass der Kläger dieses - jedenfalls bis zur Veröffentlichung seines Artikels „Politisches Erdbeben“ am 24. September 2009 - nicht angenommen hat. Beides sind Tatsachenbehauptungen, weil sie auf ihre Richtigkeit objektiv überprüfbar sind. Die verwendeten Zusätze „leider aber scheinbar“ betreffen hingegen lediglich eine Wertung und eine Mutmaßung über den Grund, haben jedoch auf die tatsächliche Kernaussage, hinsichtlich der Abgrenzung zwischen Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung keinen Einfluss.

2.) Das Landgericht hat den Vortrag der Parteien jedoch unzutreffend dahingehend gewürdigt, dass die maßgebliche Tatsachenbehauptung zwischen diesen streitig ist. Tatsächlich ist der Tatsachenkern der vom Kläger beanstandeten Äußerung, dass es nämlich ein Angebot seitens des Beklagten zu einer weiteren Erläuterung seiner Position gab, durch den Kläger nicht bestritten worden. Auf die Frage der Beweislast und der möglichen Erwiesenheit der Behauptung kommt es daher nicht an. Auch der Umstand, dass der Kläger ein Angebot des Beklagten zu einem weiteren Gespräch jedenfalls vor Veröffentlichung der maßgeblichen Wahlwerbung nicht angenommen hat, ist zwischen den Parteien unstreitig.

Es ist zwischen den Parteien jedenfalls unstreitig, dass sie am 14. September 2009 miteinander telefoniert haben und dabei auch über die Fragen der anstehenden Wahl des Landrates der U… gesprochen wurde. Tatsächlich ist in diesem Zusammenhang aber auch unstreitig, dass der Beklagte dem Kläger bei diesem Telefonat das Angebot unterbreitet hat, die Dinge aus seiner Sicht und damit aus der Sicht der … näher darzustellen. Denn dazu hat der Beklagte mit der Klageerwiderung vom 8. Oktober 2010 dargelegt:

„Der Kläger mag sich weiter daran erinnern, dass der Beklagte in diesem Telefonat vom 14.09.2009 die Position der … dargelegt hat und zudem um einen Rückruf des Klägers zur intensiven Besprechung gebeten hat, bevor dieser einen weiteren Artikel über dieses Thema veröffentlichen würde. Diesen Rückruf hat der Kläger zugesagt, jedoch mitgeteilt, er sei zunächst ein paar Tage im Urlaub.“

Damit stellt der Beklagte in dem vorliegenden Zivilrechtsstreit die Behauptung auf, dass er dem Kläger angeboten habe, seine Positionen, die des Beklagten (die der …), in einem weiteren Gespräch näher darzustellen, wie er es auch in der streitgegenständlichen Wahlkampfveröffentlichung behauptet hat.

Diese Behauptung, dass es ein entsprechendes Gesprächsangebot des Beklagten gab, hat der Kläger in dem Gerichtsverfahren nicht ausdrücklich bestritten, so dass sie gemäß § 138 Abs. 3 1. Alternative ZPO als zugestanden anzusehen sind. Weder der Replik vom 9. November 2010 noch den weiteren Schriftsätzen des Klägers lässt sich ein entsprechendes Bestreiten entnehmen. Erst Recht macht der Kläger keine substantiierten Angaben zu einem anderen, der Schilderung des Beklagten entgegenstehenden Geschehen bei diesem Telefonat.

Zwar braucht das Bestreiten der maßgeblichen Behauptungen des Gegners nicht nachfolgen, sondern kann sich auch aus gegensätzlich früherem Vortrag ergeben (BVerfG NJW 92, 679; BGH NJW-RR 2001, 1294). Allerdings stellt auch die Angabe in der Klageschrift vom 16. Juli 2010, dass es falsch sei, dass ein „weiterer Rückruf des Klägers vereinbart wurde“, hinsichtlich der Behauptungen des Beklagten, er habe ein solches Gespräch angeboten, kein Bestreiten dar. Die vom Kläger beanstandete Behauptung des Beklagten in der Wahlkampfwerbung bezieht sich ausdrücklich auf ein dem Kläger unterbreitetes Angebot, dass dieser nicht angenommen hat. Eine Behauptung seitens des Beklagten, dass ein solcher Rückruf bereits zwischen den Parteien fest vereinbart war, wird damit nicht aufgestellt, eine solche Äußerung wurde vom Kläger mit dem gestellten Antrag auch nicht zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Insoweit ergibt sich auch aus dem Prozessvortrag des Beklagten in der Replik vom 8. Oktober 2010, dass es tatsächlich nicht zu einer konkreten Vereinbarung über ein weiteres Gespräch gekommen ist, denn nach dessen unbestrittenem Vortrag hat sich der Kläger insoweit auf einen anstehenden Urlaub berufen und damit eher vage bzw. bedingt zugesagt, den Kläger nach seinem Urlaub zurückzurufen. Dass ein weiteres Telefonat vor der Veröffentlichung des Artikels „politisches Erdbeben“ am 24. September 2009 nicht stattgefunden hat, ist wiederum unproblematisch zwischen den Parteien unstreitig.

Ein Bestreiten des maßgeblichen Angebotes des Beklagten zu einem weiteren Gespräch mit dem Kläger geht auch nicht gemäß § 138 Abs. 3 2. Alternative ZPO aus den übrigen Erklärungen des Klägers hervor. Aus den umfangreichen Rechtsausführungen des Klägers zu der Frage der Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung kann auf ein Bestreiten der Frage des Gesprächsangebots des Beklagten nicht geschlossen werden, weil sie sich mit dem tatsächlichen Geschehen bei dem Telefonat am 14. September 2009 gerade nicht auseinandersetzen. Vielmehr könnte man diesen Rechtsausführungen noch eher ein Zugestehen der maßgeblichen Behauptung entnehmen, denn der Kläger setzt sich im Rahmen der Rechtsausführungen mit den maßgeblichen Behauptungen auseinander. So wertet er gerade die aufgestellte Behauptung „dass der Kläger ein Angebot des Beklagten, die Dinge aus Sicht der … darzustellen, nicht ausgeschlagen hat“ (Replik vom 9. November 2010 Seite 3 Mitte, Bl.: 123 d. A.), ohne darauf hinzuweisen, dass es sich dabei nur um die Behandlung einer hypothetischen These handeln soll. Auch dass sich der Beklagte „weitergehende Besprechungen mit dem Kläger gewünscht hätte“ (Replik Seite 3 unteres Drittel) wird so abgehandelt, ohne nur im Ansatz ein Bestreiten deutlich zu machen. Schließlich ergibt sich auch aus der dargelegten E-mail-Korrespondez zwischen dem Kläger und dem Kreisvorsitzenden der … U… kein Bestreiten der Behauptung des Beklagten. Zum einen ist so unstreitig, dass sich der Kläger mit seinen Nachrichten gerade nicht an den Beklagten gewandt hat, zum anderen datieren diese Nachrichten auf den 24. September 2009 ab 11.30 Uhr, zu einem Zeitpunkt, zu dem der Artikel des Klägers mit der Überschrift „Politisches Erdbeben“ bereits erschienen war; die Korrespondenz nimmt auch inhaltlich auf diesen Artikel Bezug.

3.) Die nicht im Rahmen einer Anschlussberufung in der mündlichen Berufungsverhandlung erklärte Klageerweiterung, die sich als Klageänderung darstellt, ist zulässig. Der Kläger hat den in der mündlichen Verhandlung zusätzlich zu seinem schriftsätzlich angekündigten Antrag, die Berufung zurückzuweisen, nunmehr den weiteren Antrag gestellt, den Beklagten zu verpflichten, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 € ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, in Bezug auf die journalistische Tätigkeit des Klägers wörtlich oder sinngemäß zu behaupten und/oder behaupten zu lassen, bzw. zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen, „mein Angebot, die Dinge aus Sicht der … darzustellen wurde leider aber scheinbar bewusst ausgeschlagen“ und dadurch den Eindruck zu erwecken, dass der Kläger nicht überparteilich sei und seine journalistischen Sorgfaltspflichten dahin verletze, dass er bestimmte parteipolitische Ansichten im öffentlichen politischen Diskurs einseitig ausblende bzw. unterdrücke, wenn dies geschieht, wie in der Anzeige Redakteur S… als Steigbügelhalter der x… im B… Ausgabe S… vom 26.09.2009, Seite 7.

Es handelt sich dabei um eine nachträgliche Klagehäufung, auf die § 263 ZPO entsprechend anwendbar ist (BGH NJW 85, 1841). Mit dem neuen Antrag macht der Kläger, bei gleichbleibendem Klagegrund - neben dem bisherigen Antrag - einen neuen Klageantrag geltend. Hatte er zunächst beantragt, dem Beklagten die beschriebene Tatsachenbehauptung schlicht zu verbieten, beantragt er nunmehr ihn zur Unterlassung zu verurteilen, mit dieser einen bestimmten Eindruck zu vermitteln, somit ein Werturteil über die journalistische Arbeit des Klägers zum Ausdruck zu bringen, welches er in dem neuen Antrag auch konkret beschreibt. Einfaches Unterlassen einer Behauptung und Unterlassung einer damit verbunden Wertung sind unterschiedliche Streitgegenstände und nicht etwa lediglich die Erweiterung oder Modifizierung des ursprünglichen Begehrens.

Der Beklagte hat der Klageänderung in der mündlichen Berufungsverhandlung nicht gemäß § 533 Ziff. 1 1. Alt. ZPO zugestimmt. Die Klageänderung ist jedoch sachdienlich. Bei der Beurteilung der Sachdienlichkeit kommt es vorrangig auf den Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit an (BGH, MDR 2004, 1075; Zöller, 29. Auflage § 533 Rdnr. 6; Thomas/Putzo, ZPO 33. Aufl. § 533 Rdnr. 4 und § 263 Rdnr. 8;); sie ist nur ausnahmsweise zu verneinen (Zöller, a. a. O.). Im vorliegenden Fall ist die Zulassung der Änderung / Erweiterung des Streitgegenstandes zulässig, weil sie geeignet ist, den Konflikt der Prozessparteien - ohne größeren Aufwand - im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits endgültig auszuräumen. Demgegenüber muss das etwaige Interesse einer Seite an zwei Tatsacheninstanzen regelmäßig zurücktreten; schon aus dem Umstand, dass eine Klageänderung im zweiten Rechtszug als sachdienlich zugelassen werden kann, folgt ohne weiteres, dass das Gesetz den Verlust einer Tatsacheninstanz regelmäßig in Kauf nimmt (vgl. BGHZ 1, 65; BGH, Urt. v. 14.03.1983 - II ZR 102/82, WM 1983, 604; Urt. v. 30.03.1983 - VIII ZR 3/82, WM 1983, 766 = NJW 1984, 1552; ferner Zöller a. a. O.). Gleiches gilt mit Blick auf die höhere Kostenlast, zu der es im Allgemeinen beim Unterliegen im zweiten Rechtszug kommt (vgl. dazu Zöller a. a. O., § 531 Rdnr. 26). Hieran hat sich durch das Inkrafttreten des Zivilprozessreformgesetzes nichts Grundsätzliches geändert. § 533 Ziff. 2 ZPO soll in erster Linie gewährleisten, dass das Berufungsgericht nicht im Wege von Klageänderung, Widerklage oder Prozessaufrechnung mit Tatsachenstoff befasst wird, der an sich nach § 529 ZPO i. V. m. § 531 ZPO ausgeschlossen ist (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses, BT-Drucks. 14/4722, S. 58, 102). Eine höhere Kostenbelastung der unterlegenen Partei tritt zudem oftmals wegen § 97 Abs. 2 ZPO nicht ein.

Die Klageänderung kann gemäß § 533 Ziff. 2 ZPO auch auf Tatsachen gestützt werden, die der Senat seiner Verhandlung und Entscheidung ohnehin nach § 529 ZPO zu Grunde zu legen hat, weiterer Vortrag zu dem neuen Antrag ist weder durch eine der Parteien angekündigt, noch erforderlich.

Die maßgebliche Tatsachenäußerung kann mit den sich aus dem neuen Klageantrag ergebenden Erweiterungen, in der Öffentlichkeit einen Eindruck über die Arbeit des Klägers hervorzurufen, auch als zusammenfassende Bewertung verstanden werden, bei der die subjektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit im Vordergrund steht. Insoweit ist jedoch die Meinungsäußerung zulässig, weil sie unter den Grundrechtsschutz der Meinungsfreiheit fällt.

Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet jedermann das Recht, seine Meinung frei zu äußern und zu verbreiten. Dabei genießen Meinungen den Schutz des Grundrechts, ohne dass es darauf ankäme, ob die Äußerung wertvoll oder wertlos, richtig oder falsch, begründet oder grundlos, emotional oder rational ist. Auch scharfe und übersteigerte Äußerungen fallen grundsätzlich in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Erst wenn bei einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht, hat eine solche Äußerung als Schmähung regelmäßig hinter dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurückzutreten. Gleiches gilt für Formalbeleidigungen und Anprangerungen. Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik allerdings eng auszulegen. Danach macht auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung im Vordergrund steht, die jenseits polemischer und überspitzter Kritik in erster Linie herabsetzen bzw. gleichsam an den Pranger stellen soll (BGH NJW 2009, S. 1872).

Wie bereits ausgeführt, können wahre Tatsachenbehauptungen - dem folgend auch die sich daran anknüpfenden Wertungen - nur dann rechtswidrig sein, wenn die Aussage entweder die Intim- oder Privatsphäre oder eine andere besonders geschützte Sphäre betrifft oder wenn der betreffenden Person ein besonderer Schaden droht, der außer Verhältnis zur Verbreitung der Wahrheit steht. Die Verletzung der Privatsphäre des Klägers in der für einen Unterlassungsanspruch erforderlichen Intensität scheidet im vorliegenden Fall aus. Ein Schaden könnte ihm allenfalls dadurch entstehen, dass Dritte aus den Äußerungen des Beklagten nachteilige Rückschlüsse über die Qualität seiner journalistischen Arbeit ziehen. Solche Kritik muss der Kläger als Journalist jedoch auch in der Öffentlichkeit grundsätzlich hinnehmen, insbesondere wenn er - wie hier - in Wahlkampfzeiten über aktuelle politische Geschehnisse berichtet.

Eine unzulässige Schmähung oder Anprangerung lässt sich der Äußerung des Beklagten auch insoweit in keiner Weise entnehmen, wie der Kläger sie mit dem neuen Klageantrag verstanden wissen will. Zwar lässt die vom Kläger aufgestellte Behauptung negative Schlüsse auf die journalistische Arbeit des Klägers zu, weil sie einem Außenstehenden vermittelt, dass der Kläger vor der Veröffentlichung des Artikels am 24. September 2009 nicht ordentlich recherchiert habe. Allerdings diente gerade diese deutliche Herausstellung der Auseinandersetzung in der Sache, weil der Beklagte seine politischen Ansichten vom Kläger in dem Artikel vom 24. September 2009 gerade nicht hinreichend dargestellt empfand. Er wollte im Rahmen der politischen Auseinandersetzung unmittelbar vor den anstehenden Wahlen deutlich machen, dass der Kläger entscheidende politische Fragen einseitig darstelle und hat damit tatsächlich dessen Überparteilichkeit in Frage gestellt. Darin liegt jedoch keine Diffamierung des Klägers ohne Bezug zu der politischen Auseinandersetzung, an der der Kläger zwar nicht unmittelbar, jedoch als berichtender Journalist teilnimmt.

Lässt sich die Äußerung weder als Formalbeleidigung, Schmähung oder Anprangerung einstufen, kommt es für die dann erforderliche Abwägung auf die Schwere der Beeinträchtigung der betroffenen Rechtsgüter an, wobei es aber grundsätzlich keine Rolle spielt, ob die Kritik berechtigt oder das Werturteil richtig ist. Die Meinung darf grundsätzlich auch dann geäußert werden, wenn sie andere für falsch oder ungerecht halten. Auch die Form der Meinungsäußerung unterliegt der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Selbstbestimmung des Äußernden. Dient die Äußerung dem geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage, dann spricht - so wie hier - die Vermutung für ihre Zulässigkeit (vgl. BGH NJW 2000, S. 3421). Die von dem Kläger beanstandete Äußerung des Beklagten hat keine Angelegenheit ohne allgemeine Bedeutung oder Auseinandersetzung im privaten Bereich zum Gegenstand. Vielmehr handelt es sich um eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse. Dies ergibt sich schon alleine daraus, dass die mit der Wahl des Landrates in Zusammenhang stehenden Fragen in der örtlichen Presse breiten Raum eingenommen haben. In der geschilderten Konstellation des Wahlkampfes, des öffentlichen Interesses, der Parteipolitik und der Berichterstattung des Klägers muss dessen Persönlichkeitsrecht hinter dem Recht auf freie Meinungsäußerung des Beklagten, auch über die Qualität der journalistischen Arbeit des Klägers, zurückstehen und er muss die angegriffene Äußerung hinnehmen.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.