VG München, Urteil vom 17.01.2013 - M 15 K 12.2464
Fundstelle
openJur 2013, 16476
  • Rkr:
Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Ge-richtskosten werden nicht erhoben.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klä-gerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten, ob die von der Klägerin wenige Wochen vor Beantragung von Ausbildungsförderung zu einem Preis von 19.000,-- € erworbene Violine als Vermögen auf ihren Bedarf anzurechnen ist.

Die Klägerin erwarb im Mai 2011 die Hochschulzugangsberechtigung. Parallel zur Gymnasialausbildung in ... hatte sie von Oktober 2007 bis Juli 2011 ein sog. Jungstudium (Violine) an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in ... absolviert. Im Oktober 2011 nahm sie ein Instrumentalstudium (Violine) an der Universität für Musik und darstellende Kunst in ... auf.

Hierfür beantragte sie am 13. September 2011 die Gewährung von Ausbildungs-förderung. Dabei gab sie an, sie erhalte bis Ende März 2012 ein Stipendium der ...-Stiftung in Höhe von 300,-- € monatlich und verfüge über ein Barvermögen von 278,30 € und ein Sparvermögen von 4.073,49 €. Gleichzeitig stellte sie Aktualisierungsantrag hinsichtlich des Einkommens ihres Vaters. Dieser erklärte, seine voraussichtlichen Einkünfte als geschäftsführender Gesellschafter der 7fach GmbH würden im Jahr 2011 und in absehbarer Zeit nur noch 700,-- € monatlich betragen.

Auf Aufforderung der Beklagten, Nachweise zu ihrem Vermögen am 20. Juli 2011 und am 13. September 2011 und zu einzelnen Buchungsvorgängen vorzulegen, übersandte die Klägerin umfangreiche Kontounterlagen. Diesen ist zu entnehmen, dass sie bei der ... (...-Bank) am 20. Juli 2011 über ein Girokonto und drei Sparkonten im Wert von insgesamt 9.939,78 € verfügt hat, am 13. September 2011 (Antragsstichtag) waren die beiden Sparkonten aufgelöst und der Wert ihres Vermögens bei der ... betrug nur noch 1.149.08 €. Bei der ...-Bank hatte die Klägerin am 20. Juli 2011 ein Vermögen von 14.796,65 €, wovon am 13. September 2011 noch 2.279,36 € übrig waren. Die Klägerin übersandte hierzu eine Rechnung des Geigenbaumeisters ... vom 22. August 2011 für eine „Meistervioline, fecit anno 2011, Erlangen, Kopiestilarbeit nach G. Guarneri del Gesù, es Hubermann 1734“ über 15.500,-- € sowie eine Rechnung des Bogenmachermeisters ... und Söhne vom ebenfalls 22. August 2011 für einen goldmontierten Violinbogen über 3.500,-- €. Sie wies – unter Vorlage entsprechender Nachweise – darauf hin, dass sie im Rahmen ihres sogenannten Jungstudiums an der Musikhochschule ... am 6. März 2010 von der Landessammlung Streichinstrumente Baden-Württemberg die Violine „Januarius Gagliano, 1780 Neapel“ ausgeliehen habe, deren Wert von der Versicherung im Januar 2011 auf 150.000,-- € beziffert worden sei; diese Violine habe sie zurückgeben müssen.

Daraufhin fragte die Beklagte mit Email vom 29. Dezember 2011 beim Institut für Musik und darstellende Kunst in ... an, ob man für das Instrumentalstudium Violine eine geeignete Violine haben müsse und was eine gute – für das Studium ausreichende – Violine koste. Mit Email vom 9. Januar 2012 antwortete das Institut : „Nach Rücksprache mit dem Institutsleiter kann ich Ihnen ausrichten, dass man nicht unbedingt ein eigenes Instrument für das Studium benötigt. Es gibt für Studierende die Möglichkeit, sich ein Leihinstrument an der Universität zu borgen, was mit geringen Kosten (Versicherungsbeitrag, .. ) verbunden ist. Für eine relativ gute Violine muss man mit ca. 8.000,-- € aufwärts rechnen.“

Mit Bescheid vom 9. Februar 2012 hat die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Ausbildungsförderung unter Anrechnung von Einkommen der Klägerin und deren Eltern sowie unter Anrechnung von Vermögen der Klägerin abgelehnt. In den Gründen wurde ausgeführt: „Die Violine samt gold montiertem Violinbogen wurden als Vermögen gewertet. In zeitlichem Zusammenhang mit einem Antrag auf Ausbildungsförderung ist eine Anschaffung in dieser Höhe nicht gerechtfertigt. Eine gute, für ein Studium ausreichende Violine ist bereits für ein Viertel des von Ihnen bezahlten Preises zu haben. Darüber hinaus gibt es an Ihrer Hochschule die Möglichkeit eine Violine gegen einen geringen Versicherungsbeitrag zu mieten.“

Hiergegen hat die Klägerin am 6. März 2012 Widerspruch eingelegt und vorgetragen, eine billigere Geige wäre für ihr Studium nicht geeignet, außerdem seien ihrer Kenntnis nach Musikinstrumente explizit in § 27 von der Definition des Vermögensbegriffs ausgenommen. Sie verstehe ferner nicht, weshalb ihr Aktualisierungsantrag ignoriert worden sei.

Am 6. März 2012 ging außerdem ein Schreiben von Professor M. (Musikhochschule ...) vom 28. Februar 2012 bei der Beklagten ein. Dieser schreibt, die Klägerin habe bei ihm ab dem kommenden Semester Hauptfachunterricht im Fach Violine und es sei ihm ein Anliegen, zu der von ihr beschafften Violine Stellung zu nehmen. Die Klägerin sei für ihr Vorstudium an der Musikhochschule ... in den Genuss eines hochwertigen Leihinstruments im Wert von 150.000,-- € gekommen. Da sie dieses habe zurückgeben müssen, sei sie zur Anschaffung eines Instruments gezwungen gewesen, um nicht auf ihrer alten Schülergeige das Studium beginnen zu müssen. Eine gut klingende Geige und ein hochwertiger Bogen seien Grundvoraussetzung für ein Musikstudium an einer deutschen Musikhochschule. Leider seien gut klingende Geigen heutzutage teuer. Sie ließen sich in drei Gruppen einteilen:

- alte Geigen mit großem Namen (z.B. Stradivari oder Guaneri) würden zwischen 100.000,-- € und 4.000.000,-- € kosten, weil man nicht nur für den Klang, sondern auch für eine wertvolle Antiquität zahle

- alte, gut klingende Geigen, deren Erbauer sich nicht mehr feststellen lasse oder unbekannt sei, würden etwa 30.000,-- bis 100.000,-- € kosten

- neue Geigen, deren Klangqualität an die alten Instrumente herankomme. Diese würden zwischen 16.000,-- und 50.000,-- € kosten.

Instrumente im Wert von unter 16.000,-- € seien in der Regel minderwertig und nicht für Musikstudenten geeignet, sondern für Anfänger, Kinder und Jugendliche. An der Musikhochschule ... gebe es zwar Leihinstrumente, aber diese seien nur als Notbehelf gedacht und ausnahmslos von minderer Qualität. Im Übrigen verstehe er nicht, weshalb die Geige der Klägerin kein – wenn auch teurer – Haushalts-gegenstand im Sinne der Nr. 27.2.5 BAföGVwV sei.

Mit Bescheid vom 16. März 2012 hat die Beklagte dem Widerspruch der Klägerin teilweise (im Hinblick auf die Aktualisierung des Vatereinkommens) abgeholfen, aber eine Bewilligung von Ausbildungsförderung weiterhin abgelehnt, da sich aufgrund des Vermögens der Klägerin, zu dem auch die Violine zähle, selbst bei Berücksichtigung des aktuellen Einkommens ihres Vaters kein Förderanspruch errechne. Insoweit hat die Beklagte den Widerspruch der Klägerin der Regierung von Oberbayern zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Schreiben vom 26. April 2012 hat das Studentenwerk Schleswig-Holstein mitgeteilt, dass die Klägerin ab April 2012 ihr Studium an der Musikhochschule ... fortsetze und um Übersendung der Förderakte gebeten.

Die Regierung von Oberbayern hat mit Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2012 den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid der Beklagten vom 9. Februar 2012 als unbegründet zurückgewiesen und in den Gründen ausgeführt, der Wert der Violine in Höhe von 19.000,-- € zum Zeitpunkt der Antragstellung sei dem Vermögen der Klägerin zuzurechnen, so dass diese keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung habe.

Am 29. Mai 2012 hat die Klägerin Klage erhoben. Zu deren Begründung brachte sie vor, sie benötige die Geige für ihr Studium, eine billigere Geige würde qualitativ nicht ausreichen, um ihr ein erfolgreiches Studium zu ermöglichen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Bescheid der Beklagten vom 9. Februar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberbayern vom 9. Mai 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr für ihr Studium an der Universität für Musik und darstellende Kunst ... im Zeitraum von Oktober 2011 bis März 2012 Ausbildungsförderung in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Beim sog. Jungstudium der Klägerin an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in ... habe es sich nicht um ein ordentliches Studium gehandelt. An der Universität für Musik und darstellende Kunst ... habe die Klägerin das erste Fachsemester besucht, danach habe sie das Studium an der Musikhochschule ... fortgesetzt. Für den streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum des Studiums in ... seien nur die Aussagen der Universität für Musik und darstellende Kunst ... relevant und es spiele keine Rolle, von welcher Qualität die Leihinstrumente der Musikhochschule ... seien. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass an der Universität für Musik und darstellende Kunst ... keine für ein Erstsemesterstudium ausreichenden Leihinstrumente vorhanden seien oder nicht anderweitig beschafft werden könnten. Auch dass sie im Rahmen ihres sog. Jungstudiums eine extrem hochwertige Geige habe leihen können, führe nicht dazu, dass der Wert einer für das Studium im ersten Semester „überdimensionierten“ Violine, die ihr auch im späteren Beruf erwerbsfördernd zur Verfügung stehe, nicht angerechnet werden dürfe. Bei der Violine samt goldmontiertem Bogen handle es sich auch nicht um einen Haushaltsgegenstand im Sinne von § 27 Abs. 2 Nr. 4 BAföG. Die im Familienrecht vertretene weite Auslegung des Begriffs „Haushaltsgegenstand“ sei auf das Ausbildungsförderungsrecht nicht übertragbar. Durch § 27 Abs. 2 Nr. 4 BAföG solle nämlich verhindert werden, dass Auszubildende zur Deckung des Bedarfs Vermö-gensgegenstände übertragen müssen, die sie typischerweise für die alltägliche Lebens- und Wirtschaftsführung benötigen (BVerwG, U. v. 30.6.2010 – 5 C 3/09 – juris). Die Violine der Klägerin könne auch nicht nach Nr. 27.2.5 BAföGVwV als Haushaltsgegenstand im Sinne von § 27 Abs. 2 Nr. 4 BAföG gewertet werden, denn bei einem Lern- bzw. Studiermittel handle es sich nicht um eine im Haushalt benötigte Sache (Nr. 27.2.5. Satz 1 BAföGVwV). Abgesehen davon dürften bei einem Haushaltsgegenstand folgerichtig die mit der Anschaffung verbundenen Schulden auch nicht vom übrigen Vermögen abgezogen werden, wodurch die Ungleichbehandlung von vermögenden und weniger vermögenden Studierenden verschärft würde, da die Anschaffung hochwertiger Instrumente förderunschädlich wäre, während die erforderliche Verschuldung weniger vermögender Studierender ausbildungsförderungsrechtlich nicht berücksichtigt werden könnte. Zudem sei die Violine auch nach den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Anrechen-barkeit von Personenkraftwagen (BVerwG a.a.O.) kein Haushaltsgegenstand. Vermögen unter 5.200,-- € werde ohnehin nicht angerechnet. Dass nach § 29 Abs. 3 BAföG zur Vermeidung unbilliger Härten ein weiterer Teil des Vermögens anrech-nungsfrei bleiben kann, solle eine Gefährdung der Ausbildung dadurch vermeiden, dass anrechenbares Vermögen für den Ausbildungsbedarf nicht wirklich einsetzbar ist. Als Ausnahmevorschrift von § 11 Abs. 2 BAföG sei diese Bestimmung aber eng auszulegen. Im Falle der Klägerin würde die Verwertung der Geige nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung ihrer Lebensgrundlage führen, zumal auch eine Belei-hung denkbar sei. Es sei auch zu betonen, dass die Violine nicht schon seit längerer Zeit in Besitz der Klägerin sei, sondern in zeitlicher Nähe zur BAföG-Antragstellung unter Einsatz des wesentlichen Vermögens angeschafft worden sei. Die Förderung eines individuellen Zusatzaufwandes bei Sport- oder Musikstudenten außerhalb der BAföG-Sätze sei nicht vorgesehen (OVG Bremen, U. v. 20.4.1982 – 2 BA 31/82 – juris). Dass eine eigene Geige entsprechender Güteklasse im ersten Semester des ordentlichen Studiums förderlich sein könne, werde nicht bestritten, doch zeige das Schreiben der für den streitgegenständlichen Zeitraum zuständigen Universität ..., dass für das Studium der Klägerin in ... eine entsprechende eigene Geige nicht erforderlich gewesen sei. Ähnlich wie der Auszubildende bei der Deckung des Mobilitätsbedarfs auf preiswertere Möglichkeiten als den eigenen Personenkraft-wagen verwiesen werden könne, dürfe eine für den jeweiligen Ausbildungsbedarf „überdimensionierte“ Geige nicht dazu führen, dass die aufgewendeten Mittel für die Ausbildungsförderung nicht mehr zur Verfügung stehen.

Auf Anregung des Gerichts haben die Parteien auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der von der Beklagten vorgelegten Behördenakten Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Gründe

Das Urteil ergeht ohne mündliche Verhandlung, weil sich die Parteien hiermit einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

1. Die Klage ist zulässig, obwohl die Klageschrift von der Klägerin nicht unterschrieben worden ist.

Zwar ist für die Wirksamkeit der gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO schriftlich zu erhebenden Klage nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich die eigenhändige Unterschrift des Klägers oder seines Prozessbe-vollmächtigten erforderlich. Damit soll die verlässliche Zurechenbarkeit des Schriftsatzes sichergestellt werden. Es muss gewährleistet sein, dass nicht nur ein Entwurf, sondern eine gewollte Prozesserklärung vorliegt, ferner, dass die Erklärung von einer bestimmten Person herrührt und diese für den Inhalt die Verantwortung übernimmt (BVerwG, U. v. 6.12.1988 – 9 C 40/87BverwGE 81, 32 ff. m.w.N.). Unter Hinweis auf diesen Sinn und Zweck des Schriftlich-keitserfordernisses sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für mehrere Fallgruppen Ausnahmen zugelassen worden. So schließt das Fehlen einer Unterschrift die Formgerechtigkeit einer Klage dann nicht aus, wenn sich aus dem bestimmenden Schriftsatz allein oder in Verbindung mit beigefügten Unterlagen die Urheberschaft und der Wille, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen, hinreichend sicher entnehmen lässt, ohne dass darüber Beweis erhoben werden müsste (BVerwG a.a.O. m.w.N.).

So liegt der Fall hier. Aus dem Briefumschlag, der die Klageschrift enthielt, lässt sich entnehmen, dass die Klage von der Klägerin stammt und mit deren Willen an das Gericht gesandt wurde (vgl. BVerwG a.a.O.; BVerwG, U. v. 17.10.1068 –BVerwGE 30, 274/277; BayVGH, B. v. 17.3.2008 – 11 C 08.273 – juris). Auf dem Briefumschlag hat die Klägerin nämlich handschriftlich sowohl ihren Namen als Absender als auch das Verwaltungsgericht München als Adressaten angegeben.

Somit ist die fehlende Unterschrift unter der Klageschrift hier ausnahmsweise unschädlich.

2. Die mithin zulässige Klage ist aber nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 9. Februar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberbayern vom 9. Mai 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Ausbildungsförderung für ihr Studium an der Universität für Musik und darstellende Kunst ... im Zeitraum von Oktober 2011 bis März 2012. Das Vermögen der Klägerin, zu dem auch die von ihr kurz vor Beantragung von Ausbildungsförderung zu einem Preis von 19.000,-- € angeschaffte Violine zählt, schließt einen Anspruch der Klägerin auf Ausbildungsförderung aus.

Nach § 1 BAföG besteht für eine der Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung ein Rechtsanspruch auf Ausbildungsförderung, wenn dem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen. Gemäß § 11 Abs. 2 BAföG ist auf den Bedarf u. a. Vermögen des Auszubildenden anzurechnen. Als Vermögen gelten nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BAföG alle beweglichen und unbeweglichen Sachen (Nr. 1) sowie Forderungen und Rechte (Nr. 2). Die Violine der Klägerin mit einem Wert von 19.000,-- € bei Beantragung von Ausbildungsförderung (§ 28 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 BAföG) ist somit Vermögen im Sinne von § 27 Abs. 1 Nr. 1 BAföG.

Die von der Klägerin kurz vor Beantragung von Ausbildungsförderung beschaffte „Meistervioline, fecit anno 2011, Erlangen, Kopiestilarbeit nach G. Guarneri del Gesù“ samt goldmontiertem Violinbogen ist auch kein Haushaltsgegenstand, der nach § 27 Abs. 2 Nr. 4 BAföG nicht als Vermögen gilt. Abzustellen ist insoweit nicht auf die im Familienrecht vertretene, auf die Aufteilung des Hausstandes zwischen Eheleuten bezogene weite Auslegung des Begriffs „Haushaltsgegen-stand“ (BVerwG, U. v. 30.6.2010 5 – C 3/09NVwZ-RR 2010, 926 ff. zur Anrechenbarkeit eines PKW). Schon begrifflich handelt es sich bei einer Violine, die dem Studium dient, nicht um einen Haushaltsgegenstand (vgl. BVerwG a.a.O.). Gegen die Einordnung der Violine der Klägerin als Haushaltsgegenstand spricht insbesondere auch der Sinn und Zweck des § 27 Abs. 2 Nr. 4 BAföG, durch den vermieden werden soll, dass Auszubildende zur Deckung des ausbildungsbedingten Bedarfs Vermögensgegenstände verwerten müssen, die sie typischerweise für die alltägliche Lebens- und Wirtschaftsführung benötigen (BVerwG a.a.O.). Für die Ermittlung dieses Bedarfs ist auf einen „hypothetischen Durchschnittsauszubildenden“ mit typischerweise geringem Einkommen und Vermögen abzustellen. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass Vermögenswerte unter 5.200,-- € insgesamt ohnehin anrechnungsfrei sind und dass ein weiterer Teil des Vermögens nach § 29 Abs. 3 BAföG zur Vermeidung einer unbilligen Härte anrechnungsfrei bleiben kann, wenn der Auszubildende zu Ausbildungs-zwecken auf einen Vermögensgegenstand angewiesen ist (BVerwG a.a.O.).

Keine andere Beurteilung rechtfertigt Nr. 27.2.5 BAföGVwV. Danach sollen zu den beweglichen Sachen, die zur Einrichtung der Wohnung, Führung des Haus-stands und für das Zusammenleben der Familie bestimmt sind (Haushaltsgegen-stände) „regelmäßig“ auch Musikinstrumente rechnen. Abgesehen davon, dass schon fraglich ist, ob ein 19.000,-- € teures Instrument noch als Regelfall i. S. von Nr. 27.2.5 BAföGVwV anzusehen ist, entfaltet Nr. 27.2.5 BAföGVwV als norm-interpretierende Verwaltungsvorschrift keine Bindungswirkung für die Gerichte; wegen der Bindung der vollziehenden Gewalt an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) darf eine Verwaltungsvorschrift dem Gesetz keinen Inhalt zuschreiben, der mit der objektiven Rechtslage unvereinbar ist. Ungeachtet der Nr. 27.2.5 BAföG-VwV ist die „Meistervioline, fecit anno 2011, Erlangen, Kopiestilarbeit nach G. Guarneri del Gesù“ samt goldmontiertem Violinbogen kein Haushaltsgegenstand.

Der Wert der Violine bleibt auch nicht nach § 29 Abs. 3 BAföG zur Vermeidung einer unbilligen Härte anrechnungsfrei. Wann eine „unbillige Härte“ vorliegt, ist im Gesetz nicht näher bestimmt. Das Gesetz enthält insoweit einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Hierbei ist indes zu berücksichtigen, dass die Härteklausel als Ausnahmevorschrift ausge-staltet ist, über die sich allgemeine Gesetzeshärten nicht beseitigen lassen und deren Auslegung sich am Zweck des Gesetzes zu orientieren hat. Nach § 1 BAföG ist es Zweck der staatlichen Ausbildungsförderung dem Auszubildenden eine seiner Eignung und Neigung entsprechende Ausbildung durch staatliche Finanzierung zu gewährleisten, soweit ihm die erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen. Danach gesteht der Gesetzgeber Auszubildenden, die – wie die Klägerin – eigenes Vermögen über die Freibeträge hinaus besitzen, grundsätzlich keine Förderleistungen zu. Der Auszubildende kann nicht unter Schonung seines eigenen Vermögens staatliche Hilfe verlangen. Ob eine unbil-lige Härte vorliegt, beurteilt sich grundsätzlich nach dem Grad der Gefährdung der Ausbildung (BayVGH, B. v. 12.1.2012 – 12 C 11.1343 – juris m.w.N.).

Hiervon ausgehend kann eine unbillige Härte dann gegeben sein, wenn die Verwertung des Vermögens zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Lebens-grundlage des Auszubildenden oder seiner Angehörigen führen würde, etwa wenn die Verwertung des Vermögens des Auszubildenden die Veräußerung oder wesentliche Belastung eines selbstbewohnten angemessenen Hausgrundstücks zur Folge hätte und damit der tatsächliche oder zumindest der wirtschaftliche Verlust als Wohnstatt zu besorgen wäre (BVerwGE 88, 303 ff.; BayVGH a.a.O.). Allerdings ist das Maß dessen, was dem Auszubildenden bei der Verwertung seines Vermögens zumutbar ist, nicht gering zu veranschlagen, weil die Grund-entscheidung des Gesetzgebers über die Nachrangigkeit staatlicher Ausbil-dungsförderung durch die Anwendung der Härtevorschriften nicht unterlaufen werden darf (BVerwGE 88, 303 ff.).

Gemessen an diesen Grundsätzen liegt im Falle der Klägerin keine unbillige Härte darin, dass der Wert der von ihr weniger als vier Wochen vor Beantragung von Ausbildungsförderung gekauften Violine (sie hat diese am 22.8.2011 gekauft und am 30.8.2011 den BAföG-Antrag unterschrieben, welcher am 13.9.2011 bei der Beklagten eingegangen ist) als Vermögen angerechnet wird. Die Klägerin hätte sich nämlich nach der Stellungnahme der Universität für Musik und dar-stellende Kunst ... vom 9. Januar 2012 in ... eine Geige für ihr Studium leihen können. Da sie für ihr sog. Jungstudium an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst eine Geige geliehen hatte, ist kein Grund dafür ersichtlich, dass sie für ihr Studium an der Universität für Musik und darstellende Kunst ... nicht ebenfalls eine Geige hätte leihen können. Insbesondere hat die Klägerin nicht vorgetragen, dass die Leihgeigen der Universität für Musik und darstellende Kunst ... von einer für das Studium nicht ausreichenden Qualität seien, wie dies Prof. M.für die Leihgeigen an der Musikhochschule ... angegeben hat.

Deshalb kann hier offen bleiben, ob auch eine weniger teure Violine für das Studium der Klägerin in ... ausreichend gewesen wäre, wie dies der Stellungnahme der Universität für Musik und darstellende Kunst ... vom 9. Januar 2012 zu entnehmen ist (ab 8.000,-- €), oder eine entsprechende Geige erst ab einem Preis von 16.000,-- € aufwärts erworben werden kann, wie dies Professor M. von der Musikhochschule ... ausgeführt hat.

Jedenfalls hätte eine Verwertung der Geige (ggf. auch in Form einer Beleihung) nicht zu einer Gefährdung des Studiums oder zu einer wesentlichen Beein-trächtigung der Lebensgrundlage der Klägerin geführt, auch wenn der Wunsch nach einer eigenen Geige nachvollziehbar sein mag. Eine unbillige Härte im Sinne von § 29 Abs. 3 BAföG, die zur Folge hätte, dass die Violine ganz oder teilweise nicht als Vermögen anzurechnen wäre, liegt hier mithin nicht vor.

Somit ist der Wert der Violine in vollem Umfang als Vermögen der Klägerin anzurechnen. Daher kann offen bleiben, ob der Erwerb der Violine im Wert von 19.000,-- € kurz vor Beantragung von Ausbildungsförderung nicht auch nach den Grundsätzen einer rechtsmissbräuchlichen Vermögensverfügung zu Lasten der Klägerin ginge.

Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Die Gerichtskostenfreiheit beruht auf § 188 Satz 2 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2 ZPO.

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