LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 09.01.2013 - 2 Sa 166/12
Fundstelle
openJur 2013, 16153
  • Rkr:
Tenor

1. Die Berufung des Klägers wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung. Dem liegt ausweislich des Tatbestandes des Urteils des Arbeitsgerichtes Schwerin vom 07.06.2012 – 6 Ca 2306/11 – folgender Tatbestand zu Grunde.

Der 60jährige verheiratete Kläger war seit dem 01.01.1997 bei dem Beklagten, seinem Schwager, als Angestellter in der Funktion eines Versicherungsfachmannes im Außen- und Innendienst gemäß Arbeitsvertrag (Blatt 7 ff. der Akte) zuletzt zu einem monatlichen Bruttoverdienst von 1.448,88 € beschäftigt. Der Beklagte ist Leiter einer Generalagentur der P.versicherung. Während der Kläger in der Vergangenheit überwiegend im Außendienst tätig war, wurde der Innendienst durch den Beklagten und die Angestellte Frau W. wahrgenommen. Ab November 2010 steht Frau W. wegen Schwangerschaft und Elternzeit nicht mehr zur Verfügung. Sie wird ihre Arbeit voraussichtlich frühestens September 2010 wieder aufnehmen. Ebenfalls seit etwa November 2010 ergaben sich Zeiten längerer krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit des Beklagten. Nach seinem bis zum 15.02.2011 währenden Krankenhausaufenthalt mit anschließender Reha war der Beklagte bis zum 13.09.2011 arbeitsunfähig erkrankt, so dass er seiner Tätigkeit nicht nachgehen konnte. Während der Abwesenheit des Beklagten hielt der Kläger den Betrieb der Generalagentur aufrecht, erledigte nunmehr überwiegend den Innendienst, konnte deswegen neues Versicherungsgeschäft kaum generieren.

Im September/Oktober 2011 äußerte der Beklagte gegenüber dem Kläger, dass er sich nicht mehr in der Lage sehe, künftig wieder vollständig in die Agentur zurückzukehren, sondern an die Veräußerung der Agentur denke. Am 03.11.2011 erklärte der Beklagte gegenüber dem Landesdirektor der P., Herrn K., auf dessen Nachfrage, dass er sich nicht mehr in der Lage sehe, die Geschicke der Generalagentur in seine Hände zu nehmen. Daraufhin teilte Herr K. mit, dass man sich auf Ebene der Landesdirektion um eine Übernahme der Generalagentur durch einen Dritten bemühen werde.

Seitens der P. wurde Herr L. mit der Suche nach einem Nachfolger für den Beklagten beauftragt. Auf zwei Mails von Herrn L. in diesem Zusammenhang vom 10.11.2011 und 29.11.2011 wird Bezug genommen (Blatt 141 ff d. A.). Mit Schreiben vom 29.11.2011 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.03.2012, wobei zwischen den Parteien unstreitig ist, dass das Arbeitsverhältnis jedenfalls nicht vor dem 30.04.2012 enden wird. Eine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung vom 29.11.2011 hat das Arbeitsgericht Schwerin durch die vorgenannte Entscheidung abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, auch wenn ein Betriebsübergang der Generalagentur zum 01.05.2012 erfolgt sei, sei dieser nicht kausal für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses geworden. Soweit der Beklagte darauf verweise, dass er sich den Kläger „nicht mehr leisten könne“ sei dies nachvollziehbar. Im Übrigen wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Tragender Grund für die Kündigung sei der Betriebsübergang gewesen. Die Erwerberin und die Landesdirektion der P. haben die Übertragung der Generalagentur ausdrücklich von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger abhängig gemacht. Rein tatsächlich hätte die Agentur ohne den Kläger im Jahre 2011 gar nicht betrieben werden können. Auch habe ein Sanierungskonzept nicht vorgelegen. Im Übrigen wird auf die Berufungsbegründung Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 07.08.2012 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Schwerin, Aktenzeichen 6 Ca 2306/11, wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 29.11.2011 beendet worden ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte tritt der angefochtenen Entscheidung bei.

Hinsichtlich jedes weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die vorbereitenden Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung, auf die Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Nach dem Vortrag des Klägers in der Berufungsinstanz kann von einem Betriebsübergang im Sinne des § 613 a Abs. 1 BGB ausgegangen werden. Gleichwohl verstößt die Kündigung nicht gegen das Kündigungsverbot in § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB. Dieses Verbot greift auch dann nicht, wenn das der betriebsbedingten Kündigung zu Grunde liegende Konzept des Veräußerers ausschließlich dazu dient, den Betrieb verkaufsfähig zu machen (vgl. BAG vom 20.09.2006 – 6 AZR 249/05 – m. w. N.). Hiervon kann im vorliegenden Fall ausgegangen werden. Vor dem Betriebsübergang waren in der Generalagentur der Beklagte als deren Leiter, der Kläger und eine Schreibkraft tätig. Es stellt eine nicht zu beanstandende unternehmerische Entscheidung dar, dass es bei dieser Personalbesetzung im Wesentlichen auch nach dem Betriebsübergang bleiben sollte. Im Hinblick darauf, dass der Beklagte selbst auch den Wunsch hatte, in der Generalagentur weiterhin, nun aber in einem Angestelltenverhältnis tätig zu sein, entstand eine Konfliktlage. Der Beklagte musste sich zwischen sich selbst und dem Kläger entscheiden. Eine Ausweitung des Betriebes auf zwei Angestellte neben der Schreibkraft und dem Inhaber der Generalagentur kann unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verlangt werden. Im Hinblick auf die durch Artikel 14 Grundgesetz geschützte unternehmerische Freiheit ist die Entscheidung des Beklagten, selbst die Stelle in Anspruch zu nehmen, nicht zu beanstanden. Von einem Arbeitgeber, der gemeinsam mit einem einzigen Angestellten einen Betrieb führt, wird auch nicht erwartet, dass er bei einem Umsatzrückgang sich eine andere Erwerbstätigkeit sucht, um das Arbeitsverhältnis nicht zu gefährden. Es kann nicht als unsachlich und willkürlich angesehen werden, wenn ein Arbeitgeber in einer derartigen Konfliktsituation sich selbst auf Kosten eines Arbeitnehmers eine Beschäftigungsmöglichkeit sichert, um sich eine neue wirtschaftliche Grundlage zu verschaffen.

Der Umstand, dass der Kläger während der längeren Krankheit des Beklagten die Generalagentur durch erheblichen Einsatz am Leben gehalten hat, ist bei der Beurteilung des Falles von emotionaler, nicht jedoch von rechtlicher Bedeutung.

Nach den vorangegangenen Ausführungen ist – wie bereits das Arbeitsgericht festgestellt hat – eine Treuwidrigkeit der Kündigung ebenso nicht erkennbar.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 97 ZPO.

Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass. Die Entscheidung ist am Einzelfall orientiert.

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