FG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2012 - 9 K 1637/10
Fundstelle
openJur 2013, 16082
  • Rkr:
Tenor

1. Der Einkommensteuerbescheid 2009 vom 8. April 2010 wird dahingehend abgeändert, dass die Einkommensteuer in Höhe von 1.182 Euro festgesetzt wird.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch einfache Erklärung abwenden, wenn der Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob der Ausschluss des Abzugs von Werbungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen ab dem Veranlagungszeitraum 2009 verfassungsgemäß ist.

Der Kläger ist testamentarischer Alleinerbe der im Juli 1914 geborenen X. Diese schloss zusammen mit ihrem damals noch lebenden Ehemann als Treugeber am 5. März 1998 mit dem Prozessbevollmächtigten einen Treuhandvertrag. Gegenstand des Vertrags war die Verwaltung des den Treugebern gehörenden Einfamilienhauses, verschiedener einzeln bezeichneter Konten und Sparbücher sowie der bestehenden Rentenansprüche. Die Vergütung bestand in einem Pauschalhonorar, einem zusätzlichen Stundenhonorar für besondere Maßnahmen, Aufwendungs- und Auslagenersatz. Für die Erstellung der ehelichen Steuererklärungen wurde die Vergütung gemäß der Steuerberatergebührenverordnung vereinbart. Wegen der Einzelheiten wird auf den in den Akten vorhandenen Vertrag verwiesen (Allgemeine Akten, Bl. 10-16). Seit dem Jahr 2000 lebte Frau X in einem Pflegeheim.

Nachdem zwischenzeitlich der Ehemann von Frau X verstorben war, erteilte sie dem Prozessbevollmächtigten am 15. November 2004 eine umfassende General- und Vorsorgevollmacht, die ausdrücklich auch die Vertretung in Steuerangelegenheiten umfasst. Am 16. November 2004 wurde der Treuhandvertrag geändert und ein höheres Pauschalhonorar sowie eine zusätzliche Sondervergütung vereinbart. Das Einfamilienhaus wurde im Jahr 2006 veräußert.

Im Rahmen des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 (Bundesgesetzblatt I 2007, S. 1912) wurde die Besteuerung der Erträge aus privatem Kapitalvermögen umfassend neu gestaltet und in die Form einer Abgeltungssteuer überführt. Für die Einkünfte aus Kapitalvermögen gilt seitdem ein einheitlicher Steuersatz von 25 %, der mit abgeltender Wirkung an der Quelle einbehalten wird (§ 32d, § 43 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes in der im Veranlagungszeitraum 2009 geltenden Fassung - nachfolgend: EStG). Weiterhin wurde ein einheitlicher Sparer-Pauschbetrag von 801 EUR eingeführt und der Abzug von darüber hinausgehenden tatsächlichen Werbungskosten grundsätzlich ausgeschlossen (§ 20 Abs. 9 S. 1 EStG). Für Steuerpflichtige, deren persönlicher Steuersatz niedriger als der Abgeltungssteuersatz ist, wurde in § 32d Abs. 6 EStG die Möglichkeit geschaffen, die Einkünfte aus Kapitalvermögen nur dem niedrigeren Steuersatz zu unterwerfen. Der Antrag kann für den jeweiligen Veranlagungszeitraum nur einheitlich für sämtliche Kapitalerträge gestellt werden.

In der im März 2010 beim Beklagten abgegebenen Einkommensteuererklärung 2009 erklärte Frau X neben Renteneinkünften Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von 30.238 EUR. Zu diesem Zeitpunkt war Frau X 95 Jahre alt und litt an einer dementen Störung, weshalb sie in die Pflegestufe II eingestuft worden ist. Der Prozessbevollmächtigte verwaltete aufgrund des Treuhandvertrags das Vermögen von Frau X und betreute sie. In der Steuererklärung wies der Prozessbevollmächtigte darauf hin, dass im Veranlagungszeitraum 2009 eine Zusammenballung von Einnahmen aus Kapitalvermögen vorliege. Im Folgejahr 2010 sei lediglich mit Zinseinnahmen von 12.800 EUR zu rechnen, was zu einer Steuerschuld von 0 EUR führe. Im Einkommensteuerbescheid 2009 vom 8. April 2010 berücksichtigte der Beklagte die Kapitaleinnahmen in der erklärten Höhe und zog den Sparer-Pauschbetrag von 801 Euro ab. Von der im Veranlagungszeitraum 2009 aufgrund des Treuhandvertrags von Frau X gezahlten Vergütung von insgesamt 10.647,64 EUR berücksichtigte der Beklagte einen Teilbetrag von 3.549,21 EUR als außergewöhnliche Belastung für die allgemeine Betreuung durch den Prozessbevollmächtigten.

Mit der form- und fristgerecht erhobenen Sprungklage begehrt der Kläger - als Rechtsnachfolger von Frau X - den Abzug von Werbungskosten aus Kapitalvermögen in Höhe von insgesamt 7.375 EUR. Dieser Betrag setze sich zusammen aus der nicht berücksichtigten Treuhand-Vergütung von 7.098,43 EUR und Steuerberatungskosten für die Einkünfte aus Kapitalvermögen (für 2008) in Höhe von 277 EUR. Dieser Aufwand sei bei der Berechnung der Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht berücksichtigt worden. Dies verstoße gegen das aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes abgeleitete Prinzip der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und das objektive Nettoprinzip. Das Bundesverfassungsgericht habe nicht nur darauf abgestellt, ob es für getragene Aufwendungen eine berufliche oder private Veranlassung gebe, sondern auch darauf, ob eine freie oder zwangsläufige Einkommensverwendung vorliege. Eine zulässige Typisierung liege nicht vor. Bei der zunehmenden Veralterung und Kinderlosigkeit der Bevölkerung sei die Annahme gerechtfertigt, dass der Fall von Frau X kein Einzelfall sei. Der Vereinfachungseffekt liege in der Praxis allein darin, dass die Finanzverwaltung Höhe und Richtigkeit von Werbungskosten nicht mehr prüfen müsse.

Der Kläger beantragt, den Einkommensteuerbescheid vom 8. April 2010 dahin zu ändern, dass weitere Werbungskosten von 6.574 EUR bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abgezogen werden.

Der Beklagte hat keinen Antrag gestellt.

X ist im September 2010 verstorben. Testamentarischer Alleinerbe ist der Kläger, der in die Fortführung des Rechtsstreits eingewilligt hat.

Die Beteiligten haben in den Schriftsätzen vom 15. April 2010 und vom 23. Juni 2010 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Dem Sach- und Streitstand lagen neben den Gerichtsakten jeweils ein Band Allgemeine Akten und Einkommensteuerakten des Beklagten zu Grunde.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Einkommensteuerbescheid 2009 verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO), da aufgrund verfassungskonformer Auslegung von § 32d Abs. 6 S. 1 EStG bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen weitere Werbungskosten von 6.574 EUR abzuziehen sind.

I.Die Klage ist zulässig.

Bei der gebotenen Auslegung begehrt der Kläger den Werbungskostenabzug für weitere 6.574 EUR. Aus der Begründung ergibt sich eindeutig, der Kläger insgesamt 7.375 EUR als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend macht. Im Bescheid vom 8. April 2010 wurden bereits 801 EUR berücksichtigt, so dass ein Rest von 6.574 EUR verbleibt.

Ein Vorverfahren ist nach § 45 FGO entbehrlich, da der Beklagte der Klageerhebung mit Übersendung der dort angebrachten Klage im Schriftsatz vom 22. April 2010 zugestimmt hat. Die mit der Übersendung der Klageschrift abgegebene Zustimmungserklärung ist nach Sinn und Zweck von § 45 Abs. 1 S. 2 FGO auch dann wirksam, wenn sie bereits vor Zustellung der Klage erfolgt (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Juli 1986 I R 173/82, Sammlung der nicht veröffentlichten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 1987, 178).

II.Die Klage ist auch begründet.

In der Person von Frau X sind Werbungskosten von insgesamt 7.375 EUR entstanden. Diese sind steuerlich zu berücksichtigen, soweit sie über den Sparer-Pauschbetrag von 801 EUR hinausgehen. Im Rahmen der Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 S. 1 EStG sind die Kapitaleinkünfte unter Ansatz der tatsächlichen Werbungskosten zu ermitteln. Die Vorschrift ist verfassungskonform auszulegen.

1.Nach § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EStG sind die Einkünfte im Bereich der Überschusseinkunftsarten der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten. Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind (§ 9 Abs. 1 S. 1 und 2 EStG). Nach § 2 Abs. 2 S. 2 EStG tritt bei Einkünften aus Kapitalvermögen § 20 Abs. 9 EStG vorbehaltlich der Regelung in § 32d Abs. 2 EStG an die Stelle der §§ 9 und 9a EStG. Nach § 20 Abs. 9 S. 1 EStG ist bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen ein Sparer-Pauschbetrag von 801 EUR abzuziehen; der Abzug der tatsächlichen Werbungskosten ist ausgeschlossen.

Nach § 32d Abs. 6 S. 1 EStG werden auf Antrag des Steuerpflichtigen anstelle der Anwendung des Proportionalsteuersatzes die nach § 20 ermittelten Kapitaleinkünfte den Einkünften im Sinne des § 2 hinzugerechnet und der tariflichen Einkommensteuer unterworfen, wenn dies zu einer niedrigeren Einkommensteuer einschließlich Zuschlagsteuern führt (Günstigerprüfung). Ausweislich der Gesetzesbegründung regelt diese Vorschrift die Wahlmöglichkeit des Steuerpflichtigen, seine Einkünfte aus Kapitalvermögen abweichend von § 32d EStG den allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Regelungen zur Ermittlung der tariflichen Einkommensteuer zu unterwerfen. Der Antrag kann für den jeweiligen Veranlagungszeitraum nur einheitlich für sämtliche Kapitalerträge gestellt werden.

In der Gesetzesbegründung wird zum Hintergrund der Einführung der Abgeltungssteuer ausgeführt, der Gesetzgeber wolle - im Hinblick auf die guten Erfahrungen mit einer Abgeltungssteuer in anderen Ländern der Europäischen Union - mit der Reform den Transfer von Kapitalvermögen der privaten Haushalte ins Ausland verhindern und eine moderne Besteuerung der privaten Kapitaleinkommen einführen (Bundestags-Drucksache 16/4841, Seite 30). Zu diesem Zweck war es erklärtes Ziel der Abgeltungssteuer, neben einer erheblichen steuerlichen Entlastung auch eine drastische Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens von Kapitaleinkünften herbeizuführen (Bundestags-Drucksache 16/4841, Seite 35). Eine Aufnahme der Einkünfte in die Steuererklärung ist nicht mehr erforderlich, soweit der Steuerabzug an der Quelle vorgenommen wurde. In der Gesetzesbegründung ist ausgeführt, durch den Sparer-Pauschbetrag werde sowohl eine Typisierung hinsichtlich der Höhe der Werbungskosten in den unteren Einkommensgruppen vorgenommen, als auch berücksichtigt, dass mit einem relativ niedrigen Proportionalsteuersatz von 25 % die Werbungskosten in den oberen Einkommensgruppen mit abgegolten werden (Bundestags-Drucksache 16/4841, Seite 57).

2.In der Person von Frau X sind Werbungskosten von insgesamt 7.375 EUR entstanden. Die aufgrund des Treuhandvertrags im Streitjahr geleisteten Zahlungen stellen begrifflich Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen dar, soweit sie nicht mit der Betreuung von Frau X in Zusammenhang stehen und als außergewöhnliche Belastung abgezogen wurden. Nach der Veräußerung des Einfamilienhauses im Jahr 2006 umfasste das Treugut nur noch das ca. xxx.xxx EUR umfassende Finanzvermögen von Frau X sowie deren Rentenansprüche gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung und der Zusatzversorgungskasse. Anhaltspunkte für Rechtsstreitigkeiten im Hinblick auf die Rentenzahlungen sind nicht erkennbar. Die Tätigkeit des Treuhänders stand im Streitjahr damit nahezu ausschließlich im Zusammenhang mit der Verwaltung des Finanzvermögens der X, mit dem diese Einnahmen aus Kapitalvermögen erzielt hat. Das gleiche gilt für die Steuerberatungskosten, da diese mit der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen für die im Jahr 2009 abgegebene Steuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2008 in Zusammenhang stehen. Die privaten Steuerberatungskosten (106,62 EUR) sind in der Steuererklärung davon getrennt ausgewiesen (vgl. Einkommensteuerakten 2009, Bl. 8).

3.Die Regelung in § 32d Abs. 6 S. 1 EStG ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die tatsächlich entstandenen Werbungskosten jedenfalls dann abzugsfähig sind, wenn - wie im Streitfall - der individuelle Steuersatz bereits unter Berücksichtigung nur des Sparer-Pauschbetrag unter 25 % liegt. Ein absolutes und unumkehrbares Abzugsverbot von Werbungskosten wäre in diesen Fällen nach Ansicht des Senats verfassungswidrig.

a.Der in Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes formulierte allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weit reichenden Entscheidungsspielraum (Urteile des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 9. Dezember 2008 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfGE - 122, 210 unter C.I.2.a der Entscheidungsgründe und vom 22. Juni 1995 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 unter C.I.1.d der Entscheidungsgründe). Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird insbesondere im Bereich des Einkommensteuerrechts durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit begrenzt. Danach muss im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedriger Einkommen angemessen sein muss. Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Diese Belastungsentscheidung hat der einfache Gesetzgeber durch die Bemessung der finanziellen Leistungsfähigkeit nach dem objektiven und dem subjektiven Nettoprinzip getroffen. Danach unterliegt der Einkommensteuer grundsätzlich nur das Nettoeinkommen, nämlich der Saldo aus den Erwerbseinnahmen einerseits und den betrieblichen bzw. beruflichen Erwerbsaufwendungen (objektives Nettoprinzip) sowie den privaten existenzsichernden Aufwendungen (subjektives Nettoprinzip) andererseits. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes. Als solche Gründe hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung vor allem außerfiskalische Förderungs- und Lenkungszwecke sowie Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse anerkannt (dazu ausführlich BVerfG-Urteil vom 9. Dezember 2008 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 unter C.I. der Entscheidungsgründe mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).

b.Der Ausschluss des Abzugs der tatsächlichen Werbungskosten im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen stellt eine Ausnahme vom objektiven Nettoprinzip dar. Es werden alle Steuerpflichtigen schlechtergestellt, die zur Erzielung ihrer Einnahmen aus Kapitalvermögen Werbungskosten von mehr als 801 EUR aufgewendet haben.

Das objektive Nettoprinzip gilt auch im Rahmen der Abgeltungssteuer. Der Gesetzgeber hat mit der Einführung der Abgeltungssteuer keinen Systemwechsel im Sinne einer Abkehr vom objektiven Nettoprinzip bei der Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen vollzogen. Vielmehr hat er im Rahmen des bestehenden Systems einen gesonderten proportionalen Steuersatz für die im Privatvermögen erzielten Einkünfte aus Kapitalvermögen geschaffen und hierfür den Abzug der Werbungskosten ausgeschlossen. Auch im Rahmen der neu geregelten Besteuerungstatbestände für Kapitalerträge hat der Gesetzgeber im Grundsatz am objektiven Nettoprinzip festgehalten. So gilt es z.B. weiterhin uneingeschränkt, wenn die Kapitalerträge einer anderen Einkunftsart zuzuordnen sind (§ 20 Abs. 8 EStG), soweit es sich um Veräußerungstatbestände handelt (§ 20 Abs. 4 EStG) oder in den in § 32d Abs. 2 EStG geregelten Fällen. In § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG ist das objektive Nettoprinzip durch den Abzug der Prämien für Glattstellungsgeschäfte direkt im Besteuerungstatbestand umgesetzt. Durch das Jahressteuergesetz 2008 wurde mit § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG ein antragsgebundenes Wahlrecht für die - typischerweise fremdfinanzierten - unternehmerischen Beteiligungen begründet, das ebenfalls einen Werbungskostenabzug in vollem Umfang zulässt. Der Werbungskostenabzug ist damit nur im Zusammenhang mit im Privatvermögen erzielten Einnahmen aus Kapitalvermögen ausgeschlossen.

c.Die Ausnahme ist jedoch nicht durch besondere sachliche Gründe gerechtfertigt.

(i)Nicht zu entscheiden hat der Senat, ob das Abzugsverbot in den Fällen gerechtfertigt und damit verfassungsgemäß ist, in denen der Nachteil aus dem Abzugsverbot dadurch ausgeglichen wird, dass die Kapitaleinkünfte nur mit 25 % statt mit einem höheren individuellen Steuersatz besteuert werden. Die Einkünfte von Frau X sind der tariflichen Einkommensteuer unterworfen worden. Der Durchschnittssteuersatz von Frau X gemäß Bescheid vom 8. April 2010 liegt bei 14,34 %.

(ii)Nach der Auffassung des erkennenden Senats ist der Gesetzgeber nicht grundsätzlich gehindert, einen Sparer-Pauschbetrag einzuführen und den Abzug tatsächlich höherer Werbungskosten insgesamt auszuschließen. Bereits in der Entscheidung vom 27. Juni 1991 hat das Bundesverfassungsgericht selbst darauf hingewiesen, dass die Belastung der Erwerbsgrundlage "Finanzkapital" mit einer an der Quelle erhobenen Definitivsteuer möglich ist. Es hat aber andererseits auch betont, dass eine solche Besteuerung nur dann folgerichtig umgesetzt werde, wenn dem vermutlich unterdurchschnittlichen Steuersatz der Kleinsparer durch beachtliche Freibeträge Rechnung getragen wird (Az. 2 BvR 1493/89, BVerfGE 1984, 239 unter C.II.4.b der Entscheidungsgründe). Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt. Auf dieser Grundlage darf er generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen (ständige Rechtsprechung, vergleiche BVerfG-Urteile vom 9. Dezember 2008 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 unter C.I.2.b.bb der Entscheidungsgründe und vom 6. März 2002 2 BvL 17/99 BVerfGE 105, 73, 127 unter C.IV.3 der Entscheidungsgründe).

(iii)Die vom Gesetzgeber zur Typisierung angeführten Gründe reichen nicht aus, um einen vollständigen Ausschluss des Werbungskostenabzugs zu rechtfertigen. Durch § 20 Abs. 9 S. 1 EStG ist der Abzug von tatsächlichen Werbungskosten absolut ausgeschlossen. Ein Nachweis höherer Werbungskosten ist dem Steuerpflichtigen nicht möglich. Es liegt daher ein massiver Eingriff in das objektive Nettoprinzip vor. Durch den schwerwiegenden Eingriff, erhöhen sich auch die Anforderungen an die Rechtfertigung des Abzugsverbots.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (BVerfG-Urteile vom 8. Juni 2004 2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 412 unter 1. der Entscheidungsgründe und vom 9. Dezember 2008 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 unter C.I.1 der Entscheidungsgründe). Der Gleichheitssatz ist umso strikter, je mehr eine Regelung den Einzelnen als Person betrifft, und umso offener für gesetzgeberische Gestaltungen, je mehr allgemeine, für rechtliche Gestaltungen zugängliche Lebensverhältnisse geregelt werden (BVerfG-Beschluss vom 10. April 1997 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 unter B.I.1 und B.II.3 der Entscheidungsgründe).

Bezogen auf die hier streitige Regelung ergibt sich aus dem Gebot zur folgerichtigen Umsetzung für den Gesetzgeber eine erhöhte Begründungspflicht zur Rechtfertigung des absoluten Abzugsverbots. Der Gesetzgeber hat anhand prüfbarer Daten darzulegen, dass durch den Sparer-Pauschbetrag in Verbindung mit den geringeren Steuersatz die weitaus überwiegende Masse aller Fälle abgedeckt wird. Dies ist nicht geschehen. Ausweislich der Gesetzesbegründung ergibt sich der Sparer-Pauschbetrag aus der Zusammenrechnung des bis zum Veranlagungszeitraum 2008 existierenden Werbungskosten-Pauschbetrags von 51 EUR und des Sparerfreibetrags von 750 EUR; damit sollen die typischerweise entstehenden Werbungskosten in den unteren Einkommensgruppen abgedeckt werden (Bundestags-Drucksache 16/4841, Seite 57). Es ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber bei der Bemessung des Sparer-Pauschbetrages überhaupt geprüft hat, ob tatsächlich in der überwiegenden Mehrzahl aller Fälle mit einem Durchschnittssteuersatz von 25 % oder weniger nur Werbungskosten von weniger als 801 EUR entstanden sind. Nach der Analyse des Halbeinkünfteverfahrens durch das Statistische Bundesamt im Rahmen der Einkommensteuerstatistik 2002 haben Steuerpflichtige im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen 2002 - neben 1.636 EUR an Sparerfreibeträgen - im Durchschnitt insgesamt 445 EUR an Werbungskosten aufgewendet. Der Median dieser Kosten liegt bei 102 EUR. Aus dem Vergleich beider Werte ergibt sich, dass in etwa 20 % der Fälle tatsächlich höhere Werbungskosten als 801 EUR anfallen (Jochum in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG-Kommentar Stand: 02/2011, § 20 RNr. K62). Es ist nicht sicher, dass die verbleibende Gruppe von 20 % nahezu ausschließlich Bezieher höherer Einkommen sind. Gerade der Streitfall zeigt, dass es insbesondere in den unteren Einkommensgruppen Fälle gibt, in denen - krankheitsbedingt oder aus anderen Gründen - höhere Werbungskosten als 801 EUR entstehen und selbst die Anwendung der tariflichen Einkommensteuer noch zu einer höheren Steuerlast führt. Besonders drastisch zeigt sich die Erhöhung der Steuerlast durch das Abzugsverbot in den Fällen, in denen bei Ansatz der tatsächlichen Kosten überhaupt keine Steuer zu zahlen wäre. Dem erkennenden Senat sind aus seiner Tätigkeit zudem einige Fälle bekannt, in denen Steuerpflichtige auch mit geringerem Einkommen fremdfinanziert Aktien erworben haben und im Anschluss die - nach alter Rechtslage erhebliche - Zuordnung der Schuldzinsen zu den abziehbaren Kapitaleinkünften oder den nicht steuerbaren privaten Veräußerungsgeschäften streitig war. Dies lässt darauf schließen, dass auch bei den Kleinanlegern fremdfinanzierte Kapitalanlagen jedenfalls nicht unüblich sind. Diese Gruppe durfte der Gesetzgeber nicht einfach außer Acht lassen (ebenso Kämmerer, DStR 2010, 27, 28; Englisch, StuW 2007, 221, 239; zusätzlich befürchten eine mögliche Substanzbesteuerung: Jochum in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG-Kommentar Stand: 02/2011, § 20 RNr. K66; Intemann in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Kommentar Stand: 12/2011, § 20 EStG RNr. 8 und 682; Stuhrmann in: Blümich, EStG, Kommentar 116. Auflage, § 20 RNr. 487; Hey, BB 2007, 1303, 1307; Behrens, BB 2007, 1025, 1028; Gemmel/Hoffman-Fölkersamb, NWB Fach 3, 14695, 14703; Wenzel, DStR 2009, 1183). Er durfte - bei einem absoluten Ausschluss von abziehbaren Werbungskosten - auch nicht abstrakt darauf vertrauen, dass in den unteren Einkommensgruppen keine höheren Werbungskosten als 801 EUR entstehen (anders: vgl. Moritz in: Frotscher, EStG Stand: 12/2011, § 20 (n.F.), RNr. 45; von Beckerath in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz 11. Auflage 2012, § 20 RNr. 14; Eckhoff, FR 2007, 989, 998; Wernsmann, Beihefter zu DStR Heft 34, 2009, 101, 102).

Das absolute Abzugsverbot ist auch nicht aus anderen Gründen gerechtfertigt. Eine grobe Pauschalierung unter Ausschluss des tatsächlich entstandenen Aufwands wurde bislang unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten insbesondere in den Fällen anerkannt, in denen es der Finanzverwaltung - z.B. aufgrund des engen Zusammenhangs zur Sphäre der privaten Lebensführung - an wirksamen Kontrollmöglichkeiten mangelt (vergleiche zum häuslichen Arbeitszimmer: BVerfG-Urteil vom 7. Dezember 1999 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297 unter B.II.1.b und c der Entscheidungsgründe; BVerfG-Urteil vom 6. Juli 2010 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268 unter C.II.5.a der Entscheidungsgründe). Genau dieser Mangel an Kontrollmöglichkeiten besteht jedoch beim Abzug der Werbungskosten im Bereich der Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht. Auch die streitanfällige Zuordnung von Schuldzinsen entfällt ab dem Veranlagungszeitraum 2009.

Die mit dem Besteuerungsverfahren verbundene erhebliche Vereinfachungswirkung kann die mit der absoluten Begrenzung des Werbungskostenabzugs verbundene massive Beeinträchtigung des objektiven Nettoprinzips nicht ausgleichen (anders: von Beckerath in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz 11. Auflage 2012, § 20 RNr. 14). Vereinfachungszwecke können eine geringfügige Mehrbelastung rechtfertigen (BVerfG-Beschluss vom 12. Oktober 2010 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224 unter D.III.3.b.dd der Entscheidungsgründe). Der erkennende Senat versteht die Formulierung des Bundesverfassungsgerichts in der Entscheidung vom 27. Juni 1991, dem Gebot der folgerichtigen Umsetzung sei durch beachtliche Freibeträge Rechnung zu tragen (Az. 2 BvR 1493/89, BVerfGE 1984, 239 unter C.II.4.b der Entscheidungsgründe) dahin, dass auch die Vereinfachungswirkung im Hinblick auf das Besteuerungsverfahren nicht den Ausschluss einer erheblichen Gruppe aus der gesetzlichen Typisierung rechtfertigen kann.

(iv)Auch eine Rechtfertigung durch außerfiskalische Förderungs- und Lenkungszwecke ist nicht ersichtlich. Es ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber solche Zwecke mit dem Abzugsverbot verfolgt hat. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus dem Zusammenbruch des Neuen Marktes und der Finanzkrise wäre es zwar denkbar, dass der Gesetzgeber die fremdfinanzierte Kapitalanlage im privaten Bereich bewusst ausschließen wollte. Dieser Zweck ist allerdings in den Gesetzesmaterialien nicht erkennbar von der gesetzgeberischen Entscheidung getragen und kann daher nicht als Rechtfertigungsgrund angeführt werden (BVerfG-Urteil vom 9. Dezember 2008 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 unter C.I.2.b.aa der Entscheidungsgründe). Dass die Abgeltungssteuer generell den Zweck hat, die Verlagerung von Kapitalvermögen ins Ausland zu vermeiden, lässt sich als Lenkungszweck zwar für den Steuersatz, nicht jedoch für das Abzugsverbot hinsichtlich der Werbungskosten verwenden.

(v)Die Verfassungswidrigkeit lässt sich jedoch durch eine verfassungskonforme Auslegung von § 32d Abs. 6 S. 1 EStG vermeiden.

(a)Die verfassungskonforme Auslegung einer Norm ist dann geboten, wenn unter Berücksichtigung von Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Gesamtzusammenhang und Zweck des Gesetzes mehrere Deutungen möglich sind, die Auslegung nicht im Widerspruch zu dem klar erkennbar geäußerten Willen des Gesetzgebers tritt und das gesetzgeberische Ziel nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird (BVerfG-Beschluss vom 16. Juni 2009 1 BvR 2269/07, BauR 2009, 1424 unter II.2 der Entscheidungsgründe).

(b)Der Wortlaut des Gesetzes steht dieser Auslegung nicht entgegen. Auch aus systematischer Sicht ist diese Auslegung möglich. Der Gesetzgeber hat an verschiedenen Stellen der Gesetzesbegründung deutlich gemacht, dass er den Abzug von Werbungskosten dann in vollem Umfang zulassen will, wenn die Kapitaleinkünfte der tariflichen Einkommensteuer unterliegen. So ist dies ausdrücklich für die in § 32d Abs. 2 Nr. 1 und 3 EStG aufgeführten Fälle angeordnet (vergleiche die Begründung zu § 2 Abs. 2 S. 2 EStG, Bundestags-Drucksache 16/4841, Seite 46). Auch die in § 20 Abs. 8 EStG angeordnete Subsidiaritätswirkung führt dazu, dass die Anwendung des progressiven Einkommensteuertarifs mit der vollen Abziehbarkeit von Werbungskosten einhergeht. Ferner spricht der Zweck von § 32d Abs. 6 EStG für die hier vorgenommene Auslegung. Die Günstigerprüfung soll vermeiden, dass Steuerpflichtige, deren Steuersatz geringer ist als 25 %, durch die Besteuerung im Rahmen der Abgeltungssteuer einer höheren Belastung als nach der tariflichen Einkommensteuer ausgesetzt werden. Ein eindeutiger Wille des Gesetzgebers, den Abzug der tatsächlichen Werbungskosten auch im Falle der Günstigerprüfung auszuschließen, lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. In der Begründung zu § 20 Abs. 9 EStG wird ausdrücklich ausgeführt, der Ansatz der tatsächlichen Werbungskosten sei nur "grundsätzlich" ausgeschlossen (Bundestags-Drucksache 16/4841, Seite 57). Der Gesetzgeber ist also selbst davon ausgegangen, dass es Ausnahmen vom Ausschluss des Werbungskostenabzugs geben muss. Ebenso spricht die Gesetzesbegründung zu § 32d Abs. 6 EStG davon, dass der Steuerpflichtige die Wahl habe, seine Einkünfte aus Kapitalvermögen abweichend von § 32d den allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Regelungen zur Ermittlung der tariflichen Einkommensteuer zu unterwerfen (Bundestags-Drucksache 16/4841, Seite 62). Die allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Regelungen sehen jedoch vor, dass bei der Ermittlung der Einkünfte sämtliche Werbungskosten von den Einnahmen abgezogen werden (§ 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EStG). Dies hat sich durch die Einfügung von § 2 Abs. 2 S. 2 EStG nicht geändert. Hiervon geht auch der Gesetzgeber aus, weil er die Kapitalerträge im Sinne des § 32d Abs. 2 Nr. 1 und 3 vom Abzugsverbot ausdrücklich ausnimmt, da diese auch zukünftig der tariflichen Einkommensteuer unterfallen (Bundestags-Drucksache 16/4841, Seite 46). Daraus lässt sich der Wille des Gesetzgebers entnehmen, alle diejenigen Kapitalerträge, die der tariflichen Einkommensteuer unterliegen, gemäß dem objektiven Nettoprinzip nur nach Abzug der tatsächlichen Werbungskosten dem allgemeinen Einkommensteuertarif zu unterwerfen. Dies ist auch im Falle Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG der Fall.

Durch die hier vorgenommene verfassungskonforme Auslegung wird das gesetzgeberische Ziel nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht. Die durch die Einführung des Sparer-Pauschbetrags erstrebte Vereinfachungswirkung bleibt erhalten. Der Steuerpflichtige muss von sich aus - durch die Antragstellung - an die Finanzbehörden herantreten. Ein Veranlagungsverfahren ist in diesen Fällen ohnehin durchzuführen. Das schwierige und streitanfällige Problem der Zuordnung von Schuldzinsen zu den laufenden Einkünften oder den nicht steuerbaren privaten Veräußerungsgeschäften ist durch die Aufnahme der letzten Gruppe in die Besteuerungstatbestände entfallen. Eine große Masse von Anträgen, die den Vereinfachungszweck konterkarieren würden, ist aufgrund der hier vorgenommenen Auslegung nicht zu erwarten. Wenn auch nicht die breite Masse, so dürfte jedoch jedenfalls ein erheblicher Anteil der Kapitalanleger in den unteren Einkommensgruppen keine höheren Werbungskosten als 801 EUR haben. In den höheren Einkommensgruppen dürfte selbst bei erheblichen Werbungskosten der Vorteil aus dem niedrigeren Steuersatz dazu führen, dass ein Antrag für den Steuerpflichtigen nicht günstiger ist. Durch die in § 93 Abs. 7 S. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung eingeräumte Möglichkeit des automatisierten Abrufs von Kontoinformationen wird auch der Prüfungsaufwand für die Finanzbehörden gering gehalten.

4.Unter Berücksichtigung von Werbungskosten von 7.375 EUR und der damit verbundenen Minderung der zumutbaren Eigenbelastung ergibt sich ein zu versteuerndes Einkommen von 13.868 EUR, woraus eine Einkommensteuer von 1.182 EUR resultiert.

III.Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

IV.Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und des Vollstreckungsschutzes folgt aus den § 151 Abs. 1 und 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO). Da gegen Urteile des Finanzgerichts - ebenso wie gegen Berufungsurteile der Land- und Oberlandesgerichte - nur die Revision statthaft ist, ist § 708 Nr. 10 ZPO entsprechend anwendbar (Stapperfend in: Gräber, FGO, 7. Auflage 2010, § 151 RNr. 3 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). In entsprechender Anwendung von § 711 S. 1 ZPO hält der erkennende Senat die Auferlegung einer Sicherheitsleistung durch den Beklagten für nicht erforderlich (Urteil des FG Baden-Württemberg vom 26. Februar 1991 4 K 23/90, EFG 1991, 338 - aus anderen Gründen vom BFH aufgehoben: BFH-Urteil vom 17. Dezember 1991 VII R 36/91, BFH/NV 1992, 569).

V.Die Revision wird zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO)