LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 02.04.2012 - L 1 AS 5113/11
Fundstelle
openJur 2013, 15446
  • Rkr:

Zinsen aus einem Bausparvertrag sind für den Hilfebedürftigen verfügbares Einkommen. Dies gilt auch dann, wenn Voraussetzung hierfür die Auflösung des Bausparvertrages ist.

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 09.11.2011 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind weder im erstinstanzlichen Klageverfahren noch im Berufungsverfahren zu erstatten.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die teilweise Aufhebung der Bewilligung und Rückforderung von Arbeitslosengeld II (Alg II) aufgrund der mit einem Bausparguthaben erzielten Zinsen im Streit.

Der 1952 geborene erwerbsfähige Kläger befand sich im Leistungsbezug der Beklagten nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), als er am 18.08.2009 die Weiterbewilligung von Leistungen ab dem 01.09.2009 beantragte. Der Kläger gab hierbei an, abgesehen von einer monatlichen Ehrenamtspauschale von 144 EUR nach § 3 Nr. 26 EStG (vgl. die Bescheinigung der Lebenshilfe H. e.V. vom 15.07.2009, Bl. 183 der Verwaltungsakte) über kein laufendes Einkommen zu verfügen.

Mit Bescheid vom 18.08.2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger für September 2009 Alg II in Höhe von 472,39 EUR (359 EUR Regelleistung und 113,39 EUR Kosten der Unterkunft [KdU]) sowie für die Zeit vom 01.10.2009 bis zum 28.02.2010 monatliche Leistungen in Höhe von 721,38 EUR (359 EUR Regelleistung und 362,38 EUR KdU), wobei jeweils Einkommen auf die Leistungen nicht angerechnet wurde.

Für die Zeit vom 01.03.2010 bis zum 31.08.2010 wurden mit Bescheid vom 15.02.2010, geändert durch Bescheid vom 18.02.2010, monatliche Leistungen in Höhe von 712,70 EUR bewilligt (359 EUR Regelleistung und 353,70 EUR KdU).

Schließlich wurden mit Bescheid vom 12.08.2010 für September 2010 514,96 EUR (359 EUR Regelleistung und 155,96 EUR KdU) und für die Zeit vom 01.10.2010 bis 28.02.2011 monatlich 732,90 EUR (359 EUR Regelleistung sowie 373,90 EUR KdU) bewilligt. Hierbei wurde ein Guthaben bei der GGH für September 2010 angerechnet, welches zu der niedrigeren Bewilligung der KdU in diesem Monat geführt habe.

Durch den Abgleich von Sozialdaten erhielt der Beklagte am 24.01.2011 Kenntnis davon, dass der Kläger im Jahr 2009 einen Kapitalertrag für eine Geldanlage bei der W.-Bausparkasse in Höhe von 68,-- EUR erzielt hatte.

Der Kläger erklärte auf Anfrage hierzu, dass es sich um vermögenswirksame Leistungen handele, die er von Dezember 1999 bis Dezember 2004 bezogen habe. Er gehe davon aus, dass er dieses Konto bei dem erstmaligen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II mitgeteilt habe. Da die Zinsen nicht ausgezahlt würden, sei er der Meinung gewesen, dass er sie nicht auf dem Antragsformular für Alg II habe eintragen müssen. Er entschuldigte sich für dieses Versehen und sagte zu, diese Einnahmen in Zukunft mit entsprechendem Beleg nachzuweisen. Der Kläger legte einen Kontoauszug der W.-Bausparkasse AG vom 31.12.2009 sowie die Steuerbescheinigung der Bausparkasse für das Jahr 2009 vor, wonach dem Kläger am 31.12.2009 68,26 EUR Zinsen für ein Bausparguthaben in Höhe von 3.413,02 EUR gutgeschrieben worden waren. In gleicher Weise sind dem Kläger für das Bausparguthaben am 31.12.2010 Zinsen in Höhe von 69,63 EUR gutgeschrieben worden.

Der Beklagte hörte den Kläger dazu an, dass wegen des Kapitalertrags von 68,-- EUR im Jahr 2009 und des Kapitalertrags im Jahr 2010 in Höhe von 69,63 EUR die Rückforderung überzahlter Leistungen in Höhe von 77,89 EUR beabsichtigt sei (38,26 EUR Überzahlung im Dezember 2009 und 39,63 EUR im Dezember 2010).

Der Kläger verwies darauf, dass sein gesamtes Vermögen (Sparguthaben, Girokonto- und Bargeldbestand) nur ca. die Hälfte des ihm zustehenden anrechnungsfreien Vermögensbetrages ausmache. Die jährlich anfallenden Zinsen zum staatlich geförderten Sparguthabens würden diesem Konto gutgeschrieben und seien damit ein Teil dieses Sparkontos. Die Zinsen stünden überdies nicht zur Deckung des laufenden Lebensunterhalts zur Verfügung und dienten auch nicht diesem Zweck. Die Sparzinsen sorgten gerade eben für den Geldwerterhalt des Sparkontos in Form eines Inflationsausgleichs.

Der Kläger legte eine Bestätigung der W.-Bausparkasse AG vom 04.03.2011 vor, wonach es bei dem Bausparvertrag nicht möglich sei, sich nur die Zinsen auszahlen zu lassen, sondern lediglich die Auflösung des Vertrags insgesamt möglich sei. Eine Teilverfügung sei bei der aktuellen kleinstmöglichen Bausparsumme des Klägers nicht zulässig.

Mit Bescheid vom 03.05.2011 hob der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 18.08.2009 für die Zeit vom 01. bis 31.12.2009 teilweise in Höhe von 38,26 EUR auf. Abzüglich eines Freibetrags von 30,-- EUR habe die Anrechnung zu erfolgen, wozu der Beklagte auf § 40 SGB II i. V. m. § 330 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) sowie § 48 Abs. 1 Nr. 3 sowie § 50 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) verwies.

Mit gleicher Begründung hob der Beklagte mit einem weiterem Bescheid vom 03.05.2011 den Bescheid vom 12.08.2010 über die Bewilligung von Leistungen für Dezember 2010 teilweise in Höhe von 39,63 EUR auf.

Der Kläger legte gegen beide Bescheide am 16.05.2011 Widerspruch ein und verwies auf seine bereits geäußerte Rechtsauffassung zur Anrechnungsfreiheit seiner Zinseinnahmen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.07.2011 wies der Beklagte die Widersprüche des Klägers zurück (mit Hinweis auf BSG vom 30.09.2008 - B 4 AS 57/07 R), da Zinsgutschriften aus Sparguthaben als Einnahmen zu berücksichtigen seien, sofern der Zufluss nach Antragstellung auf Leistungen nach dem SGB II erfolge. Selbst wenn es sich beim verzinsten Kapital um Schonvermögen im Sinne des § 12 Abs. 2 SGB II handele, ändere sich an dieser Tatsache nichts. Geldbeträge flössen in der Regel dadurch zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers gutgeschrieben würden. Auf der Grundlage des § 13 SGB II i. V. m. § 6 der Alg II-Verordnung sei von den Einkünften jeweils eine Versicherungspauschale von 30,-- EUR abzuziehen.

Der Kläger hat am 04.08.2011 beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben. Er hat seine Klage weitergehend damit begründet, dass sein Bausparkonto neben seiner Rentenanwartschaft seine einzige Altersvorsorge sei. Die Zinsen stünden ihm für seinen laufenden Lebensunterhalt nicht zur Verfügung. Der Beklagte vertrat die Auffassung, dass der Kläger durch eine Kündigung seines Bausparguthabens mit sofortiger Wirkung auch über die Zinsen verfügen könne. Im Übrigen sei es für einen Zufluss von anrechenbarem Einkommen nicht unbedingt Voraussetzung, dass die tatsächliche Zahlung eines bestimmten Geldbetrages unmittelbar an den Leistungsberechtigten erfolgen müsse (mit Hinweis auf LSG Nordrhein-Westfalen vom 22.09.2009 - L 6 AS 11/09 - sowie LSG Baden-Württemberg vom 20.01.2010 - L 3 AS 2759/09 -).

Das SG hat mit Urteil vom 09.11.2011 die Bescheide des Beklagten vom 03.05.2011 sowie den Widerspruchsbescheid vom 08.07.2011 aufgehoben und wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Berufung zugelassen. Entgegen der Auffassung des Beklagten handele es sich bei den streitgegenständlichen Zinsgutschriften nicht um Einkommenszuflüsse, welche zu einer Anspruchsminderung nach dem SGB II führten. Die Anrechnungsvorschrift des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II habe das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal, dass das Einkommen tatsächlich verwendet werden könne bzw. als bereites Mittel zur Verfügung stehe (mit Hinweis auf Brühl in LPK-SGB II, § 11 Rn. 24). Dies sei vorliegend nicht der Fall, denn nach Bestätigung der Bausparkasse und allgemeiner Erkenntnis sei allein die Auszahlung von Zinsen eines Bausparkontos nicht möglich. Da es sich bei dem Bausparvertrag auch um Schonvermögen handele, welches der Kläger nicht antasten müsse - noch dazu mit den hiermit verbundenen finanziellen Nachteilen -, könnten auch die Zinszuflüsse aufgrund des Schonvermögens nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts verwendet werden. Die von dem Beklagten zitierte Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30.09.2008 - B 4 AS 57/07 R - bestätige die Rechtsauffassung des SG, weil dort die Zinsen auch erst als Einkommen zum Zeitpunkt der Auszahlung und nicht bereits zum Zeitpunkt der Kontogutschrift angerechnet worden seien. Damit folge das SG der Auffassung des BSG, dass Zinsen erst bei ihrer Auszahlung als verfügbare Einkünfte zur Verfügung stünden. Die zitierte Rechtsprechung des LSG Baden-Württemberg vom 20.01.2010 - L 3 AS 3759/09 - und des LSG Nordrhein-Westfalen vom 22.09.2009 - L 6 AS 11/09 - sei nicht vergleichbar, weil es in diesen Fällen um die Vorschrift des früheren § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II (heute: § 22 Abs. 3 SGB II) gegangen sei und in dieser Vorschrift ausdrücklich bereits ein Guthaben zur Minderung eines Leistungsanspruchs führe und nicht erst eine Rückzahlung; letzteres sei indes bei § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II der Fall, der auf einen Zufluss abstelle. Auch das von dem Beklagten-Vertreter in der mündlichen Verhandlung zitierte Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts (FG) vom 30.10.2008 - 12 K 61/02 - sei nicht auf die besondere Situation des SGB II anzuwenden. Denn das SGB II ziele auf die Zurverfügungstellung einer bestimmten Geldsumme zum Bestreiten des Lebensunterhalts ab, wohingegen der Kläger vorliegend bei einer anders lautenden Entscheidung des Gerichts weniger als die zum Lebensunterhalt benötigten Mittel zur Verfügung hätte. Das Urteil des SG ist dem Beklagten am 17.11.2011 zugestellt worden.

Am 22.11.2011 hat der Beklagte beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt, mit der er an seiner Rechtsauffassung festhält und zusätzlich auf das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 26.10.2007 - L 8 AS 1219/07 - verweist. Der wertmäßige Zuwachs von Einkommen könne sowohl durch eine Barauszahlung als auch durch eine Kontogutschrift erfolgen, wie sie vorliegend dokumentiert sei. Im Übrigen habe bei der Entscheidung des BSG vom 30.09.2008 die Frage nach der jährlichen Auszahlung von Zinsen einer Sparanlage keine Rolle gespielt.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 09.11.2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig. Der Beklagte habe keine rechtlich relevanten neuen Gesichtspunkte vorgetragen. Wenn einem Alg II-Empfänger ein Sparguthaben bis zu einem bestimmten Höchstbetrag als Schonvermögen zugestanden werde, sollten auch die Zinsen fester Bestandteil eben dieses Guthabens bleiben und nicht als Einkommen für den laufenden Lebensunterhalt betrachtet werden. Die Anrechnung der Guthabenzinsen auf die Grundsicherung empfinde er als Diskriminierung, die nicht vom der Zielsetzung des SGB II gedeckt sein könne; ein Sparguthaben solle auch für Alg II-Empfänger ein Sparguthaben bleiben.

Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten sowie die Akten des SG und des LSG Bezug genommen.

Gründe

Die nach den §§ 143 f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung, an deren Zulassung durch das SG das LSG nach § 144 Abs. 3 SGG gebunden ist, ist begründet. Der Beklagte hat in den angegriffenen Bescheiden zu Recht eine teilweise Einkommensanrechnung der mit dem Bausparguthaben erzielten Zinsen vorgenommen. Der Senat hat vorliegend mit dem Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden.

Rechtsgrundlage für die teilweise Aufhebung der Bewilligungsbescheide vom 18.08.2009 und vom 12.08.2010 wegen der Anrechnung von Einkommen nach § 11 SGB II für die Bedarfsmonate Dezember 2009 und Dezember 2010 ist § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III und § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X. Nach letzterer Vorschrift ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse, die beim Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, aufzuheben, wenn nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Dies ist vorliegend der Fall.

Durch den Gutschrift der Zinsgewinne aus dem Bausparkonto in Höhe von 68,26 EUR am 31.12.2009 und in Höhe von 69,63 EUR am 31.12.2010 hat der Kläger Einkommen im Sinne von § 11 SGB II erzielt, welches grundsätzlich im Rahmen der Prüfung seiner Bedürftigkeit nach § 9 SGB II zu beachten ist. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor der Antragstellung bereits hatte. Auszugehen ist vom tatsächlichen Zufluss, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgebend bestimmt. Nicht entscheidend ist das Schicksal der Forderung. Ebenso wenig kommt es auf den Grund für die Zahlung zu einem bestimmten Zeitpunkt an (vgl. hierzu insbesondere BSG vom 30.09.2008 - B 4 AS 29/07 R = BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr. 15 und - B 4 AS 57/07 R = SozR 4-4200 § 11 Nr. 16).

Die Zinseinnahmen des Klägers sind nicht von der Berücksichtigung als Einkommen nach § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II ausgenommen. Bei der Gutschrift der Zinseinkünfte handelt es sich auch nicht um ein privilegiertes Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 3 SGB II. Kapitalzinsen sind insbesondere auch keine zweckbestimmten, nicht als Einkommen zu berücksichtigende Leistungen im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II. Kapitalzinsen werden zwar kausal für etwas, nämlich als Gegenleistung für die zeitweise Überlassung einer bestimmten Geldsumme an Dritte (Bank) gezahlt, nicht aber final für etwas geleistet (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.02.1999 - 5 C 14/98 = NJW 1999, 3137 f; BSG vom 30.09.2008 - B 4 AS 57/07 R = SozR 4-4200 § 11 Nr. 16). Sparer können die durch Kapitalanlage erzielten Zinseinnahmen regelmäßig verwenden, wie sie es wollen. Über die Tilgungsbestimmung der Bank hinaus, die auf die Erfüllung ihrer Zinsverpflichtung gegenüber dem Sparer lautet, ist mit der Zinszahlung kein weitergehender Zweck verbunden.

Schließlich ist auch die Bagatellgrenze einer 50 EUR jährlich nicht übersteigenden Einnahme nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 der Alg II-Verordnung in der Fassung vom 01.08.2009 bis zum 31.12.2010 überschritten. Da es sich insoweit nicht um einen Freibetrag handelt, führt die Überschreitung der Bagatellgrenze dazu, dass - wie vorliegend - auch Beträge unter 50 EUR anzurechnen sein können (vgl. Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 13 Rn. 8).

Die Zinsgutschriften sind dem Kläger auch im Sinne des Gesetzes und der Rechtsprechung zu § 11 SGB II zugeflossen. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kommt es hierfür nur darauf an, dass Einnahmen in Geld oder Geldeswert vorliegen, die als Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II anzusehen sind und die einen Zuwachs von Mitteln bedeuten, der dem Hilfebedürftigen zur endgültigen Verwendung verbleibt (BSG, Urteil vom 17.06.2010 - B 14 AS 46/09 R - BSGE 106, 185 = SozR 4-4200 § 11 Nr. 30, Rn. 16).

Unbeachtlich ist, ob die Einnahme von Zinsen aufgrund geschützten Sparvermögens erfolgt, welches selbst im Rahmen der Prüfung der Bedürftigkeit nicht heranzuziehen ist. Denn auch Zinsgutschriften aus Sparguthaben sind Einnahmen in Geld und als Einkommen des Hilfebedürftigen zu berücksichtigen, wenn sie diesem nach Antragstellung zugeflossen sind. Dies gilt auch dann, wenn es sich beim verzinsten Kapital um Schonvermögen handelt (vgl. BSG vom 30.09.2008 - B 4 AS 57/07 R = SozR 4-4200 § 11 Nr. 16). Sofern das SG darauf verweist, dass die Zinseinkünfte des Klägers diesem nicht zum Bestreiten seines Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden hätten, ist dies nicht zutreffend. Denn nach der Bescheinigung der W.-Bausparkasse AG vom 04.03.2011 konnte der Kläger durch die Kündigung des Bausparvertrags die Auszahlung der Zinsen bewirken und diese für seinen Lebensunterhalt verbrauchen. Die Zinseinnahmen des Klägers waren für diesen daher durchaus verfügbar, wenngleich um den Preis der Kündigung seines Bausparvertrags. Entscheidend ist insoweit die bedarfsbezogene Verwendungsmöglichkeit als bereites Mittel, welche vorliegend durch das Erfordernis, den Bausparvertrag zu kündigen, nicht aufgehoben wird (vgl. Geiger in Münder, SGB II, 4. Aufl. 2011, § 11 Rn. 24 mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 30.07.2008 - B 14 AS26/07 R -, FEVS 60,404 sowie BVerwGE 108, 296).

Die entscheidende Frage ist daher nicht, ob die Zinsen für den Kläger verfügbar waren, sondern ob es dem Kläger zumutbar war, die für die Verfügbarkeit der Zinseinnahmen erforderliche Kündigung des Bausparvertrags vorzunehmen.

Wenngleich das in dem Bausparvertrag angesparte Vermögen von ca. 3.500 EUR unterhalb des persönlichen Freibetrags des Klägers nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in der in den Jahren 2009 und 2010 geltenden Fassung lag, führt dies zunächst nicht dazu, dass mit diesem Vermögen generierte Zinsen ebenfalls als Bestandteil des geschützten Vermögens angesehen werden können (siehe oben). Der Freibetrag nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II schützt zudem anders als die Regelungen über bestimmte Formen der Altersvorsorge in § 12 Abs. 2 Nr. 2 und 3 SGB II a.F. nicht bestimmte Formen der Anlage, sondern lediglich den wertmäßig bestimmten Betrag. Dem Kläger war es daher zuzumuten, den Bausparvertrag aufzulösen, um die erwirtschafteten Zinseinkünfte verwerten zu können. Hierbei wäre es dem Kläger unbenommen und auch zumutbar gewesen, den Kapitalstock in anderer Art und Weise - etwa als Tagesgeld - anzulegen, wodurch eine künftige bessere Verfügbarkeit der Verwertung von Zinseinkünften gewährleistet gewesen wäre.

Anderenfalls wäre es Leistungsempfängern möglich, durch Vertragsgestaltungen entsprechend dem vorliegenden Bausparvertrag die Unbeachtlichkeit von Zinseinkünften herbeizuführen, obgleich es nur von ihrem Willen abhängt, den Vertrag kurze Zeit später zu kündigen und die Zinseinkünfte dennoch kurzfristig zu realisieren. Es ist nicht anzunehmen, dass eine so leichte Umgehungsmöglichkeit der grundsätzlichen Anrechenbarkeit von Zinsen vom Gesetzgeber beabsichtigt war. Die Gleichbehandlung mit anderen Zinsempfängern verlangt es im Gegenteil, ausgehend vom Wortlaut des Gesetzes und abgesehen von den eng auszulegenden gesetzlichen Ausnahmefällen bestimmter privilegierter Vorsorgeaufwendungen (vgl. § 11 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 SGB II bzw. § 12 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 SGB II) sonstige Vermögensanlagen, welche Zinseinkünfte bewirken, nach einem einheitlichen Maßstab bei der Bedürftigkeitsprüfung zu berücksichtigen. Insoweit ist abgesehen von den genannten Ausnahmen im Gesetz kein weiterer Fall vorgesehen, aus Kapitalvermögen generierte Zinseinkünfte unbeachtet zu lassen.

Schließlich sind gegen die Berechnung der Höhe des teilweisen Aufhebungsbetrags begründete Einwendungen weder geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich. Nach Abzug einer Versicherungspauschale von 30 EUR (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 13 SGB II und § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-Verordnung a.F.) hat der Beklagte die Erstattungsbeträge zutreffend auf 38,26 EUR für Dezember 2009 und auf 39,63 EUR für Dezember 2010 festgesetzt.

Auch wenn die Zinsgutschriften dem Kläger jeweils erst am 31.12.2009 und am 31.12.2010 gutgeschrieben worden sind, war der Beklagte nicht verpflichtet, die Anrechnung erst im jeweiligen Folgemonat vorzunehmen. Nach § 2 Abs. 2 Satz 3, Abs. 4 Satz 1 der Alg II-Verordnung in der damals geltenden Fassung waren einmalige Einnahmen von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Entfällt durch die Berücksichtigung einer einmaligen Einnahme die Bedürftigkeit des Hilfebedürftigen und Leistungspflicht des Grundsicherungsträgers im Zuflussmonat nicht in vollem Umfang, besteht kein Anspruch auf Verteilung der einmaligen Einnahme auf künftige Zeiträume (vgl. BSG vom 30.9.2008 - B 4 AS 57/07 R = SozR 4-4200 § 11 Nr. 16).

Nach der zu Recht erfolgten teilweisen Aufhebung der Bewilligungsbescheide ist der Kläger nach 50 Abs. 1 SGB X verpflichtet, den festgesetzten Aufhebungsbetrag zu erstatten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, da die entscheidungserheblichen Rechtsfragen in der oben zitierten Rechtsprechung des BSG geklärt sind. Sofern das SG die Auffassung vertritt, dass die Entscheidung des BSG vom 30.9.2008 (B 4 AS 57/07 R = SozR 4-4200 § 11 Nr. 16) seine Auffassung stütze, weil dort die Zinsen erst nach Auszahlung und nicht bereits zum Zeitpunkt der Kontogutschrift angerechnet worden seien, liegt dies nicht an einer abweichenden Rechtsauffassung des BSG, sondern daran, dass in dem der Entscheidung des BSG zugrunde liegenden Fall eine feste Geldanlage über drei Jahre mit der vertraglichen Abrede bestand, dass Zinsen erst nach Vertragsablauf zu zahlen waren (vgl BSG a.a.O. juris Rn. 2). Hiervon ist aber der Fall des Klägers zu unterscheiden, der durch Kündigung seines Bausparvertrags die sofortige Verfügungsmöglichkeit über seine Zinseinkünfte bewirken konnte.

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