VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.02.2011 - 1 VK 4/11
Fundstelle
openJur 2013, 14988
  • Rkr:
Tenor

1. Der Nachprüfungsantrag wird als unzulässig zurückgewiesen.

2. Die bei der Vergabekammer angefallenen Verfahrenskosten für die Durchführung des Nachprüfungsverfahrens sowie die dem Antragsgegner zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen hat die Antragstellerin zu tragen.

3. Die Beiziehung eines Bevollmächtigten durch den Antragsgegner war nicht notwendig.

4. Die bei der Vergabekammer entstandenen Kosten werden auf xxx € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsgegner, xxx, hat im November 2010 Unterhalts -und Glasreinigungsleistungen im offenen Verfahren nach den Bestimmungen der VOL/A-EG ausgeschrieben.

Die Leistungen waren in 4 Lose aufgeteilt worden:

- Los1: Gebäudereinigung, 47 Gebäude, zu reinigende Fläche 82.638 m²- Los 2: Gebäudereinigung, 32 Gebäude, zu reinigende Fläche 90.056 m²- Los 3: Gebäudereinigung, 39 Gebäude, zu reinigende Fläche 82.706 m²- Los 4: Glasreinigung, 136 Gebäude, zu reinigende Fläche 95.109 m²

Im Vermerk des Antragsgegners vom 10.9.2010 wurde zur Losbildung unter anderem folgendes festgehalten:

„Weiter wird beschlossen, beim Vergabeverfahren die Interessen des Mittelstandes angemessen zu berücksichtigen. Dies soll zunächst dadurch geschehen, dass die Unterhaltsreinigung und die Glas-Reinigung in Fachlose getrennt vergeben werden sollen.

Die Unterhaltsreinigung mit einem geschätzten Gesamtvolumen von ca. 250.000 m2 soll in 3 Teillosen vergeben werden. Die Größe der Einzellose wird voraussichtlich zwischen 80.000 m2 und 90.000 m2 liegen. Dabei kann einem Bieter maximal für 2 Lose der Zuschlag erteilt werden. Diesem Teilungsmodus lagen verschiedene Überlegungen zu Grunde:

Die Losgröße muss für den Mittelstand leistbar sein.

Die Beratungsfirma xxx berichtet, dass hier zu berücksichtigen sei, dass mittelständische Unternehmen (bis 30 Mio. Umsatz p.a. nach der EU-Empfehlung), die über ihre örtliche Region hinaus expandieren wollten, Aufträge in der hier vorgesehenen Losgröße erst als interessant erachten, weil sich Aufsichtspersonal, Maschineneinsatz und die Verwaltungskosten der Niederlassung kostentechnisch erst so rechnen ließen, dass eine Zuschlagschance bestehe.

Bei kleineren Losen hätten die Mittelstandsunternehmen gegenüber den überregionalen Großunternehmen einen Wettbewerbsnachteil, da diese ja bereits Niederlassungen in fast allen größeren Städten betreiben. Ein mittelständisches Unternehmen dürfte die Gründung einer Niederlassung aus einem kleinen Auftrag heraus in der Regel wohl nicht abdecken. Schwierig ist dabei durchaus, dass im Gegenzug einige Kleinstunternehmen für sich allein eventuell kein Gebot mehr abgegeben können. Es erscheint daher nicht möglich, sämtliche Interessen aller Unternehmer und aller Unternehmensgrößen gerecht werden zu können. Der AG kann allerdings nur im Rahmen des ihm auch wirtschaftlich Möglichen den Mittelstand berücksichtigen. Da das xxx hier an seine wirtschaftlichen Grenzen stößt, kann eine weitere Losaufteilung nicht erfolgen. Die Nachteile für Kleinstunternehmen müssen daher in Kauf genommen werden.

Die Anzahl der Angebote sollte sich bei den gewählten Losgrößen aber dennoch erhöhen. Im Endeffekt wird davon ausgegangen, dass durch die Losgrößen und das dadurch erreichte überregionale Interesse am Ende doch mehr Angebote eingereicht werden und am Ende sogar deutlich mehr mittelständische Firmen zur Angebotsabgabe bewegt werden können.

Außerdem hat die technische Abt. des xxx aus den Erfahrungen der letzten Jahre die Forderung erhoben, dass bei der neuen Ausschreibung stärker auf Qualitätsaspekte der Unterhaltsreinigung geachtet werden soll. Dabei hat sich unter anderem gezeigt, dass sprachliche Probleme (Deutschkenntnisse) bei den Reinigungskräften in der Vergangenheit oft zu Problemen führten, wenn außerplanmäßige Reinigungen oder kurzfristige Planänderungen notwendig waren. In der Folge kam es immer wieder zu Qualitätsmängeln. Verantwortlich für eine gute Reinigungsqualität ist in erster Linie der Vorarbeiter vor Ort, sofern er genügend Zeit für Kontrolle und Anleitung hat. Deshalb wurde festgelegt, dass pro Dienstleister ganztägig der Einsatz eines Vorarbeiters als Ansprechpartner für den AG vorgeschrieben wird. Die Anwesenheitszeit von 8:00 Uhr bis 18.30 Uhr kann in zwei Schichten aufgeteilt werden. Die Kosten für diesen Mitarbeiter betragen ca. 55.000 € p.a. Dieser Summe liegen folgende Berechnungen zugrunde. 12,5 Std. pro Tag x SV-Satz je Std. ca. 17,50 € ergeben 218,75 € je Tag. Bei ca. 251 Reinigungstagen ergibt dies eine Summe von 54.906,25 €. Bei den gewählten Losgrößen ist der Vorarbeiter ausgelastet. Würde man die Losgrößen kleiner gestalten, würden entsprechend mehr Lose entstehen und mehr unterschiedliche Unternehmen den Auftrag erhalten. Die Kosten für mehr Vorarbeiter kämen aber hinzu. Bei einer angenommenen Losgröße von jeweils ca. 40.000 m2 und 6 Losen wären dies ca. 165.000 € Mehrkosten pro Jahr. Der sonstige Verwaltungsmehraufwand wurde mit ca. 35.000 € p.a beziffert.

Nur bezogen auf die vorliegende Vertragslaufzeit von 2 Jahren und 8 Monaten ergeben sich daraus insgesamt Mehrkosten von ca. 590.000 €.

Unter dem Aspekt einer Verpflichtung zum wirtschaftlichen Umgang mit den Hauhaltsmitteln und auch unter Beachtung der aktuellen Hauhaltslage würde eine Lösung mit mehr als 4 Losen bei der vorliegenden Ausschreibung die berechtigten wirtschaftlichen Interessen des AG nicht genug berücksichtigen.“

Die Angebotsabgabefrist endete am 10.1.2011.

Mit Schreiben vom 27.12.2010 machte die Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner geltend, dass sie sich aufgrund der ernormen Losgröße nicht in der Lage sehe, sich am Verfahren zu beteiligen. Sie habe heute erfahren, dass die vorgenommene Losbildung mittelstandsfeindlich und somit rechtswidrig sei. Sie verwies auf den Beschluss der Vergabekammer des Bundes vom 4.3.2009, VK 2 202 und 205/08 und forderte den Antragsgegner auf, entsprechende Lose zu bilden, um ihr die Teilnahme am Vergabeverfahren zu ermöglichen.

Nachdem die Antragsgegnerin diese Forderung mit Schreiben vom 4.1.2011 zurückwies und auch ein weiteres Schreiben nicht den gewünschten Erfolg brachte, reichte die Antragstellerin am 20.1.2011 einen Nachprüfungsantrag ein. Sie macht geltend, dass ein mittelständisches Unternehmen aufgrund der Losgrößen nicht in der Lage sei, ein Angebot abzugeben. Nur Großunternehmen der Branche könnten sich am Vergabeverfahren beteiligen. Der Zuschnitt der Lose sei mittelstandsfeindlich, somit rechtswidrig.

Nach der Mittelstandsdefinition der Vergabekammer beim Bundeskartellamt für die Branche „Gebäudereinigung“ sei die Antragstellerin dem Mittelstand zuzuordnen. Hierzu gehörten Unternehmen mit einem Jahresumsatz zwischen 100.000,--€ und 5 Mio. € (Beschluss vom 4.3.2009, VK 2 -202 und 205/08). Das Unternehmen der Antragstellerin weise einen Bilanzwert von xxx € aus, gehöre somit dem Mittelstand an.

Schon dem kleinsten ausgeschriebenen Los mit ca. 82.000 m2 Grundfläche liege ein Jahresauftragswert von ca. xxx € zugrunde. Da für die Investitions-und Anschaffungskosten branchenüblich 12% bis 15% des Jahresumsatzes veranschlagt würden, müsste die Antragstellerin, wollte sie ein Angebot abgegeben, über ca. xxx € cash flow verfügen. Außerdem seien vor der ersten Vergütung die kompletten Lohn-und Lohnnebenkosten und die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung zu zahlen. Diese würden bei 53.000,--€ bzw. 8.400,--€ liegen. Insgesamt müsste die Antragstellerin vor der ersten Zahlung der Antragsgegnerin ca. xxx € aufwenden. Ein mittelständisches Unternehmen mit einer Bilanzsumme von xxx € könne bei den derzeitigen Marktbedingungen einen solchen Betrag nicht vorfinanzieren.

Diesem Umstand habe die Vergabekammer beim Bundeskartellamt Rechnung getragen und bereits eine Losgröße von 52.000 m2 für mittelstandsfeindlich erklärt.

Der Antragstellerin als mittelständisches Unternehmen sei es möglich, Losgrößen bis ca. 35.000 m2 zu bedienen.

Der Antragsgegner tritt dem Antrag entgegen.

1. Er hält diesen bereits für unzulässig.

a) Der Antragstellerin fehle es schon an der Antragsbefugnis.

- Sie könne schon nicht geltend machen, in bieterschützenden Rechten verletzt worden zu sein.

Den Ausführungen, wonach grundsätzlich xxx € an Kosten entstünden ehe eine Zahlung durch den Auftraggeber erfolge, sei theoretischer Natur. Maßgebend seien die tatsächlich der Antragstellerin entstehenden Kosten. Solche seien nicht belegt. Es erscheine zudem abwegig, dass eine Bank im Auftragsfall eine Kreditzusage ablehnen würde.

Zudem habe die Antragstellerin im Juni 2010 von der Stadt xxx Aufträge über zu reinigende Flächen von insgesamt 115.415,04 m2 erhalten. Gehe man von der Berechnung der Antragstellerin aus, so habe sie hier Kosten von xxx € aufwenden müssen. Betrachte man dies, so habe sie im streitgegenständlichen Vergabeverfahren durchaus auf eines der Lose ein Angebot abgegeben können.

- Die Antragstellerin habe auch kein Interesse am Auftrag. Zwar müsse ein Bieter nicht um jeden Preis ein Angebot abgeben, um sein Interesse zu dokumentieren. Vorliegend aber habe die Antragstellerin noch nicht einmal die Vergabeunterlagen abgefordert. Sie habe nicht einmal in Erwägung gezogen, eine Bietergemeinschaft zu bilden oder sich unter Einsatz von Nachunternehmern am Verfahren zu beteiligen. Dies zeige, dass sie entweder zu spät von der Bekanntmachung Kenntnis erlangt habe und jetzt versuche, sich auf diesem Wege noch am Verfahren beteiligen zu können oder sie zwar von der Ausschreibung wusste, aber kein Interesse hatte und deshalb nicht vor dem 9.12.2010 vorgetragen habe, dass die Lose zu groß seien. Unabhängig davon müsse, wenn kein Angebot abgegeben werde, das Interesse und damit die Antragsbefugnis zumindest dadurch dokumentiert werden, dass die Stellung des Nachprüfungsantrags zügig erfolgt. Da die Antragstellerin zwischen Zurückweisung ihrer Rüge und Antragstellung 15 Tage habe verstreichen lassen, könne von einer zügigen Antragstellung nicht die Rede sein.

Das mangelnde Interesse folge auch daraus, dass sie sich in der Vergangenheit nur um Aufträge im Umkreis von 80 km um den Firmensitz bemüht habe. Dies belege eine ganze Anzahl von Bekanntmachungen über vergebene Aufträge. Die Antragstellerin müsse schon stichhaltig darlegen, dass sie sich regelmäßig an überregionalen Vergabeverfahren beteilige.

- Da die Antragstellerin, wie dargestellt, aufgrund ihrer Unternehmensgröße in der Lage sei, zumindest auf eines der Lose ein Angebot abzugeben, drohe ihr zudem kein Schaden.

b) Weiter sei der Antrag unzulässig, weil die Antragstellerin nicht unverzüglich gerügt habe. Eine Rüge habe regelmäßig innerhalb von 1 bis 3 Tagen nach Kenntnis zu erfolgen. Das sei nicht geschehen. Dass die Antragstellerin erst aufgrund einer Information eines Innungsmitgliedes vom Vergabeverstoß erfahren habe, sei eine reine Schutzbehauptung. Als fachkundiges Unternehmen, das regelmäßig an Ausschreibungen teilnehme, sei der Antragstellerin bekannt, dass Aufträge zur Förderung des Mittelstandes aufzuteilen seien. Die Losgrößen hätten bereits aus dem Bekanntmachungstext entnommen werden können. Bei vernünftiger Betrachtung hätte die Antragstellerin hieraus auf das Vorliegen eines Vergabeverstoßes schließen können. Das reiche zur Annahme positiver Kenntnis aus.

2. Der Antrag sei auch nicht begründet.

Durch die Losaufteilung würden mittelständische Interessen hinreichend gewahrt.

a) Eine rechtliche Definition des Mittelstandes fehle. Anhaltspunkte würden § 267 HGB, die Verwaltungsvorschriften der Ministerien über die Beteiligung der mittelständischen Wirtschaft bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und die Empfehlungen der Europäischen Gemeinschaft im Rahmen der Bewilligung von Fördermittel geben. Unter Darstellung der Einzelheiten führt sie im Ergebnis aus, dass kleine und mittlere Unternehmen mit einem Jahresumsatz zwischen 2 Mio. € und maximal 38,5 bis 50 Mio. € dem Mittelstand zuzuordnen seien.

Die Ausgestaltung der gewählten Losgrößen lasse eine Beteiligung sowohl von mittleren als auch von kleineren Unternehmen zu. Auch die Antragstellerin sei in der Lage, Aufträge, denen Reinigungsflächen zwischen 80.000 bis 95.000 m2 zugrunde lägen, auszuführen, wie sie in der Vergangenheit bewiesen habe. Sie sei in der Lage, die notwendigen Vorfinanzierungskosten aufzubringen.

Der Auffassung der Vergabekammer des Bundes, bei der Definition auf die Branchengegebenheiten abzustellen, könne nicht gefolgt werden. Die Vergabekammer des Bundes habe vor dem Hintergrund, dass ca. 50% der Unternehmen nicht einmal 100.000,--€ umgesetzt hätten uns selbst der Anteil der Unternehmen mit einem Umsatz von bis zu 500.000,--€ nur 15% ausmache, angenommen, dass ein Unternehmen mit einem jährlichen Umsatz von 385.000,--€ dem Mittelstand zuzurechnen sei. Es sei aber schon zweifelhaft, ob bei einem EU-weiten Ausschreibungsverfahren überhaupt auf nationale Branchenverhältnisse abgestellt werden dürfe. Es sei aber für Auftraggeber praktisch nicht umsetzbar, in sämtlichen EU-Ländern Informationen über die Branchenverhältnisse einzuholen. Es sei deshalb auf die Richtwerte der EU-Kommission zurückzugreifen.

Die Vergabekammer des Bundes berücksichtige zudem nicht, dass es sich bei den kleinen Unternehmen mit einem Umsatz von weniger als 100.000,--€ oftmals um solche handeln würde, die kleine Büroeinheiten oder Arztpraxen reinigen würden. Diese würden das Branchenergebnis im Vergleich zu Branchen, bei denen das Erfordernis eines Meisterbetriebes bestehe, verfälschen.

Die Überlegung der Vergabekammer des Bundes, eine geringere Losgröße würde einen größeren Wettbewerb ermöglichen, sei unzutreffend. Dies hätte nur zur Folge, dass sich mehr lokale Unternehmen bewerben würden, überregionale mittelständische Unternehmen würden nicht mehr angesprochen, da sich für sie eine Expansion erst ab einem bestimmten Auftragswert als wirtschaftlich interessant erweise.

b) Würde man Lose mit geringeren zu reinigenden Flächen bilden, würde dies zu einer unwirtschaftlichen Zersplitterung führen. Würde man die Lose auf rund 40.000 m2 verkleinern, müssten mindestens 6 Lose gebildet werden.

Die Kosten würden sich erhöhen, da je zusätzlichem Los ein weiterer Vorarbeiter für die Beaufsichtigung im Umfang von 12,5 Stunden täglich eingesetzt werden müsste. Hinzu kämen Mehrkosten für zusätzlichen Raumbedarf sowie erhöhter Betreuungs-und Verwaltungsaufwand. Es würden je Firma ein Büroraum und ein zentrales Lager zur Verfügung gestellt. Die Mehrkosten beliefen sich auf 16.000,--€/ Jahr (35 m2 x 12,80 € x 12 Monate x 3 Firmen). Der Kontroll-und Betreuungsaufwand verdoppele sich. Derzeit seien drei Mitarbeiter in diesem Bereich tätig. Ein weiterer Mitarbeiter müsste eingestellt werden, Kosten ca. 30.000,--€/Jahr. Der Mehraufwand durch unterschiedliche Qualitätssysteme der Unternehmen, betrage pauschal 10.000,--€. Und der Mehraufwand für drei zusätzliche Vorarbeiter für die Zeit zwischen 8:00 Uhr bis 18:30 Uhr, ca. 55.000,--€ jährlich (12,5 Std. x 17,50 € x 251 Reinigungstrage x 3 Vorarbeiter). Bei angenommenen Losgrößen von jeweils ca.

40.000 m2 beliefen sich die Mehrkosten auf 165.000,--€ pro Jahr.

Insgesamt ergäben sich Mehraufwendungen von 221.000,--€/Jahr. Bezogen auf die Vertragslaufzeit von 2 Jahren und 8 Monaten mache dies 590.000,--€ aus. Das entspreche etwa xxx% der zu erwartenden Auftragssumme. Eine derartige Kostensteigerung sei unzumutbar und stehe nicht im Einklang mit einer wirtschaftlichen und sparsamen Haushalts-und Fördermittelverwendung wobei zusätzlich zu berücksichtigen sei, dass sich die Ausschreibung nur auf den Campus Süd beziehe. Es sei auch nicht zu erwarten, dass eine Verkleinerung der Lose zu niedrigeren Preisen führe.

Ein vergaberechtliches Fehlverhalten des Antragsgegners liege somit nicht vor. Der Vergabenachprüfungsantrag sei zurückzuweisen.

In Erwiderung hierauf und nach erfolgter Akteneinsicht trägt die Antragstellerin ergänzend vor: 1. Der Antrag sei zulässig.

a) Die Antragsbefugnis sei gegeben. Die Antragstellerin habe dezidiert dargelegt, weshalb sie bei der Größe der Lose nicht in der Lage ist, die notwendigen finanziellen Vorleistungen aufzubringen.

Soweit der Antragsgegner darauf verweise, dass die Antragstellerin beim Auftrag xxx in der Lage gewesen sei, die notwendigen Investitionen aufzubringen, bedeute dies noch lange nicht, dass man ein paar Monate später dazu erneut in der Lage ist. Es bleibe der Antragstellerin überlassen, ob sie Finanzdienstleistungen in Anspruch nehme, die im Missverhältnis zum Eigenkapital stünden. Abgesehen davon habe es sich beim Auftrag in xxx um einen Folgeauftrag gehandelt, bei dem keine Investitionen notwendig waren. Allerdings habe sie den Vorauftrag im Jahre 2007 teilfinanzieren müssen mit der Folge, dass sie sich bis Mitte 2008 am Rande der Insolvenz bewegt habe. Daraus folge, dass man sich nur auf angemessene Auftragsgrößen bewerben könne. Im Übrigen sei es praxisfern anzunehmen, dass Banken derzeit die notwendigen Investitionskosten finanzieren, wenn man bedenke, dass der Rohertrag vor Steuern nur 4% betrage, die Verträge in der Regel während der Probezeit eine Kündigung ohne Angaben von Gründen beinhalten und die Branche wegen der hohen Risiken im Ranking der Finanzwirtschaft im absolut hinteren Bereich geführt werde.

Die Antragstellerin habe auch ein Interesse am Auftrag. Sie lasse seit Mitte Mai 2010 für regionale Gebiete extern nach Vergabebekanntmachungen recherchieren. Dazu gehöre wegen des relativ guten Preisniveaus der Großraum xxx. Sie verfüge bereits über eine erfahrene und ausgezeichnete Projektleiterin in xxx und nutze in xxx eine Immobilie.

Sie habe die Vergabeunterlagen nicht abgefordert, weil die Lose zu groß gewesen seien und ihr erst der Beschluss der Vergabekammer des Bundes die Möglichkeit aufdeckt habe, auf angemessene Losgrößen hinwirken zu können. Sie sei nicht verpflichtet, sich auf die Bildung von Bietergemeinschaften oder das Einschalten von Subunternehmern verweisen zu lassen. Abgesehen davon, dass solche Konstruktionen besondere Haftungs-und Logistikrisiken in sich bergen, ändere sich nichts daran, dass die Auftraggeber zur angemessenen Losbildung verpflichtet seien. Aus dem Umstand, dass sie sich nicht im Rahmen einer solchen Konstruktion beworben habe, könne deshalb nicht abgeleitet werden, dass sie kein Interesse am Auftrag habe. Auch die Vermutung der Antragsgegnerin, dass sie zu spät von der Ausschreibung erfahren habe und mit Hilfe des Nachprüfungsverfahrens erreichen wolle, sich doch noch hieran beteiligen zu können, sei falsch. Ausweislich der externen Mandanteninformation habe sie am 3.12.2010 von der Ausschreibung erfahren. Die Frist zur Abforderung der Unterlagen sei hingegen erst am 9.12.2010 abgelaufen.

Sehe sicht ein Unternehmen aufgrund gerügter Vergabeverstöße nicht in der Lage, ein Angebot abzugeben, könne wegen des fehlenden Einreichens eines Angebots nicht geschlossen werden, dass kein Interesse am Auftrag bestehe.

b) Der Vortrag des Antragsgegners zur Rügepräklusion sei nicht schlüssig. Sie trage verkürzt dar, die Antragstellerin hätte bereits aufgrund der Vergabebekanntmachung den behaupteten Vergabeverstoß erkennen können.

Die Antragstellerin befasst sich im Kerngeschäft mit der Gebäudereinigung und verfüge nur über eingeschränkte Vergaberechtskenntnisse. Der Bevollmächtigte vermag selbst einen Vergabeverstoß nicht zu erkennen, verlange aber solches von einem einfachen Gebäudereiniger.

Fakt sei, dass die Antragstellerin sich schon mehrfach bei Innungsveranstaltungen verärgert über die großen Lose gezeigt habe und, nachdem sie am 27.12.2010 durch den Obermeister der Gebäudereinigerinnung vom Beschluss der Vergabekammer des Bundes informiert worden sei, noch am gleichen Tage gerügt habe.

2. Der Antrag sei auch begründet.

a) Der Antragsgegner versuche mit den Erläuterung, welche Unternehmen zum Mittelstand gehören, zunächst den Eindruck zu erwecken, die Antragstellerin falle nicht hierunter, um dann festzustellen, dass es mittleren und kleineren Unternehmen, auch der Antragstellerin, ohne weiteres möglich gewesen sei, sich am Verfahren zu beteiligen

Maßgeblich sei die Mittelstandsdefinition der Vergabekammer des Bundes. Schon das OLG Düsseldorf habe Stellung dahingehend bezogen, dass bei der Definition des Mittelstandes auf die konkreten Brachenverhältnisse abzustellen sei.

Dem Vergabevermerk vom 10.9.2010 zufolge seien die Losgrößen ab 80.000 m² auf Empfehlungen des Beratungsunternehmens xxx gebildet worden. Die sachlichen Vorträge des Beratungsunternehmens seien höchst erstaunlich, erteile dieses Unternehmen ansonsten doch komplett andere Empfehlungen. Die Antragstellerin benannte Beispiele, wonach die Losgrößen überwiegend zwischen ca. 33.000 und 40.000 m² lagen.

Die Bildung großer Lose führe nicht zu einem breiteren Wettbewerb. Bei Losen oberhalb 350.000,--€ Jahresumsatz sinke die Zahl der Angebote. Im Schnitt gingen bei europaweiten Ausschreibungen ca. 40 Angebote ein. Wenn vorliegend 20 eingegangen seien, dürfte dies schon hoch gegriffen sein.

Die Begründung im Vergabevermerk enthalte Scheinargumente. Es treffe nicht zu, dass das Interesse überörtlicher Unternehmen erst ab einer bestimmten Losgröße geweckt werde. Die Kosten für einen Vorarbeiter seien mit 12,5 Stunden vorgegeben und würden erstattet. Ein Wettbewerbsnachteil für Unternehmen aus anderen Regionen bestehe somit nicht. Die Kosten für die Finanzierung des Maschineneinsatzes hingen ebenfalls nicht vom Standort ab. Verwaltungskosten für eine zu gründende Niederlassung würden ebenfalls nicht anfallen. Ausreichend sei ein Standortbüro. Abgesehen davon sei vorgesehen, jedem Dienstleister ein Büro auf Kosten des Antragsgegners zur Verfügung zu stellen. Dem Auftragnehmer entstünden somit überhaupt keine Kosten. Vorgänge wie Buchhaltung oder Einkauf würden ohnehin über den Hauptstandort erfolgen.

Soweit der Antragsgegner argumentiere, dass er wegen der sprachlichen Probleme des Reinigungspersonals einen Vorarbeiter als Ansprechpartner vorgesehen habe, erscheine dies nicht glaubwürdig. Bei einer fiktiven Laufzeit von 4 Jahren würde dies einen Betrag von xxx € ausmachen, so dass diese Behauptung im Hinblick auf die Verpflichtung zum wirtschaftlichen Umgang mit Haushaltsmitteln als konstruiert zu qualifizieren sei. Es sei Standard, dass die Dienstleister verpflichtet würden, Personal mit ausreichenden Deutschkenntnissen zu beschäftigen. Abgesehen davon würden sich die Kosten für die Vorarbeiter nicht verdoppeln, würde man 6 statt 3 Lose bilden, da der jeweilige Vorarbeiter statt der vorgesehen 12,5 Stunden nur die Hälfte der Zeit anwesend sein müsste. Es entstünden keine Mehrkosten, gleich ob der Vorarbeiter mitarbeitet, man ihn teils produktiv einsetzte oder er ausschließlich Anleitungs-und Kontrollfunktionen übertragen erhalte. Blieben somit Zusatzkosten, deren Höhe bestritten werde, für Büro-und Zentrallager sowie Betreuungsaufwand in Höhe von xxx € jährlich. Bei einem Auftragsvolumen von xxx EUR würde es sich um xxx% der Jahresauftragssumme handeln. Selbst Anteile zwischen 5 und 7,5% seien nach Auffassung der Vergabekammer des Bundes im Hinblick auf die Verbreiterung des Wettbewerbs hinzunehmen. Aber selbst wenn Kosten in dieser Höhe anfielen, hätten sie, da nicht im Vergabevermerk dokumentiert, außer Betracht zu bleiben.

b) Ergänzend macht die Antragstellerin noch geltend, dass sie erfahren habe, dass das Beratungsunternehmen der Antragsgegnerin einen Konkurrenten unter Übersendung der Bekanntmachung mit der Formulierung, ein größeres Rad drehen zu können, zu einem Treffen aufgefordert habe. Die Bieter würden somit ungleich behandelt.

Diesem weiteren Vorbringen der Antragstellerin widerspricht der Antragsgegner. Insbesondere weist sie darauf hin, dass die Investitions-und Anschaffungskosten ausweislich der Angebote lediglich bei 4-5% lägen. Es sei nicht nachgewiesen, dass eine Finanzierung durch Banken nicht möglich sei. Die Ausführungen zur Kündigungsmöglichkeit der Verträge seien ohne Belang, wenn der Auftragnehmer seinen vertraglichen Verpflichtungen nachkomme. Das mangelnde Interesse am Auftrag zeige sich sehr wohl an der fehlenden Anforderung der Vergabeunterlagen. Der Material-und Personlaufwand und damit die Finanzierungskosten hingen maßgebend von den zu reinigenden Flächen ab. Ebenso seien die Zahlungsmodalitäten hierfür wichtig. All dies ergebe sich aber im Detail aus den Verdingungsunterlagen.

Wegen des neuen Vorwurfs der Unregelmäßigkeiten könne die Antragstellerin, da sie nicht am Verfahren teilnehme, nicht in ihren Rechten verletzt sein. Sie nehme den Vorwurf aber ernst und werde der Sache nachgehen.

Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten und wegen der Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze verwiesen.

Die Antragstellerin stellt in der Sache den Antrag, der Antragsgegnerin zu untersagen, in der Vergabesache einen Auftrag zu vergeben,

hilfsweise: Die Kammer wirkt unabhängig hiervon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens hin.

Der Antragsgegner beantragt,

den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.

In der mündlichen Verhandlung vom 17.2.2011 wurde mit den Beteiligten die Sach- und Rechtslage erörtert. Die Antragstellerin erklärte, dass sich ihr Antrag nicht auf das Los 4 (Glasreinigung) beziehe. Sie erklärte weiter, dass sich der von ihr jährlich erzielte Umsatz zwischen xxx und xxx Mio. € liege.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist als unzulässig zurückzuweisen.

Nach § 97 Abs. 7 GWB haben die Unternehmen einen Anspruch darauf, dass der Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren einhält.

Einen Nachprüfungsantrag zu stellen ist jedes Unternehmen befugt, das ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB durch Nichtbeachten von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung von Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht (§ 107 Abs. 2 GWB). Weiter setzt ein zulässiger Antrag voraus, dass der Antragsteller den geltend gemachten Vergabeverstoß unverzüglich nachdem er von diesem Kenntnis erlangt hat, gegenüber der Vergabestelle gerügt hat, um dieser Gelegenheit zu geben, ihn vor Anrufung der Vergabekammer zu beseitigen. Verstöße, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, sind spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung genannten Frist zur Angebotsabgabe zu rügen (§ 102 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GWB).

1. Interesse am Auftrag: Der Antrag ist nicht schon deshalb unzulässig, wie der Antragsgegner meint, weil die Antragstellerin kein Interesse am Auftrag habe.

Zwar wird vertreten, dass ein Interesse an einem Auftrag nicht schon dann anzunehmen sei, wenn ein Unternehmen einen Nachprüfungsantrag stelle und ankündige, seine Dienste anbieten zu wollen, wenn es zuvor kein Angebot abgegeben hat (OLG Brandenburg vom 7.8.2008 -Verg W 011-08), doch ist eine andere Sichtweise geboten, wenn das Unternehmen vorträgt, gerade durch den Vergabefehler an der Angebotsabgabe gehindert worden zu sein. So liegt der Fall hier. Die Antragstellerin macht geltend, dass sie aufgrund der ihrer Ansicht nach vergaberechtswidrigen Losgrößen nicht in der Lage sei ein Angebot abzugeben, zu dem sie im Auftragsfall stehen könne. Sie sei bei der Losgröße nicht in der Lage, die erforderlichen Vorfinanzierungsmittel aufzubringen.

Ein mangelndes Interesse lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass die Antragstellerin die Vergabeunterlagen nicht angefordert hat, um sich über den genauen Inhalt der Ausschreibung zu informieren. Zwar mag dies geeignet sein, den genauen Finanzierungsbedarf und den präzisen Leistungsumfang zu ermitteln, doch stellt sich solches als überflüssig dar, wenn die Antragstellerin aufgrund der Losgröße selbst bei optimalen Bedingungen zu keinem anderen Ergebnis gelangen kann. Dies ist der Fall, wenn die ausgeschrieben Lose mehr als das Doppelte dessen betragen, was die Antragstellerin anzubieten in der Lage ist. Aus dem Umstand, dass die Antragstellerin die Unterlagen nicht angefordert hat, um die Möglichkeit zu prüfen im Rahmen einer Bietergemeinschaft oder mit Hilfe eines Subunternehmens ein Angebot abzugeben, lässt sich ebenfalls nicht konstruieren, dass sie kein Interesse an einem Auftrag hat. Dem lässt sich lediglich entnehmen, dass sie kein Interesse hat, den Auftrag auf diese Weise zu erhalten. Und die Antragstellerin hat nachvollziehbar dargelegt, weshalb sie hieran nicht interessiert ist.

Der Antragstellerin kann somit nicht unterstellt werden, dass sie kein Interesse am Auftrag hat. Im Gegenteil, der Umstand, dass sie gezielt nach Ausschreibungen gerade auch im Postleitzahlengebiet, in dem die Antragsgegnerin ihren Sitz hat, ist ein Indiz dafür, dass sie ein Interesse am Auftrag hat. Und sie hat glaubhaft dargelegt, dass sie versucht in der Region Fuß zu fassen und es ihr teilweise auch schon gelungen ist.

2. Schaden: Wie oben ausgeführt hat ein Antragsteller weiter darzulegen, dass ihm durch die Verletzung bieterschützender Vorschriften ein Schaden entstanden ist oder ein solcher zu entstehen drohe.

Auch dem ist die Antragstellerin nachgekommen. Bei den Vorschriften, die nach Darstellung der Antragstellerin verletzt sein sollen, den §§ 97 Abs. 3 GWB, 2 Abs. 2 VOL/A-EG, die die Auftraggeber im Interesse kleiner und mittlerer Unternehmen dazu verpflichten, die Aufträge in Einzellosen zu vergeben, handelt es sich um Bestimmungen, die die Interessen mittelständischer Unternehmen im Fokus haben und auf die sich mittelständische Unternehmen berufen können (Kulartz/ Marx/Portz/Prieß, VOL/A, § 2 EG, Rdn. 40). Die Antragstellerin hat dargetan, dass sie ein mittelständisches Unternehmen sei, dass gegen die genannten Bestimmungen verstoßen worden sei und sie deshalb ein Angebot nicht habe abgeben können.

Dies ist ein ausreichend schlüssiger Vortrag, um insoweit von der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags ausgehen zu können. Die Feststellungen über das tatsächliche Vorliegen dieser Voraussetzungen ist dann Teil der Begründetheitsprüfung (BGH vom 18.5.2004, X ZB 7/04).

3. Rügeobliegenheit: Der Antrag ist aber deshalb unzulässig, weil die Antragstellerin gegen ihre Rügeobliegenheit nach § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB verstoßen hat.

Wie ebenfalls oben bereits ausgeführt, liegt ein zulässiger Nachprüfungsantrag nur dann vor, wenn der Bieter seiner Rügeobliegenheit gegenüber dem Auftraggeber nachgekommen ist. Eine unverzügliche Rüge ist Zugangsvoraussetzung für ein darauf gestütztes Nachprüfungsverfahren (OLG Düsseldorf vom 22.8. 2000, Verg 9/00).

Die Rüge eines Vergabefehlers hat „unverzüglich“ nach Kenntniserlangung vom Vergabefehler zu erfolgen. Das heißt, in Anlehnung an § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB, ohne schuldhaftes Zögern. Welche Zeitspanne konkret als „unverzüglich“ anzusehen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. „Ohne schuldhaftes Zögern“ heißt, dass ein Bieter den von ihm erkannten Vergaberechtsverstoß unter Berücksichtigung der für eine etwaige weitere Prüfung und für das Begründen der Rüge benötigten Zeit so bald gegenüber dem Auftraggeber rügt, wie es ihm nach den konkreten Umständen des Einzelfalls möglich und zumutbar ist. Bei dieser Bewertung ist dem Bieter grundsätzlich auch eine angemessene Überlegungsfrist zuzubilligen, ob er überhaupt angriffsweise gegen den Auftraggeber vorgehen will.

Im Allgemeinen beträgt die Obergrenze innerhalb der eine Rüge zu erfolgen hat, maximal zwei Wochen. Eine solche kann jedoch nur zugestanden werden, wenn die Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach-und Rechtslage erschwert wird bzw. die Inanspruchnahme fachkundiger Unterstützung erforderlich wird (OLG Koblenz, NZBau 2000, 444). In einfach gelagerten Fällen wird überwiegend vertreten, dass eine Rüge binnen ein bis drei Tagen zu erfolgen habe (so schon OLG Koblenz, aaO; OLG München v. 13.4.2007, Verg 1/09; OLG Celle v. 8.3.2007, 13 Verg 2/07; Weyandt, Vergaberecht, 2. Aufl., § 107 GWB, Rdn. 1897 ff).

Unter diesen Gesichtspunkten war die erst am 27.12.2010 erhobene Rüge nicht „unverzüglich“ erhoben.

Die Antragstellerin trug vor, dass sie vom Inhalt der Bekanntmachung, der sie die Losgrößen entnehmen konnte, am 3.12.2010 Kenntnis erhalten habe. Sie trug in der mündlichen Verhandlung weiter vor, dass ihr die Rechtslage bekannt gewesen sei, dass die Auftraggeber verpflichtet seien, Aufträge in Lose aufzuteilen und dass dies seinen Grund darin habe, dass sich auch mittelständische Unternehmen um Aufträge bewerben können. Und sie erklärte weiter, dass sie sich als mittelständischen Unternehmen betrachtet habe.

Das bedeutet aber, dass die Antragstellerin den Vergabeverstoß im Sinne des § 107 Abs. 3 GWB kannte. Die Rügeobliegenheit besteht nämlich nicht erst ab dem Zeitpunkt, zu dem der Antragsteller Kenntnis von einem zweifelsfreien und sicher nachweisbaren Vergabefehler erlangt. Ausreichend ist vielmehr das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und der es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (OLG Düsseldorf vom 16.8.2000, Verg 9/00). Ausreichend ist eine zumindest laienhafte Wertung dahingehend, dass es sich um ein zu beanstandendes Verfahren handelt.

Ist einem Bieter bekannt, dass Auftraggeber in seinem Interesse verpflichtet sind, Aufträge in Losen auszuschreiben und schreibt ein Auftraggeber zwar Lose aus, aber in einer solchen Größe, dass er sich dennoch nicht um einen Auftrag bewerben kann, liegt der Sachverhalt im Ergebnis also nicht anders als hätte der Auftraggeber überhaupt keine Lose ausgeschrieben, geht der Bieter zumindest laienhaft davon aus, dass es sich um ein zu beanstandendes Verfahren handelt. Die Antragstellerin trägt selbst vor, dass sie sich schon wiederholt über solche Praktiken geärgert habe. Die Information über den Beschluss der Vergabekammer des Bundes bestätigte lediglich die bei der Antragstellerin subjektiv bereits bestehende Ansicht vom Bestehen eines unkorrekten Verhaltens. Diese Information mag letztlich Anlass gewesen sein, zu rügen und ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten, da man in ihr die eigene Auffassung bestätigt fand. Sie begründet jedoch nicht erst die Kenntnis vom Vergabefehler.

Nachdem die Antragstellerin am 3.12.2010 im Sinne des § 107 Abs. 3 GWB Kenntnis vom Vergabefehler hatte, ist die erst am 27.12.2010, also 24 Tage später erhobene Rüge nicht mehr unverzüglich.

Der Pflicht zur unverzüglichen Rüge steht nicht entgegen, dass § 107 Abs. 3 Nr. 2 GWB bei Verstößen, die aus der Bekanntmachung erkennbar sind, eine Rüge bis zum Ablauf der Angebotsabgabefrist, das war vorliegend der 10.1.2011, als zulässig erachtet. § 107 Abs. 3 Nr. 2 GWB soll lediglich ausschließen, dass Bieter sich noch auf Fehler sollen berufen dürfen, die sie nach Ende der Angebotsabgabefrist erkennen, aber bis zu diesem Zeitpunkt hätten erkennen können. Hat hingegen ein Bieter den sich aus der Vergabebekanntmachung ergebenden Fehler vor Ablauf der Angebotsabgabefrist erkannt, so hat er unverzüglich und vor Ablauf der Frist zu rügen (OLG Bayern vom 12.4.200, Verg 1/00).

Der Anwendung der Präklusionsregelung des § 107 Abs. 3 Nr. 1 GWB steht auch nicht das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 28.1.2010 (Rs C-406Uniplex) entgegen (OLG Rostock vom 20.10.2010, 17 Verg 5/10; OLG Dresden, Beschluss vom 21.5.2010, WVerg 006/10; VK Bund vom 5.3.2010, VK 1-16/10; VK Baden-Württemberg vom 28.5.2010, 1 VK 23/10). Die vom Europäischen Gerichtshof beanstandete britische Regelung bietet mehrfache Unsicherheiten für den Bieter, indem sie zwar eine umgehende (sofortige, unverzügliche) Verfahrenseinleitung verlangt, zugleich aber eine in diesem Zusammenhang großzügige Ausschlussfrist von drei Monaten nennt, die darüber hinaus von dem angerufenen Gericht bei Vorliegen guter Gründe verlängert werden kann. Das deutsche Recht hingegen gibt lediglich eine zeitliche Vorgabe für die Erhebung der Rüge vor. Der Gesetzgeber hat zwar keine konkrete Frist bestimmt, sondern den Rechtsbegriff „unverzüglich“ verwendet, der allerdings in § 121 Abs. 1 BGB als „ohne schuldhaftes Zögern“ definiert ist. Dieser Begriff ist aufgrund einer über 100-jährigen Rechtssprechung konkretisiert und auch im Anwendungsbereich des GWB Gegenstand einer Vielzahl von Entscheidungen. Unter Berücksichtigung des Beschleunigungsgrundsatzes steht das Bestreben, anders als bei einer starren Frist, dem Einzelfall gerecht zu werden. Insbesondere steht den Nachprüfungsinstanzen, anders als nach dem beanstandeten britischen Recht, kein freies Ermessen zur Bestimmung der Rügefrist zu (OLG Dresden, Beschluss vom 21.5.2010, WVerg 006/10).

Es bleibt somit festzuhalten, dass der Antrag, soweit mit diesem geltend gemacht wird, dass die einzelnen Lose einen zu großen Zuschnitt aufweisen, nach § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB wegen Verletzung der Rügeobliegenheit unzulässig ist und damit abzuweisen ist.

Aufgrund dieses Ergebnisses kann die Antragstellerin auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass es bei der Ausschreibung aufgrund des Verhaltens des Beratungsunternehmens zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei, so dass Bieter ungleich behandelt würden. Die Antragstellerin kann hierdurch, da sie am Vergabeverfahren nicht teilnimmt und eine Teilnahme aufgrund dieser Entscheidung, mit der ihr Antrag zurückgewiesen wurde, nicht erreichen kann, nicht in ihren Rechten verletzt sein.

Nach alledem ist der Nachprüfungsantrag in vollem Umfang als unzulässig zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 Abs. 3 und 4 GWB.

Die Beiziehung eines Bevollmächtigten durch den Antragsgegner ist nur erstattungsfähig, wenn die Hinzuziehung auch notwendig war. Maßgeblich dafür ist, ob ein verständiger Beteiligter unter Beachtung seiner Pflicht, die Kosten so gering wie möglich zu halten, die Beauftragung eines Bevollmächtigten für notwendig erachten durfte. Neben der Frage nach der tatsächlichen Komplexität und Schwierigkeit des Sachverhalts, der im vorliegenden Fall keine besonderen Herausforderungen erkennen lässt, sind dabei auch rein persönliche Umstände bestimmend wie etwa eine personelle Ausstattung der Antragsgegnerin (Beschluss des OLG Karlsruhe, 15 Verg 4/10, vom 16 Juni 2010). Die Antragsgegnerin verfügt über eine breit aufgestellte Rechtsabteilung und damit über eine ausreichende Anzahl an Mitarbeiter, von denen erwartet werden kann, dass sie auch die Fragen des Vergaberechts sachgerecht und zielführend bearbeiten können. Eine Hinzuziehung eines Bevollmächtigten war damit im Ergebnis nicht notwendig.

Der Ansatz der Gebühr beruht auf § 128 Abs. 1 GWB, §§ 3, 9 und 14 VwKostG.

Ausgehend vom Gebührenrahmen des § 128 Abs. 2 GWB, dem personellen und wirtschaftlichen Aufwand, vor allem aber unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung für die Antragstellerin, wird eine Gebühr von xxx € als angemessen festgesetzt. Dabei wurde davon ausgegangen, dass das Interesse der Antragstellerin darauf gerichtet ist, ein Los in der Größenordnung bis 40.000 m2 zu erhalten.