VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.08.1992 - 2 S 909/90
Fundstelle
openJur 2013, 8312
  • Rkr:

1. Die Erhebung von Benutzungsgebühren für eine öffentliche Einrichtung, die eine Gemeinde oder ein Landkreis in der Form einer öffentlichen (unselbständigen) Anstalt betreibt und deren Leistungsbeziehungen öffentlich-rechtlich gestaltet sind, erfordert eine Regelung in einer Gebührensatzung (wie VGH Baden-Württemberg, Normenkontrollbeschluß vom 30.11.1988 - 2 S 1140/87 -, NVwZ 1989, 267).

2. Die Regelung des Gebührensatzes setzt eine Gebührenkalkulation voraus, aus der die kostendeckende Gebührensatzobergrenze hervorgeht (vgl Scholz, Die kommunale Benutzungsgebühr, BWGZ 1989, S 239f, 244).

3. Die Abstufung der Gebühren nach dem Kriterium Einwohner-Auswärtige begegnet Bedenken bei einer nicht auf die Benutzung durch Einwohner beschränkten Jugendmusikschule.

Tatbestand

Die Antragsteller wenden sich gegen die Regelung eines Auswärtigenzuschlags in der Gebührenordnung der Antragsgegnerin für die von ihr betriebene Musikschule.

Der Gemeinderat der Antragsgegnerin beschloß am 13.12.1978 gemäß § 4 Abs. 2 GemO eine Satzung für die zu gründende Musikschule, außerdem eine Schul- und eine Gebührenordnung. In der Satzung ist u.a. geregelt: Die Musikschule wird als eine von der Antragsgegnerin getragene öffentliche Einrichtung in der Form einer nicht rechtsfähigen Anstalt betrieben. Die Musikschule ist eine Bildungsstätte für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Die Teilnahme am Unterricht der Musikschule sowie die Unterrichtsgebühren richten sich nach der Schul- bzw. Gebührenordnung für die Musikschule. Nach der Schulordnung ist es Aufgabe der Musikschule, Kinder, Jugendliche und Erwachsene an die Musik heranzuführen, Begabungen frühzeitig zu erkennen, individuell zu fördern sowie die eventuelle Vorbereitung auf ein Berufsstudium. Der Oberbürgermeister der Antragsgegnerin führte in der Gemeinderatssitzung u.a. aus, die Musikschule stehe nicht nur den Bürgern von E- zur Verfügung, sie könne auch von Interessenten aus den Nachbargemeinden besucht werden.

Für die Teilnahme am Unterricht und die Benutzung der sonstigen Einrichtungen der Musikschule werden Gebühren nach Maßgabe der Schulordnung sowie der Gebührenordnung erhoben. In der Gebührenordnung sind zahlreiche Gebührentatbestände mit den dazugehörigen Gebührensätzen geregelt.

Durch (einfachen) Beschluß vom 21.6.1989 änderte der Gemeinderat der Antragsgegnerin, wie bereits im Jahr 1985, die Gebührenordnung für die Musikschule, indem er einzelne Gebührensätze erhöhte. Außerdem fügte er in die Gebührenordnung folgenden neuen Abschnitt IV ein:

"Für auswärtige Schüler, das sind Schüler, die ihren Hauptwohnsitz nicht in E haben, wird ab 1.10.1989 ein Auswärtigenzuschlag erhoben, der sich wie folgt staffelt:

Für Einzelunterricht in der  Unter- und Mittelstufe25,-DM monatlichfür Gruppenunterricht15,-DM monatlichfür Oberstufe30,-DM monatlichDer Inhalt des genannten Gemeinderatsbeschlusses wurde im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 6.7.1989 redaktionell wiedergegeben. Mit Schreiben vom 30.8.1989 informierte die Antragsgegnerin die Eltern über den Gemeinderatsbeschluß vom 21.6.1989 unter Beifügung eines Exemplars der neuen Gebührenordnung. Im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 6.12.1989 wurde - ohne Hinweis auf den Gemeinderatsbeschluß - der vollständige Text der Gebührenordnung veröffentlicht, wobei die Regelung über die Auswärtigenzuschläge inhaltlich und in der Formulierung nicht in Übereinstimmung mit dem Wortlaut des Gemeinderatsbeschlusses wiedergegeben werden. Der Text lautet:

"Einzelunterricht der Unter-  und Mittelstufe (wöchentlich  45 Minuten)25,-DM monatlichEinzelunterricht der Unter-  und Mittelstufe (wöchentlich  30 Minuten)17,-DM monatlichEinzelunterricht Oberstufe  (wöchentlich 60 Minuten)30,-DM monatlichGruppenunterricht (wöchentlich  45 Minuten)15,-DM monatlich"Die Antragsteller sind jeweils Eltern minderjähriger Schüler der Musikschule der Antragsgegnerin. Sowohl sie als ihre Kinder haben ihren Hauptwohnsitz nicht in E, sondern in benachbarten Ortsteilen von K bzw. im Nachbarort M. Die Kinder der Antragsteller erhalten in der Musikschule der Antragsgegnerin Einzelunterricht in der Unter-, Mittel- und Oberstufe (wöchentlich 45 bzw. 60 Minuten).

Am 24.4.1990 haben die Antragsteller beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg gegen die Antragsgegnerin ein Normenkontrollverfahren mit dem Ziel der Nichtigerklärung des Abschnitts IV der Gebührenordnung vom 21.6.1989 eingeleitet. Sie tragen vor: Die Erhebung eines Auswärtigenzuschlags verletze das gebührenrechtliche Äquivalenzprinzip. Insbesondere verstoße Abschnitt IV der Gebührenordnung gegen den Grundsatz der speziellen Entgeltlichkeit. Danach seien bei gleicher Inanspruchnahme gemeindlicher Einrichtungen auch gleiche Gebühren zu erheben. Auch verstoße der Auswärtigenzuschlag gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zumindest hätte die Gemeinde eine degressive Staffelung nach der Anzahl der angemeldeten Kinder vornehmen müssen. Auch fehle es an einer nachvollziehbaren Gebührenkalkulation. Schon deshalb sei die Gebührenordnung nichtig. Insbesondere habe die Antragsgegnerin Zuschüsse des Landes etc. nicht berücksichtigt. Auch sei ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG festzustellen. Dies deshalb, weil an gleiche Sachverhalte willkürlich ungleiche Rechtsfolgen geknüpft würden. Jedenfalls aber könne die Antragsgegnerin nicht den Auswärtigenzuschlag in beliebiger Höhe festsetzen. Vielmehr dürften die Auswärtigen nicht höher belastet werden, als es dem steuerlichen Beitrag der Einwohner von E zum Erhalt der Musikschule entspreche.

Die Antragsteller beantragen,

Abschnitt IV der vom Gemeinderat der Antragsgegnerin am 21.6.1989 beschlossenen Gebührenordnung der Musikschule E für nichtig zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Sie trägt vor: Ein Auswärtigenzuschlag sei übliche Verwaltungspraxis in Baden-Württemberg. Auswärtige hätten überhaupt keinen Anspruch auf Nutzung von gemeindlichen Einrichtungen gemäß § 10 GemO. Werde dennoch durch Widmung ein Nutzungsrecht ausgesprochen, so bedeutet dies jedenfalls nicht, daß eine formale Gleichheit zwischen Einwohnern und Auswärtigen bestehen müsse. Die Gemeinde E subventioniere den Betrieb der Musikschule derart, daß eine angemessene Beteiligung auch auswärtiger Schüler vollauf gerechtfertigt sei. Insbesondere habe der Gemeinderat sein gebührenrechtliches Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Eine willkürliche Ungleichbehandlung liege nicht vor, da die Auswärtigen anders als die Einwohner nicht durch ihr Steueraufkommen zum Verwaltungs- und Vermögenshaushalt der Gemeinde beitrügen. Insofern sei die Erhebung des Auswärtigenzuschlags nicht als Belastung der Auswärtigen, sondern als Subvention der Einheimischen zu verstehen.

Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Dem Senat liegen drei Bände der einschlägigen Akten der Antragsgegnerin sowie ein Band Anlagen zum Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 12.6.1990 vor.

Gründe

Der Senat entscheidet gemäß § 47 Abs. 6 S. 1 VwGO über die Normenkontrollanträge der Antragsteller durch Beschluß, weil er nach Lage des Falles eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Die Anträge sind zulässig.

Die für ihre Musikschule erlassene Gebührenordnung der Antragsgegnerin vom 21.6.1989 - GebO - ist eine der Gerichtsbarkeit des Verwaltungsgerichtshofs unterfallende, unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO in Verb. mit § 5 AGVwGO. Schulordnung und die sie ergänzende Gebührenordnung lassen erkennen, daß die Antragsgegnerin sich zur Regelung des Entgelts für die Benutzung ihrer Musikschule öffentlich-rechtlicher Regelungs- und Handlungsformen bedient hat. Die Antragsgegnerin hat selbst nicht geltend gemacht, sie habe das Benutzungsverhältnis und das Benutzungsentgelt auf privatrechtlicher Grundlage in der Form allgemeiner Geschäftsbedingungen festgelegt. Dagegen spräche bereits die Bezeichnung dieses Entgelts als "Gebühr" und des entsprechenden Regelungswerks als "Gebührenordnung". Die "Gebühr" für die Benutzung einer öffentlichen Einrichtung der Gemeinde im Sinne des § 10 Abs. 2 GemO ist nach dem gesetzlichen Sprachgebrauch eine öffentliche Abgabe, wie sich aus den §§ 1 und 9 KAG ergibt. Da die Regelung der Benutzungsgebühr in die Schulordnung einbezogen ist, das Benutzungsverhältnis in der Schulordnung aber unstreitig öffentlich-rechtlich geregelt ist, teilt die Gebührenregelung die Rechtsform der Schulordnung.

Die Gebührenordnung ist eine Rechtsvorschrift im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, ungeachtet des Umstands, daß sie nicht förmlich als Satzung beschlossen und verkündet worden ist. Rechtsvorschriften im vorgenannten Sinne sind jedenfalls auch solche abstrakt-generellen Regelungen, denen nach ihrem materiellen Gehalt Rechtssatzcharakter zukommt (vgl. VGH Bad.-Württ., Normenkontrollbeschluß vom 30.11.1988 - 2 S 1140/87 -, NVwZ 1989, 267 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Hierunter fallen insbesondere gesetzesergänzende abstrakt-generelle Regelungen, die auf die Rechtssphäre des betroffenen Personenkreises unmittelbar verpflichtend einwirken und somit Außenwirkung entfalten sollen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluß vom 15.8.1972, ESVGH 23, 90/91). Diese Merkmale weist die Gebührenordnung auf. Mit der Zuordnung bestimmter Gebührensätze zu bestimmten Gebührentatbeständen regelt sie die Gebührenhöhe abstrakt-generell. Sie ergänzt die normativen Regelungen des Kommunalabgabengesetzes, weil dieses nach den §§ 2 und 9 die Festlegung der Gebührensätze durch die Gemeinde voraussetzt. Sie entfaltet Außenwirkung, weil sie für die Benutzer der Musikschule die Höhe des zu zahlenden Benutzungsentgelts verbindlich festlegen soll (vgl. VGH Bad.-Württ., Normenkontrollbeschluß vom 30.11.1988, aaO).

Die Antragsteller sind im Sinne des § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO antragsbefugt. Denn sie haben durch die Anwendung der angegriffenen Gebührenordnung, insbesondere der Regelung eines Auswärtigenzuschlags, einen Nachteil im Sinne dieser Vorschrift erlitten bzw. in absehbarer Zeit zu erwarten, weil sie auf deren Grundlage zur Zahlung von Gebühren, insbesondere von Auswärtigenzuschlägen für die Benutzung der Musikschule (den Unterricht ihrer Kinder an dieser Schule) herangezogen wurden bzw. noch werden.

Die Anträge sind begründet. Denn Abschnitt IV der Gebührenordnung der Antragsgegnerin für deren Musikschule vom 21.6.1989 ist ungültig.

Die genannte Gebührenordnung hat als Rechtsvorschrift keine Gültigkeit erlangt, weil sie nicht formell ordnungsgemäß erlassen wurde. Wie sich aus den §§ 2, 9 KAG ergibt, sind die Gebührensätze für die Benutzung öffentlicher Einrichtungen der Gemeinde durch Satzung zu regeln. Verlangt ein Gesetz, wie hier § 2 KAG, für eine den betroffenen Adressatenkreis berechtigende oder verpflichtende Regelung den Erlaß einer Satzung, so ist aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zu verlangen, daß die vom Gemeinderat beschlossenen Rechtsvorschriften auch ausdrücklich als Satzung bezeichnet sind. Denn Satzungen bedürfen wie sonstige Rechtsnormen der Ausfertigung durch das zuständige Gemeindeorgan, durch welche die Übereinstimmung des Urkundentextes mit dem Willen des Gemeinderats und die Beachtung des für die Rechtswirksamkeit maßgebenden Verfahrens mit öffentlich-rechtlicher Wirkung bezeugt wird (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.8.1984, NVwZ 1985, 206). Da die Ausfertigung einer Satzung Voraussetzung für deren ordnungsgemäße öffentliche Bekanntmachung ist, haben ihr Fehlen oder wesentliche Mängel der Ausfertigung ihre Ungültigkeit zur Folge. Darüber hinaus setzt der wirksame Erlaß einer Satzung deren ordnungsgemäße öffentliche Bekanntmachung nach Maßgabe der Bekanntmachungssatzung der Gemeinde voraus. Fehlt die öffentliche Bekanntmachung oder leidet sie an wesentlichen Mängeln, so führt dies ebenfalls zur Ungültigkeit der Satzung (vgl. VGH Bad.-Württ., Normenkontrollbeschluß vom 30.11.1988, aaO).

Die am 21.6.1989 vom Gemeinderat beschlossene Gebührenordnung ist nicht ausdrücklich als Satzung bezeichnet. Dasselbe gilt für die in den Jahren 1978 und 1985 beschlossenen Gebührenordnungen. Die Gebührenordnung ist auch nicht ordnungsgemäß öffentlich bekanntgemacht worden. Nach § 4 Abs. 3 S. 1 GemO in Verb. mit § 1 Abs. 1 und Abs. 2 DVOGO und der Bekanntmachungssatzung der Antragsgegnerin hätte die Gebührenordnung mit ihrem vollen Wortlaut in dem Amtsblatt der Antragsgegnerin bekanntgemacht werden müssen. Stattdessen erschien im Amtsblatt am 6.7.1989 lediglich ein Bericht über die vom Gemeinderat beschlossenen, die Musikschule betreffenden Maßnahmen, darunter auch die neuen Gebührenregelungen. Der Inhalt des Gemeinderatsbeschlusses wird dabei (zwar sachlich richtig) aber nur redaktionell und nicht mit seinem vollen Wortlaut wiedergegeben. Das an die Eltern der derzeitigen Schüler der Musikschule gerichtete Informationsschreiben der Antragsgegnerin vom 30.8.1989 kann eine öffentliche Bekanntmachung der neuen Gebührenordnung in dem dafür bestimmten Veröffentlichungsorgan nicht ersetzen. Auch die Aufnahme der "Gebührenordnung für die Musikschule der Stadt E" in das Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 6.12.1989 bewirkte nicht die erforderliche ordnungsgemäße öffentliche Bekanntmachung des Gemeinderatsbeschlusses vom 21.6.1989. Bei der hier in Rede stehenden Veröffentlichung handelt es sich der Sache nach um die Bekanntmachung der Neufassung der Gebührenordnung. Die Beschlußfassung des Gemeinderats vom 21.6.1989 und dessen Inhalt wird jedoch nicht bekanntgegeben. Auch inhaltlich deckt sich die hier bekanntgegebene Neufassung der Gebührenordnung nicht mit dem Beschluß des Gemeinderats vom 21.6.1989. So nennt die Veröffentlichung vom 6.12.1989 unter IV "Gebühren für auswärtige Schüler" vier Gebührensätze für Auswärtigenzuschläge, während der Gemeinderat am 21.6.1989 nur drei Gebührensätze beschlossen hat. Die Gebührentatbestände der Auswärtigenzuschläge werden im Gegensatz zu dem Gemeinderatsbeschluß differenziert nach der Dauer des Unterrichts. Schon wegen dieser inhaltlichen Diskrepanz könnte in der Veröffentlichung vom 6.12.1989 keine gültige amtliche Bekanntmachung des Gemeinderatsbeschlusses über die Ergänzung der Gebührenordnung durch einen Abschnitt IV über Auswärtigenzuschläge gesehen werden.

Zu der hier nicht mehr entscheidungserheblichen Frage der Rechtmäßigkeit eines Gebührenzuschlags für auswärtige Schüler sei folgendes bemerkt:

Die Auswärtigenzuschläge in Abs. IV der Gebührenordnung für die Musikschule der Antragsgegnerin vom 21.6.1989 dürften - ebenso wie die übrigen Gebührenvorschriften der genannten Gebührenordnung - schon deshalb ungültig sein, weil sie vom Gemeinderat der Antragsgegnerin nicht auf der Grundlage und in Kenntnis einer ordnungsgemäßen Gebührenkalkulation beschlossen wurden.

Über die Höhe des Gebührensatzes einer Benutzungsgebühr gemäß § 9 KAG hat der Gemeinderat als zuständiges Rechtsetzungsorgan innerhalb der gesetzlichen Schranken nach pflichtgemäßem Ermessen zu beschließen. Voraussetzung für eine sachgerechte Ermessensausübung ist eine Gebührenkalkulation, aus der die kostendeckende Gebührensatzobergrenze hervorgeht. Sie wird ermittelt, indem die gebührenfähigen Kosten der öffentlichen Einrichtung auf die potentiellen Benutzer nach Maßgabe des in der Satzung vorgesehenen Gebührenmaßstabs verteilt werden, wobei der voraussichtliche Umfang der Benutzung bzw. Leistung geschätzt werden muß. Die Gebührensatzobergrenze ist danach das Ergebnis eines Rechenvorgangs, bei dem die voraussichtlichen gebührenfähigen Gesamtkosten durch die Summe der voraussichtlichen maßstabsbezogenen Benutzungs- bzw. Leistungseinheiten geteilt werden (vgl. Scholz, Die kommunale Benutzungsgebühr, BWGZ 1989, S. 239 f., 244). Bei gestaffelten Gebühren (Teilgebühren) muß aus der Gebührenkalkulation hervorgehen, welches Gebührenaufkommen auf der Grundlage der gestaffelten Gebührensätze in dem Rechnungszeitraum zu erwarten ist und welche gebührenfähigen Gesamtkosten diesem gegenüberstehen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.2.1989 - 2 S 2279/87 -). Da § 9 Abs. 2 KAG die Gemeinde nicht verpflichtet, vollständige Kostendeckung anzustreben, hat sich der Gemeinderat vor oder bei Beschlußfassung über den Gebührensatz im Wege einer Ermessensentscheidung darauf festzulegen, welche gebührenfähigen Kosten der öffentlichen Einrichtung in den Gebührensatz eingestellt werden sollen (vgl. Scholz, aaO).

Die Niederschrift der Gemeinderatssitzung vom 21.6.1989 läßt nicht erkennen, daß der Gemeinderat die Änderung der Gebührenordnung auf der Grundlage einer ordnungsgemäßen Gebührenkalkulation beschlossen hat. In der Sitzungsvorlage wird die finanzielle Situation der Musikschule besprochen und ausgeführt, in welchem Maß das "Defizit" durch die empfohlene Gebührenerhöhung bzw. die Auswärtigenzuschläge gemindert wird, wobei bezifferte Beträge genannt werden. Diese Information entspricht nicht den Anforderungen einer Gebührenkalkulation im oben dargelegten Sinne. Es fehlt auch eine deutliche Aussage darüber, welche Kosten bzw. welcher Prozentsatz der Kosten überhaupt durch Gebühren gedeckt werden sollen. Diesbezüglich dürfte eine Bindung der Gemeinde gegenüber dem Land B-W bestehen, da die Gemeinde Fördermittel nach dem Jugendbildungsgesetz vom 6.5.1975 (GBl. 254) in Anspruch nimmt. Zuschüsse zur Förderung von Musikschulen werden aber nur gewährt, wenn "sich Gemeinden und Landkreis allein oder zusammen in mindestens gleichem Umfang an den Aufwendungen beteiligen" (vgl. § 10 Abs. 2 Jugendbildungsgesetz). Es fehlt auch die Feststellung einer Gebührensatzobergrenze, die Anhaltspunkt für die Festlegung einzelner Teilgebühren hätte sein können.

Was die Bemessung der Benutzungsgebühren anbetrifft, hält der Senat "Zuschläge" für auswärtige Schüler für rechtlich bedenklich. Ist die Musikschule auch für die musikalische Bildung auswärtiger Bürger gewidmet (wie es sich für die Musikschule der Antragsgegnerin aus Nr. 2 der Satzung bzw. Nr. 1.1 der Schulordnung sowie den Ausführungen des Oberbürgermeisters in der Gemeinderatssitzung vom 13.12.1978 ergibt), müssen für auswärtige Schüler grundsätzlich die gleichen Gebühren gelten wie für einheimische Schüler (vgl. Scholz, aaO, S. 254). Die Auswärtigeneigenschaft ist jedenfalls nach den Regeln des sog. Äquivalenzprinzips kein sachlicher Grund für eine Gebührenerhöhung. Das Äquivalenzprinzip als Ausfluß des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit besagt, daß zwischen der Gebühr und der von der Gemeinde (bzw. dem Landkreis) erbrachten Leistung kein Mißverhältnis bestehen darf. Es fordert in Verbindung mit dem Gleichheitssatz, daß die Benutzungsgebühr im allgemeinen nach dem Umfang der Benutzung bemessen wird, so daß bei etwa gleicher Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung etwa gleich hohe Gebühren und bei unterschiedlicher Benutzung diesen Unterschieden in etwa angemessene Gebühren erhoben werden (vgl. Scholz, aaO, S. 248 m.N. aus der Rechtsprechung). Das Äquivalenzprinzip schließt allerdings nicht aus, daß die Gemeinde unter Wahrung des Gleichheitssatzes die Benutzungsgebühren für bestimmte Personengruppen ermäßigt. Ein sachlicher Grund für eine Gebührenermäßigung kann z.B. der soziale Gesichtspunkt sein (geringes Einkommen der Schüler bzw. deren Eltern; Unterrichtung mehrerer Kinder aus einer Familie). Es ist die Frage, ob die Einheimischeneigenschaft ein sachlicher Grund für eine Gebührenermäßigung sein kann. Ob ein "Gebührenabschlag" wegen der abstrakt höheren Beteiligung der Einheimischen an dem Steueraufkommen der Gemeinde zu rechtfertigen wäre, läßt der Senat offen (vgl. zu der Problematik der Zulässigkeit eines Auswärtigenzuschlags Bauernfeind in Driehaus, KAG, § 1 Rdnr. 54; Dahmen in Driehaus, ebenda, § 4 Rdnr. 175). Eine "Subventionierung" Einheimischer erscheint möglicherweise fragwürdig angesichts der Förderung der Musikschule mit Landesmitteln nach dem Jugendbildungsgesetz vom 6.5.1975 (GBl. S. 254), die offensichtlich das Ziel hat, die Musikschule als Stätte für außerschulische Jugendbildung aus dem Rahmen einer örtlichen, nur für die Bedürfnisse der eigenen Einwohner geschaffenen Einrichtung im Sinne von § 10 Abs. 2 GemO herauszuheben. Dafür spricht, daß die Förderung nach § 4 Jugendbildungsgesetz zwar voraussetzt, daß sich die Träger der außerschulischen Jugendbildung überwiegend an b-w Teilnehmer wenden, eine Beschränkung auf die Einwohner des Gebiets der eine Einrichtung der außerschulischen Jugendbildung tragenden Körperschaft des öffentlichen Rechts aber nicht vorgesehen ist. Vielmehr sollen die Träger der außerschulischen Jugendbildung im Rahmen der Zielsetzung und Satzung jedermann die Teilnahme ermöglichen (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 5 Jugendbildungsgesetz). Mit den genannten Zielen des Jugendbildungsgesetzes und der Widmung der Musikschule der Antragsgegnerin auch für auswärtige Schüler könnte die Differenzierung der Gebühren nach Einwohnern und Auswärtigen im Widerspruch stehen.