VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.05.1989 - 14 S 3119/88
Fundstelle
openJur 2013, 7113
  • Rkr:

1. Soweit die Verköstigung und Beherbergung von Teilnehmern an Veranstaltungen mit religiösem Charakter unmittelbar der Religionsausübung dienen, bedarf die Religionsgesellschaft bzw die mit einer solchen verbundene, die betreffende Einrichtung betreibende Vereinigung keiner Gaststättenerlaubnis.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger für den Betrieb seines einer gaststättenrechtlichen Erlaubnis bedarf.

Der Kläger, ein eingetragener Verein, ist eine Religionsgemeinschaft evangelisch-pietistischer Prägung mit Sitz in B. Er ist dem Landesverband der ... M. in Württemberg angeschlossen und Mitglied des Diakonischen Werks der evangelischen Kirche in Württemberg e.V.. Er ist steuerrechtlich als gemeinnützig anerkannt. Als Zweck des Vereins ist in § 2 der Vereinssatzung vom 25. September 1963 die Erneuerung und Vertiefung des christlichen Glaubenslebens durch Bibelstudium und Austausch über wichtige Lebensfragen angegeben. Der Verein sucht seinen Zweck zu erreichen durch Bibelkurse, Evangelisationen, Freizeiten, Ferienerholung, Kinderversammlungen und Konferenzen. Er betrieb zu diesem Zweck zunächst die Bibelschule und das Bibelheim in. Dort wird nach § 2 Abs. 6 S. 2 der Vereinssatzung, soweit möglich, den Teilnehmern Verpflegung und Unterkunft geboten. Soweit Aufnahme -- z.B. von Bedürftigen -- nicht unentgeltlich erfolgen kann, wird darauf Bedacht genommen, daß das zu bezahlende Entgelt im allgemeinen die Selbstkosten nicht übersteigt.

Aufgrund von § 2 Abs. 7 der Vereinssatzung, wonach der Verein zur Erreichung seines Zweckes weitere Liegenschaften übernehmen, errichten, mieten oder pachten kann, betreibt der Kläger seit 1969 in das, in welchem ganzjährig religiöse Unterweisung angeboten wird, und zwar im Rahmen von Bibelwochen, Bibelkursen, halbjährigen Bibelschulen sowie von Freizeiten für Erwachsene, Jugendliche und Kinder. Der Aufenthalt steht dort allen religiös Interessierten frei. Die Teilnahme am jeweils angebotenen Programm ist obligatorisch. Die Mahlzeiten werden gemeinsam eingenommen. Für Unterkunft und Verpflegung sind Pauschalpreise zu entrichten. Diese betragen nach dem Stand vom 01.07.1985 je nach Ausstattung des Zimmers zwischen DM 38,00 und DM 62,00 je Person und Tag. Eine besondere Vergütung für das Programm wird nicht erhoben.

Nach § 3 der Vereinssatzung dürfen etwaige Überschüsse nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden. Die Mitglieder erhalten keine Überschußanteile und in ihrer Eigenschaft als Mitglieder auch keine sonstigen Zuwendungen aus Mitteln des Vereins. Sie erhalten bei ihrem Ausscheiden oder bei Auflösung oder Aufhebung des Vereins nicht mehr als ihre eingezahlten Kapitalanteile und den gemeinen Wert ihrer geleisteten Sacheinlagen zurück. Es darf keine Person durch Verwaltungsausgaben, die den Zwecken des Vereins fremd sind, oder durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigt werden. Zu den Aufgaben der Geschäftsführung, die der Vorstand bestimmt, gehört unter anderem die ordnungsmäßige Buchführung über Einnahmen und Ausgaben sowie die Erstattung des Jahres- und Rechenschaftsberichtes bei der Mitgliederversammlung.

Mit Schreiben vom 24.11.1987 teilte das Landratsamt dem Kläger nach längerem Schriftverkehr zu dieser Frage abschließend mit, daß er für den Betrieb des ... einer Erlaubnis nach § 2 GastG bedürfe. In den Gründen dieses Schreibens ist ausgeführt, der Kläger betreibe diese Einrichtung gewerbsmäßig. Zwar könne die Gewinnerzielungsabsicht fehlen, wenn ein Betrieb steuerrechtlich unter den Begriff der Gemeinnützigkeit falle. Jedoch ergebe sich aus dieser steuerrechtlichen Gemeinnützigkeit nicht automatisch auch eine gewerberechtliche Gemeinnützigkeit. Aus gewerberechtlicher Sicht sei die Gemeinnützigkeit nur zu bejahen, wenn keinerlei Gewinnerzielungsabsicht bestehe. Sobald eine solche vorliege, sei das Unternehmen gewerblich tätig, auch wenn der Gewinn laut Satzung, wie hier, lediglich zu gemeinnützigen Zwecken verwendet werde, da es bei der gewerberechtlichen Beurteilung auf die Gewinnerzielung, nicht auf die Gewinnverwendung ankomme. Für die Annahme einer Gewinnerzielungsabsicht genüge auch ein mittelbarer Gewinn. Ein mittelbarer wirtschaftlicher Vorteil sei auch dann anzunehmen, wenn sich der Selbstkostenpreis eines Betriebes so hoch darstelle, daß ein Unterschied zu den ortsüblichen Preisen nicht mehr bestehe. In solchen Fällen sei die Gewinnerzielungsabsicht zu bejahen. Die Preise im ... seien mindestens so hoch, wie die ortsüblichen Preise in ... Das ... sei, wenn möglicherweise auch nicht jedermann, so doch zumindest einem bestimmten Personenkreis zugänglich. Da zum Beispiel auch Mitglieder eines Vereins einen bestimmten Personenkreis darstellen und das ... von einem Verein betrieben werde und weiter davon ausgegangen werden müsse, daß alle Mitglieder des Vereins die Möglichkeit hätten, in diesem Haus zu übernachten, sei dieses zumindest den Mitgliedern des Vereins und somit auch einem bestimmten Personenkreis zugänglich. Abschließend weist das Landratsamt in diesem Schreiben darauf hin, daß der Kläger zur Vermeidung des bereits mit Schreiben vom 14.10.1987 angedrohten Bußgeldverfahrens bis spätestens 10.12.1987 einen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis nach § 2 GastG einzureichen habe. Das ... werde durch Erteilung einer gaststättenrechtlichen Erlaubnis nicht zu einer "Gaststätte" im üblichen Sinne.

Am 20.01.1988 hat der Kläger Klage erhoben. Er hat beantragt festzustellen, daß er für den Betrieb des ... in ... keiner Gaststättenerlaubnis bedürfe. Er hat vorgetragen, Zweck dieses Hauses sei ausschließlich die Verkündigung des Wortes Gottes. Verköstigung und Unterkunft, für welche ein Pauschaltagespreis erhoben werde, seien nicht der Zweck, sondern eine Notwendigkeit, da die Besucher des Hauses in der Regel längere Zeit anwesend seien. Es liege weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Gewinnerzielungsabsicht vor. Selbstverständlich müsse das Heim die intensive seelsorgerliche Betreuung mit ihren Unkosten in die Kalkulation einbeziehen. Parallelen zu den Preisen von Beherbergungsbetrieben in ... könnten daher nicht gezogen werden. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat vorgetragen, seiner Auffassung nach wirtschafte das ... nicht zum Selbstkostenpreis, sondern in Gewinnerzielungsabsicht, da das ortsübliche Preisniveau erreicht werde. Es sei unbeachtlich, daß der Gewinn satzungsgemäß nur für gemeinnützige Zwecke bestimmt sei.

Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat der Klage mit Urteil vom 25. August 1988 stattgegeben. In den Gründen ist im wesentlichen ausgeführt, es fehle an der Gewerbsmäßigkeit der Beherbergung und Verköstigung der Heimbewohner. Ausschlaggebend hierfür sei, daß diese Leistungen unmittelbar der Religionsausübung dienten und es dem verfassungsrechtlich gewährleisteten kirchlichen Selbstbestimmungsrecht (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV) widerspräche, sie dem Gewerberecht zu unterstellen. Der Kläger sei unstreitig eine Religionsgesellschaft i.S.v. Art. 137 Abs. 3 WRV. Das ... sei eine Einrichtung des Klägers, die an der Gewährleistung des Art. 137 Abs. 3 WRV teilhabe, denn es sei nach dem Selbstverständnis des Klägers dazu berufen, ein Stück des religiösen Auftrags des Klägers wahrzunehmen und zu erfüllen. Der Betrieb dieses Hauses mache sogar den Kernbereich der satzungsgemäßen Betätigung des Klägers aus. Die Verköstigung und Beherbergung der Gäste lasse sich nicht losgelöst von der religiösen Unterweisung sehen. Sie seien vielmehr deren notwendige Begleiterscheinung. Es sei verständlich, daß der Kläger die Veranstaltungsteilnehmer nicht auf die örtlichen Beherbergungsbetriebe verweisen möchte. Die Teilnahme an den tagesfüllenden Programmen sei obligatorisch. Die Mahlzeiten würden gemeinsam eingenommen. Eine Speisekarte liege nicht aus. Der Umstand, daß die Unterbringung und Speisung der Gäste der unmittelbaren Religionsausübung zuzurechnen sei und damit in den Schutzbereich des Art. 137 Abs. 3 WRV falle, habe freilich noch nicht ohne weiteres zur Folge, daß staatliches Recht zurückzutreten hätte. Die genannte Verfassungsbestimmung gewährleiste in Rücksicht auf das zwingende Erfordernis friedlichen Zusammenlebens von Staat und Kirche sowohl das selbständige Ordnen und Verwalten der eigenen Angelegenheiten durch die Kirchen als auch den staatlichen Schutz anderer für das Gemeinwesen bedeutsamer Rechtsgüter. Dieser Wechselwirkung sei durch entsprechende Güterabwägung Rechnung zu tragen. Dabei sei jedoch dem Eigenverständnis der Kirchen, soweit es in dem Bereich der durch Art. 4 Abs. 1 GG als unverletzlich gewährleisteten Glaubens- und Bekenntnisfreiheit wurzle und sich in der durch Art. 4 Abs. 2 GG geschützten Religionsausübung verwirkliche, ein besonderes Gewicht beizumessen. Diese Güterabwägung führe hier zu dem Ergebnis, daß das Gaststättengesetz auf den fraglichen Betrieb keine Anwendung finde. Zwingende Gründe des öffentlichen Wohls erforderten dies nicht, denn das allgemeine Polizeirecht biete alle etwa erforderlichen Eingriffsmöglichkeiten. Die Behandlung einer Religionsgemeinschaft als Gewerbebetrieb bzw. der Einrichtung einer Religionsgemeinschaft als Gaststätte widerspräche allen traditionellen Vorstellungen und vor allem deren Eigenverständnis, dem nach der Rechtsprechung besonderes Gewicht beizumessen sei. Die Situation im Polizeirecht, Baurecht, Straßenverkehrsrecht, Straßen- und Wegerecht, aber auch im Abgabenrecht sei anders, da diese Rechtsgebiete den Kern der Religionsfreiheit im allgemeinen nicht berührten. Auf Gewinnerzielungsabsicht komme es nach alledem nicht mehr an. Das ... würde selbst dann nicht gewerbsmäßig betrieben, wenn die von den Hausgästen vereinnahmten Beträge die Aufwendungen für Beherbergung und Verköstigung überstiegen. Abgesehen davon sei hier ein Vergleich mit den ortsüblichen Preisen abwegig, da mit dem von den Heimbewohnern entrichteten Pauschalpreis auch die Unkosten für die seelsorgerliche Betreuung abgegolten würden.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte am 13. Oktober 1988 rechtzeitig Berufung eingelegt. Er beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 25. August 1988 -- 5 K 52/88 -- zu ändern und die Klage abzuweisen.

Er trägt vor: Die verfassungsrechtlich gesicherte Religionsfreiheit des Klägers sei durch das Verlangen, eine Gaststättenerlaubnis zu beantragen, nicht berührt. Die Verköstigung der Gäste und deren Unterbringung im vereinseigenen Heim sei nicht untrennbar mit dem Kernbereich der religiösen Betätigung des Klägers verbunden. Bei dem Verkauf von Speisen und Getränken sowie der Vermietung von Unterkünften handele es sich vielmehr um religionsneutrale Vorgänge, die nicht selbst Gegenstand der Religionsausübung seien, auch wenn sie ihr mittelbar dienten. Es sei zwar verständlich, wenn der Kläger die Veranstaltungsteilnehmer nicht auf örtliche Beherbergungsbetriebe verweisen möchte, jedoch ändere dies nichts an der Rechtslage. Hinzu komme, daß nach dem eigenen Vortrag des Klägers und nach den Angaben in seinen Faltblättern das ... auch als Kinderferienlager und Erholungsheim für Jugendgruppen diene. Es liege auf der Hand, daß hierbei die Nutzung des Hauses zur Beherbergung und Verköstigung dieser Gruppen im Vordergrund stehe. Außerdem fänden dort auch Tagungen anderer Gruppierungen und Organisationen, z.B. des Kreisbildungswerkes ... statt, deren Bezug zur Religionsausübung des Klägers sehr fraglich sei. Diese Gruppierungen seien zumeist mit eigenen, auch religiösen Betreuern ausgestattet. Die Beherbergungs- und Verköstigungsleistungen des Klägers fielen sonach nicht in den Schutzbereich der verfassungsrechtlich gewährleisteten ungestörten Religionsausübung bzw. des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts i.S.d. Art. 4 Abs. 2 und 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV, so daß es auf die im angefochtenen Urteil vorgenommene Güterabwägung zwischen Religionsfreiheit und staatlichem Eingriff nicht ankomme. Eine solche sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur dann erforderlich, wenn aufgrund des Vorbehalts des Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV überhaupt in die Selbstbestimmungsgarantie der Religionsgemeinschaft eingegriffen werde. Der Kläger betreibe die Unterbringung und Verköstigung im ... gewerbsmäßig. Insbesondere erbringe er diese Leistungen mit Gewinnerzielungsabsicht. Er, der Beklagte, vertrete nach wie vor den Standpunkt, daß die gemeinnützige Zweckbestimmung und Verwendung des Gewinns gewerberechtlich unbeachtlich sei. Ausschlaggebend für eine Gewinnerzielungsabsicht sei das tatsächliche Verhalten. Sei diese Absicht vorhanden, so sei eine Gaststättenerlaubnis erforderlich. Gewinnerzielungsabsicht bestehe -- wie bereits erwähnt -- auch dann, wenn sich der Selbstkostenpreis eines Betriebes so hoch darstelle, daß ein Unterschied zu den ortsüblichen Preisen nicht mehr bestehe. Für die Frage der Gewerbeausübung sei auch belanglos, ob der Kläger als gemeinnütziger Verein eingetragen sei oder ob es sich um eine Religionsgemeinschaft handele, die ausschließlich ideelle Zwecke verfolge. Maßgebend sei vielmehr, ob die durch Unterbringung und Verköstigung der Gäste erbrachten Leistungen in der Absicht getätigt würden, dadurch Einnahmen zu erwirtschaften, denn Gemeinnützigkeit und Gewinnstreben schlössen sich nicht aus, wie die Beteiligung der Kirchen an privatwirtschaftlichen Unternehmen zeige. Deshalb sei bei gemeinnützigen Vereinigungen die Gewerbsmäßigkeit nur zu verneinen, soweit die Tätigkeit unmittelbar gemeinnützigen Zwecken zugute komme. Mit der Kennzeichnung "unmittelbar" sei gemeint, daß überhaupt kein Gewinn erzielt werden dürfe.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend, wiederholt sein bisheriges Vorbringen und trägt noch vor: Das sei ein Missionswerk, bei dem keineswegs die Beherbergung und Verköstigung einer Gruppe im Vordergrund stehe, sondern allein der missionarische Zweck. Aus diesem Grunde werde das Haus betrieben, und es würden nur Veranstaltungen durchgeführt, die auf dem Boden von Bibel und Bekenntnis stünden und diesem Zweck dienten. Serviceleistungen unabhängig vom Programm würden nicht erbracht. Eine Gewinnerzielungsabsicht bestehe nicht. Der Verein lebe ausschließlich von Opfern und Spenden. Die Beiträge für Unterbringung und Verköstigung seien weder kostendeckend kalkuliert, noch hätten sie den Charakter eines Entgelts. Man wolle den Besuchern lediglich ein längeres Verweilen in der Glaubensgemeinschaft ermöglichen. Der Charakter des Hauses werde eindeutig durch die vorgelegten Schriftstücke, wie z.B. die Einladung zu der Bibelfreizeit über Fastnacht, belegt. Die den Veranstaltungsteilnehmern gewährte Unterkunft und Verpflegung hätten keinerlei Selbständigkeit, sondern dienten -- ähnlich wie bei der bekannten "Speisung der Fünftausend" -- nur dazu, daß die Teilnehmer während der intensiven Bibelarbeit auch etwas zu essen hätten.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die vorliegenden Behördenakten sowie Akten des Verwaltungsgerichts Karlsruhe -- 5 K 52/88 -- Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Beklagten ist nicht begründet. Die Einschränkung des Tenors des angefochtenen Urteils hat lediglich klarstellende Bedeutung.

Das Verwaltungsgericht hat der zulässigen Feststellungsklage zu Recht und mit zutreffenden Gründen stattgegeben.

Zwar bedarf jeder, der ein Gaststättengewerbe betreiben will, grundsätzlich der Erlaubnis nach § 2 Abs. 1 GastG. Ein Gaststättengewerbe i.S.d. Gaststättengesetzes betreibt, wer im stehenden Gewerbe Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht, zubereitete Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht oder Gäste beherbergt, wenn der Betrieb jedermann oder bestimmten Personenkreisen zugänglich ist (§ 1 GastG).

Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, daß es vorliegendenfalls an der in § 1 GastG vorausgesetzten Gewerbsmäßigkeit der Beherbergung und Verköstigung der jeweiligen Bewohner des Bibelheims bzw. Veranstaltungsteilnehmer fehlt. Hinter diesen -- ihrem Wesen nach sicherlich gastronomischen -- Leistungen steht nach den überzeugenden, im Einklang mit der Vereinssatzung vom 25. September 1963 stehenden Ausführungen des Klägers grundsätzlich keine für den Gewerbebegriff wesentliche Gewinnerzielungsabsicht (vgl. Fuhr, Komm. zur Gewerbeordnung, Einleitung Abschnitt A 1 und I 2 sowie Michel/Kienzle, Komm. zum Gaststättengesetz, 9. Aufl., RdNr. 6 zu § 1). Die im Rahmen des § 2 der Vereinssatzung des Klägers den Teilnehmern von Bibelkursen, Evangelisationen, Freizeiten, Ferienerholungen, Kinderversammlungen und Konferenzen im gebotenen gastronomischen Leistungen bezwecken vor allem die organisatorische Erleichterung der Abhaltung bzw. Durchführung der genannten Veranstaltungen mit religiösem Charakter, woraus folgt, daß sie unmittelbar der Religionsausübung dienen und es dem verfassungsrechtlich gewährleisteten kirchlichen Selbstbestimmungsrecht (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV) widerspräche, sie dem Gewerberecht zu unterstellen. Dies gilt erst recht, soweit die dargebotenen Mahlzeiten von Tischgebeten begleitet sind und die Gemeinschaft oder religiöse Verbundenheit der jeweiligen Teilnehmer fördern sollen.

Das durch Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV gewährleistete Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesellschaften gilt nicht nur für die Kirchen selbst, sondern auch für die mit ihnen verbundenen Vereinigungen (BVerwG, Urteil vom 04. Juni 1986, BVerwG -- 7 C 76.85 --), zu denen der Kläger unstreitig gehört. Die Klassifizierung des Betriebes des Bibelheims als Gewerbebetrieb würde das Wesen der vom Kläger mit repräsentierten Religionsgemeinschaft schlechthin berühren. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluß vom 25. März 1980, BVerfGE 53, 366) ausführt, gewährleistet Art. 137 Abs. 3 WRV im Hinblick auf das zwingende Erfordernis friedlichen Zusammenlebens von Staat und Kirche sowohl das selbständige Ordnen und Verwalten der eigenen Angelegenheiten durch die Kirchen als auch den staatlichen Schutz anderer für das Gemeinwesen bedeutsamer Rechtsgüter. Bei der hier gebotenen, dieser Wechselwirkung entsprechenden Güterabwägung ist dem Eigenverständnis der Kirchen, soweit es in dem Bereich der durch Art. 4 Abs. 1 GG als unverletzlich gewährleisteten Glaubens- und Bekenntnisfreiheit wurzelt und sich in der durch Art. 4 Abs. 2 GG geschützten Religionsausübung verwirklicht, ein besonderes Gewicht beizumessen. Der Senat sieht ebensowenig wie das Verwaltungsgericht zwingende Gründe des öffentlichen Wohls, die es erforderten, den Betrieb der strittigen Einrichtung des Klägers von der Erteilung einer Gaststättenerlaubnis abhängig zu machen. Die Kammer weist zu Recht unter Hinweis auf die einschlägigen Ausführungen von Kopp (Wirtschaftliche Betätigung, Gewerberecht und Religionsausübung, GewArch 1987, 209 ff.) darauf hin, daß gegebenenfalls das allgemeine Polizeirecht alle Eingriffsmöglichkeiten bietet, die im jeweils konkreten Fall notwendig sein mögen, etwaige Mißstände (lebensmittelrechtlicher oder sonstiger Art) zu verhindern oder zu beseitigen, wobei sich die Rechts- und Interessenlage im Gewerberecht insoweit anders darstellt als im Polizeirecht, Baurecht, Straßenverkehrsrecht, Straßen- und Wegerecht oder im Abgabenrecht (vgl. BVerfGE 19, 133), also in Rechtsgebieten, die den Kern der Religionsfreiheit im allgemeinen nicht anrühren, auch wenn sie verlangen, daß auch Religionsgemeinschaften und ihre führenden Persönlichkeiten die einschlägige Vorschriften einhalten. In solchen Fällen handelt es sich nur um Modalitäten, die den Kern der Religionsfreiheit -- anders als die Qualifizierung einer Religionsgemeinschaft als Gewerbebetrieb -- nicht berühren. Folgerichtig hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, daß es hiernach auf eine etwaige (neben dem Hauptzweck der Einrichtung bestehende) Gewinnerzielungsabsicht des Klägers beim Betrieb seines Bibelheims letztlich nicht ankäme. Auch der Senat ist der Auffassung, daß es bei der Frage der Einstufung einer Religionsgemeinschaft als Gewerbebetrieb nur auf die Gewinnerzielungsabsicht insgesamt ankommen kann (vgl. Kopp, aaO). Aus der erwähnten Satzung des Klägers geht indes klar hervor, daß er für seine Mitglieder oder für Dritte keinen Gewinn anstrebt. Soweit es um die finanzielle Sicherung der Existenz der betreffenden Einrichtung, also um die Deckung von Ausgaben geht, liegt eine im vorliegenden Zusammenhang rechtserhebliche Gewinnerzielungsabsicht nicht vor (vgl. Kopp, aaO). Soweit die Betätigung von Religionsgemeinschaften überhaupt Leistungen betrifft, die unter die Gewerbeordnung bzw. das Gaststättengesetz fallen könnten, können diese gewerberechtlich nur dann erfaßt werden, wenn insgesamt eine Gewinnerzielungsabsicht vorliegt und nicht nur die Sicherung der finanziellen Grundlagen angestrebt wird. Etwas anderes muß dann gelten, wenn etwa die Bereiche, in denen Gewinne erwirtschaftet werden sollen, sachlich und organisatorisch von den Bereichen, in denen von vorherein nur Verluste erwartet werden können, getrennt sind und insoweit nicht mehr als Teil der Tätigkeiten einer Religionsgemeinschaft angesehen werden können. Eine Religionsgemeinschaft würde sicherlich auch für den Betrieb einer lediglich als Gaststätte geführten Einrichtung selbst dann einer Gaststättenerlaubnis bedürfen, wenn die Gewinne ausschließlich zur Finanzierung religiöser Aufgaben Verwendung fänden (vgl. Kopp, aaO). Dasselbe würde gelten, wenn der Kläger etwa in Überschreitung seiner einschlägigen Satzungsbestimmungen an Dritte nach Maßgabe des § 1 GastG gastronomische Leistungen gewähren würde, wobei es auf die Gewinnverwendung nicht ankäme (vgl. Michel/Kienzle, Kommentar zum Gaststättengesetz, 9. Aufl., RdNr. 6 zu § 1 m.w.N.). Soweit der Kläger sein Bibelheim jedermann oder Personenkreisen zugänglich machen sollte, die von ihm keine oder zumindest keine nennenswerte religiöse Betreuung i.S.d. Vereinssatzung erfahren (hierfür fehlt es nicht nur unter verständiger Würdigung des Vorbringens des Beklagten an ausreichenden Anhaltspunkten, sondern dieser Fall ist vom streitgegenständlichen Feststellungsbegehren des Klägers auch nicht miterfaßt), wäre hierfür eine entsprechende Gaststättenerlaubnis erforderlich. Insoweit würde es sich um gastronomische Leistungen handeln, die ihrer Art nach nicht wesensnotwendig der Religionsausübung zugeordnet sind (vgl. BVerfG, Urteil vom 16.10.1968, BVerfGE 24, 236 ff.). Auch soweit daraus Gewinne erzielt würden, die religiösen Zwecken zugeführt werden, stünden solche Leistungen nicht in dem geforderten unmittelbaren und notwendigen Zusammenhang mit dem erklärten Vereinszweck, sondern hätten dafür allenfalls mittelbare Bedeutung, wie etwa der Betrieb einer für jedermann offenen Gaststätte, auch wenn diese mit dem Ziel der Erwirtschaftung eines Gewinns betrieben wird, der zur Finanzierung religiöser Aufgaben des Betreibers Verwendung finden soll. Wo es nicht um den Kernbereich der Religionsausübung geht, kommen grundsätzlich die Vorschriften des Gewerberechts zur Anwendung.

Eine diesbezügliche Freistellung von der gaststättenrechtlichen Erlaubnispflicht wäre eine Überdehnung der Begriffe der Religionsausübung und der Selbstverwaltung der Religionsgemeinschaften (vgl. Kopp, aaO).

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