LG Arnsberg, Urteil vom 05.10.2011 - I-5 S 46/11
Fundstelle
openJur 2013, 6949
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 25.02.2011 verkündete Urteil des Amtsgerichts Arnsberg (Az. 12 C 374/09) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von der Beklagten aus abgetretenem Recht Zahlung restlicher Mietwagenkosten aus einem Verkehrsunfall, der sich am 28.08.2008 in O1 ereignet hat.

Am Verkehrsunfall beteiligt waren der Zedent, der Geschädigte P1, mit dem PKW Opel Agila mit 43 KW, Baujahr 2001 sowie der Fahrer eines bei der Beklagten haftpflichtversicherten PKW. Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß die Beklagte für den aufgrund des Verkehrsunfalls entstandenen Schaden dem Grunde nach zu 100% einzustehen hat. Während der Reparaturdauer vom 28.08.2008 bis 10.09.2008 mietete der Geschädigte ein Fahrzeug der Mietwagengruppe 01 an. Bei der Anmietung am 28.08.2008 unterzeichnete der Geschädigte eine von der Klägerin vorformulierte Abtretung und Zahlungsanweisung (Bl. 4 d.A.), die auszugsweise wie folgt lautet:

"Hiermit trete ich die Schadensersatzforderung auf Erstattung der Mietwagenkosten gegen den Fahrer, den Halter und deren/dessen Haftpflichtversicherung aus dem unten bezeichneten Schadensereignis erfüllungshalber an die Autovermietung ab.

Ich weise die Versicherung und gegebenenfalls den regulierenden Rechtsanwalt an, den sich aus der Fahrzeuganmietung ergebenden Schadensbetrag unmittelbar an die oben genannte Autovermietung zu zahlen und bitte darum, die Zahlungsbereitschaft kurzfristig dorthin zu bestätigen.

Durch diese Abtretung und Zahlungsanweisung werde ich nicht von meiner Verpflichtung zur Zahlung der Mietwagenkosten befreit, wenn die Versicherung nicht in angemessener Zeit/Höhe leistet. Zahlungen werden mit den Ansprüchen der Geschädigten gegengerechnet."

Zum genauen Inhalt der Abtretung wird auf die Erklärung vom 28.08.2008 Bezug genommen wird (Bl. 4 d.A.).

Unter dem 11.09.2008 übersandte die Klägerin dem Geschädigten sowie der Beklagten eine Rechnung über einen Betrag von 1.363,01 EUR (Bl. 6 d.A.), auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird. Die Beklagte zahlte hierauf 820,70 EUR. Mit Anwaltsschreiben vom 29.05.2009 forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung einer Hauptforderung von 542,31 EUR nebst Zinsen und Anwaltskosten auf.

Die Klägerin hat geltend gemacht, die Abtretung verstoße nicht gegen das RDG. Es handele sich nicht um die Besorgung einer fremden, sondern um eine eigene Angelegenheit, da es ihr - der Klägerin - um die Verwirklichung der eingeräumten Sicherheit gehe. Darüber hinaus stelle die Einziehung restlicher Mietwagenkosten eine gemäß § 5 Abs. 1 RDG zulässige Nebenleistung zur Haupttätigkeit eines Autovermieters dar. Dies entspreche auch dem Willen des Gesetzgebers. Die Abrechnung sei auf der Grundlage des Schwacke-Mietpreisspiegels 2008 vorzunehmen und liege gemäß ihrer Berechnung (Bl. 3 d.A.) sogar über den geltend gemachten Mietwagenkosten.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 542,31 EUR nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.09.2008, sowie 83,54 EUR vorgerichtliche Anwaltskosten zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Abtretung sei wegen Verstoßes gegen das RDG unwirksam, weil es sich bei der Geltendmachung der Mietwagenkosten um eine erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung handele. Außerdem beanspruche die Klägerin einen der Höhe nach nicht gerechtfertigten Unfallersatztarif. Hierzu hat die Beklagte behauptet, der Normaltarif im örtlichen Bereich des Geschädigten liege weit unterhalb der von ihr bereits ausgezahlten Summe in Höhe von 820,70 EUR. Nach dem "Marktspiegel Mietwagen Deutschland 2008" des Fraunhofer Instituts liege der Normaltarif für ein Fahrzeug der Gruppe 1 für 14 Tage inklusive Vollkaskoversicherung und Umsatzsteuer bei 429,16 EUR netto.

Bei der Firma F2 habe ein vergleichbarer PKW bei 14-tägiger Anmietung für 444,99 EUR inklusive Vollkaskoversicherung angemietet werden können. Auch bei der Firma F1 habe im Jahr 2008 in O1 und Umgebung ein Fahrzeug zu einem Tarif von 511,65 EUR angemietet werden können. Darüber hinaus war die Beklagte der Ansicht, die Zweitfahrergebühr sei nicht erstattungsfähig. Ein pauschaler Aufschlag von 25% auf den Normaltarif sei nicht gerechtfertigt.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 210 ff. d.A.) Bezug genommen.

Hiergegen wendet die Klägerin sich mit ihrer Berufung. Sie stellt das Urteil insgesamt zur Überprüfung durch die Kammer.

Die Klägerin macht unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens geltend, vorliegend handele es sich um eine Abtretung an Erfüllungs Statt. Der Zessionar werde alleiniger Rechtsinhaber, so daß es sich um die Besorgung einer eigenen Rechtsangelegenheit handele und damit kein Verstoß gegen das RDG vorliege. Zudem bestehe ihre Haupttätigkeit in der Vermietung von Fahrzeugen und nicht in der Einziehung von Forderungen.

Die Klägerin beantragt,

das am 25.02.2011 verkündete Urteil des Amtsgerichts Arnsberg, Az 12 C 374/09 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 542,31 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.09.2008 zuzüglich 83,54 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die eingereichten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie aufgrund der Zulassung durch das Amtsgericht statthaft. Auch ist die Berufung form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung weiterer 542,31 EUR, da die Abtretung der Schadensersatzansprüche wegen Verstoßes gegen § 134 BGB i.V.m. § 3 RDG unwirksam ist.

Nach § 3 RDG ist die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch das Gesetz oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird. Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, soweit sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalles erfordert (§ 2 Abs. 1 RDG). Rechtsdienstleistung ist, unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 RDG, die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird (Inkassodienstleistung), § 2 Abs. 2 S. 1 RDG. § 2 Abs. 2 S. 1 RDG findet hier indessen keine Anwendung, weil die Klägerin den Forderungseinzug nicht als eigenes Geschäft betreibt, sondern gewerbliche Autovermieterin ist. Einschlägig ist daher vorliegend vielmehr § 2 Abs. 1 RDG.

Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich auch um die Besorgung einer fremden Rechtsangelegenheit i.S.d. § 2 Abs. 1 RDG. Die Abgrenzung, ob eine eigene oder eine fremde Rechtsangelegenheit vorliegt, richtet sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die zu Art. 1 § 1 RBerG ergangen ist, weil das Merkmal "fremde Angelegenheit" durch die Einführung des RDG keine Änderung erfahren hat (vgl. LG Mönchengladbach v. 20.01.2009 - 5 S 110/08 -, zitiert in juris). Danach war bei der Beurteilung, ob die Abtretung den Weg zu einer erlaubnispflichtigen Besorgung von Rechtsangelegenheiten eröffnen sollte, nicht allein auf den Wortlaut der getroffenen vertraglichen Vereinbarung, sondern auf die gesamten dieser zugrunde liegenden Umstände und ihren wirtschaftlichen Zusammenhang abzustellen, also auf eine wirtschaftliche Betrachtung, die es vermeidet, daß Art. 1 § 1 RBerG durch formale Anpassung der geschäftsmäßigen Rechtsbesorgung an den Gesetzeswortlaut und die hierzu entwickelten Rechtsgrundsätze umgangen wird (vgl. BGH NJW 2005, 135; BGH NJW 2006, 1726). Die Klägerin übt vorliegend mit der Verfolgung der Schadensersatzansprüche ihrer Mietwagenkunden gegenüber der beklagten Haftpflichtversicherung eine solche fremde Rechtsangelegenheit aus. Darunter fällt die Durchsetzung abgetretener Ansprüche dann, wenn es dem Zessionar nicht um die Verwertung einer Sicherheit geht, sondern - wie hier - um die Durchsetzung der Schadensersatzansprüche des unfallgeschädigten Kunden. Denn die Klägerin hat nach Mietende gegenüber der Beklagten die Mietwagenkosten unmittelbar geltend gemacht, ohne versucht zu haben, diese von der Mieterin zu erlangen. Die Mieterin wurde von der Klägerin bis zum heutigen Tage nicht in Anspruch genommen, sondern hat lediglich eine Abschrift der Rechnung erhalten. Damit aber besorgt die Klägerin eine fremde Rechtsangelegenheit.

Auch handelt es sich nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung der Kammer nicht um eine erlaubte Nebentätigkeit i.S.d. § 5 Abs.1 RDG (vgl. Urteil v. 09.06.2010 - 5 S 134/09 -; Beschluß v. 20.12.2010 - 5 S 145/10 -; Urteil v. 16.02.2011 - 5 S 82/10 -). Danach sind Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erlaubt, wenn sie als Nebenleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehören. Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist nach dem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind. Die rechtliche Beurteilung von Schadensfällen gehört nicht zum Berufsbild eines Mietwagenunternehmens. Vorliegend geht es insbesondere auch um die Erstattungsfähigkeit eines Unfallersatztarifs. Nach der Rechtsprechung des BGH kann ein höherer Unfallersatztarif nur dann ersetzt verlangt werden, wenn der Geschädigte darlegt und gegebenenfalls beweist, daß ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnisse und Einflußmöglichkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war (vgl. BGH v. 19.04.2005, Az. VI ZR 37/04). Die Beantwortung dieser offenen Rechtsbegriffe kann nur von einem Rechtskundigen erwartet werden, nicht jedoch von einem Mietwagenunternehmen. Gleiches gilt für die Frage, ob die Schwacke-Liste oder die Fraunhofer-Tabelle heranzuziehen ist. Sie gehört zu den Hauptleistungen eines Juristen, nicht jedoch zu den Nebenleistungen eines Autovermieters. Diese Rechtskenntnisse sind nicht für die Haupttätigkeit eines Mietwagenunternehmens erforderlich i.S.d. § 5 Abs. 1 RDG.

Dem stehen auch die Gesetzesmaterialien nicht entgegen, wonach eine Forderungseinziehung als Nebentätigkeit grundsätzlich erlaubt sein soll, auch wenn sie eine besondere rechtliche Prüfung erfordert. Denn die Hürden für die Zulässigkeit einer Rechtsdienstleistung sind in der endgültigen Gesetzesfassung gegenüber der Entwurfsbegründung erhöht worden. Nach § 2 Abs. 1 RDG ist eine Rechtsdienstleistung jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalles erfordert. Dies ist hier der Fall, da die Höhe der Mietwagenkosten zwischen den Parteien streitig ist und es insbesondere auch um die rechtlich komplizierte Frage der Erstattungsfähigkeit des Unfallersatztarifs geht.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Entscheidung über die Zulassung der Revision folgt aus § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

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