VG Wiesbaden, Urteil vom 04.12.2012 - 5 K 1267/09.WI
Fundstelle
openJur 2013, 5848
  • Rkr:

Auch sog. 50-Cent-Gewinnspiele im Internet sind Glücksspiele und nach den glücksspielrechtlichen Ordnungsvorschriften - nicht nach § 8 a RStV - zu beurteilen.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden,falls nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin ist eine juristische Person (Ltd.) mit Sitz in A-Stadt, die unter XXX und XXX Spiele und Wetten im Internet anbietet.

Die Klägerin verfügt über eine Erlaubnis der Behörden von A-Stadt zur Veranstaltung von Glücksspielen.

Sie wendet sich gegen eine glücksspielrechtliche Untersagungsverfügung des Beklagten.

Unter XXX veranstaltet die Klägerin Unterhaltungs- und Gewinnspiele (Sportwetten als Wetten auf den Ausgang tatsächlich stattfindender oder virtueller Sportereignisse), z. T. ohne Geldeinsatz und auch gegen Entgelt.Der Spieleinsatz ist inklusive aller Kombinationen pro Teilnahme an einem Angebot (Abgabe eines Spieltipps) auf maximal 0,50 €begrenzt, der Höchsteinsatz am Tag auf 100,00 €, der tägliche Maximalverlust pro Spieler auf 30,00 €.

Mit Schreiben vom 19.03.2009 (per Telefax übersandt) hörte der Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Untersagung ihres Glücksspielangebots unter XXXan.

Mit Bescheid vom 18.09.2009 (per Telefax übermittelt am selben Tag) wurde der Klägerin unter Bezugnahme auf § 3 des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag -GlüStV -) untersagt, im Internet öffentliches Glücksspiel in den Ländern Baden-Württemberg, Berlin, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz zu veranstalten oder zu vermitteln und hierfür zu werben, insbesondere mit den unter den Domains XXX abrufbaren Angeboten, ihr eine Frist von 2 Wochen zur Umsetzung eingeräumt und für den Fall der Zuwiderhandlung nach Fristablauf ein Zwangsgeld in Höhe von 50.000,00 € angedroht. Die Verwaltungsgebühr wurde auf 1.000,00 € festgesetzt.

Die Zuständigkeit des Beklagten für Hessen ergebe sich aus § 16Abs. 4 des Hessischen Glücksspielgesetzes (GlüG), die für die übrigen Bundesländer aus § 9 Abs. 1 Satz 4 GlüStV.

Auf der Internetseite der Klägerin würden Glücksspiele (u. a.Sportwetten, Casino, Poker) angeboten. Bei den Wetten handele es sich um öffentliches Glücksspiel, das Angebot richte sich gezielt an Spieler aus der Bundesrepublik Deutschland.

Das von der Klägerin angebotene Glücksspiel sei unerlaubt. Es gebe weder eine Erlaubnis der zuständigen Behörden noch sei Glücksspiel im Internet überhaupt zulässig.

Vor dem Hintergrund des § 284 StGB sei die Untersagung das geeignete, verhältnismäßige und erforderliche Mittel, um den Verstößen gegen den Glücksspielstaatsvertrag zu begegnen.

In welcher Form die Klägerin der Verbotsverfügung nachkomme,bleibe ihr überlassen. Entscheidend sei allein, dass ihr Angebot auf den Gebieten der genannten Bundesländer nicht mehr abrufbar sein dürfe. Es sei die Variante der Geolokalisation oder eine Lösung über Handy- oder Festnetzortung denkbar.

Die Abwicklungsfrist sei ausreichend.

Gegen den mit einer Rechtsmittelbelehrung versehene Bescheid (mit Hinweis auf die sofortige Vollziehbarkeit) hat die Klägerin am 13.10.2009 die vorliegende Klage erhoben und einen Eilantrag (Az.:5 L 1266/09.WI) gestellt.

Die Verfügung sei schon formell rechtswidrig, weil sie der Klägerin nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Im Übrigen werde die Regelungskompetenz des Beklagten für die übrigen Bundesländer bestritten. Der Sachverhalt werde unzutreffend dargestellt, die Klägerin biete unter XXX weder Casino- noch Pokerspiele an,sondern Wetten auf Sportereignisse.

Die Verfügung sei auch materiell rechtswidrig, weil es sich wegen des geringfügigen Einsatzes beim Angebot der Klägerin unter XXX nicht um Glücksspiel im Sinne von § 284 StGB und § 3 GlüStV handele, abgesehen davon, dass die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags auch verfassungs- und europarechtswidrig seien. Zudem sei die Verfügung unverhältnismäßig und zur Erreichung des angegebenen Ziels (Beschränkung der Spielsucht) nicht geeignet. Die internetspezifische Suchtgefahr sei nicht belegt. Von den Internetspielen gehe im Vergleich zu dem Glücksspielangebot der staatlichen Monopolanbieter keine höhere Suchtgefahr aus. Mittels internetspezifischer Anwendung stelle die Klägerin sicher, dass ein Nutzer höchstens 0,50 € pro Spielteilnahme, maximal 30,00 € pro Tag bzw. 200,00 € pro Monat verlieren könne. Bei Erreichen des Limits werde automatisch das Spielerkonto gesperrt.

Auch sei es der Klägerin tatsächlich nicht möglich, der Verfügung Folge zu leisten. Eine regionale Blockierung von Internetseiten könne technisch nicht mit hinreichender Sicherheit bewerkstelligt werden. Es sei der Klägerin finanziell nicht zumutbar, mit unverhältnismäßigem Kontroll- und Kostenaufwand die Untersagungsverfügung umzusetzen. Ihr weltweites Internetangebot werde lediglich von deutschen Behörden beanstandet. Wollte die Klägerin der Untersagungsverfügung nachkommen, sei sie gezwungen,ihr Angebot auch überregional einzustellen.

Für das Einschreiten gegen die Klägerin bestehe keine besondere Dringlichkeit. Sie biete seit vielen Jahren Gewinnspiele im Internet an, ohne dass ein Ansteigen der Spielsucht nachgewiesen sei.

Auch könne die Verfügung gegen die Klägerin nicht vollstreckt werden. Das völkerrechtliche Territorialprinzip verbiete es dem Beklagten, Hoheitsakte auf dem Gebiet Gibraltars vorzunehmen.

Mit Beschluss vom 01.07.2010 wurde der Eilantrag der Klägerin zurückgewiesen, die Beschwerde dagegen bleib erfolglos (Beschluss des Hess. Verwaltungsgerichtshofs vom 07.09.2011, Az.: 8 B1552/10).

Die Klägerin verfolgt ihr Klagebegehren weiter. Sie verweist auf § 8 a des Rundfunkstaatsvertrages (RStV), der auch für Gewinnspiele in mit Rundfunk vergleichbaren Telemedien gelte. Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28.09.2011 (Az.: I ZR 93/10) sei § 8 a RStV auf Internetgewinnspiele anwendbar. Entsprechend seien Einsätze von höchstens 0,50 € pro Teilnahme glücksspielrechtlich unerheblich; solche wettbewerbsrechtlich zulässigen Gewinnspiele unterlägen eindeutig nicht den Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrags.

Es könne nur einen einheitlichen Glücksspielbegriff geben, der auch von den Verwaltungsgerichten zu akzeptieren sei. Die Bagatellgrenze gelte auch für Spieleinsätze nach dem GlüStV.

Die Klägerin beantragt,

die Untersagungsverfügung vom 18.09.2009 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Bescheid. Beim Angebot der Klägerin handele es sich um unerlaubte Glücksspiele, wie etwa Sportwetten, Casinospiele und Poker, die unter Verstoß gegen § 4Abs. 4 GlüStV im Internet veranstaltet, vermittelt und beworben würden. Der allgemeine Hinweis auf unerlaubte Glücksspiele mache die Verfügung nicht unbestimmt. Die Klägerin wisse, was sie im Einzelnen anbiete.

Der Beklagte sei aufgrund entsprechender Ermächtigungen auch für die anderen im Tenor genannten Bundesländer tätig geworden.

Die Zustellung der Verfügung per Telefax sei wirksam. Auch habe die Klägerin die Verfügung tatsächlich erhalten.

Bei Gewinnspielen kenne das Glücksspielrecht keine Bagatellgrenze für den Spieleinsatz. Internetglücksspiel sei im Übrigen in Deutschland ausnahmslos verboten. Eine in A-Stadt erteilte Erlaubnis gelte nicht in Hessen und den übrigen beteiligten Bundesländern.

Die Verfügung sei auch technisch umsetzbar, z. B. sei Geolokalisation ein taugliches Mittel; die Art der Umsetzung bleibe der Klägerin vorbehalten (allerdings reiche allein das Einfügen eines Disclaimers nicht aus).

Die Umsetzungsfrist sei angemessen und ausreichend.Grundsätzlich sei nämlich Untersagungen direkt Folge zu leisten.

Ergänzend sei noch darauf hinzuweisen, dass die Klägerin unter XXX neben Sportwetten auch Casinospiele und Poker veranstalte.

Unter Bezugnahme auf zwei Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vom 23.02.2012, Az.: 10 CS 10.1682, und vom 07.03.2012, Az.: 10 CS 10.1347) trägt der Beklagte weiter vor,dass auch der Bundesgerichtshof zufallsabhängige 0,50 €-Spiele nur dann als harmlose Unterhaltungsspiele einstufe, wenn nicht zur Mehrfachteilnahme aufgefordert werde und wenn die Spiele Teil eines Unterhaltungsangebots seien, das auch redaktionelle Inhalte habe.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Akte 5 L 1266/09.WI sowie auf die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die angefochtene Untersagungsverfügung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1Satz 1 VwGO).

Der Bescheid findet seine Rechtsgrundlage in den §§ 3 Abs. 1, 4Abs. 1 und 4, 5 Abs. 3 GlüStV und ab 01.07.2012 in den §§ 3 Abs. 1,4 Abs. 1 und 4, 5 Abs. 3 Satz 1 des Ersten Staatsvertrags zur Änderung des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland (Erster GlüÄndStV).

Für die Überprüfung des vorliegenden, auf Glücksspielrecht gestützten Dauerverwaltungsaktes ist grundsätzlich maßgeblicher Zeitpunkt der der Sach- und Rechtslage zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.07.2011, Az.: 8C 12/10). Allerdings kann auch ein Dauerverwaltungsakt, dessen Beschwer nach wie vor besteht, für die gesamte Dauer seiner Wirksamkeit angefochten werden (so BVerwG, Beschluss vom 05.01.2012, Az.: 8 B 62/11). Liegt - wie hier - eine unbefristete Regelung vor, die bisher galt und auch Fortgeltung beansprucht, so bestimmt sich deren Rechtmäßigkeit nach der Sach- und Rechtslage zum jeweiligen Zeitpunkt innerhalb des Wirkungszeitraums und kann daher zeitabschnittsbezogen geprüft und beurteilt werden (so BVerwG, Beschluss vom 17.10.2012, Az.: 8 B 61/12).

Soweit sich die angefochtene Verfügung auch auf andere Angebote der Klägerin, die nicht unter XXX, sondern unter anderen Domains dargeboten werden, bezieht, ist sie schon deshalb rechtmäßig, weil die Klägerin hier keinen geringfügigen Spieleinsatz behauptet und insoweit das glücksspielrechtliche Internetverbot - auf das die Verfügung gestützt ist - zweifelsfrei galt und auch weiterhin gilt.

Bis zum Inkrafttreten des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrages war über §§ 4 Abs. 4, 5 Abs. 3GlüStV das Internetangebot und die Werbung hierfür uneingeschränkt untersagt. Auf die neue Rechtslage kann die Klägerin sich nicht berufen. Über eine Konzession aus Schleswig-Holstein oder im Rahmen der Experimentierklausel des § 10a Erster GlüÄndStV bzw. über eine Erlaubnis nach § 5 Abs. 3 Satz 2 Erster GlüÄndStV verfügt sie nicht, so dass ihr Angebot unter das weiterhin geltende allgemeine Internetverbot der §§ 4 Abs. 4, 5 Abs. 3 Satz 1 Erster GlüÄndStVfällt.

Soweit die angefochtene Verfügung „insbesondere“ das Angebot unter XXX und die Werbung hierfür untersagt (nur darauf bezieht sich die Klagebegründung unter Verweis auf die Geringfügigkeitsgrenze und die Nichtanwendbarkeit des Glücksspielrechtes), ist und war der Bescheid ebenfalls rechtmäßig.

Die dort von der Klägerin angebotenen Spiele sind ebenfalls Glücksspiele und von daher auch nach den glücksspielrechtlichen Ordnungsvorschriften zu beurteilen.

Es handelt sich nicht um Gewinnspiele im Sinne von § 8 a des Rundfunkstaatsvertrages (RStV).

Zum einen fehlt es an einem Rundfunkangebot der Klägerin, zum anderen wird die finanzielle Einsatzgrenze nicht eingehalten. Denn für solche - zulässigen - Spiele im Rundfunk darf nur ein einmaliges Entgelt bis zu 0,50 € verlangt werden.

Nach der Gewinnspielsatzung der Landesmedienanstalten soll gerade die wiederholte Teilnahme ausgeschlossen sein; so ist die Aufforderung zur Mehrfachteilnahme unzulässig (§ 8 Abs. 1) und es stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, wenn für ein Gewinnspiel / eine Gewinnspielsendung ein Entgelt von mehr als 50 Cent erhoben wird (§13 Abs. 1 Nr. 2). Dementsprechend ist nur unter den genannten Einschränkungen ein Gewinnspiel im Rundfunk zulässig.

Die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages bleiben im Übrigen von den rundfunkrechtlichen Vorschriften unberührt (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 24.11.2010, Az.: 8 C 15/09). Das folgt schon daraus, dass der Begriff der Gewinnspiele in § 8a RStV nicht deckungsgleich mit dem der Glücksspiele in § 3 GlüStV / Erster GlüÄndStV ist. Soweit Rundfunkgewinnspiele als Glücksspiele einzuordnen sind, sind sie deshalb ebenso dem Internetverbot unterworfen wie die übrigen Glücksspiele (so BVerwG, Urteil vom 01.06.2011, Az.: 8 C 5/10).

Es kann aber im Ergebnis dahinstehen, ob die Bagatellgrenze von 0,50 € auch im ordnungsrechtlichen Glücksspielbereich gelten muss. Der Glücksspielstaatsvertrag nennt keine Einsatzgrenzen,ebensowenig wie § 284 StGB den „nicht ganz unerheblichen Vermögenseinsatz“ (zum strafrechtlichen Begriff vgl.Beck´scher Online-Kommentar, § 284 StGB, Rdnr. 9 – 12)definiert. Weiterhin kann dahinstehen, ob § 2 Abs. 6 Erster GlüÄndStV, der Gewinnspielsendungen und Gewinnspiele im Rundfunk nach § 8 a RStV vom Anwendungsbereich des Glücksspielvertrages ausnimmt (vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 28.09.2011 und Beschluss vom 19.07.2012 im Verfahren I ZR 92/09: Teilnahme-Entgelte von höchstens 0,50 € sind glücksspielrechtlich unerheblich), auch für Angebote in Telemedien gilt (verneinend: Amtliche Begründung zu § 2 Abs. 6 1. GlüÄndStV), denn die von der Klägerin angebotenen Spiele überschreiten den genannten Entgeltrahmen im Hinblick auf die nicht nur mögliche, sondern gerade auch auf die angebotene und beworbene Mehrfachteilnahme.

Selbst wenn für einen Spieltipp nicht mehr als 0,50 € pro Teilnahme aufgewendet werden, so sehen die Teilnahmebedingungen/Gewinnspielregelungen unter 3.2 ausdrücklich den Fall der mehrfachen Teilnahme an Tipp-Gewinnspielen vor und begrenzen den Tageseinsatz/Höchstverlust auf 30,00 €. Im Falle zwischenzeitlich erzielter Gewinne bei Mehrfachteilnahme in Tagesfrist ist die Gesamtsumme der Teilnahmeentgelte auf höchstens 100,00 € pro Tag limitiert (so die seit 30.09.2009 gültigen Regeln unter XXX). Daraus wird deutlich, dass der durch § 8 a RStV festgelegte Entgeltrahmen für Gewinnspiele, der in etwa den üblichen Portokosten für die Teilnahme an herkömmlichen Gewinnspielen entspricht (so BGH, a. a.O.), nicht eingehalten wird. Vielmehr werden zwar die einzelnen Spieltipps auf 0,50 € begrenzt, aber eine Mehrfachteilnahme wird geradezu vorausgesetzt. Ansonsten hätte es der Begrenzung des täglichen Einsatzes/Verlustes auf 30,00 € bzw. 100,00 €nicht bedurft.

Es kann dementsprechend nicht davon ausgegangen werden, dass Spieler sich regelmäßig auf einen einzigen Tipp beschränken, denn das Angebot der Klägerin ist vielfältig und problemlos auch über längere Zeiträume hinweg per Internet erreichbar. Abgesehen davon,dass demgegenüber die mehrfache Teilnahme an einem Rundfunkgewinnspiel in der Regel immer nur durch eine jeweils neue Entschließung des Teilnehmers zur telefonischen oder schriftlichen Kontaktaufnahme erreicht werden kann, sind diese Gewinnspiele nicht auf Mehrfachteilnahme ausgelegt, sondern diese soll gerade unterbunden werden (vgl. dazu VG Düsseldorf, Beschluss vom 15.07.2009, Az.: 27 L 415/09 m. w. N.; OLG Köln, Urteil vom 12.05.2010, Az.: 6 U 142/09). Berücksichtigt werden muss im Falle der Klägerin auch, dass der niedrige Einzeleinsatz bei schneller Gewinnspielfolge und breit gefächertem Angebot anreizt, weiteres Geld zu investieren, um größere Gewinne zu erzielen oder um eventuelle Verluste auszugleichen.

Auch der Bundesgerichtshof hatte diese Problematik zu überprüfen und hat die Annahme des Berufungsgerichts, dass es sich bei Online-Gewinnspielen auch dann, wenn der Einsatz für ein einzelnes Spiel auf 0,50 € beschränkt wird, um Glücksspiele handelt,weil davon ausgegangen werden kann, dass sich der Spieler nicht auf ein einzelnes Spiel beschränkt, als rechtsfehlerfrei bewertet (BGH,Urteil vom 28.09.2011, Az.: I ZR 93/10).

Damit steht nach Überzeugung der Kammer fest, dass auch das Angebot der Klägerin unter XXX dem Glücksspielrecht unterfällt und nach dessen Vorschriften untersagt werden kann.

Das bis 30.06.2012 geltende allgemeine Internetverbot für Glücksspiele ist als verfassungs- und europarechtskonform bewertet worden (vgl. z. B. BVerfG, Beschluss vom 14.10.2008, Az.: 1 BvR928/08; EuGH, Urteil vom 08.09.2010, Rs. C- 46/08). Insoweit ist die angefochtene Verfügung bis zu diesem Zeitpunkt rechtmäßig gewesen. Das Verbot des § 4 Abs. 4 GlüStV war allgemein gültig und sah keine Ausnahmen vor (es war nicht monopolakzessorisch und auch im Bereich der Pferdewetten anwendbar, vgl. BVerwG, Urteil vom 01.06.2011, Az.: 8 C 5/10; vgl. auch OLG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27.09.2012, Az.: 9 U 73/11 m.w.N.).

Ab dem 01.07.2012 sind engbegrenzte Ausnahmen vom allgemeinen Internetverbot des § 4 Abs. 4 möglich, allerdings nur im Rahmen der Experimentierklausel des § 10 a Erster GlüÄndStV.

Einen Konzessionsantrag hat die Klägerin für ihr Angebot unter XXX jedoch nicht gestellt. Insoweit gelten für sie die Verbotsvorschriften weiter.

Mit der Öffnungsklausel in dem ab 01.07.2012 geltenden Recht wird die Gesamtkohärenz der glücksspielrechtlichen Regelungen und des Internetverbots nicht in Frage gestellt (vgl. beispielsweise VGKarlsruhe, Beschluss vom 27.08.2012, Az.: 3 K 882/12; a. A. OVGBerlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.08.2012, Az.: 1 S 44.12).

Auch der Europäische Gerichtshof hält eine kontrollierte Expansion des Glücksspielangebots für zulässig, wenn das richtige Gleichgewicht gefunden wird zwischen der Attraktivität des zugelassenen Angebots und der Notwendigkeit, der Spielsucht der Verbraucher soweit wie möglich entgegen zu wirken (vgl. Urteil in der Rs. C-258/08 vom 03.06.2010). Die Vergabe einer beschränkten Anzahl von Konzessionen ermöglicht es bereits ihrem Wesen nach, die Gelegenheit zum Spiel zu kanalisieren und einzuschränken und damit ein Ziel des Allgemeininteresses zu erreichen. Allerdings muss das Vergabeverfahren transparent sein und auf im Voraus bekannten Kriterien beruhen (so EuGH, Urteil vom 09.09.2010, Rs.C-64/08).

Neben der Zulässigkeit eines generellen Internetverbots (vgl.EuGH, Urteil vom 08.09.2010, Rs. C-46/08) steht es den Mitgliedsstaaten grundsätzlich frei, auch exklusive Rechte zur Internetnutzung an einzelne Veranstalter, die von der Behörde genau überwacht werden, zu vergeben, wenn das Ziel, Anreize für übermäßige Spielausgaben zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, hinreichend wirksam verfolgt werden kann (so EUGH,Urteil vom 15.09.2011, Rs. C-347/09). Kohärenz fordert keine völlige Gleichschaltung, wohl aber ein systematisches Vorgehen zur Erreichung des geltend gemachten Ziels. Befristete Ausnahmen können ebenso zulässig sein (vgl. EuGH, Urteil vom 19.05.2009, Rs.C-531/06) wie unterschiedliche Regelungen in verschiedenen Bundesländern, soweit sie demselben Ziel, nämlich der Bekämpfung der Spielsucht, gelten und in einer Erprobungsphase die bestmögliche Lösung gefunden werden soll. Dies gilt auch mit Blick auf das seit Januar 2012 in Schleswig-Holstein in Kraft befindliche eigenständige Glücksspielrecht. Die dortigen Konzessionsregelungen gelten zunächst nur für 6 Jahre (mit späterer Verlängerungsmöglichkeit). Auch das Glücksspielrecht in Schleswig-Holstein will den typischen Gefährdungssituationen des Glücksspiels begegnen und lehnt sich ausdrücklich an die Ziele an,die schon im Glücksspielstaatsvertrag und im Lotteriestaatsvertrag enthalten waren (so die Amtliche Begründung).

Auch im Hinblick auf die gerügten formellen Fehler muss die Klage erfolglos bleiben. Wie die Kammer bereits im Eilverfahren 5 L1266/09.WI (Beschluss vom 01.07.2010) ausgeführt hat, entspricht die Übermittlung des angefochtenen Bescheides per Telefax zwar nicht den Zustellungsvorschriften der §§ 73 Abs. 3 VwGO, 1 und 2HessVwZG i. V. m. § 9 VwZG. Der Zustellungsmangel ist aber nach § 8VwZG geheilt, weil der Bescheid der Klägerin tatsächlich zugegangen ist und sie durch Klageerhebung zu erkennen gegeben hat, dass sie ihn als gegen sich gerichtet ansieht.

Die möglicherweise fehlgeschlagene Anhörung (§ 28 HVwVfG) ist nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. Abs. 2 HVwVfG nicht beachtlich,weil die Klägerin im gerichtlichen Verfahren ihre Argumente vortragen konnte und diese von dem Beklagten in der Antrags- und Klageerwiderung gewürdigt wurden.

Weiterhin ist der Beklagte zutreffend von seiner Zuständigkeit für Hessen und für die übrigen im Tenor des Bescheides genannten Bundesländer ausgegangen. § 9 Abs. 1 Satz 4 GlüStV / Erster GlüÄndStV erlaubt die Ermächtigung zum Einschreiten auch für andere Bundesländer. Die hier notwendigen Ermächtigungen hat der Beklagte vollständig vorgelegt.

Die offene Formulierung in Ziffer 1. des angefochtenen Bescheides ist nicht zu beanstanden, weil sich aus § 3 Abs. 1 bis 3GlüStV / Erster GlüÄndStV zweifelsfrei entnehmen lässt, was als Glücksspiel anzusehen ist.

Die Klägerin kann der angefochtenen Verfügung z.B. mit Hilfe der Geolokalisation nachkommen (zur Zulässigkeit und Geeignetheit dieser Methode vgl. BayVGH, Beschluss vom 24.01.2012, Az.: 10 Cs 11.1290 m.w.N.).

Die Frage, ob die Untersagungsverfügung im Ausland auch tatsächlich vollstreckt werden kann, stellt sich im vorliegenden Verfahren nicht, weil es hier nur um die Androhung geht, die ihre Rechtsgrundlage in §§ 68 ff., 76 HVwVG findet.

Die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes wurde nach § 76 Abs. 2HVwVG bestimmt; die Festsetzung der Verwaltungskosten findet ihre Rechtsgrundlage in Nr. 43172 des Verwaltungskostenverzeichnisses zu § 1 der Verwaltungskostenordnung des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Berufung war antragsgemäß zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vorliegen (vgl. § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO). 

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 51.000,- Euro festgesetzt.

Gründe:

Bei der Streitwertfestsetzung nach § 52 Abs. 1 GKG hat sich die Kammer an der Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs im Eilverfahren (Beschluss vom 07.09.2011, Az.: 8 B 1552/10 unter Hinweis auf BayVGH, Beschluss vom 07.05.2007, Az.: 24 CS 07.10)orientiert und für das Hauptsacheverfahren die dort festgesetzte Summe verdoppelt (vgl. dazu auch BayVGH, Urteil vom 25.08.2011,Az.: 10 BV 10.1176) sowie die Verwaltungsgebühr hinzugerechnet.

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