Bayerischer VGH, Beschluss vom 05.12.2012 - 12 BV 12.526
Fundstelle
openJur 2013, 5297
  • Rkr:

Kinder- und JugendhilferechtErlaubnis zur Kindertagespflege; Eignung; Einholung eines „Leumundszeugnisses“ bei der Polizei; Rechtsgrundlage für DatenübermittlungsersuchenVerwaltungsprozessrechtWegfall der Beschwer vor Einlegung der Berufung

Tenor

I. Das Berufungsverfahren wird eingestellt.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Klägerin beansprucht mit ihrer Klage die Verlängerung einer Erlaubnis zur Kindertagespflege ohne die Nebenbestimmung, der Beklagten für sich und ihren Lebensgefährten eine Auskunft über gespeicherte polizeiliche Daten (sog. „Leumundsauskunft“) vorzulegen.

Mit Bescheid vom 24. August 2006 erteilte die Beklagte der Klägerin auf fünf Jahre befristet die Erlaubnis zur Kindertagespflege für bis zu vier Kinder nach § 43 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII). Für deren Verlängerung wurde ihr im März 2011 unter anderem ein Formular zur sog. „Leumundsauskunft“ übermittelt. Dieses verlangt vom jeweiligen Antragsteller die Auflistung sämtlicher Personen, die im Betreuungshaushalt leben, einschließlich der Angabe von deren Stellung in der Familie, sowie Geburtstag, Geburtsort und Staatsangehörigkeit. Weiter wird die Abgabe folgender Erklärung gefordert:

„Wir sind damit einverstanden, dass das Stadtjugendamt zur Überprüfung der Eignung als Tagesbetreuungsperson eine ‚Leumundsauskunft’ (Aufstellung polizeilicher Ermittlungsverfahren) anfordert und bei etwaigen Einträgen ggf. die Staatsanwaltschaft zum Verfahrensausgang befragt. Weiterhin willigen wir ein, dass das Stadtjugendamt/Sozialbürgerhaus eine Anfrage an die Bezirkssozialarbeit/Vermittlungsstelle der Sozialbürgerhäuser richtet, deren Mitarbeiter/-in wir hiermit von der Schweigepflicht entbinden. Im Bedarfsfall kann ein polizeiliches Führungszeugnis nach § 30 Abs. 5 Bundeszentralregistergesetz i.V.m. § 43 Abs. 2 SGB VIII eingeholt werden (diese Erklärung ist von sämtlichen im Haushalt lebenden über 16-jährigen Personen zu unterzeichnen).“

Rechtlichen Bedenken der Klägerin und ihres Lebensgefährten im Hinblick auf das geforderte Einverständnis trat die Beklagte zunächst mit Schreiben vom 16. Mai 2011 entgegen. In der Folge beantragte die Klägerin am 6. Juni 2011 unter Vorlage aller erforderlicher Unterlagen – mit Ausnahme der Einwilligung in die Erteilung der sog. „Leumundsauskunft“ für sich und ihren Lebensgefährten – die Verlängerung der Tagespflegeerlaubnis. Daraufhin wies sie die Beklagte mit Schreiben vom 15. Juni 2011 erneut darauf hin, dass für die Erteilung der Kindertagespflegeerlaubnis eine „Leumundsauskunft“ für alle im Haushalt der Tagesbetreuungsperson lebenden Personen zwingend erforderlich sei und für den Lebensgefährten der Klägerin auch nicht durch dessen dem Antrag beigefügtes Führungszeugnis ersetzt werden könne.

Aufgrund dieses Schreibens, dass sie als Ablehnung der Neuerteilung der Tagespflegeerlaubnis interpretierte, erhob die Klägerin durch ihre Bevollmächtigte mit Schriftsatz vom 28. Juni 2011 zunächst Widerspruch. Diesen behandelte die Beklagte mangels eines die Erlaubnis zur Tagespflege versagenden Verwaltungsakts als unstatthaft. Sie wies mit weiterem Schreiben vom 1. Juli 2011 nunmehr auf § 62 SGB VIII i.V.m. § 43 Abs. 2 SGB VIII als Rechtsgrundlage für das Einholen der „Leumundsauskunft“ bei der Polizei hin. Diese diene dazu, die Eignung einer zukünftigen Tagesbetreuungsperson mit Blick auf den Auftrag zum Schutz des Kindeswohls zu beurteilen. Besonderes Gewicht besitze zudem die Verpflichtung der Beklagten aus § 72a SGB VIII, mögliche Übergriffe von Betreuungspersonen auf die körperliche und sexuelle Unversehrtheit von Tagespflegekindern bereits im Vorfeld zu verhindern. Hierzu lasse sie sich in regelmäßigen Abständen ein erweitertes Führungszeugnis nach § 30a Abs. 5 Bundeszentralregistergesetz (BZRG) vorlegen. Dieses bilde jedoch nur ein Instrument zum Schutz von Tagespflegekindern vor sexuellem Missbrauch. Der Schutzauftrag des Jugendamts müsse vielmehr im gesamten Verfahren der Eignungsprüfung „mitgedacht“ werden. Er erfasse zwingend auch Haushaltsangehörige der Tagesbetreuungsperson. Berücksichtigt werden müssten ferner die Mitteilungsbefugnisse bzw. –pflichten strafrechtlicher Ermittlungsbehörden nach den Vorgaben der Anordnung über die Mitteilung in Strafsachen (MiStra), bei der jedoch in der Praxis erhebliche Vollzugsdefizite bestünden. Um einen umfassenden Schutz im kontrollfernen Kontext der Kinderbetreuung im Haushalt der Tagespflegeperson gewährleisten zu können, werde eine Kombination der vorgenannten Möglichkeiten mit der Einholung der „Leumundsauskunft“ für unerlässlich erachtet. Die Dritterhebung von Daten nach § 62 SGB VIII geschehe aus Transparenz- und Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten heraus stets unter Mitwirkung und mit schriftlichem Einverständnis des Betroffenen, wenngleich nach § 62 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. c SGB VIII eine Erhebung auch ohne seine Mitwirkung möglich wäre. Dies gelte auch für die Einholung von Informationen über weitere Haushaltsangehörige nach § 62 Abs. 4 Satz 1, 2 i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 3 SGB VIII. Einträge in der „Leumundsauskunft“ würden grundsätzlich nur als Indizien behandelt. Erst im weiteren Verlauf der Eignungsprüfung sei dann durch Gespräche mit der betroffenen Person der Sachverhalt aufzuklären. Nur aus der weiteren Überprüfung könne sich tatsächlich ein Ablehnungsgrund ergeben, nicht jedoch aus der „Leumundsauskunft“ an sich.

Daraufhin ließ die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 15. Juli 2011 beim Verwaltungsgericht München im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung beantragen, ihr – vorläufig – die Erlaubnis zur Kindertagespflege bis zur Klärung der Hauptsache zu erteilen und zugleich der Beklagten aufzugeben, die Einholung der „Leumundsauskunft“ für sie und ihren Lebensgefährten zu unterlassen. Zugleich erhob sie Klage mit dem Antrag, die Beklagte zu verpflichten, ihr ab dem 24. August 2011 die Erlaubnis zur Kindertagespflege nach § 43 SGB VIII für vier gleichzeitig anwesende Kinder für weitere fünf Jahre zu erteilen.

Nach Klageerhebung erteilte die Beklagte der Klägerin mit dem vorliegend streitgegenständlichen Bescheid vom 4. August 2011 die Erlaubnis zur Kindertagespflege, verbunden jedoch mit der Nebenbestimmung (Ziffer 2. des Bescheids), dass diese erlischt, „wenn nicht bis zum 31. Oktober 2011 eine durch das Polizeipräsidium München, Kriminalfachdezernat 10, K 106, ausgestellte Bescheinigung über die erteilte Auskunft zu gespeicherten polizeilichen Daten der Tagespflegeperson und des mit ihr in häuslicher Gemeinschaft lebenden Lebens-/Ehepartners vorgelegt wird“. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht München am 28. September 2011 erläuterte sie diese Bedingung dahin gehend, dass sie sinngemäß beinhalte, die Klägerin und ihr Lebensgefährte müssten von ihnen zwischenzeitlich selbst bei der Polizei eingeholte Auskünfte über die über sie gespeicherten polizeilichen Daten der Beklagten vorlegen. Angesichts der bislang beanstandungsfreien Ausübung der Tagespflege durch die Klägerin und im Hinblick auf das laufende Verfahren erscheine dies im vorliegenden Fall als ausreichend.

Mit Beschluss vom 28. September 2011 verpflichtete das Verwaltungsgericht die Beklagte im vorläufigen Rechtsschutzverfahren, der Klägerin einstweilen die Erlaubnis zur Kindertagespflege ohne die im Bescheid vom 4. August 2011 getroffenen Nebenbestimmungen zu erteilen sowie bezüglich der Klägerin und ihres Lebensgefährten einstweilen keine „Leumundsauskunft“ einzuholen. Daraufhin hob die Beklagte den Bescheid vom 4. August 2011 mit Bescheid vom 27. Oktober 2011 mit Wirkung vom selben Tag auf und erteilte der Klägerin die beantragte Erlaubnis zur Tagespflege ebenfalls ab dem 27. Oktober 2011. Ziffer 2 dieses Bescheids sieht vor, dass der Erlaubnis „vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Verfahren Verwaltungsgericht München Az. M 18 K 11.3325“ gelte. Ferner enthält Ziffer 8. des Bescheids einen Widerrufsvorbehalt, „dessen Geltendmachung vom Ausgang der zugelassenen Berufung gegen das Urteil des VG München mit dem Az. M 18 K 11.3325 und dem Ausgang des dortigen Verfahrens abhängt.“

Mit Urteil vom 28. September 2011 verpflichtete das Verwaltungsgericht im Hauptsacheverfahren die Beklagte, der Klägerin die Erlaubnis zur Kindertagespflege ohne die im Bescheid vom 4. August 2011 verfügte auflösende Bedingung zu erteilen. Die zulässige, auf Erteilung der Erlaubnis ohne Nebenbestimmung gerichtete Verpflichtungsklage sei begründet, da die Klägerin durch die auflösende Bedingung in ihrem Recht aus § 43 SGB VIII auf Erteilung einer Genehmigung zur Kindertagespflege ohne Vorlage einer „Leumundsauskunft“ verletzt worden sei. Die Erteilung einer Erlaubnis zur Kindertagespflege stehe nach § 43 Abs. 2 SGB VIII nicht im Ermessen der Behörde. Es handele sich vielmehr um eine gebundene Verwaltungsentscheidung. Das Tatbestandsmerkmal der Eignung stelle einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliege. Nebenbestimmungen zur Kindertagespflegeerlaubnis seien nach § 43 Abs. 3 Satz 5 SGB VIII zulässig, soweit sie keine Einschränkungen des Anspruchs aus § 43 SGB VIII beinhalteten, sondern dazu dienten, die Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung sicherzustellen. Geeignet sei eine Tagespflegeperson nur dann, wenn Kinder bei ihr nicht Risiken oder Gefährdungen ausgesetzt seien, die ihrer Entwicklung schaden könnten. Daher dürften Pflegepersonen nicht im Sinne von § 72a SGB VIII durch einschlägige strafrechtliche Verurteilungen vorbelastet sein. An der erforderlichen Eignung der Klägerin zur Kindertagespflege bestünden, ungeachtet des Umstands, dass sie für sich und ihren Lebensgefährten die Vorlage der „Leumundsauskunft“ verweigert habe, keine Zweifel.

Soweit die Beklagte im Zuge der Eignungsprüfung für die Kindertagespflege zur Abwehr von Gefahren tätig werde, hätten sich hinsichtlich der Klägerin und ihres Lebensgefährten weder in der Vergangenheit Gefährdungslagen ergeben noch bestünden gegenwärtig Anhaltspunkte für eine Gefährdung der betreuten Pflegekinder. Angesichts des Umfangs der polizeilichen Datenübermittlung im Rahmen der „Leumundsauskunft“ und des damit einhergehenden Rechtseingriffs stelle das Auskunftsverlangen der Beklagen auch unter Berücksichtigung der Abwehr von Gefahren für Kinder einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechte der Klägerin dar.

Darüber hinaus verstoße das Informationsverlangen der Klägerin auch gegen Datenschutzbestimmungen. Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bedürften zu ihrer Rechtfertigung einer verfassungsmäßigen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang einer Datenerhebung klar und für den Bürger erkennbar ergeben. Im vorliegenden Fall läge in der Datenübermittlung nach Art. 40 Abs. 4 des Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (PAG) keine Erhebung von Sozialdaten im Sinne von § 67 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Sozialdaten bildeten Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener), die von einer in § 35 des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB I) genannten Stelle im Hinblick auf ihre Aufgaben nach dem Gesetzbuch erhoben, verarbeitet oder genutzt werden. Informationen über Straftaten von Kinderbetreuungspersonen könnten daher grundsätzlich zu Sozialdaten im vorgenannten Sinne rechnen. Im Rahmen der Datenübermittlung nach Art. 40 Abs. 4 PAG würden jedoch von der Beklagten nicht gezielt personenbezogene Daten, die zur Überprüfung der Geeignetheit der Tagespflegeperson erforderlich seien, „erhoben“, vielmehr werde aufgrund der Anfrage der gesamte bei der Polizei zur polizeilichen Gefahrenabwehr erhobene Datenbestand undifferenziert übermittelt. Dies stelle keine gezielte „Erhebung“ von Sozialdaten im Sinne des § 67 Abs. 1 SGB X dar.

Für das Vorgehen der Beklagten bestehe auch keine anderweitige Rechtsgrundlage. Art. 40 Abs. 4 BayPAG normiere lediglich die Befugnis der Polizeibehörden zur Übermittlung personenbezogener Daten, ohne eine verbindliche Feststellung der Erforderlichkeit der Datenübermittlung zu treffen. Auf das Auskunftsersuchen hin erfolge nur eine Plausibilitätsprüfung. Die §§ 12 ff. EGGVG gälten nur für die Übermittlung personenbezogener Daten durch Gerichte und Staatsanwaltschaften.

Schließlich müsse bei einem Rückgriff auf § 43 SGB VIII in Verbindung mit § 62 SGB VIII beachtet werden, dass der Gesetzgeber in § 72a SGB VIII eine bereichsspezifische Regelung getroffen habe, wie Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen der Eignungsprüfung Kenntnis von kindeswohlrelevanten Straftaten erlangen können. Nach allgemeiner Auffassung sei diese Bestimmung auch bei der Erlaubniserteilung nach § 43 SGB VIII anwendbar. Um einen erhöhten Schutz des Kindeswohls zu gewährleisten, habe der Gesetzgeber mit § 30a BZRG den Behörden die Möglichkeit der Einholung eines erweiterten Führungszeugnisses eröffnet und dabei im Gesetzgebungsverfahren eine Abwägung zwischen dem Schutz sensibler strafrechtlicher Daten, dem Aspekt der Resozialisierung und des Ehrschutzes einerseits und dem Schutz des Kindeswohls andererseits vorgenommen. Die eindeutige Wertung des Gesetzgebers in einer Spezialvorschrift könne nicht durch Rückgriff auf allgemeine Normen umgangen werden.

Mit Schriftsatz vom 29. Februar 2012 hat die Beklagte die vom Verwaltungsgericht im Urteil vom 28. September 2011 wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3, § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zugelassene Berufung eingelegt.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanz verletze die Einholung der „Leumundsauskunft“ datenschutzrechtliche Bestimmungen nicht. Sozialdaten bildeten nach § 67 SGB X in Verbindung mit § 61 SGB VIII Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer Person (Betroffener), die eine Stelle im Sinne von § 35 SGB I zur Erfüllung ihrer Aufgaben erhoben habe. Sie dürften nach § 62 Abs. 1 SGB VIII nur erhoben werden, soweit ihre Kenntnis zur Erfüllung der jeweiligen Aufgabe erforderlich sei. Bei der Beklagten handele es sich um eine Leistungsträgerin nach § 35 SGB I auf dem Gebiet der Kindertagespflege, weshalb die von ihr erhobenen polizeilichen Daten zu Sozialdaten im Sinne von § 67 SGB X rechneten. Für das Vorliegen einer „Erhebung“ komme es dabei nicht auf die Menge der übermittelten Sozialdaten an. Art. 40 Abs. 4 PAG regele die Übermittlungsbefugnis der Polizei und stelle das Gegenstück zu § 62 Abs. 1 SGB VIII dar. Die Beklagte sei nach § 43 SGB VIII ermächtigt und verpflichtet, die Geeignetheit einer Tagespflegeperson festzustellen. Damit beinhalte diese Vorschrift zugleich die Ermächtigung zur Erhebung von Sozialdaten. Um mögliche Gefährdungen für Kinder im Bereich der Tagespflege so gut wie möglich auszuschließen, müsse im Vorfeld der Erteilung einer Erlaubnis eine umfassende Eignungsprüfung vorgenommen werden. Diese erfordere die Einsicht in polizeiliche Daten. § 72a SGB VIII stehe dem auch in seiner neu gefassten Anbindung an § 43 SGB VIII nicht entgegen. Die Norm setze Mindeststandards im Sinne eines absoluten Beschäftigungs- und Vermittlungsverbots, schließe jedoch weitere Befugnisse im Rahmen der Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Eignung“ nicht aus. Weiter gelte es zu berücksichtigen, dass § 62 Abs. 3 Nr. 2 2. Alt. Buchst. c SGB VIII eine Datenerhebung ohne Mitwirkung des Betroffenen bei anderen öffentlichen Stellen zulasse, soweit deren Kenntnis für die Wahrnehmung von Aufgaben nach § 43 SGB VIII erforderlich sei. Angesichts dieser gesetzgeberischen Entscheidung für eine Beschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung decke § 62 Abs. 1 SGB VIII in Verbindung mit § 43 SGB VIII auch das Verlagen nach der Vorlage polizeilicher Eintragungen ab. Um ein transparentes Verwaltungsverfahren zu gewährleisten verzichte die Beklagte jedoch darauf, von der Dritterhebungsbefugnis unter den jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen unmittelbar Gebrauch zu machen.

Auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, die geforderte Vorlage einer „Leumundsauskunft“ für die Klägerin und ihren Lebensgefährten sei unverhältnismäßig, gehe fehl. Der Gesetzgeber habe in § 8a SGB VIII und § 72a SGB VIII deutlich gemacht, dass durch präventive Maßnahmen Misshandlungen von Kindern und Jugendlichen vorgebeugt werden müsse. Bei der Wahl der Mittel zur Überprüfung der Eignung einer Tagespflegeperson sei das Jugendamt im Rahmen der Verhältnismäßigkeit frei. Die hierbei abzuwägenden Rechtsgüter habe das Verwaltungsgericht jedoch fehlgewichtet und die besondere Situation der Tagespflege verkannt, die eine zuverlässige Kontrolle der Kinderbetreuung – beispielsweise durch Hausbesuche – nicht immer erlaube. Die „Leumundsauskunft“ stelle daher ein geeignetes Mittel dar, um ein eventuell bestehendes Gefährdungspotenzial abzuklären. Sie erweise sich ferner auch im Sinne einer präventiven Gefahrenabwehr als erforderlich und mit Blick auf den in Art. 3 der UN-Kinderrechtskonvention statuierten Vorrang des Kindeswohls als angemessen. Die Einholung eines erweiterten Führungszeugnisses nach § 72a SGB VIII reiche regelmäßig für die Eignungsprüfung nicht aus.

Die Klägerin tritt der Berufung der Beklagten entgegen. Bei den über die „Leumundsauskunft“ abgefragten polizeilichen Daten handele es sich nicht um Sozialdaten, sodass sich die Beklagte nicht auf die entsprechenden Datenerhebungsvorschriften der §§ 61, 62 SGB VIII, § 67 SGB X stützen könne. Abzustellen im Hinblick auf den erforderlichen Sozialbezug der Daten sei auf den Zeitpunkt von deren erstmaliger Erhebung. Darunter ließen sich polizeiliche Daten, die das gesamte Privatleben des Betroffenen erfassen würden, nicht subsumieren. Im Übrigen erweise sich die Einholung der „Leumundsauskunft“, selbst wenn es sich um „Sozialdaten“ handeln sollte, als unverhältnismäßig. Sie stelle bereits ein ungeeignetes Instrument zum Schutz vor Kindeswohlgefährdungen im Bereich der Kindertagespflege dar und sei darüber hinaus weder erforderlich noch angemessen. Selbst wenn man von der Erforderlichkeit der Einholung der „Leumundsauskunft“ ausginge, unterläge diese den engen gesetzlichen Voraussetzungen des § 62 Abs. 3, 4 SGB VIII und § 67 Abs. 1 SGB X für eine Datenerhebung bei Dritten. Schließlich sperre die gesetzgeberische Entscheidung für die Einholung eines erweiterten Führungszeugnisses in § 72a SGB VIII weitere denkbare Rechtsgrundlagen für die Vorlage der „Leumundsauskunft“. Auch aus Art. 3 der UN-Kinderrechtskonvention ergebe sich weder eine Rechtsgrundlage für die Datenerhebung noch ein absoluter Vorrang vor anderen Rechtsgütern Dritter.

Die Landesanwaltschaft Bayern erachtet die Berufung als Vertreterin des öffentlichen Interesses, ohne einen eigenen Antrag zu stellen, für begründet.

Auf Ersuchen des Senats hat der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz zur Einholung der „Leumundsauskunft“ für die Erteilung einer Erlaubnis zur Kindertagespflege mit Schriftsatz vom 22. November 2012 Stellung genommen und ist dabei zum Ergebnis gelangt, dass nach derzeitiger Rechtslage, bei der § 43 Abs. 2 Satz 4 SGB VIII ausdrücklich auf § 72a Abs. 1, 5 SGB VIII verweise und anders als bei einer datenschutzrechtlichen Prüfung 2009 angenommen zum Nachweis der Eignung gemäß § 43 Abs. 2 SGB VIII „wohl nur die Vorlage eines Führungszeugnisses nach § 30 Abs 5 und § 30a Abs. 1 des Bundeszentralregistergesetzes verlangt werden“ dürfe.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Vertreterin der Beklagten die Berufung für erledigt erklärt. Die Klägerin und die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreterin des öffentlichen Interesses haben der Erledigterklärung des Rechtsmittels zugestimmt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung sowie die vorgelegten Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

1. Nach übereinstimmender Erledigungserklärung aller Verfahrensbeteiligten hinsichtlich der von der Beklagten eingelegten Berufung war das Berufungsverfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen. Damit wird zugleich das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. September 2011 rechtskräftig.

2. Unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstands gebietet es billiges Ermessen im Sinne von § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO, der Beklagten die Kosten des nach § 188 Satz 2, 1 VwGO gerichtskostenfreien Berufungsverfahrens aufzuerlegen, da die Berufung wohl als unzulässig verworfen, jedenfalls aber als unbegründet zurückgewiesen worden wäre. Dies ergibt sich nach dem Sach- und Streitstand bei Abgabe der Erledigungserklärung aus folgenden Erwägungen:

2.1 Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. September 2011 wäre voraussichtlich als unzulässig zu behandeln gewesen, da es der Beklagten seit der Aufhebung des ursprünglich streitgegenständlichen Bescheids vom 4. August 2011 mit Bescheid vom 27. Oktober 2011 und dessen Ersetzung durch eine zwar zeitlich bis zur Rechtskraft des Urteils des Verwaltungsgerichts begrenzten, jedoch ohne die streitgegenständliche Nebenbestimmung erteilten Erlaubnis zur Kindertagespflege an der Beschwer als Prozessvoraussetzung für das Berufungsverfahren mangelt.

Der Beklagten als Rechtsmittelführerin kommt eine Beschwer – ungeachtet der Streitfrage, ob es sich hierbei um eine materielle oder formelle Beschwer handeln muss – dann zu, wenn und soweit der Klägerin durch das angegriffene erstinstanzliche Urteil Rechte zu ihren Lasten zugesprochen worden sind. Demzufolge war die Beklagte, nachdem sie durch das erstinstanzliche Urteil verurteilt worden war, der Klägerin die Erlaubnis zur Tagespflege ohne auflösende Bedingung zu erteilen, zunächst durch dieses Urteil auch beschwert. Die Beschwer als Zulässigkeitsvoraussetzung des Rechtsmittels der Berufung muss jedoch zum Zeitpunkt von deren Einlegung noch vorliegen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, Vor § 124 Rn. 18; Meyer-Ladewig/Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Vorb. § 124 Rn. 47). Daran fehlt es im vorliegenden Fall, weil die Beklagte durch die Aufhebung des streitbefangenen Bescheids und die Erteilung der Genehmigung zur Kindertagespflege ohne auflösende Bedingung dem erstinstanzlichen Urteil nachgekommen ist und durch die von ihr gewählte Konstruktion der zeitlichen Befristung dieser Genehmigung bis zur Rechtskraft des verwaltungsgerichtlichen Urteils allein die abstrakte Rechtsfrage der Rechtmäßigkeit der auflösenden Bedingung in der Berufungsinstanz zur Entscheidung gestellt hat (zum Entfallen der Beschwer in derartigen Fällen vgl. Blanke in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, Vorb. § 124 Rn. 73; für das Zulassungsverfahren Redeker/von Oertzen, VwGO, 15. Aufl. 2010, § 124 Rn. 9a; OVG Berlin, U.v. 15.9.1997 – 2 SN 11.97NVwZ 1998, 85; SächsOVG B.v. 25.5.1998, NVwZ-RR 1999, 215). Allein aus den der Rechtsauffassung der Beklagten widersprechenden Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils lässt sich, da diese an der Rechtskraftwirkung nicht teilhaben, ebenfalls keine die Rechtsmittelinstanz eröffnende Beschwer ableiten (vgl. Happ a.a.O. Rn. 29). Durch ein Obsiegen im Berufungsverfahren würde sich im vorliegenden Fall die Rechtsposition der Beklagten auch nicht verbessern, ihr Rechtsschutzbegehren erwiese sich als nutzlos (vgl. BVerwG, U.v. 8.7.2009 – 8 C 4.09NVwZ-RR 2009, 980 Rn. 24). Die fehlende Beschwer bei Einlegung der Berufung führt demnach im vorliegenden Fall zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels.

2.2 Darüber hinaus hätte die Berufung der Beklagten wohl auch materiell keinen Erfolg gezeitigt, da der Klägerin ein Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis zur Kindertagespflege ohne die streitgegenständliche Nebenbestimmung zukommt. Letztere erwiese sich nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand als rechtswidrig.

2.2.1 Die als auflösende Bedingung im Bescheid vom 4. August 2011 formulierte Verpflichtung der Klägerin und ihres Lebensgefährten, der Beklagten „bis zum 31. Oktober 2011 eine durch das Polizeipräsidium München, Kriminalfachdezernat 10, K 106, ausgestellte Bescheinigung über die erteilte Auskunft zu gespeicherten polizeilichen Daten der Tagespflegeperson und des mit ihr in häuslicher Gemeinschaft lebenden Lebens-/Ehepartners“ vorzulegen, genügt dem Bestimmtheitsgebot des § 33 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht. Denn wie der Verwaltungsakt als solcher muss auch eine ihm beigefügte Nebenbestimmung, zumal wenn sie für den Adressaten eine Belastung bewirkt, so klar und eindeutig formuliert sein, dass er sein Verhalten danach ausrichten kann (vgl. Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 32 Rn. 31; § 33 Rn. 9; Stelkens in Stelkens/Bonk, VwVfG, 7. Aufl. 2008, Rn. 27).

Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte bei der Antragstellung von der Klägerin und ihrem Lebenspartner zunächst die formularmäßige „Einwilligung“ in die Übermittlung von über beide bei der Polizei gespeicherte Daten verlangt. Wenn angesichts des Umstands, dass die Klägerin und ihr Lebensgefährte wohl selbst bei der zuständigen Polizeibehörde eine Auskunft über gespeicherte Daten eingeholt hatten, die Beklagte nunmehr mittels der streitbefangenen Nebenbestimmung die Vorlage einer „Bescheinigung über die erteilte Auskunft“ der Polizei verlangt, bliebt unklar, ob die Klägerin (und ihr Lebensgefährte) lediglich eine Bescheinigung über die Tatsache der Auskunftserteilung oder aber den Inhalt der erteilten Auskunft der Beklagten übermitteln sollen. Auch aus den ergänzend heranzuziehenden Bescheidgründen (vgl. BayVGH, B.v. 28.2.2012 – 12 ZB 10.1817 – juris Rn. 15), die die „Bescheinigung über die erteilte Auskunft“ mit der – eigentlich gewollten – „Leumundsauskunft“ gleichsetzen, lässt sich der Regelungsinhalt der auflösenden Bedingung nicht eindeutig ableiten. Die Unbestimmtheit der getroffenen Regelung verdeutlichen zudem die Ausführungen der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht München, in der sie erläutern mussten, was sie mit der auflösenden Bedingung überhaupt „gemeint“ hätten (vgl. die Niederschrift über die mündliche Verhandlung, Bl. 196 der Gerichtsakte). Für den Betroffenen auch durch Auslegung nicht zu konkretisierende Nebenbestimmungen sind indes rechtswidrig (vgl. Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 33 Rn. 10; Stelkens in Stelkens/Bonk, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 36 Rn. 28, 22); Unklarheiten gehen, wie im vorliegenden Fall, zu Lasten der Behörde.

2.2.2 Legte man die Nebenbestimmung so wie augenscheinlich beabsichtigt aus, nämlich dass die Klägerin verpflichtet werden sollte, der Beklagten die ihr selbst und ihrem Lebensgefährten von der Polizei auf ein Auskunftsersuchen hin erteilte Auskunft vorzulegen, begegnete dies ebenfalls rechtlichen Bedenken.

Zwar besitzt der Betroffene nach Art. 48 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (BayPAG) gegenüber der Polizei einen Anspruch auf Erteilung einer Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten. Dieser Auskunftsanspruch ist jedoch durch Art. 48 Abs. 2 BayPAG dahingehend eingeschränkt, dass die Auskunft unterbleibt, soweit eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung der Polizei durch die Auskunftserteilung zu besorgen ist (Art. 48 Abs. 2 Nr. 1 BayPAG). Geht es der Beklagten durch Einholung der „Leumundsauskunft“ darum, Anhaltspunkte für eine mögliche Gefährdung des Kindeswohls bei einer Betreuungsperson zu gewinnen, die sich nicht aus anderen Quellen, wie beispielsweise dem erweiterten Führungszeugnis nach § 30a BZRG oder durch Übermittlung nach der Anordnung über die Mitteilung in Strafsachen (MiStrA) ergeben, werden derartige polizeiliche Informationen, beispielsweise über aktuell gegen den Betroffenen anhängige Ermittlungsverfahren wegen einschlägiger kindbezogener Delikte, wohl unter die Ausnahmebestimmung des Art. 48 Abs. 2 Nr. 1 BayPAG fallen, sodass sie auch dem Betroffenen selbst nicht mitgeteilt werden (vgl. Berner/Köhler/Käß, Polizeiaufgabengesetz, 20. Aufl. 2010, Art. 48 Rn. 15). Der Erkenntniswert einer Auskunft nach Art. 48 BayPAG ist daher aufgrund der genannten Einschränkungen gegenüber der einer Behörde unmittelbar erteilten Auskunft über gespeicherte polizeiliche Daten notwendig geringer. Der Senat vermag daher aufgrund der normativen Ausgestaltung des Auskunftsanspruchs die von den Vertretern der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht (Sitzungsniederschrift Bl. 195 der Gerichtsakten) geäußerte Einschätzung nicht zu teilen, dass der Betroffene auf ein Auskunftsersuchen letztlich die gleichen Eintragungen wie eine Behörde mitgeteilt bekomme, lediglich einen weiniger umfangreichen Sachverhalt. Damit steht die Eignung der von der Beklagten konkret verfügten auflösenden Bedingung zur Sicherstellung der Genehmigungsvoraussetzung der Eignung einer Betreuungsperson zur Kindertagespflege nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII in Frage. Ist eine den Betroffenen belastende Nebenbestimmung einer Genehmigung zur Sicherstellung der Genehmigungsvoraussetzungen indes ungeeignet, ist sie auch rechtswidrig.

Ergänzend weist der Senat im vorliegenden Kontext darauf hin, dass es auch nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen, namentlich dem „nemo-tenetur Grundsatz“, Bedenken begegnet, einen Antragsteller im Wege einer Nebenbestimmung zu verpflichten, der Genehmigungsbehörde ihn selbst möglicherweise belastende Informationen zu übermitteln, die in der Folge zur Genehmigungsversagung oder weitergehend sogar zu strafrechtlicher Verfolgung führen können (vgl. hierzu BVerfG, B.v. 13.1.1981 – 1 BvR 116/77BVerfGE 56, 37 ff.; VGH BW, B.v. 30.3.2001 – 10 S 1184/00 – juris Rn. 26; Vogelgesang in Hauck/Noftz, SGB X, § 21 Rn. 30).

2.2.3 Die Beifügung einer Nebenbestimmung zu einer Genehmigung, auf die, wie im vorliegenden Fall nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ein Rechtsanspruch besteht, erweist sich ferner nur dann als rechtmäßig, wenn sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt, d.h. wenn sie zu dem mit ihr verfolgten Zweck – hier der Prüfung der Geeignetheit einer Kindertagespflegeperson im Hinblick auf mögliche Kindeswohlgefährdungen – auch erforderlich ist. Der Beklagten darf mithin, will sie den Betroffenen mittels einer Nebenbestimmung zu einem bestimmten Verhalten verpflichten, ihrerseits kein gleich geeignetes, den Betroffenen zugleich weniger belastendes Mittel zur Verfügung stehen, um die Eignung zur Kindertagespflege prüfen zu können.

Darüber hinaus statuiert § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB X auch im Jugendhilferecht für das Verwaltungsverfahren den Grundsatz der Amtsermittlung. In dessen Rahmen besteht für die zuständige Behörde nach § 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X die Möglichkeit, Auskünfte jeder Art, mithin auch solche von anderen Behörden, einzuholen. Demgegenüber ist die Mitwirkung der Beteiligten an der Sachverhaltsermittlung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 SGB X als Obliegenheit, nicht hingegen als Verpflichtung ausgestaltet, da der Beteiligte nicht zur Aufklärung solcher Umstände gezwungen werden soll, die seine Stellung im Verwaltungsverfahren verschlechtern oder ihn in sonstiger Weise belasten (vgl. von Wulffen in von Wulffen, SGB X, § 21 Rn. 11 sowie oben sub 2.2.2). Nach § 21 Abs. 2 Satz 2 SGB X sollen die Beteiligten insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Eine Verpflichtung eines Beteiligten, sich bestimmte Informationen, wie beispielsweise bei der Polizei über ihn gespeicherte Daten, erst selbst zu verschaffen, um sie dann der Genehmigungsbehörde vorzulegen, wenn die Behörde zugleich selbst die Möglichkeit besitzt, diese Informationen durch ein Auskunftsersuchen bei der datenführenden Behörde zu erheben, lässt sich mit deren Pflicht zur Sachverhaltsermittlung von Amts wegen nicht vereinbaren.

Mithin bestehen an der Erforderlichkeit einer Verpflichtung der Klägerin zur Vorlage von ihr selbst eingeholter Auskünfte über gespeicherte polizeiliche Daten durchgreifende Bedenken, da die Beklagte sowohl im Verwaltungs- wie auch im gerichtlichen Verfahren wiederholt darauf hingewiesen hat, dass sie die „Einwilligung“ zur Einholung der „Leumundsauskunft“ bzw. im vorliegenden Fall die Verpflichtung der Klägerin zur Vorlage der Eigenauskunft nur aus Transparenzgründen fordere, sie jedoch ihrerseits die Befugnis besitze, auch ohne Einwilligung des Betroffenen als Behörde polizeiliche Daten abzufragen. Kann sich die Beklagte die für die Aufgabenerfüllung erforderlichen Informationen selbst verschaffen, kommt eine Verlagerung der Informationsbeschaffung im Wege einer Nebenbestimmung auf die Klägerin nicht in Betracht und greift der Grundsatz der Amtsermittlung. Neben der Geeignetheit ist daher im vorliegenden Fall auch die Erforderlichkeit der verfügten auflösenden Bedingung erheblichen Zweifeln ausgesetzt (zur Problematik der Verlagerung der Sachverhaltsermittlung durch Nebenbestimmungen auf die Beteiligten vgl. Stelkens in Stelkens/Bonk, VwVfG, § 36 Rn. 5).

2.2.4 Über die Rechtmäßigkeit der im streitgegenständlichen Bescheid vom 4. August 2011 konkret verfügten auflösenden Bedingung hinaus bestehen auch hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der von der Beklagten generell in Anspruch genommenen Befugnis zur Erhebung polizeilicher Daten im Rahmen der Erteilung einer Erlaubnis zur Kindertagespflege nach § 43 SGB VIII aufgrund der gesetzlichen Regelungen des Sozialdatenschutzes, darüber hinaus aufgrund der Verweisung von § 43 Abs. 2 Satz 4 SGB VIII auf § 72a Abs. 1, 5 SGB VIII, unter Berücksichtigung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen durchgreifende Bedenken, die im Ergebnis zur Zurückweisung der Berufung der Beklagten hätten führen müssen.

Übermittelt eine Behörde bei ihr gespeicherte personenbezogene Daten an eine andere öffentliche Stelle liegt in der Übermittlung, zumal wenn damit eine Änderung des Verwendungszwecks einhergeht, ein Eingriff in das Grundrecht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung, der seinerseits einer normenklaren und bereichsspezifischen gesetzlichen Grundlage bedarf (vgl. hierzu BVerfG, B.v. 13.6.2007 – 1 BvR 1550/03 u.a. – BVerfGE 118, 168 ff. Rn. 93 ff; B.v. 23.2.2007 – 1 BvR 2368/06 – NVwZ 2007, 211 f. Rn. 46 ff.). An einer derartigen, die Einholung der „Leumundsauskunft“ ermöglichenden Befugnisnorm fehlt es der Beklagten hier.

Als Befugnisnorm für die Erhebung personenbezogener Daten bei den Polizeibehörden durch die Beklagte kann die im Bayerischen Polizeiaufgabengesetz vorgesehene Möglichkeit einer Übermittlung gespeicherter personenbezogener Daten an andere Behörden und öffentliche Stellen nach Art. 40 Abs. 4 BayPAG nicht angesehen werden. Diese Norm legitimiert zwar ihrerseits die Datenübermittlung durch die Polizei, beispielsweise zur Wahrnehmung von Aufgaben der Gefahrenabwehr durch den Datenempfänger, verhält sich jedoch zur Frage der Rechtmäßigkeit des Ersuchens um Datenübermittlung wie im vorliegenden Fall durch ein Jugendamt nicht. Seitens der übermittelnden Polizeibehörde erfolgt im Hinblick auf das an sie gerichtete Ersuchen um Datenübermittlung auch keine Rechtmäßigkeits-, sondern lediglich eine Plausibilitätskontrolle (vgl. Berner/Köhler/Käß, Polizeiaufgabengesetz, Art. 40 Rn. 7). Das Auskunftsersuchen an die Polizei bedarf folglich einer eigenständigen Rechtsgrundlage.

Hierbei gilt es indes zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber im Zuge der Ergänzung von § 43 SGB VIII durch das Gesetz zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen vom 22.12.2011 (Bundeskinderschutzgesetz – BKiSchG –BGBl I, S. 2975) in § 43 Abs. 2 Satz 4 SGB VIII durch den Verweis auf § 72a Abs. 1 und 5 SGB VIII die Erhebung personenbezogener Daten – hier im Rahmen des Abrufs eines sog. erweiterten Führungszeugnisses über strafrechtliche Verurteilungen mit Relevanz für den Auftrag zum Schutz des Kindeswohls – bereits unter Datenschutzgesichtspunkten bereichsspezifisch geregelt und dem für die Erteilung der Genehmigung zur Kindertagespflege zuständigen Jugendamt eine darüber hinausgehende Befugnis zu Datenerhebung gerade nicht zugesprochen hat (vgl. die Gesetzesbegründung BT-Drucks. 17/6256 S. 23). Trifft der Gesetzgeber jedoch eine bereichsspezifische Regelung zur Datenerhebung, sperrt dies in der Regel der zuständigen Behörde den Rückgriff auf allgemeine Befugnisnormen – im vorliegenden Fall auf die Befugnisnormen zur Erhebung von Sozialdaten im Jugendhilferecht nach §§ 61 ff SGB VIII. Dieser Auffassung folgt nunmehr wohl auch der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz in seiner vom Senat eingeholten Stellungnahme. Damit fehlte der Beklagten im vorliegenden Fall die erforderliche Rechtsgrundlage für die Einholung der „Leumundsauskunft“ bei der Polizei; eine entsprechende Datenerhebung wäre rechtswidrig.

2.2.5 Selbst wenn man entgegen dem vorstehend Ausgeführten einen Rückgriff auf die allgemeine Befugnis zur Erhebung von Sozialdaten im Jugendhilferecht in § 62 SGB VIII für zulässig halten sollte, eröffnete diese in der vorliegenden Fallkonstellation der Beklagten wohl keine Möglichkeit zum Abruf bei der Polizei über die Klägerin und ihren Lebensgefährten gespeicherter Daten.

Eine Datenerhebung auf der Grundlage von § 62 Abs. 1 SGB VIII müsste zunächst dem sog. Erforderlichkeitsgrundsatz genügen, d.h. die Kenntnis der erhobenen Sozialdaten müsste zur Erfüllung der jeweiligen jugendhilferechtlichen Aufgabe erforderlich sein. Nach dem Vortrag der Beklagten benötigt sie die sog. „Leumundsauskunft“, um im Rahmen der Prüfung der Geeignetheit einer Bewerberin oder eines Bewerbers für die Kindertagespflege das Risiko einer Gefährdung des Kindeswohls bewerten zu können, das seinerseits ein Eignungskriterium für die Pflegeperson bildet. An der Erforderlichkeit der „Leumundsauskunft“ würde es mithin schon dann fehlen, wenn die Beklagte die für die Risikobewertung erforderlichen Informationen ohne ein einen gravierenden Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellendes Informationsersuchen an die Polizeibehörden gewinnen könnte. Dies scheint dem Senat mit Blick auf die bestehenden gesetzlichen Regelungen zur Informationsgewinnung möglich.

So steht der Beklagten, wie bereits dargelegt, nach § 43 Abs. 2 Satz 4 SGB VIII i.V.m. § 72a Abs. 1 Satz 2 SGB VIII die Möglichkeit offen, sich bei der erstmaligen Erlaubniserteilung zur Kindertagespflege wie auch danach in regelmäßigen Abständen Führungszeugnisse nach § 30 Abs. 5 und § 30a Abs. 1 des Bundeszentralregistergesetzes (BZRG) vorlegen zu lassen. Hinzu kommt die Verpflichtung von Gerichten und Staatsanwaltschaften nach § 13 Abs. 2, § 14 Abs. 1 Nr. 5, § 17 Nr. 5 EGGVG in Verbindung mit Nr. 35 der Anordnung über die Mitteilung in Strafsachen vom 19. Mai 2008 (MiStra) bei Strafsachen, gleich gegen wen sie sich richten, bekannt gewordene Tatsachen, deren Kenntnis aus Sicht der übermittelnden Stelle zur Abwehr einer erheblichen Gefährdung von Minderjährigen erforderlich ist, den Jugendämtern zu übermitteln. Schließlich eröffnet Art. 40 Abs. 3 BayPAG der Polizei die Möglichkeit, von sich aus personenbezogene Daten (auch über kindeswohlgefährdende Straftaten) an andere Behörden oder öffentliche Stellen zu übermitteln, die für die Abwehr von Gefahren zuständig sind (sog. Initiativübermittlung). Dass diese Informationsquellen, über die die Beklagte neben der Möglichkeit von Kontrollen der Pflegeperson beispielsweise durch Hausbesuche verfügt, nicht ausreichen könnten, um die Eignung eines Bewerbers für einer Kindertagespflegestelle zu beurteilen, ist nach der Auffassung des Senats zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ersichtlich. Bestehen beim gesetzlich vorgesehenen Informationsspektrum, wie die Beklagte vorgetragen hat, Vollzugsdefizite, legitimieren diese keinen Eingriff in das grundrechtlich geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen.

Auch den Vorrang anderer Formen der Informationsbeschaffung hintangestellt, würden schließlich im Fall der Klägerin die Voraussetzungen der einschlägigen Befugnisnorm für die Erhebung polizeilicher Daten nicht vorliegen. Denn erfolgt die Datenerhebung nicht beim Betroffenen selbst oder mit seinem Einverständnis, muss sie den Voraussetzungen des § 62 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. c SGB VIII genügen. Danach dürfen ohne Mitwirkung des Betroffenen Sozialdaten nur erhoben werden, wenn ihre Erhebung beim Betroffenen nicht möglich ist oder die jeweilige Aufgabe ihrer Art nach eine Erhebung bei anderen erfordert, die Kenntnis der Daten aber für die Wahrnehmung einer Aufgabe nach den §§ 42 bis 48 a erforderlich ist. Damit unterliegt die Erhebung von Sozialdaten bei Dritten – hier den Polizeibehörden – einem Verhältnismäßigkeitsvorbehalt. Beantragt, wie im Fall der Klägerin, eine Kindertagespflegerin, die über den vorangegangenen fünfjährigen Geltungszeitraum der Genehmigung zur Kindertagespflege hinweg beanstandungsfrei tätig gewesen ist und bei der weder bei ihr selbst noch in ihrem häuslichen Umfeld irgendwelche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Gefährdung des Kindeswohls im Rahmen der Tagespflege eintreten könnte, die erneute Erteilung der Erlaubnis zur Kindertagespflege, ist der Abruf sämtlicher bei der Polizei gespeicherter personenbezogener Daten von ihr und ihrem Lebensgefährten in keinem Fall im Sinne von § 62 Abs. 3 Nr. 2 Buchs. c SGB VIII erforderlich, mithin die Anforderung der „Leumundsauskunft“ unverhältnismäßig.

Besitzt die Beklagte daher keine Befugnis, selbst die Übermittlung von personenbezogenen polizeilichen Daten im Rahmen der sog. „Leumundsauskunft“ anzufordern, kann sie der Klägerin die Vorlage dieser Daten durch eine Nebenbestimmung auch nicht zur Bedingung für die Erteilung bzw. den Fortbestand der Tagespflegeerlaubnis machen. Die streitgegenständliche Nebenbestimmung in Ziffer 2 des Bescheids vom 4. August 2011 wäre daher auch materiell rechtswidrig.

3. Diese Entscheidung ist unanfechtbar, § 92 Abs. 3 Satz 2, § 158 Abs. 2 VwGO.