Brandenburgisches OLG, Urteil vom 14.02.2013 - 5 U 32/12
Fundstelle
openJur 2013, 5204
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 7. März 2012 – Az. 3 O 319/08 – wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 7. März 2012 – Az. 3 O 319/08 – teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils aufgrund dieses Urteils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils aufgrund dieses Urteils beizutreibenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 15.000,00 €

Gründe

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten nach § 116 SachenRBerG die Bewilligung einer Grunddienstbarkeit (Geh-, Fahr- und Leitungsrecht sowie Abstellen von Kraftfahrzeugen) lastend auf den Flurstücken 184/1 und 184/2 der Flur 2 zum Erreichen seines Grundstücks Flur 3, Flurstück 228, auf dem er einen Bootsverleih betreibt. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage bis auf das Abstellen von Fahrzeugen stattgegeben und die Widerklage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Anwendungsbereich des SachenRBerG sei durch das Regelbeispiel des § 1 Abs. 1 Ziff. 4 SachenRBerG eröffnet. Erfasst seien von der Regelung Grundstücke, die sich im Beitrittsgebiet gem. Art. 3 des Einigungsvertrages befinden. Das streitgegenständliche Grundstück sei vor dem Ablauf des 2. Oktober 1990 für die Wasser- und Stromzuleitung zu dem Grundstück des Klägers genutzt worden. Auf die Wasserzuleitung könne sich der Kläger allerdings nicht berufen, da nicht dargelegt sei, dass es sich um eine vom Kläger verlegte Leitung handele. Dagegen handele es sich bei der Stromleitung um eine „Privatleitung“, die nicht dem Versorger selbst gehöre.

Zur Überzeugung des Gerichts stehe weiter fest, dass die streitgegenständliche Grundstücksfläche ebenfalls vor Ablauf des 2. Oktober 1990 vom Kläger und seinen Kunden im Rahmen des Paddelbootverleihs als Fahrweg für Kraftfahrzeuge genutzt worden sei. Hierfür spreche bereits der Nutzungsvertrag vom 11. Januar 1988, den der Kläger mit dem Rat der Stadt … zum Zwecke des Betriebes eines Paddelbootverleihs abgeschlossen habe. Das Bootshaus sei auf der Grundlage der Genehmigungen vom 5. Januar 1988 und 6. Juni 1990 errichtet worden. Ferner existiere eine wasserrechtliche Zustimmung vom 3. April 1987 u. a. auch für den Bau der Behelfsbrücke und eine Schildergenehmigung vom 23. Februar 1989. Soweit in den Genehmigungen vom 11. Januar 1988 und vom 6. Juni 1990 nicht von dem Flurstück 228, sondern von dem Flurstück 227 die Rede sei, handele es sich um eine offensichtliche Falschbezeichnung. Dass der Paddelbootverleih bereits vor dem 3. Oktober 1990 betrieben worden sei, ergebe sich zudem aus den Aussagen der vernommenen Zeugen. Ebenfalls stehe aufgrund der Zeugenaussagen zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass bereits vor dem 3. Oktober 1990 der am nördlichen Rand des heutigen Campingplatzes vorbeiführende Weg zum Eingang des Campingplatzes (Anschluss an den … Weg) bis hin zum Grundstück des Klägers von Kraftfahrzeugen, insbesondere von solchen der Besucher des klägerischen Bootsverleihs, genutzt worden sei. Wegen der Einzelheiten der Beweiswürdigung wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Die Nutzung des Grundstücks der Beklagten sei für die Erschließung und Entsorgung des Grundstücks des Klägers i. S. von § 116 Abs. 1 Nr. 2 SachenRBerG erforderlich. Der Kläger müsse sich nicht darauf verweisen lassen, eine Nutzung mit Kraftfahrzeugen sei nicht erforderlich. Die Gäste des Klägers hätten ein erhebliches Interesse daran – etwa im Hinblick auf Gepäck und mitgeführte Boote – bis unmittelbar zum Grundstück des Klägers mit dem Auto zu gelangen. Ein Mitbenutzungsrecht nach den §§ 321, 322 ZGB sei nicht begründet worden.

Mangels einer konkreten Verjährungsvorschrift verjähre der Anspruch des Klägers nach § 196 BGB. Für den Beginn der Verjährung sei auf die Übergangsregelung des Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB abzustellen; die zehnjährige Verjährungszeit beginne danach Ende 2002 und ende am 31. Dezember 2012. § 196 BGB erfasse alle Ansprüche auf Begründung eines Rechts an einem Grundstück. Der Kläger habe sein Recht nicht verwirkt. Erste Konflikte um die Nutzung des Weges habe es bereits 1997 gegeben. Im Jahr 2001 habe der Kläger erstmals die Eintragung einer Dienstbarkeit verlangt. Er habe sich in der Folgezeit nicht an die Wege- und Parkordnung der Beklagten gehalten. Vor Einreichung der Klage im Jahr 2008 sei es zu einer weiteren Zuspitzung der Situation gekommen. Zu keiner Zeit habe die Beklagte darauf vertrauen dürfen, der Kläger werde auf seine Rechtsposition auf uneingeschränkte Nutzung des Weges verzichten.

Der Anspruch sei nicht durch die Einrede des § 117 Abs. 1 Nr. 1 SachenRBerG ausgeschlossen. Die Einrede sei schon deswegen nicht erfolgreich, weil es für den Kläger keine zumutbare Alternative zu einer uneingeschränkten Wegenutzung auch durch Kraftfahrzeuge seiner Gäste gebe. Demgegenüber seien die von der Beklagten geschilderten Nachteile hinnehmbar, die Situation sei nicht anders als bei einer durch ein Wohngebiet verlaufenden Spielstraße. Der Weg verlaufe nicht mitten durch den Campingplatz, sondern trenne diesen von dem Gewässer. Das Verbringen von Müll sei kein Problem, das spezifisch mit der Nutzung des Weges durch Kraftfahrzeuge verbunden sei.

Der Anspruch des Klägers sei schließlich nicht durch die Einrede nach § 117 Abs. 1 Nr. 2 SachenRBerG ausgeschlossen. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass öffentlich-rechtliche Vorschriften der Bestellung der Grunddienstbarkeit entgegenstünden. Nur dann, wenn sich aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften unzweifelhaft ergebe, dass das begehrte Recht für den Kläger keinerlei Vorteil entfalte, weil der Gläubiger das Recht nicht wahrnehmen könne, wäre die Geltendmachung des Anspruches als treuwidrig anzusehen.

Die zulässige Widerklage sei nicht begründet. Die Beklagte sei jedenfalls gegenwärtig nicht berechtigt, vom Kläger die Zustimmung zu der Ausübungsregelung (Anlage B11) zu verlangen. Nach § 1004 Abs. 1 BGB könne das Unterlassen der Nutzung eines durch eine Dienstbarkeit gesicherten Rechts dann verlangt werden, wenn der Berechtigte von seiner nach § 1020 BGB bestehenden Verpflichtung zum schonenden Gebrauch abweiche. Auf die in § 1 der Nutzungsausübungsregelung enthaltene Einschränkung (Nutzung mit PKW nur für in der Bewegung aus gesundheitlichen Gründen eingeschränkte Gäste außerhalb der Ruhe- und Schließzeiten) müsse sich der Kläger nicht einlassen. Entsprechendes gelte für die Beschränkung auf 10 PKW/Kalendertag.

Gegen diese Entscheidung wenden sich beide Parteien mit ihren wechselseitigen Berufungen.

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung soweit der Klage stattgegeben wurde und macht zur Begründung seiner eigenen Berufung insbesondere geltend, die seit 1988 erfolgte Mitbenutzung der Wegrandflächen zum Abstellen von Kraftfahrzeugen sei ebenfalls eine Nutzung eines fremden Grundstücks im Sinne von § 116 Abs. 1 Nr. 1 SachenRBerG. Die Zeugen M…, H… und S… hätten eine solche Nutzung ab Eröffnung des Paddelbootverleihs bestätigt. Der Zeuge L… habe bestätigt, dass diese Nutzung durch die zuständigen Behörden als rechtmäßig angesehen worden sei, da der Weg als öffentlicher Weg gegolten habe. Die Wegrandflächen seien von Anfang an zusätzlich zu den Abstellflächen auf dem Grundstück des Klägers genutzt worden.

Der Inhalt der Grunddienstbarkeit sei zur Vermeidung von Missverständnissen dahingehend klarzustellen, dass auch Kunden, Lieferanten sowie Ver- und Entsorger diesen Weg benutzen dürften.

Der Kläger beantragt,

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Cottbus vom 7. März 2012 – Az. 3 O 319/08 – die Beklagte zu verurteilen, zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks in …, …bezirk 22, Flur 3, Flurstück 228 eine Grunddienstbarkeit für die Sicherung des jederzeitigen Zugangs und der Zufahrt durch den Eigentümer, seine Kunden, Lieferanten und Entsorger sowie die Unterhaltung von Ver- und Entsorgungsleitungen auf dem über die Flurstücke 184/1 und 184/2 der Flur 2 verlaufenden Weg von der öffentlichen Straße … Weg sowie das Parken von Kundenfahrzeugen auf den dem Flurstück 228 gegenüber liegenden Parkflächen an dem auf dem Flurstück 184/1 verlaufenden Weg zu bewilligen sowie

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen und

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Cottbus vom 7. März 2012 – Az. 3 O 319/08 – die Klage insgesamt abzuweisen,

hilfsweise, den Kläger zu verurteilen,

bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 €; Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre),

die Ausübung der auf Grundlage des Urteils des Landgerichts Cottbus im Rechtsstreit zum Aktenzeichen 3 O 319/08 einzutragenden Dienstbarkeit, lastend auf den Flurstücken 184/1 und 184/2 der Flur, Gemarkung …, Blatt 1912 des Grundbuchs von … zu unterlassen, soweit ihre Ausübung der als Anlage B 11 in Bezug genommenen Ausübungsregelung widerspricht.

Die Beklagte wiederholt ihre erstinstanzlichen Einwände zur Anwendbarkeit des SachenRBerG insbesondere im Hinblick auf die Restitution des Grundstücks, zur Verjährung des Anspruches, zur Verwirkung und zu § 117 SachenRBerG. Hinsichtlich der Nutzung des Weges vor Ablauf des 2. Oktober 1990 beschränke sich das Landgericht im Wesentlichen auf eine Wiederholung der Zeugenaussagen. Es fehle eine Auseinandersetzung mit den Aussagen der Zeugen K…, M…, L…, H…, St…, B… sowie G… und T… R…, wonach der Weg von verschiedenen Personengruppen mit Kraftfahrzeugen genutzt worden sei, ohne dass sich feststellen lasse, welcher Anteil den Kunden des Klägers zuzuordnen sei. Aus einer bloß faktischen Nutzung folge zudem noch kein Nutzungsrecht im Sinne des § 116 Abs. 1 SachenRBerG. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass sich die Zustimmung zur Errichtung des Bauwerks nicht auf das Flurstück 228 beziehe. Zudem habe es sich bei dem Weg um einen bloßen Wanderweg gehandelt. In dem Erläuterungsbericht zur Baugenehmigung (Anlage BK 1) heiße es auf Seite 1, 5. Absatz: „Der Zugang zum künftigen Bootsverleih erfolgt über den vorbeiführenden Wanderweg, welcher an der Straße nach L… beginnt, am Campingplatz vorbeiführt und im Park der Stadt … endet“. Die erforderlichen Genehmigungen für die Nutzung des Weges habe der Kläger bis heute nicht beantragt. In der Betriebsbeschreibung (Anlage BK 2) werde ausgeführt, dass für den Betrieb des Klägers Gästestellplätze nicht erforderlich seien, da für Gäste/Kunden kein Wegerecht über den Campingplatz bestehe.

II.

Die wechselseitigen Berufungen der Parteien sind zulässig, sie wurden insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 517, 519, 520 ZPO). Die Berufung der Beklagten hat Erfolg und führt dazu, dass unter teilweiser Abänderung der angefochtenen Entscheidung und unter Zurückweisung der Berufung des Klägers die Klage schon deswegen abzuweisen ist, weil das Sachenrechtsbereinigungsgesetz auf den vorliegenden Sachverhalt keine Anwendung findet.

1.

a)

Ohne Erfolg beruft sich indes die Beklagte darauf, das SachenRBerG und damit auch dessen § 116 Abs. 1 seien deswegen nicht anwendbar, weil die betroffenen dienenden Grundstücke der Beklagten restituiert worden seien. Aus der Entscheidung des Senats vom 11. Februar 2010 (5 U 176/08) ergebe sich, dass die Anwendbarkeit des SachenRBerG dort aus einem Umkehrschluss aus § 30 Abs. 1 S. 1 SachenRBerG hergeleitet werde, der aber für § 116 SachenRBerG gerade nicht gelte.

Diese Argumentation geht schon deswegen fehl, weil in der zitierten Entscheidung des Senats die Anwendbarkeit des SachenRBerG nicht auf die Vorschrift des § 30 Abs. 1 S. 1 SachenRBerG gestützt worden ist. In der Entscheidung heißt es vielmehr ausdrücklich, es folge bereits unmittelbar aus dem Gesetz, dass die Restitution eines Grundstücks nicht den Anwendungsbereich des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes ausschließe. Einen entsprechenden Ausschlusstatbestand enthalte weder das Vermögensgesetz noch das SachenRBerG. Lediglich ergänzend wird dann zusätzlich auf die Regelung in § 30 Abs. 1 S. 1 SachenRBerG Bezug genommen. § 1 Abs. 1 SachenRBerG eröffnet den Anwendungsbereich grundsätzlich für alle im Beitrittsgebiet belegenen Grundstücke. Das weitere Argument, die betroffenen Grundstücke seien bereits vor Inkrafttreten des SachenRBerG am 1. Oktober 1994 restituiert worden, kann an diesem Ergebnis nichts mehr zu ändern. Ein schutzwürdiges Vertrauen des jeweiligen Grundstückseigentümers spielt für die Frage, ob eine Bereinigungslage nach dem SachenRBerG besteht, grundsätzlich keine Rolle, entscheidend ist allein, ob eine schutzwürdige Rechtsposition des Nutzers entstanden ist.

b)

Die Beklagte kann weiter nicht mit Erfolg geltend machen, der Anspruch auf Bestellung einer Grunddienstbarkeit nach § 116 Abs. 1 SachenRBerG sei verjährt bzw. verwirkt.

aa)

Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass für diesen gesetzlichen Anspruch die Frist des § 196 BGB gilt, die vorliegend gewahrt ist. Die Verjährungsvorschrift gilt u. a. für Ansprüche auf Begründung eines Rechts an einem Grundstück; auf den Grund des Anspruches kommt es nicht an, die Vorschrift erfasst neben vertraglichen ohne weiteres auch gesetzliche Ansprüche (Palandt/Ellenberger, 71. Aufl. 2012, § 196 Rdnr. 5; für § 116 SachenRBerG Czub/Schmidt-Räntsch, ZfIR 2007, 517, 519).

Für die Anwendbarkeit der Verjährungsvorschriften spielen Besonderheiten des konkreten Einzelfalls grundsätzlich keine Rolle. Diese wären auch mit Sinn und Zweck von Verjährungsvorschriften nicht vereinbar, die Frage wann Ansprüche im Einzelfall verjähren, wäre mit Unwägbarkeiten belastet, die für die Beteiligten nicht tragbar wären, weil nicht mehr sicher beurteilt werden könnte, innerhalb welcher Frist ein Anspruch verjährt.

Ein Gegenseitigkeitsverhältnis ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 196 BGB.

bb)

Die Beklagte wendet unter Berufung auf § 1028 BGB, der jedenfalls analog anwendbar sei, ein, der Anspruch auf Bestellung einer Grunddienstbarkeit sei verwirkt.

Auch diesem Einwand hat das Landgericht zu Recht den Erfolg versagt.

Darauf, dass der Kläger einen solchen Anspruch nicht mehr geltend machen würde, durfte die Beklagte schon nicht vertrauen. Der Kläger nutzt den Weg als Zufahrt für seine Kunden auch mit dem PKW jedenfalls seit den 90iger Jahren, nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme sogar bereits seit 1987/88, und er hat trotz der Verbote bzw. der Nutzungsregelungen der Beklagten diese Nutzung tatsächlich bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt fortgesetzt. Schon das Zeitmoment des Verwirkungstatbestandes ist danach nicht erfüllt. Nachdem der Kläger bereits im Jahr 2001 die Bestellung einer Dienstbarkeit von der Beklagten verlangt hatte, hat er einerseits in keiner Weise zu erkennen gegeben, auf die Nutzung des Weges in dem bisherigen Umfang verzichten zu wollen und andererseits im Jahr 2008 und damit deutlich vor Ablauf der Verjährungsfrist den Anspruch auf dingliche Absicherung der Nutzung geltend gemacht.

Angesichts der tatsächlichen Nutzung des Weges durch den Kläger fehlt es auch am Umstandsmoment. Jedenfalls hat die Beklagte im Vertrauen darauf, der Weg werde durch Kunden des Klägers nicht mit Kraftfahrzeugen befahren bzw. diese Nutzung werde nicht dinglich abgesichert, keine Dispositionen getroffen, die dazu führen, dass sie nunmehr durch die Bestellung der Dienstbarkeit einen nicht hinnehmbaren Nachteil zu erleiden droht.

Auf eine (entsprechende) Anwendung des § 1028 BGB kann die Beklagte den Verwirkungseinwand nicht mit Erfolg stützen können. Es kann nicht festgestellt werden, dass durch das Errichten der Schranke bereits in den 90iger Jahren ein auf deren Beseitigung zielender Beseitigungsanspruch nach § 1028 Abs. 1 BGB bei einer bereits eingetragenen Grunddienstbarkeit verjährt wäre und deswegen eine solche eingetragene Grunddienstbarkeit zu löschen wäre. Dieser Tatsache hält der Kläger nämlich entgegen, dass er trotz der errichteten Schranke bis 2008 die Zufahrt uneingeschränkt habe nutzen können. Die errichtete Anlage (Schranke) steht damit nicht im Widerspruch zum Inhalt der Dienstbarkeit, zumal durch ein zu gewährendes Wegerecht das Recht des Eigentümers des dienenden Grundstücks zur Einfriedung grds. nicht ausgeschlossen wird.

Es kommt hinzu, dass die Beklagte hier wie auch an anderer Stelle nicht klar zwischen dem grundsätzlichen Anspruch aus § 116 Abs. 1 SachenRBerG auf Bestellung einer Dienstbarkeit und deren Umfang unterscheidet. Die errichtete Schranke kann den grundsätzlichen Anspruch auf Bestellung der Grunddienstbarkeit schon deswegen nicht ausschließen, weil dadurch allenfalls das Befahren des Weges nicht uneingeschränkt, die Dienstbarkeit aber nicht auf das Recht zum Befahren des Weges mit Kraftfahrzeugen beschränkt ist.

Mögliche öffentlich-rechtliche Beschränkungen führen ebenfalls nicht dazu, dass dadurch ein Anspruch auf Bestellung einer Grunddienstbarkeit grundsätzlich ausgeschlossen wäre. Selbst wenn das Befahren des Weges von der L… Straße bis zum Grundstück des Klägers einer Genehmigung durch die Denkmalschutzbehörde bedarf – was zu klären wäre, weil der Kläger geltend macht, der Weg selbst gehöre nicht zu dem denkmalgeschützten …park –, ist angesichts der tatsächlichen Nutzung des Weges nicht nur durch den Kläger nicht ausgeschlossen, dass ihm eine solche Genehmigung erteilt wird. Dem Begehen des Weges steht dieses Genehmigungsbedürfnis ohnehin nicht entgegen.

Zudem verhält sich die Beklagte hier selbst widersprüchlich, ist sie doch andererseits bereit, das Befahren des Weges in eingeschränktem Umfang zu dulden.

2.

Die tatrichterlichen Feststellungen zu Art und Umfang der Nutzung des Weges durch den Kläger und die Kunden seines Paddelbootverleihes lassen konkrete Anhaltspunkte, die geeignet wären, an der Vollständigkeit und Richtigkeit dieser Feststellungen zu zweifeln, nicht erkennen. Die Berufung der Beklagten hat gleichwohl Erfolg, weil der Kläger weder als Eigentümer bzw. als Rechtsnachfolger des Eigentümers noch als Nutzer einer vor dem 3. Oktober 1990 aufgenommenen Grundstücksnutzung dem Grunde nach die Bestellung einer Grunddienstbarkeit nach § 116 Abs. 1 SachenRBerG verlangen kann.

a)

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 SachenRBerG ist dieses Gesetz nicht anzuwenden, wenn der Nutzer das Grundstück aufgrund eines Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsvertrages zu anderen als den in Nummer 1 genannten Zwecken bebaut hat, es sei denn, dass der Nutzer auf vertraglicher Grundlage eine bauliche Investition vorgenommen hat, die in den §§ 5 bis 7 SachenRBerG bezeichnet ist oder zu deren Absicherung nach den Rechtsvorschriften der DDR das Grundstück als Bauland hätte bereitgestellt werden müssen, § 2 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) und b) SachenRBerG. In die Sachenrechtsbereinigung werden die Rechtsverhältnisse einbezogen, in denen nach den Rechtsvorschriften der DDR eine dingliche Absicherung, insbesondere durch Verleihung eines Nutzungsrechts, hätte erfolgen können.

Die in dieser Regelung zum Ausdruck kommende Grundsatzentscheidung knüpft an den vorgefundenen rechtlichen Bestand vertraglicher Nutzungsverhältnisse an. Ein über das Miet- und Pachtrecht des BGB hinausgehender Bestandsschutz für bauliche Investitionen, der wegen der eingeschränkten Kündbarkeit dieser Rechtsverhältnisse in der DDR nötig war, die die Nutzer zu besonderen Investitionen veranlasst hat, wird durch das SchuldRAnpG gewährt. Im Anwendungsbereich des § 116 SachenRBerG bedeutet dies, dass nicht generell alle Störungen, die bei der Erschließung von Grundstücken auftreten können, nach dieser Vorschrift zu bereinigen sind. Aus Sinn und Zweck des Gesetzes ergibt sich, dass eine unrechtmäßige Mitbenutzung, die auch zu Zeiten der DDR keinen zumindest faktischen Schutz genossen hätte, nicht schutzwürdig ist und daher von § 116 SachenRBerG nicht erfasst wird. Denn das Gesetz will nur Sachverhalte bereinigen, bei denen eine Mitbenutzung eines fremden Grundstücks zwar der zivilrechtlichen Absicherung entbehrte, aber nach der Verwaltungspraxis der DDR oder nach den DDR-typischen Gegebenheiten als rechtmäßig angesehen wurde (BGH VIZ 2003, 385; NJW-RR 2007, 526; NJW-RR 2008, 325, 326), so dass etwa die Einräumung eines Mitbenutzungsrechts nach dem Zivilgesetzbuch hätte verlangt werden können (BGH, Urt. vom 19. Juni 2009 – V ZR 229/08).

b)

Als Nutzer des Grundstücks Flur 3, Flurstück 228 auf Grund des Nutzungsvertrages mit dem Rat der Stadt … vom 11. Januar 1988 steht dem Kläger eine Berechtigung nach § 116 Abs. 1 SachenRBerG nicht zu, weil es sich um eine Nutzung auf vertraglicher Grundlage im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 SachenRBerG handelt, für die auch nach den DDR-typischen Gegebenheiten eine Absicherung nicht vorgesehen war.

aa)

Gegenstand dieses Nutzungsvertrages ist nicht das in diesem Vertrag genannte Flurstück 227, sondern das Flurstück 228. Nach dem eigenen Vorbringen des Klägers handelt es sich bei der Flurstücksbezeichnung in dem Nutzungsvertrag um eine versehentliche Falschbezeichnung. Von Anfang an sei das Flurstück 228 zum Betrieb des Paddelbootverleihs überlassen worden. Hiermit korrespondiert letztlich auch der Vortrag der Beklagten, die zwar eine Parzellenverwechslung formal in Abrede stellt, in diesem Zusammenhang aber vorträgt, dass das Flurstück 227 seinerzeit anderweitig genutzt wurde, nämlich zunächst als Kleingartenfläche und dann seit Anfang der 90iger Jahre als Café-Garten.

Das aufgrund des Nutzungsvertrages überlassene Flurstück 228 stand, anders als das genannte Flurstück 227, zum Zeitpunkt der Überlassung nicht in Volkseigentum sondern, wie der Kläger selbst vorträgt, im Eigentum der Frau E… J… aus H…. Zum Betrieb des Paddelbootverleihs wurde also aufgrund eines Nutzungsvertrages im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 SachenRBerG ein privates Grundstück überlassen.

bb)

§ 116 SachenRBerG ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SachenRBerG auf für Freizeitzwecke genutzte Grundstücke nicht anwendbar (BGH NJW-RR 2006, 1160; NJW-RR 2010, 445). Für die Nutzung aufgrund eines Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsvertrages nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 SachenRBerG gilt nichts anderes, in beiden Fallkonstellationen findet nach dem Eingangssatz des § 2 Abs. 1 SachenRBerG dieses Gesetz keine Anwendung. Für die Beurteilung, ob eine solche die Anwendung des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes ausschließende Nutzung vorliegt, sind nicht die Verhältnisse des dienenden Wegegrundstückes maßgeblich, sondern die des „herrschenden“ Grundstücks bei Ablauf des 2. Oktober 1990 (BGH NJW-RR 2010, 445 f.).

Die Voraussetzungen einer Nutzung auf vertraglicher Grundlage nach den §§ 5-7 SachenRBerG (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 2. Hs lit. a) SachenRBerG), die den Anwendungsbereich des § 116 SachenRBerG wieder eröffnen könnte, liegen nicht vor. Es kommt allenfalls eine Nutzung nach § 7 Abs. 2 Nr. 6 SachenRBerG in Betracht. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen aber schon deswegen nicht vor, weil der Kläger zum Betrieb seines Gewerbes kein volkseigenes Grundstück, sondern ein privates vertraglich genutzt hat.

Dem steht entgegen der Auffassung des Klägers die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16. Dezember 2011 (Az. V ZR 244/10; NJW-RR 2012, 651) nicht entgegen. Zwar ist Gegenstand dieses Verfahrens ebenfalls die Absicherung eines Wegerechts nach § 116 SachenRBerG für ein Grundstück, das gewerblich, nämlich zum Betrieb eines Gerüstbauunternehmens, genutzt wurde. Ob diese Nutzung bereits vor dem 3. Oktober 1990 auf der Grundlage eines Erbbaurechts erfolgte und schon deswegen mit der vorliegenden Nutzung auf vertraglicher Grundlage nicht vergleichbar ist, ergibt sich aus der zitierten Entscheidung nicht eindeutig. Hierauf kommt es indes auch nicht entscheidend an, weil der Bundesgerichtshof auch in seiner Entscheidung vom 16. Dezember 2011 im Sinne des Nachzeichnungsprinzips erneut ausführt, dass es darauf ankommt, dass eine rechtliche Absicherung der Mitbenutzung möglich, aber planwidrig unterblieben sei (§ 116 Abs. 1 Nr. 3 SachenRBerG). Diese mögliche Absicherung vor dem 3. Oktober 1990 durch Bestellung eines Nutzungsrechts nach § 1 des Gesetzes über den Verkauf volkseigener Gebäude vom 7. März 1990 (GBl. I S. 157 – VerkaufsG) i. V. m § 2 DVO zum VerkaufsG vom 15. März 1990 (GBl. I S. 158) besteht, wie bereits ausgeführt, im vorliegenden Fall gerade nicht, weil Gegenstand des Nutzungsvertrages ein privates Grundstück war.

cc)

Für eine entsprechende Anwendung des § 116 Abs. 1 SachenRBerG vermag der Senat auf der Grundlage der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung schon das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke nicht festzustellen. Die vermeintliche Überlassung eines volkseigenen Grundstücks beruht vorliegend allein auf der Falschbezeichnung in dem Nutzungsvertrag vom Januar 1988. Dies allein vermag aber zu Lasten des privaten, an der Vereinbarung nicht beteiligten Eigentümers die entsprechende Anwendung des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes nicht zu begründen. Entscheidend bleibt, dass vor dem 2. Oktober 1990 auch deswegen, weil eine sonstige zur Einräumung eines Mitbenutzungsrechts geeignete Grundstücksnutzung nach § 286 Abs. 1 ZGB nicht vorlag, eine rechtliche Absicherung der Nutzung der Zuwegung über die Grundstücke der Beklagten nach dem Recht der ehemaligen DDR nicht vorgesehen war und deswegen nach dem 3. Oktober 1990 eine solche dingliche Absicherung nicht verlangt werden kann.

Eine unangemessene Benachteiligung des Klägers kann hierin nicht gesehen werden, weil mögliche Ansprüche auf Nutzung des Weges aus anderen Rechtsgründen hiervon unberührt bleiben.

c)

Eine Berechtigung als Rechtsnachfolger eines Nutzers (§ 9 SachenRBerG) kommt schon deswegen nicht in Betracht, weil der Kläger selbst die Nutzung des Flurstücks 228 zum Betrieb eines Paddelbootverleihs erst begründet hat.

d)

Der Kläger ist zwar mittlerweile Eigentümer des Flurstücks 228, aber auch als Rechtsnachfolger der Grundstückseigentümerin steht ihm ein Anspruch nach § 116 Abs. 1 SachenRBerG nicht zu. Die Grundstückseigentümerin wäre nämlich nicht nach § 116 SachenRBerG anspruchsberechtigt gewesen, weil sie bis zum 2. Oktober 1990 das Grundstück zum Betrieb eines Paddelbootverleihs weder selbst noch durch Dritte genutzt hat.

3.

a)

Da aus den genannten Gründen ein Anspruch des Klägers nach § 116 Abs. 1 SachenRBerG auf Bestellung der Grunddienstbarkeit nicht besteht, war schon aus diesem Grund seine Berufung zurückzuweisen. Anlass zur Wiedereröffnung gemäß § 156 ZPO bestand nicht. Die Anwendbarkeit des SachenRBerG ist bereits in erster Instanz, als auch in der Berufungsinstanz von der Beklagten verneint worden, so dass es sich nicht um einen neuen rechtlichen Geschichtspunkt handelt (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 29. Auflg., § 156, Rn. 3). Im Übrigen würde eine Klageänderung dahingehend, dass ein Notwegerecht verlangt wird, an § 533 ZPO scheitern, weil das Notwegerecht nach § 917 BGB in tatsächlicher Hinsicht völlig andere Voraussetzungen hat als eine Dienstbarkeit nach § 116 Abs. 1 SachenRBerG. Darüber hinaus ist es nicht Sinn und Zweck der Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, den Parteien die Möglichkeit zu geben, ihre Anträge zu ändern.

b)

Über die Hilfsanträge der Beklagten war nicht zu entscheiden, da diese nur für den Fall gestellt waren, dass die Klage Erfolg hat.

4.

Gründe, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnten (§ 543 Abs. 2 ZPO) sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.