ArbG Wesel, Beschluss vom 11.01.2012 - 4 BV 36/11
Fundstelle
openJur 2013, 6718
  • Rkr:

1. Richtiger Adressat der Kündigung einer Gesamtbetriebsvereinbarung ist auch bei delegierter Zuständigkeit der Gesamtbetriebsrat.

2. Dies gilt auch bei bloßer Abschlusskompetenz.

Tenor

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Beendigung einer Gesamtbetriebsvereinbarung.

Der Beteiligte zu 1) und Antragsteller (i.F.: Betriebsrat) ist der bei der Beteiligten zu 2) in deren Werk O. gebildete Betriebsrat.

Die Beteiligte zu 2) (i.F.: Arbeitgeberin) ist ein Unternehmen, das die Herstellung von Komponenten für Lüftungs- und Klimaanlagen zum Geschäftsgegenstand hat. Neben dem Werk in O. unterhält sie jeweils ein weiteres Werk in H. und B..

Der Beteiligte zu 3) ist der bei der Arbeitgeberin gebildete Gesamtbetriebsrat.

Die Beteiligten zu 4) und 5) sind die in den Werken B. und H. gebildeten örtlichen Betriebsräte.

Unter dem 30.11.1994 unterzeichneten die Arbeitgeberin und der Gesamtbetriebsrat die sog. "Gesamtbetriebsvereinbarung über die Einführung von Fertigungsinseln und Gruppenarbeit sowie über eine neue Entlohnung für Leistungslöhner", (i.F.: "GBV 1994", Bl. 21 ff. d.A.), die für die drei Werke der Arbeitgeberin abgeschlossen wurde. Der Gesamtbetriebsrat war durch die örtlichen Betriebsräte beauftragt worden, für diese Verhandlungen über den Abschluss dieser Vereinbarung zu führen. Die GBV 1994 sieht in § 13 eine Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Jahresende vor. Eine betriebsübergreifende Gruppenarbeit findet nicht statt.

Mit Schreiben vom 28.06.2011 (Bl. 31 f., 42 d.A.), das dem Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrates vor dem 30.06.2011 zuging, kündigte die Arbeitgeberin die GBV 1994 zum 31.12.2011 und kündigte an, neue Vereinbarungen standortbezogen abschließen zu wollen. Eine Kopie des Kündigungsschreibens ging dem Vorsitzenden des Betriebsrates am 01.07.2011 zur Kenntnisnahme zu.

Mit Schreiben vom 01.07.2011 (Bl. 33. d.A.) teilte der Betriebsrat der Arbeitgeberin mit, dass die Kündigung gegenüber den örtlichen Betriebsräten zu erfolgen habe.

Im Schreiben vom 14.07.2011 (Bl. 34 f. d.A.) stellte sich die Arbeitgeberin auf den Standpunkt, die Kündigung der GBV 1994 gegenüber dem richtigen Adressaten erklärt zu haben und forderte den Betriebsrat mit weiterem Schreiben vom 12.08.2011 (Bl. 36 f. d.A.) zur Aufnahme von Verhandlungen über eine Regelung auf, die die GBV 1994 ablösen sollte. Der Betriebsrat lehnte dies mit Schreiben vom 26.08.2011 (Bl. 38 d.A.) ab, da die GBV 1994 nicht wirksam gekündigt sei. Er forderte die Arbeitgeberin auf zu erklären, dass die GBV 1994 weiter gelte. Die Arbeitgeberin beharrte mit Schreiben vom 01.09.2011 (Bl. 40 f. d.A.) auf ihrem Standpunkt.

Mit seinem am 09.09.2011 bei dem Arbeitsgericht X. eingegangenen Antrag, der Arbeitgeberin zugestellt am 15.09.2011, wendet sich der Betriebsrat gegen die Beendigung der GBV 1994 durch die Kündigung vom 28.06.2011, hilfsweise begehrt er festzustellen, dass die GBV 1994 erst zum 31.12.2012 endet.

Der Betriebsrat ist der Ansicht, eine originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates zum Abschluss der GBV 1994 habe nicht bestanden. Dies gehe bereits aus der GBV 1994 selbst hervor. Diese sehe nur Rechte für die örtlichen Betriebsräte vor. Der Gesamtbetriebsrat sei auch nicht zuständig, weil es sich um eine Angelegenheit der freiwilligen Mitbestimmung handele und die Arbeitgeberin die Aufnahme von Verhandlungen davon abhängig gemacht habe, dass der Gesamtbetriebsrat ihr Verhandlungspartner werde, da es eine Mitteilung über diese Abhängigkeit nicht gebe. Die Arbeitgeberin habe dies nicht eindeutig zum Ausdruck gebracht. Ohnehin sei die Angelegenheit zwingend mitbestimmungspflichtig nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 und 13 BetrVG.

Der Betriebsrat ist weiter der Ansicht, dass die Beauftragung des Gesamtbetriebsrates diesen lediglich zur Verhandlung und zum Abschluss befuge. Durch die Beauftragung mit der Verhandlung und dem Abschluss werde die Zuständigkeit nicht vollständig auf den Gesamtbetriebsrat übergeleitet, sondern werde zeitlich begrenzt auf den Zeitpunkt des Abschlusses. Eine vollständige Übertragung der Zuständigkeit sei von dem Beschluss nicht umfasst. Eine inhaltliche Kompetenz, die Vereinbarung auch zu kündigen, hätte er dem Gesamtbetriebsrat auch nicht erteilt. Vielmehr habe er durch den Beschluss nach § 50 Abs. 2 S. 2 BetrVG, die Verhandlung und den Abschluss durch den Gesamtbetriebsrat führen zu lassen, zum Ausdruck gebracht, dass er selbst über den Bestand der Vereinbarung inhaltlich habe entscheiden wollen. Demzufolge habe der damalige Gesamtbetriebsratsvorsitzende die GBV 1994 erst unterschrieben, nachdem ihn die drei örtlichen Betriebsräte hierzu ermächtigt hätten. Der Gesamtbetriebrat werde durch die Beauftragung lediglich als Vertreter der örtlichen Betriebsräte tätig. Vertragspartner seien daher die jeweiligen örtlichen Betriebsräte. Insofern handele es sich bei der GBV 1994 tatsächlich um drei Betriebsvereinbarungen. Folglich sei der Gesamtbetriebsrat auch nicht richtiger Adressat einer Kündigung. Diese habe dem Vertragspartner, also den örtlichen Betriebsräten, zuzugehen.

Die Kammer hat den Gesamtbetriebsrat der Arbeitgeberin und die örtlichen Betriebsräte der Werke B. und H. durch Beschluss vom 30.11.2011 weiter am Verfahren beteiligt.

Der Betriebsrat beantragt,

1.festzustellen, dass die "Gesamtbetriebsvereinbarung über die Einführung von Fertigungsinseln und Gruppenarbeit sowie über eine neue Entlohnung für Leistungslöhner" vom 30.11.1994 nicht durch die Kündigungserklärung der Arbeitgeberin vom 28.06.2011 beendet wurde;

2.hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1), festzustellen, dass die "Gesamtbetriebsvereinbarung über die Einführung von Fertigungsinseln und Gruppenarbeit sowie über eine neue Entlohnung für Leistungslöhner" vom 30.11.1994 durch die Kündigungserklärung der Arbeitgeberin vom 28.06.2011 erst zum 31.12.2012 beendet wurde.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Die Beteiligten zu 3) bis 5) stellen keine Anträge.

Die Arbeitgeberin behauptet, der Gesamtbetriebsrat sei für den Abschluss der GBV 1994 originär zuständig gewesen, weil die drei Standorte nach einem einheitlichen Produktionsprinzip auf Grundlage des sog. TPS-Systems agierten. Die Einführung des neuen Produktionsstandards habe es zwingend geboten, eine einheitliche Form der Entlohnung zu finden, was sich auch aus der Präambel der GBV ergebe.

Da der Betriebsrat zudem kein Initiativrecht zur Einführung der Gruppenarbeit habe, handele es sich insoweit um eine freiwillige oder teilmitbestimmte Regelung. Hier könne der Arbeitgeber seinen Verhandlungspartner frei wählen. Die Arbeitgeberin behauptet, sie habe 1994 entschieden, das Thema Gruppenarbeit mit dem Gesamtbetriebsrat zu verhandeln. Dies sei gegenüber den Betriebsräten eindeutig zum Ausdruck gebracht worden, indem deutlich gemacht worden sei, dass die Gruppenarbeit und das damit einhergehende Entlohnungssystem einheitlich für alle drei Werke eingeführt werden sollten.

Die Arbeitgeberin ist der Ansicht, durch die Beauftragung zum Abschluss entstehe eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates, die diesen zum Abschluss- und Vertragspartner mache. Dem Arbeitgeber sei der Umfang der Beauftragung des Gesamtbetriebsrates nicht bekannt, so dass sich für ihn der Gesamtbetriebsrat als Vertragspartner darstelle und ihm deshalb auch eine Kündigung gegenüber dem Gesamtbetriebsrat möglich sein müsse.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

II.

1. Die Anträge sind zulässig.

a. Der Gesamtbetriebsrat sowie die Betriebsräte der Werke B. und H. waren am Verfahren zu beteiligen.

§ 83 Abs. 3 ArbGG bestimmt nicht selbst, wer Beteiligter des jeweiligen Verfahrens ist. Wer neben dem Antragsteller Beteiligter des Verfahrens ist, bestimmt sich nach materiellem Betriebsverfassungsrecht. Beteiligte in Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes ist jede Stelle, die durch die begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen ist (BAG vom 27.07.2011 - 7 ABR 61/10, juris; BAG vom 04.05.2011 - 7 ABR 3/10, NZA 2011, 1373 ff.; BAG vom 27.10.2010 - 7 ABR 85/09, EzA § 54 BetrVG 2001 Nr. 4; BAG vom 28.03.2006 - 1 ABR 59/04, AP Nr. 128 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; ErfK-Eisemann, 12. A., ArbGG, § 83, Rn. 6; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 7. A., § 83, Rn. 13).

Zunächst waren die örtlichen Betriebsräte der Werke B. und H. an dem Verfahren zu beteiligen. Solange die GBV 1994 gilt, ist die Mitbestimmung in den von ihr betroffenen Bereichen geregelt, so dass ein Mitbestimmungsrecht nicht besteht, soweit die mitbestimmte Regelung reicht (vgl. BAG vom 31.03.1989 - 1 ABR 60/97, AP Nr. 12 zu § 81 ArbGG 1979). Da es also bei der Fortgeltung der GBV 1994 auch um das Bestehen des Mitbestimmungsrechtes der örtlichen Betriebsräte geht, waren diese am Verfahren zu beteiligen. Dies gilt auch, wenn man mit der Arbeitgeberin die originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates bejahen wollte, da die Zuständigkeit der örtlichen Betriebsräte vorliegend jedenfalls ernsthaft in Frage kommt.

Des Weiteren steht der Anspruch auf Durchführung der GBV 1994, unabhängig davon, ob der Gesamtbetriebsrat eine originäre Zuständigkeit zum Abschluss der GBV 1994 hatte, den örtlichen Betriebsräten zu. Die GBV 1994 räumt einzig den örtlichen Betriebsräten Rechte bei der Umsetzung der GBV 1994 ein. Soweit eine originäre Zuständigkeit nicht gegeben wäre, stünde der Durchführungsanspruch aus einer per Beauftragung geschlossenen Gesamtbetriebsvereinbarung ohnehin den örtlichen Betriebsräten zu (BAG vom 18.05.2010 - 1 ABR 6/09, a.a.O.).

Auch der Gesamtbetriebsrat wird in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Stellung unmittelbar betroffen, da er Verhandlungspartner der Arbeitgeberin war und die GBV 1994 unterzeichnet hat. Der Grund der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates ist zwischen den Beteiligten streitig. Die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates kommt hier jedenfalls ernsthaft in Frage, so dass es auch um sein Mitbestimmungsrecht geht und er aus diesem Grund zu beteiligen ist. Ihm würde bei einer originären Zuständigkeit grds. auch der Durchführungsanspruch zukommen (LAG Hamm vom 05.03.2010 - 10 TaBV 67/09, juris), so dass er auch aus diesem Grund zu beteiligen war.

b.Der Antrag ist in zulässiger Weise auf das Bestehen eines Rechtsverhältnisses gerichtet, § 256 Abs. 1 ZPO.

Rechtsverhältnis i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO ist jedes durch die Herrschaft einer Rechtsnorm über einen konkreten Sachverhalt entstandene rechtliche Verhältnis einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache. Dabei sind einzelne Rechte und Pflichten ebenso Rechtsverhältnisse wie die Gesamtheit eines einheitlichen Schuldverhältnisses. Kein Rechtsverhältnis sind dagegen abstrakte Rechtsfragen, bloße Elemente eines Rechtsverhältnisses oder rechtliche Vorfragen (BAG vom 27.10.2010 - 7 ABR 85/09, a.a.O.; BAG vom 24.10.2007 - 1 ABR 27/06, AP Nr. 20 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit). Eine Betriebsvereinbarung ist - wie eine Gesamtbetriebsvereinbarung - ein Rechtsverhältnis zwischen Betriebsrat bzw. Gesamtbetriebsrat und Arbeitgeber (BAG vom 11.11.1998 - 7 ABR 47/97, a.a.O.).

c. Es besteht auch das besondere Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO.

Das nach § 256 Abs. 1 ZPO notwendige besondere Feststellungsinteresse für die Anträge des Betriebsrates folgt aus den verschiedenen Auffassungen der Beteiligten darüber, ob die GBV 1994 durch die Kündigung der Arbeitgeberin vom 28.06.2011 wirksam beendet wurde. Streiten sich die Beteiligten über die Wirksamkeit einer Kündigung und die im Raum stehende Beendigung einer (Gesamt)Betriebsvereinbarung, steht dem Antragsteller das besondere Feststellungsinteresse zur Seite (LAG Köln vom 20.04.2009 - 5 TaBV 66/08, juris). Die Anträge des Betriebsrates führen diesen Streit einer umfassenden Klärung zu (vgl. BAG vom 27.10.2010 - 7 ABR 85/09, a.a.O.; BAG vom 16.05.2007 - 7 ABR 63/06, AP Nr. 3 zu § 96a ArbGG 1979).

2. Die Anträge sind unbegründet.

a.Der Betriebsrat hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung, wonach die GBV 1994 durch die Kündigung vom 28.06.2011 nicht beendet wurde.

aa.Es kann dahin stehen, ob der Gesamtbetriebsrat der richtige Kündigungsadressat war, weil er für den Abschluss der GBV 1994 originär zuständig gewesen wäre. Der Gesamtbetriebsrat war schon deshalb der richtige Kündigungsadressat, weil er für den Abschluss der GBV 1994 durch die örtlichen Betriebsräte gem. § 50 Abs. 2 BetrVG beauftragt wurde.

Die Auftragszuständigkeit nach § 50 Abs. 2 BetrVG kann auch neben einer ggf. bestehenden originären Zuständigkeit begründet werden, etwa um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden (DKK-Trittin, a.a.O. § 50, Rn. 65b), so dass auch aus diesem Grund dahin stehen konnte, ob der Gesamtbetriebsrat bereits originär zuständig für den Abschluss der GBV 1994 war.

bb.Richtiger Adressat der Kündigung einer Betriebsvereinbarung oder Gesamtbetriebsvereinbarung ist der Vertragspartner (LAG Düsseldorf vom 25.10.2005 - 3 (7) TaBV 31/05, n.v.; LAG Düsseldorf vom 28.04.2004 - 17 Sa 1952/03, LAGE § 26 BetrVG 2001 Nr. 1; DKK-Trittin, BetrVG, 11. A., § 50, Rn. 13; Fitting, BetrVG, 25. A., § 77, Rn. 157). Der Arbeitgeber hat gegenüber demjenigen Organ, mit dem er eine Regelung abgeschlossen hat, die Kündigung dieser Regelung zu erklären (LAG Düsseldorf vom 28.04.2004 - 17 Sa 1952/03, a.a.O.; DKK-Trittin, a.a.O.; Fitting, a.a.O.). Demzufolge ist die Kündigung einer nach § 50 Abs. 1 BetrVG geschlossenen Gesamtbetriebsvereinbarung gegenüber einem örtlichen Betriebsrat unwirksam (vgl. BAG vom 18.09.2002 - 1 ABR 54/01, AP Nr. 7 zu § 77 BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung, Rn. 58 nach juris).

(1)Die Beauftragung zur Behandlung einer Angelegenheit nach § 50 Abs. 2 (S. 2) BetrVG begründet eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates (ErfK-Koch, a.a.O., § 50, Rn. 9; Fitting, a.a.O., § 50, Rn. 62; Hess/Schlochauer/ Worzalla/Glock u.a., a.a.O., Rn. 6). Er handelt infolge einer Beauftragung nach § 50 Abs. 2 BetrVG in eigener Verantwortung als selbstständiges Organ der Betriebsverfassung (DKK-Trittin, a.a.O., § 50, Rn. 81; Fitting, a.a.O., § 50, Rn. 68; Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock u.a., a.a.O., Rn. 52; Richardi-Annuß, BetrVG, 12. A., § 50, Rn. 58; a. A. GK-Kreutz, a.a.O., § 50, Rn.56).

Der Begriff der Behandlung i.S.d. § 50 Abs. 2 BetrVG umfasst dabei grds. alle Stadien der Zusammenarbeit zwischen den Betriebsparteien in einer Angelegenheit, einschließlich der Durchführung eines Einigungsstellenverfahrens (LAG Düsseldorf vom 03.07.2002 - 12 TaBV 22/02, NZA-RR 2003, 83 ff.; DKK-Trittin, a.a.O. § 50, Rn. 80 f.; a.A. wohl LAG Hessen vom 31.05.2011 - 4 TaBV 153/10, juris), sowie auch grds. das Recht eine entsprechende Gesamtbetriebsvereinbarung wieder zu kündigen (LAG Köln vom 20.04.2009 - 5 TaBV 66/08, juris). Will der beauftragende Betriebsrat die Angelegenheit wieder als eigene behandeln und seine Zuständigkeit selbst wahrnehmen, so ist hierfür - auch wenn er eine Beauftragung nach § 50 Abs. 2 S. 2 BetrVG erteilt hat - nach § 50 Abs. 2 S. 3 i.V.m. § 27 BetrVG ein Widerruf der Beauftragung des Gesamtbetriebsrates von Nöten (LAG Düsseldorf vom 03.07.2002 - 12 TaBV 22/02, a.a.O.). Bis zu dem Zeitpunkt des Widerrufs behält der Gesamtbetriebsrat seine Zuständigkeit (Fitting, a.a.O., § 50, Rn. 72; Hess/Schlochauer/ Worzalla/Glock u.a., a.a.O., § 50, Rn. 55; Richardi-Annuß, a.a.O., Rn. 62).

Die Beauftragung nach § 50 Abs. 2 (S. 2) BetrVG ist dabei keine bloße Stellvertretung i.S.d. §§ 164 ff. BGB (a. A. wohl DKK-Trittin, a.a.O. § 50, Rn. 78; GK-Kreutz, a.a.O., Rn.56). Die Möglichkeit des Gesamtbetriebsrates als Vertreter für einen oder mehrere Betriebsräte aufzutreten, hätte im Gesetz gar nicht gesondert geregelt werden müssen. Dass eine Rechtsperson oder ein Organ für ein anderes handeln kann, ergibt sich bereits aus §§ 164 ff. BGB. Systematisch befindet sich die Beauftragung nach § 50 Abs. 2 BetrVG unter der Überschrift "Zuständigkeit". Durch die Beauftragung, die Angelegenheit für den Betriebsrat zu behandeln, sei es nun nach S. 1 oder S. 2, wird daher nach zutreffender Ansicht eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats begründet (ErfK-Koch, a.a.O., § 50, Rn. 9; Fitting, a.a.O., § 50, Rn. 62; Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock u.a., a.a.O., Rn. 6). Diese mag inhaltlich - ggf. auf einen bestimmten Zeitpunkt etwa den des Abschlusses - begrenzt werden, die Beauftragung ist aber nicht rein "BGBistisch" im Sinne einer bloßen Stellvertretung zu verstehen (Rieble, RdA 2005, 26, 27). Es handelt sich um die Befähigung Rechtsnormen zu setzen. Die Formulierung, wonach der Gesamtbetriebsrat als "Vertreter" des Betriebsrates tätig wird (vgl. BAG vom 18.05.2010 - 1 ABR 6/09, AP Nr. 51 zu § 77 BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung; LAG Hessen vom 31.05.2011 - 4 TaBV 153/10, juris) ist daher missverständlich. Vielmehr wird der Gesamtbetriebsrat an Stelle des Betriebsrates (so auch BAG vom 18.05.2010 - 1 ABR 6/09, a.a.O.) aus einer delegierten Zuständigkeit (Rieble, RdA 2005, 26, 27) tätig, aber nicht lediglich als bloßer Vertreter i.S.d. § 164 BGB. Der Gesamtbetriebsrat handelt auch nicht in fremdem Namen sondern in eigenem Namen kraft verliehener Zuständigkeit (Fitting, a.a.O., § 50, Rn. 71; Rieble, RdA 2005, 26, 27). Ausdrücklich bestimmt § 50 Abs. 2 BetrVG, dass der Gesamtbetriebsrat durch den Betriebsrat beauftragt werden kann, eine Angelegenheit "für ihn" zu behandeln, also an seiner Stelle. Da sich die Zuständigkeiten von Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat gegenseitig ausschließen (BAG vom 14.11.2006 - 1 ABR 4/06, AP Nr. 43 zu § 87 BetrVG 1972; BAG vom 09.12.2003 - 1 ABR 49/02, AP Nr. 27 zu § 50 BetrVG 1972; Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock u.a., Rn. 5; GK-Kreutz, a.a.O., § 50, Rn. 18), die Beauftragung nach § 50 Abs. 2 BetrVG aber eine Zuständigkeit kraft Delegation begründet, handelt der Gesamtbetriebrat auch notwendigerweise in eigenem Namen und nicht als bloßer Vertreter nach § 164 BGB, während die Zuständigkeit der örtlichen Betriebsräte für den Zeitraum der Beauftragung aufgrund der Theorie der Zuständigkeitstrennung ausgeschlossen ist.

(3)Unstreitig wurde der Gesamtbetriebsrat vorliegend durch die örtlichen Betriebsräte gem. § 50 Abs. 2 BetrVG beauftragt, Verhandlungen über den Abschluss der GBV 1994 zu führen und hat diese auch tatsächlich abgeschlossen. Die zwischen den Beteiligten strittige Frage, inwiefern der damalige Gesamtbetriebsratsvorsitzende vor Unterschriftsleistung unter die GBV 1994 letztmalig die Zustimmung der örtlichen Betriebsräte einholte und erst dann unterschrieb, kann vorliegend dahin stehen. Da der Gesamtbetriebsrat jedenfalls mit dem Abschluss beauftragt worden war, ist er kraft der hiermit auf ihn delegierten Zuständigkeit in dieser Angelegenheit Vertragspartner geworden, unabhängig davon, ob der Gesamtbetriebsrat nur bis zum Abschluss beauftragt war.

Der Gesamtbetriebsrat ist nicht als bloßer Vertreter tätig geworden. Dies behauptet auch der Betriebsrat nicht; nach dessen Vortrag wurde der Gesamtbetriebsrat gem. § 50 Abs. 2 S. 2 BetrVG beauftragt. Folglich hat der Gesamtbetriebsratsvorsitzende die GBV 1994 auch nicht "i.V." unterschrieben. Aus diesem Grund kommt es auch nicht darauf an, ob das Kündigungsrecht dem Gesamtbetriebsrat oder den einzelnen Betriebsräten zugestanden hätte. Vertrags- oder Abschlusspartner war aufgrund der delegierten Zuständigkeit jedenfalls bis zum Zeitpunkt des Abschlusses der Gesamtbetriebsrat. Da der Vertrags- oder Abschlusspartner nach den obigen Ausführungen der richtige Kündigungsadressat ist, ist die Kündigungserklärung vom 28.06.2011 dem richtigen Adressaten zugegangen.

Auch kommt es nicht darauf an, dass der Betriebsrat die Zuständigkeit bislang nicht widerrufen hat (vgl. insoweit LAG Köln vom 20.04.2009 - 5 TaBV 66/08, juris). Jedenfalls hat die Beauftragung des Gesamtbetriebsrates nach § 50 Abs. 2 S. 2 BetrVG dessen Zuständigkeit für den Abschluss begründet. Er ist damit Abschlusspartner oder Vertragspartner der Arbeitgeberin geworden.

Etwas anders ergibt sich nicht aus der Natur der Vereinbarung, die von dem Gesamtbetriebsrat in einer Zuständigkeit nach § 50 Abs. 2 S. 2 BetrVG abgeschlossen wird. Zwar handelt es sich bei einer "Gesamtbetriebsvereinbarung" nach Beauftragung durch die örtlichen Betriebsräte gem. § 50 Abs. 2 BetrVG tatsächlich um eine von dem Gesamtbetriebsrat an Stelle der Betriebsräte abgeschlossene Betriebsvereinbarung (BAG vom 18.09.2002 - 1 ABR 54/01, a.a.O.), hieraus ergibt sich aber noch nicht, dass die Betriebsräte Abschluss- und Vertragspartner werden. Da § 50 Abs. 2 BetrVG, unabhängig davon ob der Betriebsrat sich nach S. 2 vorbehalten hat, das Verhandlungsergebnis zu genehmigen, eine Zuständigkeit begründet, die Zuständigkeit des Betriebsrates also für den Zeitraum der Delegation wegen des Grundsatzes der Zuständigkeitstrennung aufgehoben wird bis ein ordnungsgemäßer Widerruf erfolgt, ist nicht der Betriebsrat Abschluss- und Vertragspartner. Dies gilt im vorliegenden Fall jedenfalls bis zum Zeitpunkt des Abschlusses der Gesamtbetriebsvereinbarung.

Die Richtigkeit dieser Argumentation ergibt sich auch aus folgendem: Die Regelung der Zuständigkeit in § 50 BetrVG soll auch Klarheit darüber bringen - nicht zuletzt für den Arbeitgeber als Verhandlungspartner - welches Organ der Betriebsverfassung die Zuständigkeit in einer konkreten Angelegenheit hat (LAG Düsseldorf vom 03.07.2002 - 12 TaBV 22/02, NZA-RR 2003, 83 ff.). Hat der Betriebsrat den Arbeitgeber von der Beauftragung des Gesamtbetriebsrates informiert, kann der gutgläubige Arbeitgeber auf den von dem Betriebsrat gesetzten Rechtsschein vertrauen und davon ausgehen, dass der Gesamtbetriebsrat allein zuständig ist (LAG Köln vom 23.01.1998 - 12 TaBV 59/97, n.v.; DKK-Trittin, a.a.O., § 50, Rn. 71). Da der Gesamtbetriebsrat vorliegend jedenfalls unstreitig mit der Verhandlung und dem Abschluss der GBV 1994 beauftragt wurde, ergibt sich hieraus, dass die Arbeitgeberin darauf vertrauen durfte, dass der Gesamtbetriebsrat auch Verhandlungs- und Abschlusspartner ist.

dd. Die Kündigung der Betriebsvereinbarung ging dem Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats vor dem 30.06.2011 zu, so dass die GBV 1994 nach Maßgabe des § 13 durch die Kündigung vom 28.06.2011 zum 31.12.2011 endete.

b.Der Betriebsrat hat auch keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung, wonach die GBV 1994 durch die Kündigung vom 28.06.2011 erst zum 31.12.2012 beendet wird.

aa.Über den Hilfsantrag war nach Eintritt der innerprozessualen Bedingung, dem Unterliegen mit dem Antrag zu 1), zu entscheiden.

bb.Da die GBV 1994 nach Maßgabe der Ausführungen unter II./2. der Gründe bereits zum 31.12.2011 beendet wurde, bestand kein Anspruch mehr auf die begehrte Feststellung.

Der Antrag wurde ohnehin ersichtlich vor dem Hintergrund des Zugangs der Kündigung vom 28.06.2011 an den Vorsitzenden des Betriebsrates lediglich in Kopie und zur Kenntnisnahme gestellt, also für den Fall, dass hierin eine Kündigungserklärung gegenüber dem Betriebsrat zu sehen sein sollte.

RECHTSMITTELBELEHRUNG

Gegen diesen Beschluss kann von den Beteiligten zu 1., 3. - 5. Beschwerde eingelegt werden.

Für die Arbeitgeberseite ist gegen diesen Beschluss kein Rechtsmittel gegeben.

Die Beschwerde muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich beim

Landesarbeitsgericht Düsseldorf

Ludwig-Erhard-Allee 21

40227 Düsseldorf

Fax: 0211-7770 2199

eingegangen sein.

Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.

Die Beschwerdeschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:

1.Rechtsanwälte,

2.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

3.juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.

* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.

E.