OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.02.2012 - II-1 UF 306/11
Fundstelle
openJur 2013, 2899
  • Rkr:
Tenor

I. Unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Düsseldorf vom 05.10.2011 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Jugendamtsurkunde der Landeshauptstadt Düsseldorf vom 06.03.2002 - Urkunden-Reg.-Nr. 292/2002 - wird dahin abgeändert, dass der Antragsteller für die Zeit vom 01.01.2011 bis 30.09.2011 an die Antragsgegnerin monatlich 105,00 € und für die Zeit vom 01.10.2011 bis 31.12.2012 monatlich 118,00 € Unterhalt zu zahlen hat.

Für die Zeit ab 01.01.2013 bleibt die Verpflichtung aus der genannten Jugendamtsurkunde bestehen.

Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten der ersten Instanz tragen der Antragsteller zu 60 % und die Antragsgegnerin zu 40 %. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Antragsteller zu 35 % und die Antragsgegnerin zu 65 %.

III. Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung wird angeordnet.

IV. Der Antragsgegnerin wird unter Beiordnung von Rechtsanwältin S ratenfeie Verfahrenskostenhilfe bewilligt, soweit sie sich mit ihrer Beschwerde gegen die Herabsetzung des Unterhalts auf weniger als monatlich 105,00 € für die Zeit von Januar bis September 2011 und auf weniger als monatlich 118,00 € für die Zeit von Oktober 2001 bis Dezember 2012 wendet. (Wert der Bewilligung: 1.417,00 €). Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

 G r ü n d e

I.

Der Antragsteller ist der nichteheliche Vater der am 11.10.1999 geborenen Antragsgegnerin, die bei ihrer Mutter lebt. Durch Jugendamtsurkunde vom 06.03.2002 verpflichtete sich der Antragsteller, an die Antragsgegnerin - umgerechnet nach § 36 Nr. 3 EGZPO - monatlich 102,7 % des Mindestunterhalts, das entspricht bis September 2011 282,00 € und danach 346,00 €, zu zahlen. Seinerzeit betrieb der Antragsteller ein Sportgeschäft, musste aber im Jahr 2003 Insolvenz anmelden und arbeitet seither in der Versicherungsbranche. Seit Ende 2008 betreibt er gemeinsam mit Frau U B in Form einer GbR ein Versicherungsmaklerbüro.

Nachdem der Antragsteller bis einschließlich Dezember 2010 seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Antragsgegnerin und auch gegenüber den Kindern aus seiner ersten Ehe, dem am 28.01.1992 geborenen P und der am 12.03.1994 geborenen S, die bei ihrer Mutter in Spanien leben, nachgekommen war, macht er für die Zeit ab Januar 2011 wegen fehlender Leistungsfähigkeit den Wegfall der Unterhaltsverpflichtung geltend.

Das Amtsgericht hat dem Antrag durch den angefochtenen Beschluss insoweit entsprochen, als es für die Zeit vom 01.01.2011 bis 31.12.2012 die Jugendamtsurkunde dahin abgeändert hat, dass kein Unterhalt geschuldet werde. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss des Amtsgerichts Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde.

Sie ist der Ansicht, eine Abänderung der Jugendamtsurkunde sei bereits deshalb nicht gerechtfertigt, weil nicht dargelegt sei und nicht davon ausgegangen werden könne, dass der Antragsteller in 2002 höhere Einkünfte erzielt habe als heute. Eine Änderung der Verhältnisse liege daher nicht vor. Jedenfalls sei der Antragsteller aber auch weiterhin als leistungsfähig anzusehen. Denn der steuerliche Gewinn aus seiner selbständigen Tätigkeit sei um die Abschreibungen zu erhöhen. Außerdem sei ihm ein Nutzungsvorteil für den PKW sowie eine Nebentätigkeit zuzurechnen. Die vorgetragenen Kreditraten seien demgegenüber nicht berücksichtigungsfähig. Auch nach Abzug des Krankenversicherungsbeitrages verbliebe ihm daher ein Einkommen von etwa 2.000,00 € netto. Alternativ sei der Antragsteller zu verpflichten, seine selbständige Tätigkeit aufzugeben und einer Tätigkeit im Angestelltenverhältnis nachzugehen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

              den angefochtenen Beschluss abzuändern und den Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

              die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung. Er und die Mutter der Antragsgegnerin hätten in 2002 einvernehmlich ein Einkommen nach der damals 5. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle angenommen. Heute erziele er dieses Einkommen nicht mehr. Da er bereits seit 2009 über geringere Einkünfte verfüge, habe er zur Deckung des Lebensbedarfs und der Unterhaltszahlungen Darlehen in Anspruch nehmen müssen. So habe er im März 2010 von der Mitgesellschafterin Baum ein Darlehen über 8.000,00 € erhalten, auf das er monatlich 180,00 € zahle. Ein weiteres Darlehen der Gesellschaft über 5.000,00 € sei durch die Auflösung von zwei Lebensversicherungen zurückgeführt worden. Die übrigen der Altersvorsorge dienenden Versicherungen sind ruhend gestellt. Und schließlich sei auch das in 2011 bei der Volkswagen Bank aufgenommene Darlehen, auf das seit April 2011 monatlich 134,76 € gezahlt werden, zu diesem Zweck aufgenommen worden. Da er im Dezember 2011 höhere Einnahmen erzielt habe, habe er an jedes seiner Kinder 500,00 € überwiesen.

II.

Die nach §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat teilweise Erfolg.

Auch im Zeitraum von Januar 2011 bis Dezember 2012 ist der Antragsteller, der der Antragsgegnerin nach §§ 1601, 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB unterhaltspflichtig ist, zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von 105,00 € bzw. ab Oktober 2011 von monatlich 118,00 € als leistungsfähig anzusehen.

Der Abänderungsantrag des Antragstellers ist nach § 239 FamFG ist zulässig und teilweise begründet.

Materiell rechtlich ist die Abänderung nach § 313 BGB entsprechend den Grundsätzen zur Änderung der Geschäftsgrundlage zu beurteilen.

Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin scheidet eine Abänderung nicht bereits deshalb aus, weil davon auszugehen sei, dass der Antragsteller bereits bei Errichtung der Urkunde über keine höheren Einkünfte verfügt habe. Entsprechend der Festlegung des Unterhalts lag seinerzeit ein Nettoeinkommen des Antragstellers von rund 2.000,00 € monatlich zugrunde. Darauf, ob er dieses Einkommen tatsächlich erzielte, kommt es letztlich nicht an. Denn jedenfalls gingen der Antragsteller und die Mutter der Antragsgegnerin davon aus, dass ein entsprechendes Einkommen aus der damals ausgeübten selbständigen Tätigkeit erzielbar war. Wenn der Antragsteller nun - 9 Jahre später - nach dem Wechsel seiner Tätigkeit ein solches Einkommen tatsächlich nicht mehr erzielt, ist ein Festhalten an den damaligen Verhältnissen für ihn jedenfalls nicht zumutbar.

Für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Antragstellers ist auf die aktuelle Einkommenssituation abzustellen. Für das Jahr 2011 liegt die Betriebswirtschaftliche Auswertung vor, nach der die GbR im Jahr 2011 einen Gewinn von 30.700,00 € erzielt hat, woran der Antragsteller mit 50 %, das sind 15.350,00 €, beteiligt ist. Hinzurechnungen wegen vorgenommener Abschreibungen, die sich gewinnmindernd auswirken, sind nicht vorzunehmen. Der insoweit alleine für Kraftfahrzeuge vorgenommenen Abschreibung nach steuerlichen Vorgaben steht ein tatsächlicher Wertverlust gegenüber, der dem steuerlichen Betrag regelmäßig in etwa entspricht. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist auch ein Nutzungsvorteil für die Privatnutzung des betrieblichen Fahrzeugs nicht vorzunehmen. In dem Betriebsergebnis sind bereits solche Privatanteile für die PKW-Nutzung auf der Einnahmeseite enthalten.

Dem Antragsteller ist damit ein Einkommen von durchschnittlich monatlich rund 1.300,00 € zuzurechnen. Steuern fallen darauf unter Berücksichtigung der Sonderausgaben nicht an. Abzuziehen ist allerdings der Beitrag zur Krankenversicherung, der mit monatlich 315,00 € belegt ist. Altersvorsorgeaufwendungen sind nicht einkommensmindernd zu berücksichtigen, nachdem der Antragsteller nach eigenen Angaben im Termin die Verträge ruhend gestellt hat. Das Nettoeinkommen aus seiner Tätigkeit als Versicherungsmakler ist daher mit monatlich 985,00 € anzusetzen. Im Hinblick auf seine gesteigerte Unterhaltspflicht gegenüber der minderjährigen Tochter ist dem Antragsteller abzuverlangen, für die Dauer des Einkommensrückgangs aus der selbständigen Tätigkeit durch Aufnahme einer Nebentätigkeit einen Ausgleich zu schaffen. Wie das Amtsgericht und der Antragsteller selbst hält der Senat daher die Zurechnung - fiktiver - Nebeneinkünfte von monatlich 200,00 € für angemessen. Damit erhöhen sich die Einkünfte des Antragstellers auf insgesamt 1.185,00 €. Die Kreditverpflichtungen des Antragstellers können hingegen nicht einkommensmindernd berücksichtigt werden. Zwar ist nachvollziehbar, dass der Antragsteller seinen Lebensstandard einschließlich der Unterhaltsleistungen nicht übergangslos der veränderten Einkommenslage seit Beginn des Jahres 2010 anpassen konnte, gleichwohl können die Kreditraten nicht vom Einkommen abgezogen werden. Denn ansonsten würde der regelmäßige, aus dem Selbstbehalt zu bestreitende Lebensbedarf des Antragstellers und die Leistung des geschuldeten Unterhalts aus den Vorjahren zu Lasten des laufenden Unterhalts finanziert werden.

Bei einem unterhaltsrelevanten Einkommen von 1.185,00 € stehen nach Abzug des Selbstbehalts von 950,00 € noch 235,00 € für Unterhaltszahlungen zur Verfügung. Zu berücksichtigen ist, dass der Antragsteller nicht nur gegenüber der Antragsgegnerin, sondern auch gegenüber seiner minderjährigen Tochter S aus erster Ehe, die noch die Schule besucht, gleichrangig unterhaltspflichtig ist. Demgegenüber ist der volljährige Sohn aus der früheren Ehe, der einem Studium nachgeht, als nachrangig Unterhaltsberechtigter nicht zu berücksichtigen. Für die Zeit bis zu der die Antragsgegnerin 12 Jahre alt geworden ist, das ist die Zeit bis September 2011, ist der Betrag von 235,00 € entsprechend dem unterschiedlichen Mindestbedarf der Antragsgegnerin und der Tochter S aufzuteilen. Auf die Antragsgegnerin entfallen (235 € x 272/606 =) 105,00 €. Ab Oktober 2011 ist der Betrag zu gleichen Teilen aufzuteilen, so dass auf die Antragsgegnerin 118,00 € entfallen.

Zu Recht hat das Amtsgericht die Herabsetzung der Unterhaltsverpflichtung auf die Zeit bis zum 31.12.2012 begrenzt. Der Antragsgegner ist seit Jahren selbständig tätig und konnte aus seinen Einkünften den titulierten Unterhalt zahlen. Die Verschlechterung der Einkommenssituation führt daher nicht dazu, dass er im Rahmen seiner Erwerbsobliegenheit seine Tätigkeit kurzfristig aufgeben müsste, um in anderer Weise hinreichende Einkünfte zu erzielen. Ihm ist vielmehr ein gewisser Zeitraum zuzubilligen, um den Einkommensrückgang in seiner bisherigen Tätigkeit wieder auszugleichen. In Anbetracht des Umstandes, dass der Antragsteller auch nach dem Wegfall seiner Referententätigkeit in der Ausbildung von Vertriebsmitarbeitern der Hamburg Mannheimer Versicherung Ende 2008 noch Einkünfte aus der weiter ausgeübten Tätigkeit als Versicherungsmakler von etwa 26.000,00 € in 2009 (50 % des Gewinns der GbR) erzielen konnte, ist zu erwarten, dass der in 2010 erfolgte Gewinneinbruch binnen zwei Jahren ausgeglichen werden kann. Sollte sich jedoch in der zweiten Jahreshälfte herausstellen, dass diese Erwartung nicht erfüllt werden kann, wäre der Antragsteller gehalten, seine Arbeitskraft anderweitig einzusetzen, um jedenfalls den Mindestbedarf der unterhaltsberechtigten Kinder sicherzustellen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 243 Nr. 1, 116 Abs. 3 Satz 3 FamFG.

Beschwerdewert:(9 x 282,00 € + 4 x 346,00 € =) 3.922,00 €

III.

Der Antragsgegnerin war nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, da die weitergehende Rechtsverfolgung gemäß den Ausführungen zu Ziffer II. keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne der §§ 113 Abs. 1 FamFG, 114 ZPO bietet.

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