LAG Köln, Urteil vom 04.09.2012 - 12 Sa 690/11
Fundstelle
openJur 2013, 2126
  • Rkr:

1. Verweigerung der Zustimmung zur Parteierweiterung auf Beklagtenseite im Berufungsrechtszug ist im Streitfall rechtsmissbräuchlich.

2. Partei- und Prozessfähigkeit nach Löschung der beklagten GmbH & Co. KG im Handelsregister.

3. Zahlung von Minderbeträgen an den Heimarbeitern gemäß § 1 Abs. 2 HAG gleichgestellte Personen.

Tenor

Auf die Berufung des klagenden Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 24.03.2011 - 6 Ca 11575/09 - teilweise wie folgt abgeändert:

 

Das I. Versäumnisurteil vom 26.01.2010 wird in Höhe von 2.392,48 € nebst 4 % Zinsen ab dem 19.12.2009 sowie nebst Umsatzsteuer in Höhe von 16 % auf den Betrag von 1.367,07 € und in Höhe von 19 % auf den weiteren Betrag von 1.025,41 € aufrechterhalten mit der Maßgabe, dass die Zahlung an Frau R P , V S in B , zu erfolgen hat. Die Aufrechterhaltung erfolgt zudem mit der Maßgabe, dass die Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldnerin mit der Berufungsbeklagten zu 2) erfolgt.

 

Die Berufungsbeklagte zu 2) wird - als Gesamtschuldnerin mit der Beklagten - verurteilt, an Frau R P , V S in B , 2.392,48 € nebst 4 % Zinsen ab dem 19.12.2009 sowie nebst Umsatzsteuer in Höhe von 16 % auf den Betrag von 1.367,07 € und in Höhe von 19 % auf den weiteren Betrag von 1.025,41 € zu zahlen.

 

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

 

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen das klagende Land zu 65 % und die Beklagte zu 35 %, mit Ausnahme der durch die Säumnis der Beklagten im Termin vom 26.01.2010 entstandenen Kosten, diese werden der Beklagten auferlegt. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits tragen das klagende Land zu 65 % und die Beklagte und die Berufungsbeklagte zu 2) gesamtschuldnerisch zu 35 %.

 

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Das klagende Land nimmt die Berufungsbeklagten, bei denen es sich um im Adresshandel tätige Unternehmen handelt, nach § 25 HAG auf Nachzahlung von Minderbeträgen an Frau P   in Anspruch.

Bei der Beklagten und Berufungsbeklagten zu 1) (im Folgenden: Beklagte) handelt es sich um eine GmbH & Co.KG, die am 21.11.2011 im Handelsregister gelöscht worden ist. Bei der Berufungsbeklagten zu 2) handelt es sich um die Komplementär-GmbH der Beklagten. Frau P   , die im streitgegenständlichen Zeitraum vor ihrer Wiederheirat Frau L   hieß, wurde von der Beklagten in der Zeit von Mai 2006 bis August 2008 mit der Erledigung von Schreibarbeiten beauftragt. Sie hat ein Gewerbe in Form eines Schreibbüros angemeldet und die Tätigkeiten von zu Hause aus verrichtet. Den jeweils von ihr in Rechnung gestellten Betrag zuzüglich Mehrwertsteuer erhielt sie von der Beklagten vergütet.

Nach der „Bekanntmachung einer Gleichstellung betreffend Adressenschreiben, Schreibarbeiten und ähnliche Arbeiten vom 05.12.1991 in der Fassung vom 07.12.1993", die auf Grundlage von § 1 Abs. 2a und Abs. 4 HAG erlassen wurde, gelten als den in Heimarbeit Beschäftigten gleichgestellt solche Personen, die ein Gewerbe angemeldet haben (Schreibbüro) und ohne Heimarbeiter oder fremde Hilfskräfte das Schreiben von Adressen, Versicherungspolicen usw., Schreib- und Abschreibarbeiten, Korrekturlesen sowie Datenerfassung auf Datenträgern und ähnliche Bürohilfsarbeiten für Personenvereinigungen oder Körperschaften des privaten Rechts in Heimarbeit ausführen.

Nach den §§ 19, 20 HAG sind die Entgelte für Heimarbeit in der Regel als Stückentgelte, und zwar möglichst auf der Grundlage von Stückzeiten, zu regeln. Ist dies nicht möglich, sind Zeitentgelte festzusetzen, die der Stückentgeltberechnung im Einzelfall zugrunde gelegt werden können. Die Entgeltfestsetzung ist im Einzelnen geregelt in der „Bekanntmachung einer bindenden Festsetzung von Entgelten und sonstigen Vertragsbedingungen für Adressenschreiben, Abschreibarbeiten und ähnliche Arbeiten in Heimarbeit vom 17.04.2002“ (im Folgenden: „bindende Festsetzung“), zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 16.09.2008.

Mit der beim Arbeitsgericht Köln erhobenen Klage hat das Land von der Beklagten die sich unter Berücksichtigung der „bindenden Festsetzung“ ergebenden Minderbeträge für die von Frau L   im Zeitraum Mai 2006 bis August 2008 geleisteten Arbeiten verlangt und diese zuletzt mit 7.018,55 € zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer beziffert. Wegen der Einzelheiten der Ausführungen zu den erbrachten Arbeiten und der Berechnung der Forderung wird auf den Schriftsatz des klagenden Landes vom 01.03.2010, Seite 10 - 23, verwiesen. Das klagende Land hat behauptet, Frau L   habe ihr Schreibbüro alleine als Einzelperson betrieben.

Das Arbeitsgericht Köln hat gegen die im Termin vom 26.01.2010 nicht erschienene Beklagte ein I. Versäumnisurteil erlassen, mit dem die Beklagte dem Hauptantrag des Landes entsprechend zur Zahlung von 7.013,60 € nebst 4 % Zinsen ab dem 19.12.2009 zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer an Frau L   verurteilt worden ist. Gegen das ihr am 28.01.2010 zugestellte Versäumnisurteil hat die Beklagte am 29.01.2010 Einspruch eingelegt.

Das klagende Land hat beantragt,

das Versäumnisurteil vom 26.01.2010 aufrechtzuerhalten

hilfsweise

die Beklagte zu verurteilen, an Frau R   L   , V   S   ,    B   2.415,63 €, äußerst hilfsweise 1.605,02 € nebst 4 % Zinsen ab Klagezustellung zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer zu zahlen.

              Die Beklagte hat beantragt,

unter Aufhebung des Versäumnisurteils die Klage insgesamt abzuweisen.

Sie hat gemeint, Frau L   werde von der Gruppengleichstellung nicht erfasst. Es habe keine wirtschaftliche Abhängigkeit bestanden. Zudem habe Frau L   Hilfskräfte beschäftigt. Dies folge aus der als Anlage zum Schriftsatz vom 14.05.2010 vorgelegten email der Frau L   an den Zeugen M   (Bl. 122 d.A.), in der sie mitgeteilt habe, Urlaubsvertretungen zu beschäftigen. Der Zeuge M   könne auch bestätigen, dass Frau L   sich unter Verweis auf „zahlreiche Hilfskräfte“ als tatkräftige Dienstleisterin angeboten habe. Darüber hinaus hat die Beklagte die Auffassung vertreten, die Geltendmachung der Ansprüche sei jedenfalls treuwidrig, da Frau L   gemäß § 242 BGB verpflichtet gewesen sei, ihre Gleichstellung ungefragt mitzuteilen. Ferner hat die Beklagte die Berechnung der Forderung beanstandet. Dies insbesondere im Hinblick auf die zur Begründung des Hauptantrags angesetzte Anzahl der geschriebenen Adressen pro Stunde und der angesetzten Mehrwertsteuer. Wegen der Einzelheiten der Einwände der Beklagten gegen die Berechnung der Forderung wird auf die erstinstanzlichen Schriftsätze der Beklagten, insbesondere den Schriftsatz vom 20.04.2010, Seite 3 - 4, Bezug genommen.

Mit Urteil vom 24.03.2011 hat das Arbeitsgericht Köln das I. Versäumnisurteil vom 26.01.2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zu Begründung hat es sinngemäß ausgeführt, der Hauptantrag und der erste Hilfsantrag seien nicht schlüssig begründet, da das klagende Land nicht zu den jeweiligen Aufträgen der Beklagten dargelegt habe, an welchen Tagen, in welchem jeweiligen Zeitraum und unter welchen näheren Umständen Frau L   alleine bei sich zu Hause welche Schreibarbeiten erledigt habe. Dies sei aber erforderlich, damit daraus die tatsächlichen Voraussetzungen einer Heimarbeit gleichgestellten Leistungserbringung in Bezug auf sämtliche Arbeiten, für welche das klagende Land Mehrvergütungen fordert, hätten erkannt werden können. Auch der äußerste Hilfsantrag, mit dem das klagende Land nur noch die Zuschläge auf Basis der von Frau L   ausgestellten Rechnungen geltend gemacht hat, sei nicht schlüssig begründet, weil die Zuschläge auf der Grundlage des Stundenlohnes zu berechnen seien, Frau L   aber auf der Basis eines Stücklohnes abgerechnet habe.

Gegen das ihm am 15.06.2011 zugestellte Urteil hat das klagende Land am 30.06.2011 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 11.08.2011, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 12.08.2011, begründet. Mit der Berufung verfolgt das Land die Klage in Höhe des Hauptantrages weiter. Das Arbeitsgericht sei hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast von grundlegend falschen Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Gruppengleichstellung ausgegangen. Die Voraussetzungen der Gruppengleichstellung seien erstinstanzlich unbestritten erfüllt gewesen. Unstreitig habe Frau L   ein Gewerbe angemeldet. Eine detaillierte Schilderung, dass Frau L   sämtliche, im Übrigen durch die Vorlage sämtlicher Aufträge und Rechnungen belegten Arbeiten alleine und von zu Hause verrichtet habe, sei bereits denknotwendig nicht möglich. Es sei vielmehr Sache der Beklagten gewesen, zu jedem Auftrag darzulegen, dass die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt sind.

Das klagende Land meint, die Beklagte sei trotz der am 21.11.2011 erfolgten Löschung im Handelsregister weiterhin parteifähig. Die Löschung sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. Das Land behauptet, die Beklagte verfüge weiterhin über Vermögen, jedenfalls in Form von Steuererstattungsansprüchen und in Form der von ihr verwalteten Adressen.

Darüber hinaus hat das Land die Klage mit Schriftsatz vom 12.03.2012 auf die Berufungsbeklagte zu 2) als Komplementär-GmbH erweitert. Sie meint, die Parteierweiterung sei ohne Zustimmung der Berufungsbeklagten zu 2) zulässig, da sie sachdienlich sei. Jedenfalls sei die Zustimmungsverweigerung rechtsmissbräuchlich, da  der Geschäftsführer beider Beklagten, Herr J   W   , volle Kenntnis des Prozessstoffes sowie der entscheidungserheblichen Tatsachen habe.

Das klagende Land beantragt sinngemäß,

das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 24.03.2011 - 6 Ca 11575/09 - abzuändern und mit der Maßgabe, dass die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen sind

1.             das I. Versäumnisurteil vom 26.01.2010 aufrechtzuerhalten,

2.             die Berufungsbeklagte zu 2) zu verurteilen, an Frau R   L   , V   S   ,    B   7.013,60 € nebst 4 % Zinsen ab Klagezustellung zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer zu zahlen.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte zu 1) beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Berufungsbeklagte zu 2) beantragt,

die gegen sie gerichtete Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, sie sei aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Löschung nicht mehr parteifähig und die Klage damit unzulässig. In der Sache verteidigt sie das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vortrags. Sie behauptet, Frau L   habe in ihrem Schreibbüro auch Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter außerhalb des Kreises der Familienangehörigen beschäftigt. Frau L   habe gegenüber dem Prokuristen der Firma M   , dem Zeugen M   , telefonisch im März 2010 erläutert, dass sie Hilfskräfte beschäftige. Die Beklagte meint ferner, die Annahme der Gleichstellung setze eine wirtschaftliche Abhängigkeit der Schreibkraft voraus, die im Falle der Frau Langenfeld nicht gegeben sei. Zudem seien die Darlegungen zur Höhe der Klageforderung unsubstantiiert. Schließlich meint die Beklagte, der mit der Klage geltend gemachte Mindestlohn einer Heimarbeiterin unterliege nicht der Umsatzsteuer, jedenfalls könne Umsatzsteuer aber nur dann gefordert werden, wenn eine zum Vorsteuerabzug berechtigende, die Umsatzsteuer ausweisende Rechnung vorliege.

Die Berufungsbeklagte zu 2) widerspricht der Parteierweiterung in der Berufungsinstanz. Sie meint, die Zustimmungsverweigerung sei nicht rechtsmissbräuchlich, da sich aufgrund des Liquidationsstadiums der Beklagten schwierige und keinesfalls geklärte Rechtsfragen hinsichtlich ihrer - der Berufungsbeklagten zu 2) - Haftung  ergäben und sie die Möglichkeit haben müsse, sich in einem fair geführten Verfahren zu verteidigen, in dem alle Instanzen offen stehen. Zudem sei die Berufung bereits unzulässig, weil sie nicht ordnungsgemäß i. S. d. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO begründet worden sei. Es fehle an einer auf den Streitgegenstand zugeschnittenen Berufungsbegründung, weil das klagende Land sich nicht damit auseinandergesetzt habe, dass das Arbeitsgericht den fehlenden prozessualen Sachvortrag zu den Umständen der Erledigung der einzelnen Aufträge durch Frau Langenfeld gerügt hat. In der Sache selbst schließt die Berufungsbeklagte zu 2) sich den Ausführungen der Beklagten an.

Das Landesarbeitsgericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 14.08.2012 durch Vernehmung der Zeugin P   (geschiedene L   ) und des Zeugen M   . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 04.09.2012 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung des klagenden Landes ist zulässig, aber nur teilweise begründet.

I.              Die Berufung ist zulässig.

1.              Die gegen die Beklagte gerichtete Berufung ist zulässig, da sie gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statthaft ist und gemäß §§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, §§ 519 und 520 ZPO frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden ist. Der Einwand der Berufungsbeklagten zu 2), die Berufungsbegründung entspreche nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO greift nicht durch. Eine Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 - 4 ZPO i. V. m. §§ 67, 64 Abs. 6 ArbGG, wenn sie erkennen lässt, in welchen Punkten tatsächlich oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansichten im Einzelnen beruhen. Insbesondere muss sich die Berufungsbegründung mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie dieses bekämpfen will (vgl. BAG, Urteil vom 25.04.2007, 6 AZR 436/05, NZA 2007, 387; BAG, Urteil vom 26.08.2009, 4 AZR 280/08, NZA 2010, 238). Der Einwand der Berufungsbeklagten zu 2), das klagende Land habe sich nicht damit auseinandergesetzt, dass das Arbeitsgericht den fehlenden prozessualen Sachvortrag zu den Umständen der Erledigung der einzelnen Aufträge durch Frau Langenfeld gerügt hat, trifft zwar insoweit zu, als das Land den vom Arbeitsgericht Köln vermissten substantiierten Vortrag zu den Umständen der Arbeitserbringung der Frau L   mit der Berufungsbegründung nicht nachgeholt hat. Dies war aber auch nicht erforderlich, da die Berufungsbegründung das Urteil mit der Begründung bekämpft hat, das Arbeitsgericht habe insoweit die Darlegungs- und Beweislast verkannt. Diese Ansicht hat die Berufung damit begründet, dass die Voraussetzungen der Gleichstellung, wie sie sich aus der Bekanntmachung der Gleichstellung ergeben, erstinstanzlich unstreitig erfüllt gewesen seien. Einer weiteren Auseinandersetzung mit den Einzelheiten der vom Arbeitsgericht angenommenen Darlegungslast bedurfte es daher für die ordnungsgemäße Berufungsbegründung nicht.

2.              Die in der Berufungsinstanz erfolgte Parteierweiterung auf die Berufungsbeklagte zu 2) ist zulässig.

              Eine Parteierweiterung auf Beklagtenseite im Berufungsrechtszug ist zulässig, wenn der neue Beklagte zustimmt oder die Verweigerung der Zustimmung rechtsmissbräuchlich ist (BAG, Urteil vom 27.01.2000, 8 AZR 98/99, juris; BGH, Urteil vom 04.10.1985, V ZR 136/84, NJW-RR 1986, 356).

              Zwar hat die Berufungsbeklagte zu 2) die Zustimmung ausdrücklich verweigert. Diese Zustimmungsverweigerung ist jedoch rechtsmissbräuchlich. Die Berufungsbeklagte zu 2) war als Komplementärin der Beklagten allein zur Vertretung berechtigt (§§ 164, 170 HGB) und damit deren Handlungsorgan. Ihr Geschäftsführer, Herr J   W   , war von Anfang an mit dem Sach- und Streitstand des vorliegenden Rechtsstreits vertraut. Dies wird auch von der Berufungsbeklagten zu 2) nicht in Abrede gestellt. Die Berufungsbeklagte zu 2), die als Komplementärin für die Verbindlichkeiten der beklagten GmbH & Co.KG haftet, hat damit keine irgendwie geartete Schlechterstellung durch die erst zweitinstanzlich erfolgte Einbeziehung in den Rechtsstreit zu befürchten. Die Begründung der Berufungsbeklagten zu 2) für die Verweigerung der Zustimmung, sie müsse sich gegen schwierige und ungeklärte Fragen, inwieweit eine Komplementärin Gesellschaftsschulden einer liquidierten bzw. vollbeendeten GmbH & Co.KG zu erfüllen habe, in einem fair geführten Verfahren verteidigen können, in dem alle Instanzen offen stehen, überzeugt nicht. Denn die von der Berufungsbeklagten zu 2) aufgeworfene Frage stellt sich nicht ernsthaft, da die persönliche und unbeschränkte Haftung der Komplementärin für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft gesetzlich in §§ 161 Abs. 2, 128 HGB vorgeschrieben ist. Die möglichen Einwendungen der Gesellschafter sind in § 129 HGB geregelt. Die Liquidation der Gesellschaft fällt ersichtlich nicht darunter. Für die Zustimmungsverweigerung fehlt es damit an jedem schutzwürdigen Interesse.

II.              Die Berufung des klagenden Landes ist mit dem Hilfsantrag in Höhe von 2.392,48 € zuzüglich der titulierten Umsatzsteuer und der titulierten Zinsen begründet, mit dem weitergehenden Antrag hingegen unbegründet.

1.              Die gegen die Beklagte gerichtete Zahlungsklage ist insgesamt zulässig.

a)              Die Prozessführungsbefugnis des klagenden Landes, d.h. die Befugnis, im eigenen Namen den Anspruch auf Nachzahlung der Minderbeträge an Frau P   (geschiedene L   ) gerichtlich geltend zu machen, ergibt sich aus § 25 HAG.

b)              Die Beklagte war im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht auch noch partei- und prozessfähig i. S. d. §§ 50, 51 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG bzw. entsprechend zu behandeln.

aa)              Der Verlust der Parteifähigkeit ergibt sich nicht daraus, dass die Beklagte am 21.11.2011 im Handelsregister gelöscht worden ist.

              Nach § 50 Abs. 1 ZPO ist parteifähig, wer rechtsfähig ist. Bei der Beklagten handelt es sich um eine GmbH & Co.KG, die als solche rechtsfähig ist. Die Kommanditgesellschaft erlischt durch Auflösung und Liquidation oder Umwandlung auf gleiche Weise wie eine offene Handelsgesellschaft. Scheidet der letzte persönlich haftende Gesellschafter aus, so hat dies die Auflösung der Kommanditgesellschaft zur Folge, denn es gibt keine handelsrechtliche Personengesellschaft ohne einen persönlich haftenden Gesellschafter. Diese Folge ist mit Wirkung nach außen nicht aufhebbar und deshalb zwingend in das Handelsregister einzutragen (Weipert in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Auflage, § 161, Rn. 24). Mit dem Wegfall der Rechtsfähigkeit erlischt grundsätzlich auch die Parteifähigkeit der juristischen Person.

              Gleichwohl wird eine Gesellschaft auch im Passivprozess in einer Reihe von Konstellationen als parteifähig behandelt, wenn sie wegen Vermögenslosigkeit oder nach vollzogener Liquidation im Handelsregister gelöscht worden ist. Werden z.B. mit der Klage vermögensrechtliche Ansprüche verfolgt, reicht grundsätzlich die substantiierte Behauptung des Klägers aus, die Gesellschaft habe noch Aktivvermögen (vgl. BGH, Urteil vom 25.10.2010, II ZR 115/09, NJW-RR 2011, 115; BAG, Urteil vom 04.06.2003, 10 AZR 449/02, NZA 2003, 1049; BAG, Urteil vom 25.09.2003, 8 AZR 446/02, AP Nr. 256 zu § 613a BGB jeweils m. w. N.). Vermögen in diesem Sinne liegt auch dann vor, wenn der Gläubiger im Liquidationsverfahren zu Unrecht übergangen worden ist und die Gesellschaft deshalb einen Ersatzanspruch gegen die Liquidatoren hat (BAG v. 04.06.2003 a. a. O.).

              Das klagende Land hat substantiiert behauptet, dass die Beklagte noch über Aktivvermögen verfügt. Es hat vorgetragen, dass die letzte Steuerklärung der Beklagten aus dem Jahre 2008 stamme und sich daraus ergebe, dass jedenfalls noch Vermögen in Form von Steuererstattungsansprüchen bestehe. Darüber hinaus hat das klagende Land behauptet, dass die Beklagte noch die Verfügungsgewalt über die von ihr erworbenen, erhobenen, verwalteten und vermarkteten Adressen habe. Diese Adressen stellen einen wesentlichen Vermögensbestandteil für die im Adresshandel tätige Beklagte dar. Diese von dem klagenden Land behaupteten Tatsachen sind gemäß § 138 ZPO unstreitig, da die Beklagte dem Vortrag nicht entgegengetreten ist. Im Übrigen reicht für die Annahme der Parteifähigkeit der Beklagten aber auch allein der - hier vorliegende - substantiierte Vortrag, dass noch Vermögen vorhanden ist. Ob die Liquidation der Beklagten ordnungsgemäß erfolgte und ob tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Beklagten noch Ersatzansprüche gegen die Liquidatoren zustehen, kann für den vorliegenden Streitfall damit dahingestellt bleiben.

             

bb)              Die Beklagte ist trotz der Löschung aus dem Handelsregister auch weiterhin als prozessfähig gemäß § 51 ZPO zu behandeln.

              Prozessfähigkeit ist die Fähigkeit, Prozesshandlungen selbst oder durch selbst bestellte Vertreter wirksam vor- oder entgegenzunehmen (vgl. BAG, Urteil vom 04.06.2003, 10 AZR 449/02, NZA 2003, 1049). Eine GmbH & Co.KG ist als solche nicht fähig, selbst Prozesshandlungen vorzunehmen. Sie wird durch ihre Komplementärin, vorliegend die Berufungsbeklagte zu 2), diese wiederum durch ihren Geschäftsführer, vorliegend Herrn J   W   , gesetzlich vertreten.

              Die Tatsache, dass die Berufungsbeklagte zu 2) aufgrund der Löschung der Beklagten im Handelsregister ihre Stellung als gesetzliche Vertreterin der Beklagten verloren hat, hindert nicht, die Beklagte weiterhin als prozessfähig zu behandeln. Denn es entspricht der ständigen Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes (vgl. BAG vom 04.06.2003 a. a. O. mit entsprechenden Nachweisen), dass der Wegfall der Prozessfähigkeit dann ohne Bedeutung ist, wenn die Partei von einem Prozessbevollmächtigten vertreten wird, dem wirksam Prozessvollmacht erteilt worden ist, weil diese Vollmacht nach § 86 ZPO durch eine Veränderung in der Prozessfähigkeit der Partei oder in ihrer gesetzlichen Vertretung nicht aufgehoben wird. Entsprechend tritt in diesen Fällen gemäß § 246 Abs. 1 ZPO eine Unterbrechung nach § 241 Abs. 1 ZPO nicht ein.

              Die Beklagte wird durch Prozessbevollmächtigte vertreten, denen sie bereits vor ihrer Löschung und damit zu einem Zeitpunkt, als sie noch gesetzlich vertreten war, Prozessvollmacht erteilt hat.

2.              Die gegen die Beklagte gerichtete Zahlungsklage ist in Höhe von 2.392,48 € nebst 4 % Zinsen ab dem 19.12.2009 sowie nebst Umsatzsteuer in Höhe von 16 % auf den Betrag von 1.367,07 € und in Höhe von 19 % auf den weiteren Betrag von 1.025,41 € begründet. Die weitergehende Klage ist dagegen unbegründet.

a)              Das klagende Land hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von Minderbeträgen an Frau P   in Höhe von 2.392,48 € aus §§ 19, 20 HAG i.V.m. der „Bekanntmachung einer Gleichstellung betreffend Adressenschreiben, Schreibarbeiten und ähnliche Arbeiten vom 05.12.1991 in der Fassung vom 07.12.1993" (im Folgenden: Gleichstellung) i. V. m. der „bindenden Festsetzung" i. V. m. §§ 10, 11 EFZG.

              Die Beklagte ist verpflichtet, an Frau P   den ausgeurteilten Betrag nachzuzahlen, da Frau P   im streitgegenständlichen Zeitraum unter die Gleichstellung fiel und sich unter Zugrundelegung der sich aus der „bindenden Festsetzung" und den §§ 10, 11 EFZG ergebenden und der bereits gezahlten Entgelte für die Tätigkeiten im Zeitraum Mai 2006 bis August 2008 Minderbeträge in Höhe von insgesamt 2.392,48 € ergeben. Auch ist die Geltendmachung der Forderung nicht treuwidrig.

aa)              Für Heimarbeiter und Hausgewerbetreibende können Mindestpreise für einen in Heimarbeit auszuführenden Lohnauftrag durch bindende Festsetzungen bestimmt werden (§ 19 Abs. 1 HAG). Diese bindenden Festsetzungen haben die Wirkungen eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrags. Von den Vorschriften einer solchen bindenden Festsetzung kann nur zugunsten des Beschäftigten abgewichen werden. Ein Verzicht auf Rechte aufgrund einer bindenden Festsetzung ist nur unter erschwerten Voraussetzungen zulässig, selbst eine Verwirkung solcher Rechte ist ausgeschlossen (§ 19 Abs. 3 Satz 1 bis 4 HAG).

              Den Heimarbeitern und Hausgewerbetreibenden können gemäß § 1 Abs. 2 HAG bestimmte Personen gleichgestellt werden, wenn dieses wegen ihrer Schutzbedürftigkeit gerechtfertigt erscheint. Eine solche Gleichstellung ist für den Bereich Adressenschreiben, Schreibarbeiten und ähnliche Arbeiten mit der Bekanntmachung vom 05.12.1991 i. d. F. vom 07.12.1993 u.a. für Personen erfolgt, die ein Gewerbe angemeldet haben (Schreibbüro) und ohne Heimarbeiter oder fremde Hilfskräfte das Schreiben von u.a. Adressen für eine Personenvereinigung oder Körperschaft des privaten Rechts in Heimarbeit ausführen.

bb)              Frau P   war den Heimarbeitern im Sinne des § 1 Abs. 2 HAG gleichgestellt, da sie die Voraussetzungen der Gleichstellung erfüllte. Sie hatte ein Gewerbe (Schreibbüro) angemeldet und erledigte die streitgegenständlichen Schreibarbeiten in Heimarbeit ohne fremde Hilfskräfte oder Anstellung von weiteren Heimarbeitern für die Beklagte, einer Personenvereinigung des privaten Rechts.

(1)              Entgegen der Auffassung der Beklagten ist wegen der erfolgten Gruppengleichstellung nicht zu prüfen, ob Frau P   im streitgegenständlichen Zeitraum persönlich schutzbedürftig im Sinne des § 1 Abs. 2 HAG war. Zutreffend hat bereits die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln mit Urteil vom 27.06.2011 (2 Sa 120/11) ausgeführt, dass die Überprüfung der Schutzbedürftigkeit dem Heimarbeitsausschuss obliegt. Er überprüft im Rahmen der Gruppengleichstellung, ob eine abstrakt definierte Gruppe von erwerbstätigen Personen wegen ihrer Schutzbedürftigkeit in den Schutzbereich des HAG aufgenommen werden. Die Feststellung der Schutzbedürftigkeit im Rahmen der Gleichstellungsentscheidung obliegt hingegen nicht den Arbeitsgerichten (so auch LAG Köln, Urteil vom 15.12.2011, 8 Sa 97/11; LAG Köln, Urteil vom 14.02.2012, 11 Sa 1380/10; LAG Köln, Urteil vom 18.06.2012, 2 Sa 45/12).

(2)              Frau P   fiel auch unter die Gleichstellung, da sie in dem streitgegenständlichen Zeitraum von Mai 2006 bis August 2008 die für die Beklagte erbrachten Tätigkeiten ohne Heimarbeiter oder fremde Hilfskräfte erbracht hat. Dies steht aufgrund der am 14.08.2012 durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer fest. Die als Zeugin vernommene Frau P   hat glaubhaft bekundet, dass sie in dem hier in Rede stehenden Zeitraum alleine gearbeitet hat. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Zeugin ein unmittelbares Eigeninteresse an dem Ausgang des Rechtsstreits hat, da das Land die streitigen Minderbeträge in Prozessstandschaft für sie - die Zeugin - einklagt. Im Falle des Obsiegens sind die Beklagten verpflichtet, die ausgeurteilten Minderbeträge an Frau P   zu zahlen. Dies führt im Ergebnis aber nicht dazu, dass die Kammer Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin oder an der Glaubhaftigkeit der Aussage hat. Die Zeugin hat ausgesagt, dass sie die ganze Zeit ohne Hilfskräfte gearbeitet habe. Die ihr vom Gericht vorgehaltene email vom 29.03.2010, in der sie Herrn M   mitgeteilt hat, dass sie „eine Urlaubsvertretung habe“, konnte die Zeugin plausibel dahin erklären, dass damit gemeint gewesen sei, dass sie selbst eine Urlaubsvertretung übernommen habe. Zudem hat die Zeugin darauf hingewiesen, dass sie Herrn M   in einer vorangegangenen email vom 26.03.2010, die auszugsweise vom Gericht verlesen worden ist, mitgeteilt hatte, dass sie alleine arbeite und keine Vertretung habe. Die Aussage der Zeugin steht damit im Einklang mit ihrer bereits damals gegenüber einem potentiellen Auftraggeber getätigten Äußerung. Die Aussage der Zeugin wird auch durch die Aussage des von der Beklagten als Gegenzeugen benannten Herrn M   nicht entkräftet. Dieser konnte die Behauptung der Beklagten, Frau P   (damals L   ) habe Herrn M   im März 2010 in einem Telefonat erklärt, dass sie Hilfskräfte beschäftige, nicht bestätigen. Nach Aussage des Zeugen Möller war dieser - entgegen der Behauptung der Beklagten - weder Prokurist der Firma MTM, noch hat er die unter seinem Namen geschriebenen emails an Frau L   verfasst, noch hat er mit Frau L   telefoniert oder sonstigen Kontakt gehabt. Die Vernehmung des Zeugen M   war damit im Hinblick auf die Beweisfrage unergiebig. Da im Übrigen keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Frau P   in dem Zeitraum Mai 2006 bis August 2008 mit Hilfskräften gearbeitet haben könnte, bestanden für die Kammer keine ernsthaften Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin P   .

              Die Voraussetzungen dafür, dass Frau P   im streitgegenständlichen Zeitraum unter die Gleichstellung fiel, liegen damit vor. Auf die von dem Arbeitsgericht in der erstinstanzlichen Entscheidung geforderten Darlegungen zu den Einzelheiten der Leistungserbringung kommt es nicht an. Dass Frau P   damals ein Gewerbe angemeldet hatte und die Schreibaufträge in Heimarbeit erledigte, war und ist zwischen den Parteien unstreitig. Streitig war allein, ob Frau P   allein arbeitete oder Hilfskräfte beschäftigte. Für die Darlegung, dass sie allein arbeitete, reichte die entsprechende auf den streitgegenständlichen Zeitraum bezogene Behauptung des klagenden Landes aus. Insoweit hat das Arbeitsgericht die Anforderungen an die Darlegungslast überspannt, indem es gemeint hat, das klagende Land hätte zu den jeweiligen Aufträgen der Beklagten darlegen müssen, an welchen Tagen, in welchem jeweiligen Zeitraum und unter welchen näheren Umständen Frau L   alleine bei sich zu Hause welche Schreibarbeiten erledigte. Dass Frau P   die im Zeitraum Mai 2006 bis August 2008 erbrachten Arbeiten ohne Hilfskräfte erledigt hat, steht aufgrund der zweitinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme aus den oben ausgeführten Gründen fest.

cc)              Der Anspruch auf Zahlung der Minderbeträge ist in Höhe von 2.392,48 € begründet. Die von dem klagenden Land mit der Schriftsatz vom 01.03.2010, Seite 10 - 18, und im Schriftsatz vom 07.10.2010 aufgeführten Adressen/Datensätze wurden von Frau P   unstreitig erfasst. In der „bindenden Festsetzung“ sind in § 9 die Arbeitszeiten für das Anfertigen von Adressenlisten je 1.000 Adressen konkretisiert. Unter den günstigsten Bedingungen für den Auftraggeber beträgt der Zeitaufwand für das Erfassen von je 1.000 Adressen nach § 9 Abs. 1 der „bindenden Festsetzung“ bei

1.              bis zu durchschnittlich 50 Anschlägen je Adresse 340 Minuten

2.              bis zu durchschnittlich 51 - 60 Anschlägen je Adresse 375 Minuten

3.              bis zu durchschnittlich 51 - 70 Anschlägen je Adresse 410 Minuten

4.              bis zu durchschnittlich 71 - 80 Anschlägen je Adresse 445 Minuten

5.              bei über 80 Anschlägen je Adresse 505 Minuten

              Daraus ergibt sich, dass in der Stunde folgende Anzahl von Adressen/Datensätze erfasst werden können:

Zu 1.: 176 Adressen/Datensätze

Zu 2.: 160 Adressen/Datensätze

Zu 3.: 146 Adressen/Datensätze

Zu 4.: 134 Adressen/Datensätze

Zu 5.: 118 Adressen/Datensätze

              Gemäß der „Änderung der bindenden Festsetzung vom 30.06.2004“ beträgt das Grundentgelt je Arbeitsstunde für das Schreiben von Adressen und einfachen Abschreibarbeiten ab dem 01.07.2004 6,78 € und gemäß der „Änderung der bindenden Festsetzung vom 20.12.2006“ ab dem 01.01.2007 6,92 €.

              Zu dem jeweiligen Grundentgelt kommen gemäß § 3 Abs. 2 der „bindenden Festsetzung“ ein Zuschlag in Höhe von 16 %, da Frau P   den Computer für die Arbeiten gestellt hat und gemäß § 4 der „bindenden Festsetzung“ Urlaubsentgelt in Höhe von 15,8 % und ein zusätzliches Urlaubsgeld in Höhe von 4,6 %. Schließlich sind noch der Zuschlag gemäß § 10 EFZG in Höhe von 3,4 % und Feiertagsgeld in Höhe von 3,6 % gemäß § 11 EFZG zu zahlen. Das klagende Land hat das Urlaubsentgelt, Urlaubsgeld und Feiertagsgeld aus Vereinfachungsgründen pauschaliert berechnet. Dagegen hat sich die Beklagte nicht gewandt. Daraus ergibt sich insgesamt ein Zuschlag in Höhe von 43,4 % auf das jeweils geltende Grundentgelt und damit ein Stundenentgelt

ab dem 01.07.2004 in Höhe von 9,71 € und

ab dem 01.01.2007 in Höhe von 9,92 €.

              Unter Berücksichtigung der von dem klagenden Land in den Schriftsätzen vom 01.03. und 07.10.2010 dargelegten und von der Beklagten nicht bestrittenen Aufträge und den jeweils von der Beklagten geleisteten unstreitigen Zahlungen ergibt sich folgende Berechnung:

Auftrag

Rechnung

Adressen

Adressen pro Stunde

Std.

Stundensatz

Ergebnis

Gezahlt (ohne MwSt)

Differenz

Nr. 40

Nr. 25 02.05.06

19.498

176

110,78

9,71 €

1.075,67 €

389,96 €

685,71 €

Nr. 46a

Nr. 26 06.06.06

7.454

176

42,35

9,71 €

411,22 €

260,89 €

150,33 €

wolff 51a

Nr. 27 20.07.06

9.218

176

52,38

9,71 €

508,61 €

322,63 €

185,98 €

adressfit 59

Nr. 28 28.08.06

4.950

176

28,13

9,71 €

273,14 €

173,25 €

99,89 €

adressfit 75 d

Nr. 29 28.09.06

12.152

176

69,05

9,71 €

670,48 €

425,32 €

245,16 €

Zw.erg.:

1.367,07 €

adressfit 148 c

Nr. 40 29.05.07

4.638

176

26,35

9,92 €

261,39 €

162,33 €

99,06 €

Nr. 180

Nr. 41 26.11.07

7.816

176

44,41

9,92 €

440,55 €

429,88 €

10,67 €

Nr. 186 h

Nr. 42 14.12.07

4.101

176

23,30

9,92 €

231,14 €

205,05 €

26,09 €

Nr. 193 a

Nr. 43 18.02.08

9.484

176

53,89

9,92 €

534,59 €

331,94 €

202,65 €

Nr. 1963 b

Nr. 44 17.03.08

7.596

176

43,16

9,92 €

428,15 €

265,86 €

162,29 €

Nr. 197

Nr. 45 25.03.08

3.850

176

21,88

9,92 €

217,05 €

77,00 €

140,05 €

Nr. 205 b

Nr.46 08.04.08

4.743

176

26,95

9,92 €

267,34 e

166,00 €

101,34 €

Nr. 241 b

Nr. 47 21.05.08

6.625

176

37,64

9,92 €

373,39 €

231,88 €

141,51 €

Nr. 228 b

Nr. 49 20.08.08

6.635

176

37,70

9,92 €

373,98 €

232,23 €

141,75 €

2.392,48 €

Insgesamt errechnen sich danach Minderbeträge in Höhe von 2.392,48 €.

Hinzukommen auf den Betrag von 1.367,07 € 16 % Umsatzsteuer und auf den weiteren Betrag von 1.025,41 € 19 % Umsatzsteuer. Dass Frau P   unter die Gleichstellung fällt, führt nicht etwa dazu, dass sie ihre Berechtigung, Mehrwert- bzw. Umsatzsteuer zu verlangen, verliert. Denn durch die Gleichstellung ändert sich nichts daran, dass das Schreibbüro als Gewerbe betrieben wird. Dies ist vielmehr Voraussetzung für die Gleichstellung.

              Die auf die gesamte Forderung in Höhe von 19 % eingeklagte Umsatzsteuer konnte allerdings nicht in voller Höhe zugesprochen werden, weil der Umsatzsteuersatz bis 2006 bei 16 % und erst ab 2007 bei 19 % lag. Dies war entsprechend zu berücksichtigen.

              Der Verurteilung zur Zahlung der Umsatzsteuer stand letztlich auch nicht entgegen, dass Frau P   bisher für die geltend gemachten Minderbeträge keine die Umsatzsteuer ausweisende Rechnung gestellt hat. Die Beklagte hat zwar grundsätzlich ein berechtigtes Interesse daran, dass sie eine die Umsatzsteuer ausweisende und den Anforderungen des § 14 UStG entsprechende Rechnung erhält, damit sie ihrerseits den Vorsteuerabzug gemäß § 15 UStG geltend machen kann. Dies schließt aber die Verurteilung zur Zahlung der Umsatzsteuer ohne vorherige Rechnungsstellung nicht aus, da die Beklagte auch mit dem vorliegenden Urteil gegenüber dem Finanzamt den Nachweis führen kann, dass sie zur Zahlung der im Urteilstenor ausgewiesenen Umsatzsteuer verpflichtet ist.

b)              Die weitergehende Klage ist unbegründet. Soweit der Hauptantrag über die zugesprochene Forderung hinaus geht, beruht dies darauf, dass das klagende Land erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 01.03.2010 behauptet hat, die für die Berechnung des Hilfsantrags zugrundegelegte Arbeitsleistung müsse nach unten korrigiert werden. Statt der 176 Adressen pro Stunde habe die tatsächliche Arbeitsleistung im Schnitt nur 100 Adressen pro Stunde betragen. Dies resultiere aus schwer leserlichen Vorgaben, umfangreichen Kopfzeilen mit den daraus resultierenden erhöhten Anschlägen, Sortierarbeiten etc.. Diese Behauptung hatte die Beklagte bereits erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 20.04.2010 bestritten.  Das klagende Land hätte daher unter Berücksichtigung der sich aus der „bindenden Festsetzung“ ergebenden Vorgaben für jeden einzelnen Auftrag substantiiert vortragen müssen, aufgrund welcher konkreten tatsächlichen Umstände eine geringere Anzahl von Adressen pro Stunden angesetzt werden müsste. Dies hat das Land nicht getan. Es hat sich vielmehr darauf beschränkt pauschal für alle streitgegenständlichen Aufträge erschwerte Bedingungen zu behaupten. Dies ist nicht ausreichend.

c)              Schließlich stellt die Nachzahlungsforderung keine unzulässige Rechtsausübung im Sinne des § 242 BGB dar. Frau P   war nicht verpflichtet, der Beklagten ungefragt mitzuteilen, dass sie unter die Gleichstellung fällt. Sie hat die Beklagte auch nicht von Fragen nach einer eventuellen Gleichstellung abgehalten.

aa)              Gemäß § 1 Abs. 6 HAG haben Gleichgestellte bei Entgegennahme von Heimarbeit auf Befragen des Auftraggebers ihre Gleichstellung bekannt zu geben. Es ist damit im Grundsatz Sache des Auftraggebers, sich das erforderliche Wissen darüber zu verschaffen, ob und welchen rechtlichen Beschränkungen die Vergabe von Lohnarbeit an Heimarbeiter und gleichgestellte Personen unterliegt. Eine Offenbarungspflicht des Gleichgestellten besteht in der Regel nicht.

Andererseits schließt § 1 Abs. 6 HAG den Einwand einer unzulässigen Rechtsausübung nicht aus. Eine Offenbarungspflicht kann sich aus den allgemeinen Rechtsgrundsätzen unter anderem aus Treu und Glauben gemäß § 242 BGB ergeben (vgl. BAG, Urteil vom 19.01.1988, 3 AZR 424/87, NZA 1988, 805).

Da die Vorschriften des Heimarbeitsgesetzes, die in Ausführung des Gesetzes erlassenen Gleichstellungen und bindenden Festsetzungen den Schutz der betroffenen Personen und Personengruppen bezwecken, muss der Gedanke des Sozialschutzes aber auch im Zusammenhang mit der Aufklärungspflicht gegenüber Auftraggebern gelten. Nur unter ganz besonderen Umständen kann deshalb einem Gleichgestellten die Berufung auf die zu seinen Gunsten und zu seinem Schutz erlassene Gleichstellungsanordnung versagt werden. Dass strenge Anforderungen zu stellen sind, wird auch belegt durch § 19 Abs. 3 Satz 4 HAG, wo bestimmt ist, dass selbst eine Verwirkung von Ansprüchen aus einer bindenden Festsetzung ausgeschlossen ist, also ein längerer Zeitablauf sogar bei Hinzutreten eines Umstands, der die Geltendmachung einer Forderung als treuwidrig erscheinen lässt, nicht zur Leistungsverweigerung berechtigt (BAG, Urteil vom 19.01.1988, 3 AZR 424/87, NZA 1988, 805).

bb)              Diese Maßstäbe zugrunde gelegt, bestehen im Streitfall keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte für eine Treuwidrigkeit. Die Behauptung der Beklagten, Frau L   habe gegenüber dem Zeugen M   im März 2010 erklärt, dass sie Hilfskräfte beschäftige, konnte nicht bewiesen werden, da der Zeuge M   dies nicht bestätigt hat. Zum anderen hätte eine solche Erklärung, wenn es sie denn gegeben hätte, die Beklagte auch nicht von Nachfragen nach einer Gleichstellung der Frau L   abhalten können, weil die Erklärung erst 2010 und damit erst weit nach dem hier in Rede stehenden Leistungszeitraum (05/2006 - 08/2008) erfolgt sein soll. Sonstige Anhaltspunkte, die für eine Treuwidrigkeit sprechen könnten, trägt auch die Beklagte nicht vor. Hinzukommt, dass der Beklagten vor Aufnahme der Tätigkeit der Gewerbeschein der Frau L   vorlag, aus dem sich ergab, dass sie allein und ohne Hilfskräfte die Arbeiten verrichtete. Frau P   (damals L   ) hat die Beklagte damit in keiner Weise davon abgehalten, sich durch Nachfragen zu vergewissern, ob die Voraussetzungen der Geltung des Heimarbeitsrechts vorlagen.

d)              Der Zinsanspruch in Höhe von 4% ab Rechtshängigkeit folgt aus den §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 308 ZPO. Die Klageschrift ist der Beklagten am 19.12.2009 zugestellt worden.

3.              Die im Wege der Parteierweiterung in der Berufungsinstanz gegen die Berufungsbeklagte zu 2) erhobene Klage auf Zahlung der Minderbeträge als Gesamtschuldnerin mit der Beklagten ist zulässig und in Höhe von 2.392,48 € nebst der titulierten Zinsen und Umsatzsteuer begründet, im Übrigen unbegründet.

              Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken, insbesondere ist die Berufungsbeklagte zu 2) nicht im Handelsregister gelöscht und damit unstreitig parteifähig.

              Die Klage ist auch im tenorierten Umfang begründet. Die Berufungsbeklagte zu 2) haftet für die unter Ziffer 1) des Tenors ausgeurteilte Forderung als Gesamtschuldnerin mit der Beklagten. Als Komplementärgesellschafterin haftet die Berufungsbeklagte zu 2) gemäß §§ 161 Abs. 2, 128 HGB den Gläubigern gegenüber persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, d.h. vorliegend der Beklagten. Die Haftung besteht als Gesamtschuldner mit der Gesellschaft. Die Haftung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Beklagte liquidiert ist bzw. zweifelhaft ist, ob sie ordnungsgemäß liquidiert worden ist. Die Liquidationsprobleme der Beklagten wirken sich haftungsrechtlich nicht auf die Berufungsbeklagte zu 2) aus, soweit es - wie vorliegend - um die Haftung für Verbindlichkeiten der Beklagten geht. §§ 161 Abs. 2, 128 HGB sieht die persönliche und unbeschränkte Haftung der Gesellschafter vor. Die möglichen Einwendungen der Gesellschafter sind abschließend in § 129 HGB geregelt. Diese sehen keine Besonderheiten für den Fall der Liquidation der Gesellschaft vor. Soweit sich die Berufungsbeklagte zu 2) in der Sache den Ausführungen der Beklagten angeschlossen hat, so sind die Einwendungen aus den oben unter II. 2. ausgeführten Gründen nicht geeignet, den Zahlungsanspruch im tenorierten Umfang zu Fall zu bringen. Die weitergehende Klage gegen die Berufungsbeklagte zu 2) ist dagegen unbegründet, da insoweit aus den oben ausgeführten Gründen keine Verbindlichkeit der Beklagten besteht, für die die Berufungsbeklagte zu 2) haften müsste.

4.              Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 4, 344 ZPO.

              Das klagende Land ist im Rechtsstreit in Bezug auf die Gesamtforderung in Höhe von 7.013,60 € mit einer Quote von 65 % unterlegen. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagte und die Berufungsbeklagte zu 2) entsprechend ihrem Unterliegen mit einer Kostenquote von 35 % gemäß § 100 Abs. 4 ZPO als Gesamtschuldner. An den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens ist die Berufungsbeklagte zu 2) dagegen nicht zu beteiligen, da sie erst im Berufungsverfahren in den Rechtsstreit einbezogen worden ist. Die Kosten, die durch die Säumnis der Beklagten im erstinstanzlichen Termin vom 29.01.2010 entstanden sind, sind der Beklagten gemäß § 344 ZPO aufzuerlegen.

5.              Die gesetzlichen Voraussetzungen der Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72a ArbGG verwiesen.

              Riemann              Gehrdt              Otten

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