LAG München, Urteil vom 19.04.2012 - 2 Sa 968/11
Fundstelle
openJur 2012, 132343
  • Rkr:
Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Teilanerkenntnis-und Teilendurteil des Arbeitsgerichts München vom 18.8.2011 – 13 Ca 16550/09 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer 2 lautet: Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 31.1./9.2.2003 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahren weiterzubeschäftigen.

2. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt die Beklagte. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagte 7/10 und der Kläger 3/10.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im vorliegenden Berufungsverfahren noch über die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung, einen hilfsweisen Auflösungsantrag der Beklagten sowie die Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung des Klägers.

Der Kläger ist seit 15.3.2003 als Prüfungsleiter der internen Revision zu einem Bruttogehalt von zuletzt € 5.616,--bei der Beklagten angestellt. In § 3 des Arbeitsvertrages vom 31.1./9.2.2003 (Bl. 917 ff d.A.) heißt es zur Tätigkeit und zum Aufgabengebiet:

„Wie besprochen werden wir Sie alsManager Internal Auditbeschäftigen. Sie sind auch bereit, im Bedarfsfall andere, Ihnen zumutbare und Ihren Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechende Tätigkeiten auszuüben.

Die Übertragung eines neuen Aufgabenbereichs erfolgt ausschließlich in Ausübung des allgemeinen Direktionsrechts und erstreckt sich auch auf den vorübergehenden, zeitlich begrenzten Einsatz bei Gesellschaften/Unternehmen, auf die A GmbH wirtschaftlichen Einfluss ausübt oder die mit AA GmbH wirtschaftlich verbunden sind. Diese Tätigkeiten gelten als für AA GmbH erbracht. Etwaige Ansprüche gegen die Gesellschaften/Unternehmen werden hierdurch nicht begründet.“

Die Beklagte ist eine Holdinggesellschaft mit Tochtergesellschaften in Deutschland, die sich auch mit Groß-und Außenhandel befassen. Sie beschäftigt etwa 50 Arbeitnehmer.

Der Kläger wurde erstmals am 22.12.2003 außerordentlich gekündigt und wird seither von der Beklagten nicht mehr beschäftigt. Es steht rechtskräftig fest, dass weder die außerordentliche Kündigung vom 22.12.2003 noch eine ordentliche Kündigung vom 22.12.2003 sowie eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 10.8.2005 das Arbeitsverhältnis aufgelöst hat. Im Rechtsstreit betreffend u.a. die Kündigungen vom 22.12.2003 (8 Ca 402/04 beim Arbeitsgericht München bzw. 11 Sa 987/05 beim Landesarbeitsgericht München) wurde ein Auflösungsantrag des Beklagten abgewiesen. Im Prozess über die außerordentliche und hilfsweise ordentliche Kündigung vom 10.8.2005 hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 8.10.2009 (2 AZR 682/08 – Juris) auf die Revision des Klägers und unter Abänderung eines Teilurteils des Landesarbeitsgerichts München vom 30.4.2008 den Antrag der Beklagten auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses abgewiesen. Im Rechtsstreit 11 Sa 987/05 hat das Landesarbeitsgericht München angenommen, vom Kläger geltend gemachte Zahlungsansprüche seien nicht durch eine von der Beklagten erklärte Aufrechnung erloschen, denn der von der Beklagten behauptete Gegenanspruch sei nach § 18 Ziff. 2 des allgemeinverbindlichen Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in den bayerischen Betrieben des Groß-und Außenhandels verfallen. Das Bundesarbeitsgericht hat die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten gegen dieses Urteil mit Beschluss vom 20.5.2009 (5 AZN 1078/08) zurückgewiesen. In den Gründen dieses Beschlusses heißt es:

„Die Auslegung von § 1 Ziff. 2 des Manteltarifvertrags für die Beschäftigten des Groß-und Außenhandels in Bayern vom 23.6.1997 (MTV) wirft keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Vielmehr ist die Auslegung der Tarifnorm durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (24. August 1999 – 9 AZR 529/97 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Großhandel Nr. 14 = EzA TVG § 4 Großhandel Nr. 5) geklärt. Danach muss das Unternehmen selbst keine Groß-und Außenhandel betreiben. Gefordert wird nur, dass der Betrieb zu dem betreffenden Wirtschaftsbereich gehört. Das ist bei einer Holding, deren Tochgesellschaften sich ausschließlich mit Groß-und Außenhandel befassen, der Fall.“

Der Kläger forderte die Beklagte mit E-Mail vom 23.7.2009 (Bl. 43 d.A.) auf, allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der deutschen Tochtergesellschaften der AAA die Anwendbarkeit des Manteltarifvertrages für den Bayerischen Groß-und Außenhandel mitzuteilen und dies gegenüber dem Kläger zu bestätigen. Mit einer weiteren E-Mail vom 6.8.2009 (Bl. 44 d.A.) teilte der Kläger der Beklagten seine Absicht mit, „die Mitarbeiter gemeinsam mit den in den deutschen Tochtergesellschaften der AAA vertretenen Gewerkschaften nunmehr selbst von der Rechtslage in Kenntnis zu setzen.“ Diesbezügliche Bedenken „im Falle substantiierter Begründungen“ nehme er bis Ende der kommenden Woche entgegen. Die Beklagte ließ mit Anwaltsschreiben vom 14.8.2009 erwidern, sie habe inzwischen ihre Arbeitnehmer und die Arbeitnehmer der A GmbH & Co. OHG (Tochtergesellschaft der Beklagten) über die Anwendbarkeit des Manteltarifvertrages für den Großhandel in Bayern informiert und ihnen diesen Tarifvertrag zugänglich gemacht. Der Kläger sei nicht berechtigt, die Arbeitnehmer zu informieren. Die Information betreffe ausschließlich das Rechtsverhältnis der Beklagten zu ihren Arbeitnehmern. Sollte der Kläger dennoch an die Mitarbeiter herantreten, wäre die Beklagte „gezwungen, die geeigneten rechtlichen Schritte“ gegen den Kläger einzuleiten (Bl. 45 f d.A.). Mit einer E-Mail vom 21.8.2009 (Bl. 47 d.A.) teilte der Kläger den Geschäftsführern der Tochterunternehmen mit, in den deutschen Tochtergesellschaften der AAA komme der allgemein verbindliche Manteltarifvertrag für den Großhandel in Bayern zur Anwendung. Dies ergebe sich aus dem in Anlage beigefügten Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 20.5.2009. Er beabsichtige, die Arbeitnehmer der deutschen Tochtergesellschaften von der Rechtslage in Kenntnis zu setzen, etwaige Bedenken könnten bis Ende der kommenden Woche mitgeteilt werden. Die Geschäftsführer der Tochterunternehmen ließen mit Anwaltsschreiben vom 27.8.2009 (Bl. 56 d.A.) antworten, die Anwendbarkeit des genannten Manteltarifvertrages sei im Unternehmen seit langem bekannt, eine Information durch den Kläger oder von dritter Seite deshalb nicht erforderlich. Auch sei der Kläger hierzu nicht berechtigt, weil er zur A GmbH & Co. OHG in keiner rechtlichen Beziehung stehe, so dass für ihn ein fremdes Rechtsverhältnis betroffen sei. Dem Kläger wurden für den Fall der Verwirklichung seiner Absicht die „geeigneten rechtlichen Schritte“ angekündigt. Gleichwohl sandte der Kläger zwischen dem 12. und 20.9.2009 an zahlreiche Arbeitnehmer der A & Co. OHG unter deren dienstlicher E-Mail-Adresse E-Mails (Bl. 58 ff d.A.), in denen er mitteilte, dass der Manteltarifvertrag für den Groß-und Außenhandel in Bayern vom 23.6.1997 in den deutschen Konzernunternehmen der AAA Anwendung finde. Dies habe das Bundesarbeitsgericht am 20.5.2009 entschieden. Der Kläger informierte über Regelungen des Manteltarifvertrages und lud „mit freundlicher Unterstützung der Industriegewerkschaft Metall“ zu einer Informationsveranstaltung hinsichtlich denkbarer Anwendungsfragen am 22.9.2009 ins Gewerkschaftshaus ein. Weitere Auskünfte erteile er gern unter seiner (privaten) E-Mail-Adresse oder Telefonnummer. Gleichlautende E-Mails sandte der Kläger an eine unbestimmte Anzahl von Arbeitnehmern der Beklagten.

Die A GmbH & Co. OHG ließ mit Schreiben vom 24.9.2009 mitteilen, sie sehe die Versendung der E-Mails an ihre Arbeitnehmer als einen besonders groben Eingriff in ihre Rechte an. Der Kläger wurde „nochmals und letztmalig“ aufgefordert, künftig eine derartige Kontaktaufnahme zu unterlassen.

Am 25.9.2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich und hilfsweise ordentlich zum 31.12.2009. Die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 25.9.2009 war Gegenstand des Rechtsstreits 36 Ca 18030/09 beim Arbeitsgericht München (3 Sa 647/10 beim Landesarbeitsgericht München). Mit Teilurteil vom 15.4.2010 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche und fristlose Kündigung vom 25.9.2009 aufgelöst worden sei. Einen Antrag des Klägers auf Feststellung der Berechtigung, die Mitarbeiter der deutschen Tochtergesellschaften der AAA von der Anwendbarkeit des Manteltarifvertrages für den Großhandel in Bayern in Kenntnis zu setzen, hat das Arbeitsgericht abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufungen beider Parteien gegen dieses Teilurteil zurückgewiesen. Eine Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers war erfolglos (Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 15.6.2011 – 10 AZN 492/11 – Bl. 339 ff d.A.).

Am 10.12.2009 wurde bei der Beklagten ein Betriebsrat gewählt. Vor dieser Wahl hatte der Kläger erfolglos den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Wahlvorstand beantragt u.a. mit dem Ziel, als passiv Wahlberechtigter in die Wählerliste aufgenommen zu werden (Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 2.12.2009 – 36 BVGa 59/09 – Bl. 506 ff d.A.). Außerdem hatte der Kläger gegenüber der Beklagten eine einstweilige Verfügung beantragt, mit der u.a. begehrte, ihm Zugang zu einer Wahlversammlung zu gewähren. Der Antrag war erfolglos (Beschluss des Landesarbeitsgerichts München vom 9.12.2009 – 10 TaBVGa 25/09 – Bl. 441 ff d.A.). Am 3.12.2009 hatte der Kläger einen Wahlvorschlag eingereicht und kandidiert. Am 17.12.2009 wurde das Wahlergebnis bekannt gemacht. Danach erhielt der Kläger eine Stimme und wurde drittes Ersatzmitglied. Der Kläger und die DHV – Die Berufungsgewerkschaft e.V. Landesverband Bayern haben Fehler bei der Betriebsratswahl geltend gemacht und ein Beschlussverfahren zu Fragen i.V.m. der Wahl eingeleitet (26 BV 477/09 beim Arbeitsgericht München; Beschluss vom 21.9.2010 s. Bl. 373 ff d.A.).

Mit Schreiben vom 16.12.2009 sprach die Beklagte eine erneute außerordentliche und fristlose Kündigung aus. Nachdem der Kläger diese Kündigung durch eine Klageerweiterung im vorliegenden Rechtsstreit angegriffen hatte, hat die Beklagte die Kündigungsschutzklage im Hinblick auf die fristlose Kündigung vom 16.12.2009 anerkannt (Schriftsatz vom 14.6.2011).

Der Kläger hat schon in erster Instanz vorgetragen, auch für die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 25.9.2009 gebe es keinen Grund. Er sei gegenüber seinen Kollegen in Bezug auf die tarifliche Regelung nicht zum Stillschweigen verpflichtet gewesen. Er hat sich auf das Grundrecht auf Information und Werbung zu Gunsten einer Gewerkschaft gemäß Art. 9 Abs. 3 GG berufen, weil er als informierender und werbender Sympathisant zu dem durch diese Grundrechtsvorschrift geschützten Personenkreis gehöre. Jedenfalls sei vor Ausspruch einer Kündigung eine Abmahnung erforderlich gewesen. Die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der Beklagten, betriebliche Arbeitsabläufe oder der Betriebsfriede seien nicht gestört worden.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die ordentliche und fristgerechte Kündigung mit Datum vom 25.9.2009 noch durch die fristlose Kündigung vom 16.12.2009 aufgelöst worden ist.2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch andere Beendigungsgründe endet, sondern über den 31.12.2009 hinaus fortbesteht.3. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen in der Funktion eines Manager Internal Audit bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Antrags auf Klageabweisung vorgetragen, der Kläger habe durch die Versendung der E-Mails gegen seine vertraglichen Pflichten gegenüber der Beklagten verstoßen. Er habe sich über deren Anweisung und diejenige der A GmbH & Co. OHG, die Mitarbeiter nicht zu informieren, hinweggesetzt. Es sei Sache der Beklagten zu entscheiden, wie und durch wen sie ihre Mitarbeiter über die Anwendbarkeit des Manteltarifvertrags informiere. Der Kläger habe hartnäckig und uneinsichtig gehandelt, weil er in keiner Weise bereit gewesen sei, die rechtlichen Grenzen seiner Handlungen wahrzunehmen und zu akzeptieren. Er könne sich auch nicht auf das grundrechtlich geschützte Recht zur mittelbaren Gewerkschaftswerbung berufen, weil die von ihm versandten E-Mails keine Gewerkschaftswerbung enthielten. Auch behaupte der Kläger nicht, Gewerkschaftsmitglied zu sein. Das Handeln des Klägers im Hinblick auf die A GmbH & Co. OHG sei auch im Arbeitsverhältnis mit der Beklagten als Vertragsverletzung anzusehen, weil der Kläger als Internal Auditor für begrenzte Zeiträume auch in diesem Tochterunternehmen tätig werden müsse und weil er seine fehlenden Bereitschaft, die berechtigten Interessen der Tochterunternehmen zur Kenntnis zu nehmen, gezeigt habe. Eine Abmahnung sei entbehrlich gewesen, weil eine Verhaltensänderung des Klägers nicht zu erwarten gewesen sei.

Hilfsweise hat die Beklagte beantragt,

das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen.

Der Auflösungsantrag sei zulässig, da eine eventuelle Unwirksamkeit der Kündigung allein auf deren Sozialwidrigkeit beruhe. Der vom Kläger behauptete nachwirkende Kündigungsschutz als Wahlbewerber stehe einer Auflösung nicht entgegen. Eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien sei nicht zu erwarten. Dies ergebe sich im Wesentlichen daraus, dass der Kläger in den von ihm gegen die Beklagte eingeleiteten Gerichtsverfahren mehrfach bewusst falsch vorgetragen habe. Weiter habe der Kläger auch nach Ausspruch der Kündigung vom 25.9.2009 der Beklagten bewusst geschadet und immer wieder versucht, dieser durch gezielte Aktionen Schwierigkeiten zu bereiten. Seit Ausspruch der ersten Kündigung habe er knapp 40 Gerichtsverfahren gegen die Beklagte geführt und dabei eine Vorgehensweise gewählt, die bei der Beklagten zu einem maximalen Schaden im Zusammenhang mit Anwaltskosten geführt habe. Mit der Anfechtung der Betriebsratswahl habe der Kläger in erster Linie seine eigenen Interessen verfolgt. Ziel des Klägers sei es offensichtlich, der Beklagten wo immer möglich zu schaden.

Mit Teilanerkenntnis-und Teilendurteil vom 18.8.2011 hat das Arbeitsgericht wie folgt erkannt:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 25.9.2009 noch durch die fristlose Kündigung vom 16.12.2009 aufgelöst wurde, sondern darüber hinaus fortbesteht.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen in der Funktion eines Manager Intenal Audit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiterzubeschäftigen.

3. Der Auflösungsantrag wird zurückgewiesen…

Das Arbeitsgericht hat angenommen, die ordentliche Kündigung vom 25.9.2009 sei sozial nicht gerechtfertigt, da es an einer erforderlichen vorherigen Abmahnung fehle. Insoweit schließt sich das Arbeitsgericht den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur außerordentlichen Kündigung vom 25.9.2009 an (Urteil vom 2.12.2010 – 3 Sa 647/10). Die Frage, ob der Kläger eine arbeitvertragliche Pflichtverletzung begangen hat, sei nur aufgrund sorgfältiger Erwägungen zu beantworten. Deshalb hätte es der Beklagten oblegen, die Rechtslage und die Pflichtenstellung des Klägers zu verdeutlichen und ihm klar zu machen, dass die Verwirklichung seiner Absicht unweigerlich zur Kündigung führen werde. Aus dem Sich–Hinwegsetzen über die Anwaltsschreiben vom 14. und 27.8.2009 könne nicht abgeleitet werden, dass sich der Kläger durch eine Abmahnung nicht hätte beeindrucken lassen. Die Androhung „geeigneter rechtlicher Schritte“ in den Anwaltsschreiben sei nicht klar und aussagekräftig. Wegen der Unwirksamkeit der Kündigung sei die Beklagte zu Weiterbeschäftigung verpflichtet. Der Auflösungsantrag sei nicht begründet. Dabei könne die Zulässigkeit des Auflösungsantrags dahinstehen. Jedenfalls könne von einer Beeinträchtigung des Austauschverhältnisses auch angesichts des Vortrags der Beklagten nicht ausgegangen werden. Deren Vorwurf, der Kläger habe in verschiedenen Prozessen gegen die Beklagte unwahre oder unvollständige Angaben gemacht, seien in dieser Form nicht haltbar. Erklärungen in laufenden Verfahren könnten durch ein berechtigtes Interesse des Klägers gedeckt sein. Auch das Verwenden von Zitaten aus dem Zusammenhang heraus oder das Verkürzen von Zitaten sowie das Verschweigen von Änderungen könne noch der Wahrnehmung berechtigter Interessen zugerechnet werden. Der Vorwurf, der Kläger habe durch seine Vorgehensweise die Beklagte bewusst schädigen wollen, sei zwar nicht völlig von der Hand zu weisen. Es könne dem Kläger jedoch nicht verwehrt werden, von ihm vertretene rechtliche Positionen auch gerichtlich zu verfolgen. Letztlich habe die Beklagte durch ihre ungerechtfertigten Kündigungen, die Verweigerung der Weiterbeschäftigung sowie die Erteilung von Hausverboten nicht unmaßgeblich zu einer Verschärfung der Situation beigetragen und in gewisser Weise möglicherweise auch das Verhalten des Klägers provoziert.

Wegen weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien sowie der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen dieses den Beklagtenvertretern am 23.9.2011 zugestellte Urteil richtet sich die am Montag, 24.10.2011 eingegangene Berufung der Beklagten, die am 23.12.2011 begründet worden ist, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zu diesem Tag verlängert worden war.

Nach Ansicht der Beklagten ist die Entscheidung des Arbeitsgerichts zur ordentlichen Kündigung vom 25.9.2009 schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil das Arbeitsgericht wörtlich auf die Entscheidungsgründe des Landesarbeitsgerichts München betreffend die außerordentliche Kündigung Bezug nimmt. Dabei lasse das Arbeitsgericht außer Acht, dass der Maßstab für das Abmahnungserfordernis bei einer außerordentlichen und einer ordentlichen Kündigung unterschiedlich sei. Außerdem sei hier eine Abmahnung schon begrifflich nicht möglich gewesen. Die bloße Ankündigung des Klägers, Mitarbeiter über die Anwendbarkeit des Manteltarifvertrages für den Groß-und Außenhandel in Bayern in Kenntnis zu setzen, stelle noch keinen Pflichtenverstoß des Klägers dar und hätte damit auch nicht abgemahnt werden können. Erst durch die Versendung der E-Mails an die Mitarbeiter habe der Kläger einen Vertragsverstoß begangen. Bei Versendung dieser E-Mails sei eine Abmahnung nicht mehr erforderlich gewesen, da der Kläger mit der Versendung unter Beweis gestellt habe, dass er sich auch durch eine Abmahnung nicht von seinem vertragswidrigen Verhalten hätte abbringen lassen. Eine nochmalige Abmahnung nach Versendung der E-Mails wäre ohne jeden Wert gewesen.

Jedenfalls sei die Entscheidung des Arbeitsgerichts zum hilfsweisen Auflösungsantrag aus mehreren Gründen rechtsfehlerhaft. Das Arbeitsgericht habe sich nicht hinreichend mit dem umfangreichen Sachvortrag der Beklagten zur Begründung des Auflösungsantrags auseinandergesetzt. Die Vorsitzende habe die späte Stellung des Auflösungsantrags, die zulässig gewesen sei, missbilligt und auf jeden Fall noch in der Kammerverhandlung vom 11.8.2011 negativ über den Auflösungsantrag entscheiden wollen. Die Beklagte habe schon in erster Instanz vorgetragen, dass der Kläger im Hinblick auf konkrete, verifizierbare und aus seiner eigenen Sphäre stammende Tatsachen objektiv falsche Behauptungen aufgestellt oder maßgebliche Tatsachen nicht vorgetragen habe. Der Verstoß des Klägers gegen seine Wahrheitspflicht nach § 138 ZPO könne keine Wahrnehmung berechtigter Interessen darstellen. Zu der im Einzelnen dargestellten Schädigungsabsicht des Klägers argumentiere das Arbeitsgericht widersprüchlich. Die Beklagte habe dem Kläger zu keinem Zeitpunkt sein Recht abgesprochen, seine rechtlichen Positionen gerichtlich gegen die Beklagte geltend zu machen. Sie habe aber dargelegt, dass der Kläger bei der Geltendmachung von Ansprüchen in einer Art und Weise vorgegangen sei, die selbst zur Wahrung seiner Interessen nicht erforderlich gewesen sei. Wenn das Arbeitsgericht argumentiere, die Beklagte habe nicht unmaßgeblich zu einer Verschärfung der Situation beigetragen und möglicherweise das Verhalten des Klägers provoziert, gestehe es der Beklagten nicht das gleiche Recht zu wie dem Kläger. Der Beklagten könne es nicht zum Nachteil gereichen, wenn sie von ihr als zutreffend empfundene rechtliche Positionen vertrete und Kündigungen gegenüber dem Kläger ausspreche. Weiter habe das Arbeitsgericht die Funktion des Klägers als Manager der Internen Revision nicht berücksichtigt. Seine Aufgabe bestehe darin, unternehmensinterne Vorgänge bei der Beklagten und bei Unternehmen aus der Unternehmensgruppe zu überprüfen. Dabei komme der Kläger mit äußerst sensiblen und wichtigen Unternehmensdaten in Kontakt, mit denen er äußerst sorgsam umgehen müsse. Ein Mitarbeiter in dieser Funktion müsse gegenüber seinem Arbeitgeber absolut loyal sein. Schließlich sei der Kläger nicht in der Lage, mit anderen Mitarbeitern und den ihm unterstellten Mitarbeitern in einer Art und Weise umzugehen, dass die Aufgaben möglichst reibungslos erfüllt werden und persönliche Auseinandersetzungen die Ausnahme bilden. Wegen weiterer Einzelheiten, mit denen die Beklagte im Berufungsverfahren ihren Auflösungsantrag begründet und auf die in den Entscheidungsgründen eingegangen wird, wird auf die Seiten 7 bis 15 der Berufungsbegründung sowie den Schriftsatz der Beklagten vom 9.4.2012 Bezug genommen.

Die Beklagte stellt folgende Anträge:

I. Das Teilanerkenntnis-/Teilendurteil des Arbeitsgerichts München vom 18.8.2011, Az. 13 Ca 16550/09, wird aufgehoben und wie folgt neu gefasst:1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung vom 16.12.2009 nicht aufgelöst wurde und bis 31.12.2009 fortbesteht.2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.II. Hilfsweise wird für die Beklagte beantragt, das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien des Rechtsstreits zum Ablauf des 31.12.2009 aufzulösen gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des Arbeitsgerichts über die ordentliche Kündigung vom 25.9.2009 sowie den Auflösungsantrag der Beklagten für zutreffend und vertieft und ergänzt seinen erstinstanzlichen Sachvortrag hierzu. Er hält die Frage, ob er zu einer Information seiner Kolleginnen und Kollegen über die Anwendbarkeit und den Inhalt tariflicher Regelungen berechtigt ist, für gerichtlich nicht geklärt. Das Bundesarbeitsgericht habe nämlich seine Nichtzulassungsbeschwerde im Beschluss vom 15.6.2011 (10 AZN 492/11) unter dem Gesichtspunkt unbegründeter Globalanträge verworfen. Die Beklagte lege auch im Berufungsverfahren nicht hinreichend dar, warum eine Abmahnung weder erforderlich noch möglich gewesen sein soll. Nach seiner Ankündigung, die Mitarbeiter über die Anwendbarkeit des Manteltarifvertrages zu unterrichten, habe er die Antwortschreiben der Beklagten bzw. der OHG und des Rechtsanwalts so verstanden, dass eine Unterlassungsverfügung angekündigt wird, wie sie dann tatsächlich auch beim Landgericht beantragt worden sei. Die Mitarbeiter seien von der Beklagten tatsächlich nicht über die Anwendbarkeit des Manteltarifvertrages unterrichtet worden.

Der Auflösungsantrag sei schon unzulässig. Dies ergebe sich aus seinem nachwirkenden Kündigungsschutz als Wahlbewerber nach § 15 Abs. 3 Satz 2 KSchG sowie aus dem Verstoß der Kündigung gegen Art. 9 Abs. 3 GG. Im Übrigen sei der Sachvortrag der Beklagten zu den geltend gemachten Auflösungsgründen in tatsächlicher Hinsicht unzutreffend. Er habe nicht unzutreffend vorgetragen und die Beklagte nicht geschädigt.

In der Sitzung vom 19.4.2012 haben die Parteien einen Teilvergleich über eventuelle Urlaubsansprüche des Klägers für das Jahr 2011 geschlossen. Der Kläger hat seine Anschlussberufung zurückgenommen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 21.12.2011, 9.4.2012 und 10.4.2012 sowie des Klägers vom 24.2.2012 und 16.4.2012 Bezug genommen, außerdem auf die Sitzungsniederschrift vom 19.4.2012.

Gründe

I.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist statthaft und wurde form-und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 64 Abs. 2 b, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II.

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die ordentliche Kündigung vom 25.9.2009 sozialwidrig (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG) und der Auflösungsantrag der Beklagten unbegründet ist. Wegen des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses ist die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers verpflichtet. Die Umformulierung des Urteilstenors des Arbeitsgerichts betreffend die Weiterbeschäftigung beruht darauf, dass der Kläger nach seinem Arbeitsvertrag nicht ausschließlich als Manager Internal Audit beschäftigt werden muss, sondern auch verpflichtet ist, andere zumutbare und seinen Fähigkeiten entsprechende Tätigkeiten auszuüben. Im Einzelnen gilt Folgendes.

1. Die Kündigung vom 25.9.2009 ist nicht durch verhaltensbedingte Gründe i.S.d. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt. Dabei kann zu Gunsten der Beklagten davon ausgegangen werden, dass der Kläger mit der Versendung der E-Mails seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt hat. Die Kündigung ist nämlich unverhältnismäßig.

Nach dem den Kündigungsschutz beherrschenden ultima-ratio-Prinzip ist der Arbeitnehmer bei einem pflichtwidrigen Verhalten vor einer außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung grundsätzlich zunächst abzumahnen. § 314 Abs. 2 i.V.m. § 323 Abs. 1 BGB enthält den allgemeinen Rechtsgedanken, dass der Gläubiger den Schuldner vor so einschneidenden Maßnahmen wie der einseitigen Vertragsaufhebung auf die Folgen des vertragswidrigen Verhaltens hinweisen muss (APS-Dörner, Rn 343 zu § 1 KSchG m.w.N. insbesondere auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts).

Damit ist das Arbeitsgericht zutreffend und unter Beachtung der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon ausgegangen, dass nicht jeder Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten eine verhaltensbedingte Kündigung nach dem Kündigungsschutzgesetz bedingt. Vielmehr ist eine Kündigung nur dann in diesem Sinne „bedingt“, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt-oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten ist. In einem solchen Fall kann dem Risiko weiterer oder künftiger Störungen nur durch eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Dies ist wiederum dann nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken. Beruht die Vertragsverletzung auf einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung der Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Einer Abmahnung bedarf es nur dann nicht, wenn bereits bei Kündigungsausspruch – ex ante – erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Ausspruch einer Abmahnung nicht zu erwarten ist, oder wenn es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich und auch für den Arbeitnehmer erkennbar ausgeschlossen ist (z.B. BAG vom 9.6.2011 – 2 AZR 284/10 – Juris).

Unter Anwendung dieser Grundsätze hat das Arbeitsgericht zu Recht angenommen, dass die Beklagte bei den zu ihren Gunsten unterstellten Pflichtverletzungen des Klägers diesen zunächst hätte abmahnen müssen. Das Versenden der E-Mails ist ein steuerbares Verhalten. Die Ausführungen der Beklagten im Berufungsverfahren begründen nicht, warum eine Abmahnung entbehrlich gewesen sein soll.

Die Annahme der Beklagten, der Maßstab für das Abmahnungserfordernis im Zusammenhang mit einer außerordentlichen Kündigung unterscheide sich von dem bei einer ordentlichen Kündigung geltenden Maßstab, überzeugt nicht. Die ordentliche Kündigung ist zwar gegenüber der außerordentlichen Kündigung ein milderes Mittel. Eine Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles und eine Interessenabwägung können also dazu führen, dass zwar eine außerordentliche Kündigung unwirksam ist, nicht jedoch eine ordentliche. Daraus können jedoch keine Rückschlüsse auf die Notwendigkeit einer Abmahnung gezogen werden. Wenn das künftige Verhalten des Arbeitnehmers durch eine Abmahnung positiv beeinflusst werden kann, ist vielmehr sowohl eine außerordentliche als auch eine ordentliche Kündigung unverhältnismäßig und damit unwirksam.

Die Argumentation der Beklagten, vor der Kündigung vom 25.9.2009 sei der Ausspruch einer Abmahnung nicht möglich gewesen, beachtet den oben beschriebenen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wenig. Aus diesem Grundsatz ergibt sich, dass die Wirksamkeit einer Kündigung nicht damit begründet werden kann, eine Abmahnung sei nicht möglich gewesen. Bei einem erstmaligen pflichtwidrigen Verhalten muss – wie ausgeführt – grundsätzlich zunächst eine Abmahnung ausgesprochen werden. Nach Ausspruch einer Abmahnung kann der Arbeitnehmer nicht mehr überzeugend einwenden, er habe die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens nicht gekannt bzw. angenommen, sein Arbeitgeber sehe sein Verhalten nicht als so schwerwiegend an, dass er deswegen schon kündigt.

Hier ist schon fraglich, warum vor dem Ausspruch der Kündigung am 25.9.2009 keine Abmahnung hätte ausgesprochen werden können, denn die Versendung der E-Mails erfolgte über einen Zeitraum von neun Tagen zwischen dem 12. und 20.9.2009. Hierauf kommt es aber nicht entscheidend an. Wenn man mit der Beklagten annimmt, zwischen dem Versenden der E-Mails und der Kündigung sei eine Abmahnung nicht möglich gewesen, kann die Kündigung nur dann gerechtfertigt sein, wenn die Beklagte schon einen erstmaligen Verstoß des Klägers zum Anlass für eine Kündigung nehmen durfte.

Die Beklagte begründet dies und die Entbehrlichkeit einer Abmahnung nicht überzeugend. Mit den Anwaltsschreiben vom 14.8. und 27.8.2009 wiesen die Beklagte und ihre Tochtergesellschaften zwar darauf hin, dass sie die angekündigte Information der Mitarbeiter für pflichtwidrig hielten. Es fehlt allerdings an der für eine Abmahnung entscheidenden Warnung, dass bei einer Umsetzung der Ankündigung der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet sei. Die Ankündigung in den Schreiben, bei einer Umsetzung der Absicht des Klägers würden die „geeigneten rechtlichen Schritte“ gegen den Kläger eingeleitet, beinhaltet keine solche Warnung. Sie bringt nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet sei, sondern konnte beispielsweise auch dahingehend verstanden werden, dass eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung beantragt wird.

Damit ist es letztlich eine Spekulation, wenn die Beklagte annimmt, der Kläger hätte sich auch durch eine Abmahnung nicht von seinem vertragswidrigen Verhalten abbringen lassen. Zu Recht hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts, der das Arbeitsgericht gefolgt ist, in dem Rechtsstreit über die außerordentliche Kündigung (3 Sa 647/10) angenommen, das Sich-Hinwegsetzen über einen Hinweis könne nicht mit dem Ignorieren einer Abmahnung gleichgesetzt werden.

In seinen Schreiben vom 6.8. und 21.8.2009 hat der Kläger auch nicht angekündigt, bei Bedenken der Beklagten bzw. der Tochtergesellschaften von der beabsichtigten Information abzusehen. Er hat lediglich erklärt, substantiiert begründete Bedenken entgegen zu nehmen. Bestandteil der dem Kläger mitgeteilten Bedenken der Beklagten war die Erklärung im Anwaltsschreiben vom 14.8.2009, die Beklagte habe ihre Mitarbeiter und die Mitarbeiter der A GmbH & Co. OHG von der Anwendbarkeit des Manteltarifvertrages informiert und den Tarifvertrag den Mitarbeitern zugänglich gemacht. Obwohl der Kläger eine solche Information der Mitarbeiter bestritten hat, hat die Beklagte nicht substantiiert dargelegt, wie die behauptete Information erfolgt sein soll.

Da die Kündigung somit schon wegen der Erforderlichkeit einer Abmahnung unverhältnismäßig ist, kann dahinstehen, ob sie einer umfassenden Interessenabwägung stand hält.

2. Der Auflösungsantrag der Beklagten hat keinen Erfolg. Es liegen keine Gründe vor, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit der Parteien nicht erwarten lassen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG). Dies ergibt sich aus den nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts geltenden Anforderungen an den Auflösungsantrag des Arbeitgebers und unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände, die die Beklagte in beiden Instanzen zur Begründung ihres Auflösungsantrags vorgetragen hat. Deshalb kann zu Gunsten der Beklagten davon ausgegangen werden, dass die Kündigung ausschließlich wegen ihrer fehlenden sozialen Rechtfertigung unwirksam ist und ein Auflösungsantrag der Beklagten damit nicht ausgeschlossen ist.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG hat das Gericht nach einer – wie im vorliegenden Fall – erfolgreichen Kündigungsschutzklage auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Das Kündigungsschutzgesetz lässt die Auflösung des Arbeitsverhältnisses trotz Sozialwidrigkeit der Kündigung nur ausnahmsweise zu. Es ist nach seiner Konzeption ein Bestandsschutz-und kein Abfindungsgesetz. Deshalb sind an die Auflösungsgründe strenge Anforderungen zu stellen. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist derjenige der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht. Der Auflösungsantrag ist trotz seiner nach § 9 Abs. 2 KSchG gesetzlich angeordneten Rückwirkung auf den Kündigungszeitpunkt in die Zukunft gerichtet. Das Gericht hat eine Vorausschau anzustellen. Im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag ist zu fragen, ob in Zukunft noch mit einer den Betriebszwecken dienlichen weiteren Zusammenarbeit der Parteien zu rechnen ist.

Auflösungsgründe im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG können solche Umstände sein, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartner nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Entscheidend ist, ob die objektive Lage die Besorgnis rechtfertigt, dass die weitere gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist. In diesem Sinne als Auflösungsgrund geeignet sind etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen.

Bei der Prüfung von Erklärungen in laufenden Gerichtsverfahren ist zu berücksichtigen, dass diese durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers gedeckt sein können. Die Parteien eines Rechtsstreits dürfen zur Verteidigung von Rechten schon im Hinblick auf das rechtliche Gehör (Art. 103 GG) alles vortragen, was als rechts-, einwendungs-oder einredebegründender Umstand prozesserheblich sein kann. Dies gilt allerdings nur in den Grenzen der Wahrheitspflicht. Auch dürfen die Parteien nicht leichtfertig Tatsachenbehauptungen aufstellen, deren Unhaltbarkeit ohne Weiteres auf der Hand liegt (ständ. Rspr. des Bundesarbeitsgerichts, z.B. Urteil vom 24.3.2011 – 2 AZR 674/09 – Juris; vom 8.10.2009 – 2 AZR 682/08 – Juris).

Bei Anwendung dieser strengen Anforderungen an den Auflösungsantrag des Arbeitgebers sind die von der Beklagten vorgetragenen Umstände noch nicht ausreichend, um die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Im Folgenden wird zunächst auf die von der Beklagten in beiden Instanzen vorgetragenen Umstände eingegangen. Diese werden dann in einer Gesamtabwägung gewürdigt, wobei auch die Angriffe der Beklagten gegen die Begründung des Arbeitsgerichts behandelt werden.

a) Die Beklagte hat schon in erster Instanz vorgetragen, der Kläger habe in Gerichtsverfahren bewusst falsch vorgetragen. So habe er im Verfahren 32 Ca 5429/11 mit Schriftsatz vom 8.7.2011 (Anlage B 17, Bl. 391 ff d.A.) eine von der 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts vertretene Auffassung vorgetragen und dabei verschwiegen, dass diese Kammer ihre Rechtsaufassung mittlerweile geändert habe.

Der Inhalt des Schriftsatzes ist durch ein berechtigtes Interesse des Klägers gedeckt. Dieser gibt eine in der Sitzung vom 4.2.2010 vom Vorsitzenden vertretene Auffassung wieder, teilweise durch ein wörtliches Zitat aus der Sitzungsniederschrift. Unwahre Tatsachenbehauptungen liegen also nicht vor. Durch das Verschweigen des Umstandes, dass die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts später ihre Rechtsauffassung geändert hat, hat der Kläger die Grenzen der Wahrnehmung berechtigter Interessen noch nicht überschritten, denn erkennbar ging es ihm um eine Verdeutlichung, dass seine Rechtsauffassung auch von anderen geteilt wird. Im Übrigen konnte die Beklagte leicht auf die geänderte Rechtsauffassung der Kammer 3 hinweisen und dies konnte durch Lektüre des Urteils geprüft werden.

b) Ähnliches gilt, soweit die Beklagte ihren Auflösungsgrund damit begründet, der Kläger habe in einem Schriftsatz vom 24.5.2011 im Verfahren 2 Sa 1228/10 (Anlage B 18, Bl. 393 f d.A.) ein Zitat aus dem Teilurteil des Arbeitsgerichts München vom 15.4.2010 (36 Ca 18030/09; Anlage B 19, Bl. 395 ff d.A.) aus dem Zusammenhang gerissen. Dies ist zwar richtig und das Verhalten des Klägers bzw. seines Prozessbevollmächtigten war sicherlich nicht seriös. Zu berücksichtigen ist aber, dass der Kläger wörtlich aus dem Urteil zitiert hat und es ein Leichtes ist, die dann folgende Urteilspassage zu lesen. Außerdem lassen schriftsätzliche Ausführungen, die keine falschen Tatsachenbehauptungen beinhalten, kaum Rückschlüsse auf die spätere Zusammenarbeit der Parteien nach einem Ende der gerichtlichen Auseinandersetzungen zu.

c) Die Beklagte hat weiter vorgetragen, im Verfahren 36 Ca 18030/09 habe der Kläger vorgetragen, ihm sei nicht erinnerlich, wann ihm die Kündigung vom 25.9.2009 zugestellt worden ist. Tatsächlich sei die Kündigung am 25.9.2009 um 13:27 Uhr in den Hausbriefkasten des Klägers eingeworfen worden.

Insoweit kann zum einen nicht von einem wissentlich falschen Tatsachenvortrag des Klägers ausgegangen werden. Ein solcher läge nur vor, wenn der Kläger wusste, dass das Kündigungsschreiben am 25.9.2009 in seinen Briefkasten eingelegt wurde. Dies behauptet die Beklagte nicht ausdrücklich und kann hierfür auch keinen Beweis anbieten. Möglicherweise hätte der Kläger vortragen müssen, wann er das Kündigungsschreiben seinem Briefkasten entnahm. Wenn man dies annimmt, ergeben sich die prozessualen Folgen des Sachvortrags des Klägers aus § 138 ZPO. Als Auflösungsgrund ist das Verhalten des Klägers jedenfalls nicht geeignet.

Außerdem kann das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit dem Schriftsatz vom 9.3.2010 schon deshalb nicht zur Begründung des Auflösungsantrags herangezogen werden, weil der Kläger im März 2010 nachwirkenden Kündigungsschutz als Wahlbewerber nach § 15 Abs. 3 Satz 2 KSchG hatte. Er konnte während der Zeit des besonderen Kündigungsschutzes nicht ordentlich gekündigt werden. Ein Sachverhalt, der sich während der Zeit dieses besonderen Kündigungsschutzes ereignet, ist nur dann als Auflösungsgrund geeignet, wenn er auch geeignet ist, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung im Sinne des § 626 BGB abzugeben (BAG vom 7.12.1972 – 2 AZR 235/72AP Nr. 1 zu § 9 KSchG 1969; APS/Biebl Rn 58 zu § 9 KSchG). § 15 KSchG will verhindern, dass ein durch ihn besonders geschützter Arbeitnehmer aus einem Grund, der nur eine ordentliche, nicht dagegen eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt, seinen Arbeitsplatz verliert. Könnte ein Verhalten während der Zeit des besonderen Kündigungsschutzes eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitgebers rechtfertigen, bestünde die Gefahr einer Umgehung des § 15 KSchG.

Hier war das Verhalten des Klägers in Verbindung mit dem Schriftsatz vom 9.3.2010 jedenfalls nicht geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.

d) Auch soweit die Beklagte vorträgt, der Kläger habe in einem Schriftsatz vom 22.2.2010 im Verfahren 11 Sa 520/09 (Anlage B 24, Bl. 407 ff d.A.) eine mündliche Begründung des Vorsitzenden der 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts unzutreffend wiedergegeben, gilt das unter c) Gesagte zum besonderen Schutz des Klägers nach § 15 KSchG. Auch dieser Schriftsatz stammt aus der Zeit, in der der Kläger den besonderen Kündigungsschutz hatte. Der Sachvortrag der Beklagten ist jedenfalls nicht geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Danach äußerte der Vorsitzende lediglich erhebliche Zweifel an der außerordentlichen und fristlosen Kündigung der Beklagten, machte jedoch keine Aussagen zur offensichtlichen Unwirksamkeit dieser Kündigung. Die möglicherweise nicht ganz korrekte Wiedergabe der Äußerung des Vorsitzenden durch den Kläger bzw. seinen Prozessbevollmächtigten ist noch nicht einmal als Auflösungsgrund geeignet. Die tatsächlich von der 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts vertretene Auffassung lässt im Übrigen leicht in seinem Urteil nachlesen.

e) Zur Begründung ihres Auflösungsantrags führt die Beklagte weiter aus, der Kläger habe im Verfahren der einstweiligen Verfügung 32 BVGa 58/09 mit Schriftsatz vom 27.11.2009 vorgetragen, die Beklagte habe bis zum Ablauf des 26.11.2009 nicht auf seine Bitte geantwortet, ihm das Betreten des Bürogebäudes zu erlauben. Dieser Sachvortrag sei falsch gewesen, denn am 26.11.2009 um 14:30 Uhr sei dem Kläger ein Schreiben in seinen Briefkasten eingeworfen worden, in dem ihm der Zutritt gewährt worden sei.

Von einem bewusst falschen Tatsachenvortrag des Klägers kann jedoch nicht ausgegangen werden, denn dieser hat vorgetragen, er habe seinen Briefkasten am Nachmittag nicht mehr geleert. Die hinsichtlich der Auflösungsgründe darlegungs-und beweispflichtige Beklagte hat weder vorgetragen noch unter Beweis gestellt, dass der Kläger ihr Schreiben noch am 26.11.2009 zur Kenntnis genommen hat.

f) Soweit die Beklagte dem Kläger vorwirft, sein Verfahrensbevollmächtigter habe in dem Schriftsatz vom 2.12.2009 im Verfahren der einstweiligen Verfügung auf Zutritt zum Betrieb (32 BVGa 58/09) unterlassen vorzutragen, dass die Beklagte bereits am 1.12.2009 um 18:24 Uhr dem Kläger die begehrte Zutrittserlaubnis erteilt hatte, geht das Verhalten des Klägers über die Wahrnehmung berechtigter Interessen hinaus. Es hat allerdings keinen engen Zusammenhang zu der Frage, ob bei einer späteren Weiterbeschäftigung des Klägers eine den Betriebszwecken weitere Zusammenarbeit zu erwarten ist.

g) Die Beklagte wirft dem Kläger weiter vor, er habe im Verfahren 3 SaGa 37/09 unzutreffend vorgetragen, die Beklagte habe einen Anspruch des Klägers auf Zugang zu ihrem Bürogebäude in Obersendling abgelehnt. Es gilt zunächst das unter f) Gesagte. Der Schriftsatz vom 1.2.2009 ist jedoch schon deshalb nicht geeignet, den Auflösungsantrag der Beklagten zu begründen, weil er aus der Zeit des nachwirkenden Kündigungsschutzes des Klägers stammt. Es gilt das unter c) Ausgeführte.

h) Soweit die Beklagte vorträgt, im Verfahren 20 Ca 7870/09 habe der Kläger Urlaubsansprüche für das Kalenderjahr 2008 geltend gemacht, obwohl die Beklagte ihm den Urlaub mit einer E-Mail vom 15.12.2008 bereits gewährt habe, kann von einem bewusst unrichtigen Tatsachenvortrag des Klägers nicht ausgegangen werden. Der Kläger hat den Erhalt der von der Beklagten behaupteten E-Mail vom 15.12.2008 bestritten. Die Beklagte geht selbst davon aus, dass sie den Empfang der E-Mail durch den Kläger nicht beweisen kann.

i) Die Beklagte stützt ihren Auflösungsantrag weiter darauf, der Kläger habe die Beklagte durch die Einleitung von Gerichtsverfahren bewusst geschädigt. Insoweit wird zunächst auf das hingewiesen, was das Bundesarbeitsgericht in einem früheren Rechtsstreit der Parteien ausgeführt hat (Urteil vom 8.10.2009 – 2 AZR 682/08 – Juris). Das Führen von Rechtsstreitigkeiten ist nicht gleichzusetzen mit persönlichen Auseinandersetzungen zwischen dem Kläger und seinen Vorgesetzten. Dass der Kläger Anträge bei Gericht gestellt hat, die erfolglos geblieben sind, ist für sich genommen noch kein Auflösungsgrund. Eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit der Parteien ist allenfalls dann nicht zu erwarten, wenn Anträge in Schädigungsabsicht oder sonst schikanös gestellt wurden (BAG aaO).

Dies kann bezüglich der Verfahren 32 Ca 5328/09 (insbesondere Antrag auf Information von Mitarbeitern der Beklagten und des Konzerns über die Rechtsunwirksamkeit von Abmahnungen und Kündigungen), 36 BVGa 59/09 (einstweilige Verfügung auf Aufnahme in die Wählerliste), 26 BV 477/09 (Verfahren nach durchgeführter Betriebsratswahl) und 32 Ca 13146/08 (Klageerweiterung um Gehaltsansprüche) nicht angenommen werden. Die Beklagte begründet nicht näher, dass es dem Kläger nicht um die aus den jeweils gestellten Anträgen ersichtlichen Ziele, sondern um eine bewusste Schädigung der Beklagten gegangen sei. Eine bewusste Schädigung könnte nur angenommen werden, wenn der Kläger selbst nicht an die Begründetheit seiner Begehren geglaubt hätte. Eine solche Annahme ist jedoch eine bloße Spekulation.

Hinzukommt, dass das am 30.12.2009 eingeleitete Beschlussverfahren 26 BV 477/09 sowie die Klageerweiterung vom 7.3.2011 im Verfahren 32 Ca 13146/09 in die Zeit des nachwirkenden Kündigungsschutzes nach § 15 KSchG fallen. Auf die obigen Ausführungen unter c) wird Bezug genommen.

Gleiches gilt für die Begehren des Klägers vom 23.4.2010 und 16.3.2010 betreffend den Zutritt in Verbindung mit einer Betriebsratswahl bei der A GmbH & Co. OHG (Anlagen B 35 und B 36, Bl. 454 und 455 d.A.) sowie die behauptete Ankündigung einer Klage wegen der Lohnsteuerkarte 2009 am 25.1.2010. Außerdem ist insoweit nicht ersichtlich, worin eine Schädigung der Beklagten liegen soll, denn gerichtliche Verfahren, die zu Anwaltskosten für die Beklagte führen konnten, wurden insoweit nicht eingeleitet.

j) Wenn der Kläger im Verfahren 32 Ca 5429/11 eine Entschädigung in einer Höhe einklagte, von der er selbst nicht ausging, dass sie ihm in voller Höhe zugesprochen wird, so lässt dies keinen zwingenden Schluss auf eine bewusste Schädigung der Beklagten zu. Dem Kläger kann es auch darum gegangen sein, gegenüber dem Gericht die Bedeutung seines Begehrens zu signalisieren. Die Einlegung der Berufung durch den Kläger signalisiert, dass er möglicherweise seine Forderung subjektiv für berechtigt hielt, denn im Berufungsverfahren trägt er das Risiko bezüglich der Rechtsanwaltskosten beider Parteien.

k) Auch das Vorgehen gegen den Wahlvorstand der Beklagten (36 BVGa 59/09) stellt keinen Auflösungsgrund dar. Es ist nicht ersichtlich, warum der Kläger kein berechtigtes Interesse verfolgt haben soll, denn er wollte an der Betriebsratswahl teilnehmen.

l) Die Beklagte begründet ihr Auflösungsbegehren im Berufungsverfahren auch mit dem Verhalten des Klägers im Rechtsstreit 8 Ca 402/04, in dem rechtskräftig entschieden wurde, dass vom Kläger geltend gemachte Zahlungsansprüche nicht durch eine von der Beklagten erklärte Aufrechnung erloschen sind, weil der behauptete Gegenanspruch der Beklagten nach § 18 Ziff. 2 des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in den Bayerischen Betrieben des Groß-und Außenhandels verfallen sei (11 Sa 987/05 beim Landesarbeitsgericht München).

Die Beklagte mag insoweit in der Annahme Recht haben, dass der Kläger nicht gezwungen war, Zahlungsansprüche in Höhe der Gegenforderung der Beklagten einzuklagen. Eine Illoyalität, die mit der Funktion des Klägers bei der Beklagten nicht zu vereinbaren wäre und ein Auflösungsgrund liegen jedoch nicht vor. An der Wahrnehmung berechtigter Interessen durch den Kläger kann kein ernsthafter Zweifel bestehen, wenn der Kläger letztlich in dem Verfahren obsiegt. Zu berücksichtigen ist auch, dass der Kläger seine Forderung zu einem Zeitpunkt geltend gemacht hat, zu dem der Bestand des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien streitig war und die Beklagte von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausging. Die Beklagte war gerade nicht bereit, den Kläger mit der Funktion zu betrauen, aus der sie eine besondere Loyalität ableiten möchte.

m) Soweit die Beklagte ihren Auflösungsantrag auf den Seiten 17 bis 22 ihres Schriftsatzes vom 9.4.2012 mit einem „problematischen Verhältnis des Kläger zu Kollegen“ begründet und Verhaltensweisen des Klägers im Jahre 2002 schildert, wiederholt sie einen Sachvortrag, der bereits Gegenstand des Verfahrens 8 Ca 402/04 war (dort Schriftsatz vom 7.7.2004). Damit begründete die Beklagte sowohl die Kündigung vom 22.12.2003 als auch den hilfsweise gestellten Auflösungsantrag. Nach der rechtskräftigen Abweisung des Auflösungsantrags im Verfahren 8 Ca 402/04 ist es der Beklagten verwehrt, einen erneuten Auflösungsantrag auf die Umstände zu stützen, über die bereits rechtskräftig entschieden wurde.

Insoweit können die Grundsätze zur Wiederholungskündigung auf das Auflösungsbegehren übertragen werden. Ist in einem Kündigungsrechtsstreit entschieden, dass das Arbeitsverhältnis durch eine bestimmte Kündigung nicht aufgelöst worden ist, so kann der Arbeitgeber eine erneute Kündigung nicht auf Kündigungsgründe stützen, die er schon zur Begründung der ersten Kündigung vorgebracht hat und die in dem ersten Kündigungsschutzprozess materiell geprüft worden sind mit dem Ergebnis, dass sie eine Kündigung nicht rechtfertigen können (BAG vom 26.8.1993 – 2 AZR 159/93NZA 1994, 70; BAG vom 22.5.2003 – 2 AZR 485/02AP Nr. 71 zu § 1 KSchG 1969). Auch das Urteil über einen Auflösungsantrag in einem ersten Prozess ist in der Weise präjudiziell für das zweite Verfahren, dass eine erneute materielle Nachprüfung des zur Stützung des ersten Auflösungsantrags verbrauchten Auflösungsgrundes in den zweiten Verfahren nicht erfolgen darf.

Im Übrigen können an sich geeignete Gründe aufgrund der zeitlichen Entwicklung und damit verbundener veränderter tatsächlicher oder rechtlicher Umstände ihr Gewicht verlieren (BAG vom 7.3.2002 – 2 AZR 158/01NZA 2003, 261). Wenn der Kläger im Jahre 2003 sarkastisch und unpassend kommuniziert hat, schließt dies jedenfalls nicht völlig aus, dass er sich im Falle einer innerbetrieblichen Rehabilitation einer angemesseneren Kommunikation befleißigt (s.a. Teilurteil des Landesarbeitsgerichts München vom 30.6.2006 – 11 Sa 987/05).

n) Schließlich stellt das Verhalten des Klägers in einem Rechtsstreit vor der 7. Kammer des Eufach0000000065s sowie in einem Beschwerdeverfahren vor der 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts München in einem Termin vom 5.4.2012 (Seiten 23 und 24 des Schriftsatzes vom 9.4.2012) keinen Auflösungsgrund dar. Der Sachvortrag der Beklagten ist ohne eine Erläuterung des Zusammenhangs der zugrunde liegenden Verfahren kaum nach nachvollziehbar und belegt jedenfalls nicht, warum eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht möglich sein soll. Nicht jede unsinnige Aussage ist gleich ein Auflösungsgrund.

o) Eine Gesamtwürdigung der von der Beklagten vorgetragenen Umstände und einer Abwägung der beiderseitigen Interessen führt nicht zur Begründetheit des Auflösungsantrags der Beklagten.

Die Beklagte weist zwar zutreffend darauf hin, dass bei der Prüfung einer den Betriebs-zwecken dienlichen weiteren Zusammenarbeit auch die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb zu berücksichtigen ist (BAG vom 26.6.1997 – 2 AZR 502/96 – Juris). So kann bei einem Arbeitnehmer, der eine Schlüsselstellung im Betrieb innehat, ein Fehlverhalten wegen des damit verbundenen Vertrauensverlustes schwerer wiegen als bei einem Arbeitnehmer in untergeordneter Position (APS/Biebl § 9 KSchG Rn 55). Allerdings kann hier nicht ausschließlich mit der Position des Klägers als Manager Internal Audit argumentiert werden. Nach § 3 des Arbeitsvertrages kann die Beklagte dem Kläger nämlich aufgrund ihres Weisungsrechts auch eine andere zumutbare Tätigkeit zuweisen, die den Fähigkeiten und Kenntnissen des Klägers entspricht.

Soweit die Beklagte ihren Auflösungsantrag mit prozessualen Verhaltensweisen des Klägers begründet, kann dem Kläger ein bewusst oder leichtfertig unrichtiger Tatsachenvortrag nicht vorgehalten werden. Dies gilt auch bezüglich der oben unter a), b), d) und f) behandelten Verhaltensweisen. Hinsichtlich der Gliederungspunkte b) und f) kann allerdings zu Gunsten der Beklagten davon ausgegangen werden, dass sich der Kläger nicht korrekt verhalten hat. Die insoweit vorgetragenen Umstände haben allerdings nur einen geringen Zusammenhang mit Sachverhalten, die typischerweise als Auflösungsgrund geeignet sind, nämlich mit ehrverletzenden Äußerungen oder persönlichen Angriffen gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen. Die Darstellung des Klägers konnte ohne Weiteres richtig gestellt werden und war damit kaum geeignet, die Beklagte zu schädigen. Außerdem lässt das beanstandete prozessuale Verhalten des Klägers allenfalls in geringen Umfang Rückschlüsse auf die weitere Zusammenarbeit der Parteien zu. Es kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass der Kläger nach einem Abschluss der zahlreichen Rechtstreitigkeiten weiter mit der Schärfe gegenüber der Beklagten argumentiert, wie er dies während der Rechtsstreitigkeiten über den Bestand des Arbeitsverhältnisses tut.

Wie ausführlich dargestellt kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger Anträge in Schädigungsabsicht oder schikanös stellte. Die von ihm vertretenen Rechtsauffassungen mögen rechtlich unzutreffend und schwer nachvollziehbar sein. Dies reicht aber für eine bewusste Schädigung oder eine Schikane nicht aus.

Der Angriff der Beklagten gegen die Argumentation des Arbeitsgerichts, die Beklagte habe in gewisser Weise möglicherweise auch das Verhalten des Klägers provoziert, führt im Ergebnis nicht zu einer vom Arbeitsgericht abweichenden Beurteilung. Insoweit ist das Arbeitsgericht von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ausgegangen, wonach dem Arbeitgeber nicht gestattet ist, sich auf Auflösungsgründe zu berufen, die von ihm selbst oder Personen, für die er einzustehen hat, provoziert worden sind (z.B. Urteil vom 2.6.2005 – 2 AZR 234/04 – AP Nr. 51 zu § 9 KSchG 1969). Hier kann zwar nicht davon ausgegangen werden, dass die unter b) und f) behandelten Sachverhalte durch ganz konkrete Handlungen der Beklagten provoziert wurden. Ohne die vorangegangenen unwirksamen Kündigungen hätte allerdings keine Veranlassung für einen entsprechenden Sachvortrag des Klägers bestanden. Im Übrigen ist es naheliegend, dass die Schärfe in der gerichtlichen Argumentation des Klägers auch auf den wiederholten Kündigungen und Auflösungsanträgen der Beklagten beruht. Die Beklagte kritisiert insoweit zu Unrecht, nach Auffassung des Arbeitsgerichts solle es der Beklagten zum Nachteil gereichen, wenn sie das Gleiche tut wie der Kläger, nämlich von den ihr nach ihrer subjektiven Auffassung zustehenden rechtlichen Positionen Gebrauch macht. Beiden Parteien kann die Befugnis nicht abgesprochen werden, von rechtlichen Positionen Gebrauch zu machen, auch wenn sie letztlich von den Gerichten nicht geteilt werden. Nur die Beklagte geht allerdings davon aus, dass eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht möglich ist und ist deswegen gehalten, ihren Auflösungsantrag zu begründen. Vor diesem Hintergrund lässt es eine umfassende Interessenabwägung nicht zu, ausschließlich das Verhalten des Klägers zu berücksichtigen.

Wie ausgeführt sind die meisten von der Beklagten vorgetragenen Sachverhalte schon grundsätzlich nicht als Auflösungsgründe geeignet, insbesondere weil Verhaltensweisen des Klägers der Wahrnehmung berechtigter Interessen dienten, weil sie in die Zeit des nachwirkenden Kündigungsschutzes nach § 15 KSchG fallen oder als Auflösungsgrund verbraucht sind. Die verbleibenden Umstände rechtfertigen die von der Beklagten angenommene negative Prognose bezüglich der weiteren Zusammenarbeit nach Ansicht der Kammer nicht. Abschließend wird darauf hingewiesen, dass dies auch dann gilt, wenn man zu Gunsten der Beklagten die in die Zeit des nachwirkenden Kündigungsschutzes nach § 15 KSchG fallenden Umstände berücksichtigen würde.

3. Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Kläger wegen des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens hat. Dieser Anspruch ist allerdings wegen § 3 des Arbeitsvertrages nicht auf eine Tätigkeit als Manager Internal Audit beschränkt. Dem trägt die Umformulierung von Ziff. 2 des angefochtenen Urteils Rechnung.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO. Die Verpflichtung des Klägers, 3/10 der Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, ergibt sich aus der Rücknahme seiner Anschlussberufung.

IV.

Dieses Urteil ist unanfechtbar, denn der Kläger ist nicht beschwert, und es gibt keinen Grund, für die Beklagte die Revision zuzulassen (§ 72 Abs. 2 ArbGG). Auf § 72 a ArbGG (Nichtzulassungsbeschwerde) wird hingewiesen.