OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.10.2012 - I-3 Wx 189/12
Fundstelle
openJur 2012, 131516
  • Rkr:

RVG §§ 15 Abs. 2 Satz 1, 16 Nr. 4; 22 Abs. 1; 23 Abs. 1 Satz 3; 33 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 6 Satz 2; 44 Satz 1; 56 Abs. 2 Satz 1; VV RVG 2501 ff. ; FamFG § 33; BerHG §§ 2 Abs. 2

Ein Berechtigungsschein betreffend anwaltliche Beratungshilfe für „Trennung und alle daraus resultierenden Angelegenheiten“ beschränkt den Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts gegen die Staatskasse nicht auf eine Angelegenheit, sondern kann Gebührenansprüche für verschiedene Angelegenheiten (hier: Beratungshilfe für Trennungsunterhalt, Kindesunterhalt, Versorgungsausgleich, Vermögensauseinandersetzung, Scheidung, Besuchsrecht bei den Kindern, elterliche Sorge und Haurat) begründen.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Oktober 2012 - I-3 Wx 189/12

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird wie folgt geändert:

 

Die Beschwerde des Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Amtsgerichts Kleve vom 25.05.2012 - 8 II 682/11 - wird zurückgewiesen.

 

Gerichtsgebühren werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Kleve gewährte Herrn U. B. (nachfolgend Beratungshilfeberechtigten) am 17.05.2011 einen Berechtigungsschein  für Beratungshilfe durch einen Rechtsanwalt für „Trennung und alle daraus resultierenden Angelegenheiten“. Die Beteiligten zu 1) wurden im Wege der Beratungshilfe für den Beratungshilfeberechtigten tätig und reichten im Anschluss acht Anträge auf Vergütung durch die Staatskasse ein. Dabei handelt es sich um folgende Anträge:

1.     Beratungshilfe für Trennungsunterhalt                                                          99,96 €

2.     Beratungshilfe für Kindesunterhalt                                                               99,96 €

3.     Beratungshilfe für Versorgungsausgleich                                                      35,70 €

4.     Beratungshilfe für Vermögensauseinandersetzung                                        35,70 €

5.     Beratungshilfe für Scheidung                                                                      35,70 €

6.     Beratungshilfe für Besuchsrecht bei den Kindern                                          35,70 €

7.     Beratungshilfe für elterliche Sorge                                                               35,70 €

8.     Beratungshilfe für Hausrat                                                                          99,96 €

Durch Beschluss vom 07.05.2012 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Kleve zunächst nur einen Betrag von 271,32 € festgesetzt. Auf die hiergegen gerichtete Erinnerung der Beteiligten zu 1) hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 25.05.2012 die Vergütung antragsgemäß auf 478,38 € festgesetzt. Das Landgericht hat auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) die den Beteiligten zu 1) zu zahlenden Gebühren und Auslagen wiederum auf 271,32 € festgesetzt, wobei es von insgesamt vier gebührenrechtlichen Angelegenheiten ausgegangen ist und hierfür im Einzelnen je 35,70 € für die Angelegenheiten „Scheidung“ und „persönliches Verhältnis zu Kindern“ und jeweils 99,96 € für die Angelegenheiten „Kindesunterhalt, Trennungsunterhalt und „Hausrat“ festgesetzt und den weitergehenden Vergütungsantrag zurückgewiesen hat. Ferner hat das Landgericht die weitere Beschwerde zugelassen.

Mit der weiteren Beschwerde verfolgen die Beteiligten zu 1. den zurückgewiesenen Teil ihrer in erster Instanz gestellten Vergütungsanträge weiter.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die weitere Beschwerde ist infolge ihrer Zulassung im Beschluss des Landgerichts zulässig (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG).

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts beruht auf einer Verletzung des Rechts (§§ 33 Abs. 6 Satz 2 RVG, 546 ZPO), nämlich: auf der (zusammenfassenden) Behandlung der zur Kostenfestsetzung im Beratungshilfeverfahren angemeldeten Gebühren des Rechtsanwalts als insgesamt vier Angelegenheiten.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts haben die Beteiligten zu 1) gemäß § 44 Satz 1 RVG in Verbindung mit VV Nrn. 2503, 2501, 7022 zum RVG gegen die Landeskasse für die im Beschluss des Amtsgerichts vom 25.05.2012 bezeichneten Angelegenheiten einen Vergütungsanspruch von insgesamt 478,38 €.

Die Vergütung für eine Beratungshilfe richtet sich danach, ob eine oder mehrere Angelegenheiten im Sinne von §§ 15 ff. RVG, 2 Abs. 2 BerHG vorliegen und welche Grundsätze - entweder § 16 Nr. 4 RVG oder die zu § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG entwickelten allgemeinen Grundsätze - für die Bewertung insoweit heranzuziehen sind (KG AGS 2010, 612, 613).

Ein Rückgriff auf § 16 Nr. 4 RVG, wonach „eine Scheidungssache oder ein Verfahren über die Aufhebung einer Lebenspartnerschaft und die Folgesachen dieselbe Angelegenheit sind“, ist bei der hier gegebenen Konstellation der Beratungshilfe nicht möglich. Die Bezugnahme auf die entsprechenden Vorschriften der ZPO zeigt, dass diese Vorschrift lediglich das gerichtliche Verbundverfahren betrifft und nicht die einem solchen Verfahren vorgelagerte außergerichtliche Beratungshilfe (OLG Stuttgart BeckRS 2006, 12351 = FamRZ 2007, 574; OLG Düsseldorf - 10. Zivilsenat - NJW-RR 2009, 430; OLG Köln AGS 2009, 422, 423 = FamRZ 2009, 1345, 1346; OLG Frankfurt NJOZ 2009, 4576; OLG Hamm FamRz 2011, 1685, 1686; OLG Nürnberg NJW 2011, 3108, 3109; OLG Celle NJW 2011, 3109, 3110; AnwK/Fölsch, RVG, 6. Aufl., Vor VV 2501 ff. Rn. 29:

Die gegenteilige Auffassung (vgl. Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 20. Aufl., VV 2500-2508 Rn. 27; OLG München NJOZ 2012, 285, 286 m.w.N.) verkennt, dass der Begriff „Folgesachen“ angesichts der in § 137 Abs. 2 FamFG (früher: § 623 ZPO) enthaltenen Formulierung „wenn eine Entscheidung für den Fall der Scheidung zu treffen ist“ Scheidungsfolgen meint, für die das Verbundverfahren vorgesehen ist (OLG Stuttgart, a.a.O.). Regelungen für die Zeit einer Trennung fallen hiernach nicht unter den Begriff der Scheidungssache und auch nicht unter den einer Folgesache (OLG Stuttgart und OLG Düsseldorf, jeweils a.a.O.).

Nach den allgemeinen Grundsätzen des § 15 Abs. 2 RVG kann der Rechtsanwalt die von ihm beanspruchenden Gebühren „in derselben Angelegenheit“ nur einmal fordern. Eine Angelegenheit kann bei mehreren Gegenständen nur dann angenommen werden, wenn ein gleichzeitiger Auftrag, ein gleicher Rahmen und ein innerer Zusammenhang gegeben ist (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Ein solcher Zusammenhang kann nach Auffassung des Senats nicht ohne weiteres angenommen werden, wenn verschiedene Trennungsfolgen Gegenstand des Beratungshilfeauftrags sind, auch wenn deren Geltendmachung in einem gerichtlichen Verfahren als einheitliche Angelegenheit anzusehen wäre. Das gilt für die Beratung zur beabsichtigten Scheidung und zu den - bei gerichtlicher Geltendmachung - als Folgesachen anzusehenden (vgl. § 137 Abs. 2 und 3 FamFG) Gegenständen, wie denjenigen des Versorgungsausgleichs, des Trennungsunterhalts, des Kindesunterhalts, des Hausrats und Güterrechts (Vermögens), sowie des Umgangs- und Sorgerechts.

Bei Erteilung des Beratungshilfeauftrags steht nämlich nicht fest, ob und inwieweit die Beratung in die Tat umgesetzt und ein Scheidungs- oder sonstiges Verfahren überhaupt durchgeführt bzw. eingeleitet werden wird, so dass Regelungen für die Zeit nach Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens nicht ohne weiteres auf Tätigkeiten übertragen werden können, die vor solcher Einleitung entfaltet werden (AnwK/Fölsch, a.a.O.). Schon daher erscheint die Annahme eines inneren Zusammenhangs zweifelhaft mit der Folge, dass eine einheitliche Beauftragung insoweit nicht angenommen werden kann. Im Übrigen ist die Interessenlage in beiden Verfahrensstadien nicht vergleichbar. Da für die Zusammenfassung von Ehe- und Folgesachen zu einer Angelegenheit im Sinne von § 16 Nr. 4 RVG ein Ausgleich der damit verbundenen Mehrarbeit des Anwalts darin besteht, dass die Gegenstandswerte der verschiedenen Gegenstände für den Gebührenstreitwert zu addieren sind (§§ 22 Abs. 1, 23 Abs. 1 Satz 3 RVG; 33 FamGKG), würde eine Anwendung des § 16 Nr. 4 im Beratungshilfeverfahren - in welchem nach der gesetzlichen Regelung für jeden Beratungsgegenstand (geringe) Festgebühren anfallen - dazu führen, dass der Anwalt in der Ehesache und sämtlichen Folgesachen für dieselbe Vergütung tätig zu sein hätte, die er schon allein für die Ehesache oder eine einzige Folgesache erhielte (AnwK/Fölsch, a.a.O.).

Eine entsprechende Anwendung des § 16 Nr. 4 RVG ist im Beratungshilfeverfahren mangels Vorliegens einer Regelungslücke (dazu eingehend: OLG Düsseldorf - 10. Zivilsenat - NJW-RR 2009, 430) nicht möglich.

Kommt aber hinsichtlich der im Beratungshilfeverfahren angefallenen Tätigkeiten eine entsprechende Anwendung des § 16 Nr. 4 RVG nicht in Betracht, kann - gerade angesichts der Festgebührenregelung der VV 2501 ff. zum RVG - ohne weitere Anhaltspunkte auch kein innerer Zusammenhang der zu regelnden Gegenstände (Trennung, Scheidung und die Folgesachen) angenommen werden. Auszugehen ist vielmehr von gebührenrechtlich verschiedenen Angelegenheiten (OLG Düsseldorf, a.a.O.; OLG Köln, a.a.O.).

Für die hier abgerechneten Angelegenheiten ist das Amtsgericht daher zu Recht von insgesamt acht Angelegenheiten ausgegangen und hat die dabei angefallenen Beratungshilfevergütungen im Einzelnen zutreffend mit insgesamt 478,38 € festgesetzt.

III.

Der Kostenausspruch beruht auf § 56 Abs. 2 RVG.

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