VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.12.1997 - 3 S 2023/97
Fundstelle
openJur 2013, 10656
  • Rkr:

1. Belange der Stadtbildgestaltung und des Immissionsschutzes (hier: abschirmende Wirkung eines Baukörpers) können besondere Gründe im Sinne von § 17 Abs 2 S 1 Nr 1 BauNVO darstellen, die eine Überschreitung der in § 17 Abs 1 BauNVO bestimmten Obergrenzen für das Maß der baulichen Nutzung "erfordern", dh vernünftigerweise geboten erscheinen lassen.

2. Die Ausgleichsregelung des § 17 Abs 2 S 1 Nr 2 BauNVO enthält weder einen der Abwägung nicht zugänglichen Planungsleitsatz noch ein planungsrechtliches Optimierungsgebot. Der Ausgleichspflicht ist aber im Rahmen der Abwägung ein entsprechendes Gewicht beizumessen.

Gründe

I.

Die Antragsteller wenden sich gegen den Bebauungsplan Zwischen den Wegen - 3. Änderung (H.) der Antragsgegnerin vom 1.10.1997.

Die Antragsteller sind Eigentümer des mit einem Wohnhaus und einer Garage bebauten Grundstücks Flst.-Nr. 11394 auf Gemarkung der Antragsgegnerin. Das Grundstück wird von der im Norden angrenzenden C.-B.-Straße erschlossen, die dort nach Westen hin als Sackgasse mit einer dreieckförmigen Wendefläche endet. Auf dieser Wendefläche befinden sich zahlreiche Garagen und Stellplätze. Westlich des Grundstücks der Antragsteller verläuft in ca. 10 m Entfernung das N.-Sträßel (ehemalige B 39), in das ca. 50 m weiter nördlich von Osten her die S.-Straße (ehemalige L 548) und von Westen her die A.H.-Straße einmünden. Das Gebiet südlich der S.-Straße und östlich des N.-Sträßels wird vom Bebauungsplan Zwischen den Wegen/D.-gärten, U. B. der Antragsgegnerin vom 22.9.1965 (mit späteren Änderungen) erfaßt, der die südlich der C.-B.-Straße gelegenen Grundstücke - und damit auch das Grundstück der Antragsteller - als allgemeines Wohngebiet (2 Vollgeschosse/GRZ 0,3/GFZ 0,6/Dachneigung 25-28?) und die zwischen der C.-B.-Straße und der S.-Straße gelegenen Grundstücke als reines Wohngebiet ausweist. Die südöstlich an die Kreuzung N.-Sträßel/S.-Straße angrenzende Grundstücksfläche ist wegen ihrer Sichtwinkel-Funktion als öffentliche Grünfläche festgesetzt, die sich bis zur Wendefläche der C.-B.-Straße erstreckt.

Seit Anfang der 90-er Jahre befaßte sich die Antragsgegnerin mit der Umplanung der Kreuzung N.-Sträßel/S.-Straße/A.H.-Straße. Diese Kreuzung war aufgrund ihrer ursprünglichen Verkehrsbedeutung sehr großzügig ausgebaut, was nach Rückstufung der ehemaligen Bundesstraße und der Landesstraße vom Verkehrsaufkommen her nicht mehr erforderlich war. Nach Auffassung der Antragsgegnerin führte außerdem die Ampelanlage der Kreuzung zu unnötigen Verkehrsbehinderungen. Die Kreuzung sollte deshalb in einen Kreisverkehr unter Teilrückbau der Straßenfläche umgewandelt werden. Da sich nach der Planung insbesondere der südliche Rand der S.-Straße um mehr als 10 m nach Norden verschob, entstand südöstlich der Kreuzungsfläche eine neue Grundstücksfläche, die einer sinnvollen Nutzung zugeführt werden sollte. Der Antragsgegnerin erschien deshalb die Aufstellung eines Bebauungsplans für erforderlich.

Am 1.10.1997 beschloß der Gemeinderat der Antragsgegnerin den Bebauungsplan Zwischen den Wegen - 3. Änderung (H.). Der Plan umfaßt im für den vorliegenden Fall maßgeblichen Bereich die Kreuzung N.-Sträßel/S.-Straße/A.H.-Straße, die sich südöstlich anschließende Fläche einschließlich der Wendefläche der C.-B.-Straße sowie das Grundstück der Antragsteller und das südlich angrenzende Grundstück Flst.-Nr. 11419. Der Kreuzungsbereich ist gegenüber dem bestehenden Zustand flächenmäßig erheblich reduziert und als Verkehrskreisel konzipiert. Die C.-B.-Straße ist nach Westen hin über die Wendefläche hinaus verlängert worden und endet ca. auf Höhe der westlichen Grenze des Grundstücks der Antragsteller. Das zwischen der S.-Straße und der C.-B.-Straße liegende, im Eigentum der Antragsgegnerin stehende Grundstück Flst.-Nr. 11374/2 ist als Mischgebiet mit einem bogenförmigen Baufenster ausgewiesen. Die nördliche und die westliche Baugrenze verlaufen mit einem Abstand von maximal 3 m in etwa parallel zur S.-Straße und zum N.-Sträßel, die rückwärtige Baugrenze ist für die Obergeschoß-Bebauung gegenüber derjenigen für die Erdgeschoß-Bebauung um 3 m zurückversetzt. Hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung ist besondere (abweichende) Bauweise mit einer Traufhöhe von maximal 7,50 m und einer Firsthöhe von maximal 13,50 m sowie einer Dachneigung von maximal 30? festgesetzt. Die Größe der Grundfläche ist auf 1.200 m? begrenzt, dies entspricht einer Grundflächenzahl von ca. 0,667. Eine Geschoßflächenzahl ist nicht festgesetzt. Nach den Angaben der Antragsgegnerin ergibt sich aufgrund des zurückversetzten Obergeschosses eine Geschoßfläche von maximal 3750 m? und eine Geschoßflächenzahl von maximal 2,0. Die Antragsteller gehen von einer faktisch zulässigen Geschoßflächenzahl von 2,3 aus. Die im Plan ausgewiesene Tiefgarage ist für maximal 50 Stellplätze ausgelegt. Die Zufahrt soll von der S.-Straße her, die Abfahrt im südlichen Grundstücksteil über das N.-Sträßel erfolgen. Zur C.-B.-Straße hin ist ein Aus- und Einfahrtsverbot festgesetzt. Das Grundstück der Antragsteller und das Flurstück Nr. 11419 sind als allgemeines Wohngebiet ausgewiesen. Zulässig ist hier eine zweigeschossige Bauweise mit einer maximalen Traufhöhe von 6,50 m und einer maximalen Dachneigung von 28?. Die Grundflächenzahl und die Geschoßflächenzahl betragen wie bisher 0,3 und 0,6. Das für beide Grundstücke festgesetzte Baufenster ist durch Verschiebung der westlichen Baugrenze um ca. 10 m in Richtung N.-Sträßel vergrößert worden.

Dem angefochtenen Bebauungsplan liegt folgendes Verfahren zugrunde: Der Gemeinderat beschloß am 19.10.1994, den Bebauungsplan aufzustellen. Die öffentliche Auslegung erfolgte vom 12.8. bis einschließlich 13.9.1996 und erneut vom 17.2. bis einschließlich 17.3.1997. Am 23.4.1997 beschloß der Gemeinderat der Antragsgegnerin den Bebauungsplan als Satzung. Nach Durchführung des Anzeigeverfahrens erfolgte die Bekanntmachung am 16.7.1997.

Aufgrund der von den Antragstellern in ihrem - das vorliegende Normenkontrollverfahren einleitenden - Schriftsatz vom 20.8.1997 erhobenen Befangenheitsrüge gegen den Stadtrat W. beschloß der Gemeinderat der Antragsgegnerin den Bebauungsplan am 1.10.1997 erneut als Satzung. Zu Beginn der Beratung erklärte sich (u.a.) Stadtrat W. für befangen und verließ die Beratungsrunde (vgl. TOP 7 der Niederschrift über die Gemeinderatssitzung vom 1.10.1997). In der Verwaltungsvorlage zu dieser Gemeinderatssitzung sind die im Rahmen der Anhörung der Träger öffentlicher Belange und der Bürgerbeteiligung vorgebrachten Bedenken und Anregungen sowie die für die Abwägung maßgeblichen Gesichtspunkte dargestellt. Die Überschreitung der in § 17 Abs. 1 BauNVO für Mischgebiete festgesetzten höchstzulässigen Maße der baulichen Nutzung (GRZ 0,6/GFZ 1,2) wird mit der städtebaulichen Notwendigkeit begründet, auf der Südseite des geplanten Verkehrskreisels einen städtebaulichen Akzent und ein Gegengewicht zu der Hochhausbebauung nördlich der Kreuzung zu schaffen. Ein weiterer wichtiger Aspekt sei die Abschirmung der Wohnbebauung in der C.-B.-Straße gegenüber dem Kreisverkehr. Aus diesem Grund solle der Baukörper möglichst die gesamte Längenabwicklung der äußeren Grundstücksgrenze des Mischgebiets umfassen, um gegenüber den Schallquellen eine möglichst geschlossene Bebauung entstehen zu lassen und möglichst wenig Schalltrichter aus der S.-Straße bzw. aus dem N.-Sträßel sowie dem Kreisverkehr zu schaffen. Aus dieser städtebaulichen Notwendigkeit ergebe sich eine Überschreitung der Regelgrößen.

Der angefochtene Bebauungsplan trat mit der Bekanntmachung der Durchführung des Anzeigeverfahrens gemäß § 12 BauGB am 17.10.1997 in Kraft.

Die Antragsteller tragen zur Begründung ihres Antrags vor, der Bebauungsplan verletze sie in subjektiven Rechten, weil die Antragsgegnerin auf ihrem Nachbargrundstück eine bis zu viergeschossige Bebauung mit einer maximalen Geschoßfläche von ca. 4.100 m? in einem bisher nur durch zweigeschossige Bauweise gekennzeichneten Wohngebiet ermöglichen wolle. Hierin liege ein Verstoß gegen das planungsrechtlich zu beachtende Rücksichtnahmegebot. Der Bebauungsplan sei formell fehlerhaft, weil er während des Aufstellungsverfahrens unter teilweise unterschiedlichen Bezeichnungen geführt worden sei, was eine ausreichende Bürgerbeteiligung nicht mehr gewährleistet habe. Die auch von der Antragsgegnerin eingeräumte Befangenheit des Stadtrat W. beim ursprünglichen Satzungsbeschluß vom 23.4.1997 sei durch den erneuten Satzungsbeschluß vom 1.10.1997 nicht geheilt worden. Stadtrat W. habe bereits beim fehlerhaften Aufstellungsbeschluß mitgewirkt. Dieser sei genauso wenig wiederholt worden wie die nachfolgenden Verfahrensschritte. Der Beschluß vom 1.10.1997 sei daher nicht geeignet, die Nichtigkeit des Bebauungsplans zu heilen. Im übrigen habe am 1.10.1997 nur eine Formalabstimmung stattgefunden, die lediglich 5 Minuten gedauert habe. Beim ursprünglichen Satzungsbeschluß am 23.4.1997 habe den Gemeinderäten kein aktueller Planentwurf vorgelegen. Materiell verstoße die Planung gegen das Gebot der gerechten Abwägung. Der auf dem städtischen Grundstück zulässige Baukörper verletze ihrem Grundstück gegenüber das Rücksichtnahmegebot. Außerdem habe eine Bewertung der durch die Planung hervorgerufenen Verkehrsbelastungen nicht stattgefunden. Ziel der Planung sei es offensichtlich, für das städtische Grundstück eine hohe bauliche Nutzbarkeit festzuschreiben, um bei dem geplanten Grundstücksverkauf an einen Investor einen hohen Verkaufserlös erzielen zu können. Städtebauliche Gründe für eine Überschreitung der Höchstwerte für die Grundflächenzahl und die Geschoßflächenzahl, wie sie § 17 Abs. 2 BauNVO verlange, lägen nicht vor.

Die Antragsteller beantragen,

den Bebauungsplan Zwischen den Wegen - 3. Änderung (H.) der Antragsgegnerin vom 1.10.1997 für nichtig zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Sie hält die Einwendungen für unbegründet. In den am 1.8.1996 und am 8./9.2.1997 erfolgten Bekanntmachungen der öffentlichen Auslegung sei der räumliche Geltungsbereich des Bebauungsplans jeweils genau umschrieben worden. Trotz teilweise unterschiedlicher Bezeichnung des Bebauungsplans (3. Änderung zwischen den Wegen, D., U. B. (H.) bzw. 3. Änderung zwischen den Wegen (H.)) sei deshalb jedem Interessierten der Geltungsbereich klar gewesen. Die Befangenheit des Stadtrats W. sei durch den erneuten Satzungsbeschluß am 1.10.1997 geheilt worden. Dem Gemeinderat habe sowohl bei seiner Sitzung am 1.10.1997 als auch bei der Sitzung am 23.4.1997 ein aktueller Bebauungsplanentwurf vorgelegen. Für die Sitzung am 23.4.1997 habe man lediglich auf die Versendung von Planmehrfertigungen verzichtet, weil ein kompletter Plan bereits mit den Sitzungsunterlagen zur Sitzung vom 29.1.1997 an die Gemeinderäte übersandt worden sei. Der Plan habe bei allen Beratungen aber immer als Folie vorgelegen. Inhaltlich sei eine Rechtsverletzung der Antragsteller nicht erkennbar. Durch die Änderung des früheren Bebauungsplans werde auf dem städtischen Grundstück keinesfalls eine bis zu viergeschossige Bebauung zugelassen. Die festgesetzte Traufhöhe von maximal 7,50 m und die Firsthöhe von 13,50 m ließen nur einen maßvollen Baukörper zu. Die Wandhöhe dürfe nur maximal 1,00 m höher sein als die Wandhöhe der umliegenden Wohnhäuser. Die maximale Firsthöhe übersteige beispielsweise die Firsthöhe des Wohnhauses der Antragsteller nur um 3,00 m. Damit sei auch das Rücksichtnahmegebot eingehalten. Die von den Antragstellern behauptete Geschoßflächenzahl von 2,3 wäre nur bei vier Vollgeschossen möglich, die aber nach den genannten Festsetzungen nicht erreicht werden könnten. Durch die Neuplanung werde auch keine höhere Verkehrsbelastung hervorgerufen. Neu entstehe lediglich der Zu- und Abfahrtsverkehr zu dem vorgesehenen Wohn- und Geschäftsgebäude, der jedoch für die Antragsteller völlig unschädlich abgewickelt werde. Kraftfahrzeug-Abstellplätze befänden sich ausschließlich in der Tiefgarage, deren Zu- und Abfahrt die C.-B.-Straße, die das Grundstück der Antragsteller erschließe, gerade nicht tangiere. Mit der Schaffung des Verkehrskreisels werde der Durchgangsverkehr gegenüber der bisherigen Ampelregelung zügiger abgewickelt. Der Gemeinderat habe sich auch mit der Frage des Lärmschutzes ausführlich befaßt und sei zu dem Ergebnis gekommen, daß keine unzumutbaren Beeinträchtigungen entstünden. Die Überschreitung der Obergrenzen des § 17 Abs. 1 BauNVO sei gemäß § 17 Abs. 2 BauNVO zulässig. Das geplante Wohn- und Geschäftshaus solle einerseits die hinterliegenden Gebäude vom Kreisverkehr abschirmen und andererseits den Eingang zur Stadt als Gegenpol zu den Hochhäusern auf der Nordseite der Kreuzung optisch aufwerten. Durch den geschlossenen Baukörper werde eine optimale Abschirmung der Hinterliegergrundstücke erreicht.

Dem Senat liegen die Verfahrensakten des angefochtenen Bebauungsplans und des Bebauungsplans Zwischen den Wegen/D.-gärten/U. B. der Antragsgegnerin vor. Hierauf sowie auf die Akten des vorliegenden Verfahrens wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet gemäß § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO durch Beschluß. Der entscheidungserhebliche Sachverhalt ist geklärt, und die Beteiligten konnten zu den entscheidungserheblichen Rechtsfragen Stellung nehmen. Eine mündliche Verhandlung ist daher nicht erforderlich.

Der Normenkontrollantrag hat keinen Erfolg.

Es kann dahinstehen, ob die Antragsteller die gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO erforderliche Antragsbefugnis besitzen, also geltend machen können, durch den Bebauungsplan oder seine Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Denn der Normenkontrollantrag kann jedenfalls in der Sache keinen Erfolg haben.

Der Bebauungsplan ist formell ordnungsgemäß zustande gekommen. In den öffentlichen Bekanntmachungen der zweimaligen öffentlichen Auslegung ist der räumliche Geltungsbereich des Bebauungsplans jeweils exakt beschrieben worden. Zweifel an der Erfüllung der im Rahmen der Bürgerbeteiligung zu gewährleistenden Hinweisfunktion der öffentlichen Bekanntmachung sind deshalb nicht gerechtfertigt. Die zwischen den Beteiligten unstreitige Mitwirkung des befangenen Stadtrats W. an der Gemeinderatssitzung vom 23.4.1997 ist durch den erneuten Satzungsbeschluß vom 1.10.1997 geheilt worden. Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist es unerheblich, daß Stadtrat W. an den diesem Satzungsbeschluß vorangegangenen Beschlüssen und Beratungen teilgenommen hat. Auch wenn der Satzungsbeschluß die vorangehenden Schritte oftmals nur nachvollzieht, ist er jedoch rechtlich die allein maßgebliche Entscheidungsstufe. Allein auf ihn kommt es an, so daß es nicht erforderlich ist, den - im Satzungsbeschluß ohnehin sachlich enthaltenen - Aufstellungsbeschluß förmlich zu wiederholen (vgl. BVerwG, Beschluß vom 15.4.1988 - 4 N 4.87 -, NVwZ 1988, 916; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.12.1995 - 3 S 3406/94 - und Beschluß vom 12.6.1974 - II 1057/72 -, BRS 28 Nr. 15). Unerheblich ist deshalb auch, ob beim Satzungsbeschluß vom 23.4.1997 der aktuelle Planentwurf auflag, denn für die Gemeinderatssitzung vom 1.10.1997 ist dies unstreitig. Im übrigen hat der Senat keine Veranlassung, an den Angaben der Antragsgegnerin, daß dies auch am 23.4.1997 der Fall war, zu zweifeln. Gegen die ordnungsgemäße Beschlußfassung spricht auch nicht die kurze Beratungsdauer. Da der Bebauungsplan bereits mehrfach Gegenstand intensiver Erörterungen im Gemeinderat war, ist verständlich, daß vor dem erneuten Satzungsbeschluß am 1.10.1997 kein großer Beratungsbedarf mehr bestand.

Es liegen auch keine materiellen nichtigkeitsbegründenden Fehler vor.

Die Überschreitung der in § 17 Abs. 1 BauNVO festgelegten Obergrenzen des Maßes der baulichen Nutzung ist gemäß § 17 Abs. 2 BauNVO gerechtfertigt. Eine Überschreitung kommt danach in Betracht, wenn besondere städtebauliche Gründe dies erfordern, die Überschreitungen durch Umstände ausgeglichen sind oder durch Maßnahmen ausgeglichen werden, durch die sichergestellt ist, daß die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse nicht beeinträchtigt, nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt vermieden und die Bedürfnisse des Verkehrs befriedigt werden, und wenn sonstige öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Besondere städtebauliche Gründe im Sinne von § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BauNVO sind solche von besonderem Gewicht. Es muß eine außergewöhnliche städtebauliche Situation vorliegen und ein solches Maß an öffentlichem Interesse an der Verwirklichung des bestimmten städtebaulichen Planungsziels bestehen, daß dafür sogar die Abweichung von den Regelmaßen in Kauf genommen wird. Die Erforderlichkeit der Überschreitung ist aber nicht im Sinne einer Unabweisbarkeit gemeint. Es reicht vielmehr aus, daß die konkrete Planung vernünftigerweise geboten ist (vgl. BVerwG, Beschluß vom 23.1.1997 - 4 NB 7.96 -, ZfBR 1997, 215; OVG Berlin, Urteil vom 14.1.1994 - 2 A 9/91 -, NVwZ-RR 1995, 69). Die Frage, ob eine Maßüberschreitung aufgrund besonderer städtebaulicher Gründe vernünftigerweise geboten ist, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls und aus dem darauf abgestellten Planungskonzept mit seinen Zielen und Zwecken beantwortet werden. Grundsätzlich können hierfür auch Gründe der Stadt- und Ortsbildgestaltung maßgebend sein (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 17 BauNVO, RdNrn. 27 und 28). Im vorliegenden Fall hat die Antragsgegnerin als besondere städtebauliche Gründe für eine Überschreitung der Maß-Obergrenzen zutreffend die Belange der Stadtbildgestaltung und des Immissionsschutzes benannt. Die Bebauung des Flurstücks Nr. 11374/2 soll am westlichen Stadteingang ein städtebauliches Gegengewicht zu der Hochhausbebauung auf der Nordseite des H.-kreisels bilden und zusammen mit dieser eine prägnante Torwirkung schaffen. Die sich an der Nord- und Westseite (entlang der S.-Straße bzw. des N.-Sträßels) nahezu über die gesamte Grundstückslänge bzw. -breite erstreckende Bebauung soll außerdem die sich östlich und südlich anschließenden Wohngebiete vom Verkehrslärm aus dem Kreuzungsbereich abschirmen. Das dieser doppelten Zielsetzung gerecht werdende Planungskonzept ist von solchem Gewicht, daß die Überschreitung der Maßobergrenzen vernünftigerweise geboten ist. Bedingt durch den konkaven Verlauf der Südostgrenze der auf dem Baugrundstück für eine Bebauung überhaupt zur Verfügung stehenden Fläche, an die sich dann die umgestaltete Wendefläche der C.-B.-Straße anschließt, ist die durch Baugrenzen festgesetzte Bebauungstiefe von 20 m für das Erdgeschoß bzw. 17 m für das Obergeschoß des geplanten Wohn- und Geschäftshauses vorgegeben. Eine Reduzierung würde die stadtbildprägende Funktion der vorgesehenen Bebauung als Gegengewicht zu den Hochhäusern nördlich des Kreuzungsbereichs deutlich beeinträchtigen und erschiene auch der unter dem Gesichtspunkte der Lärmabschirmung erforderlichen Längenausdehnung des Baukörpers proportional nicht angemessen. Die unsubstantiierte Behauptung der Antragsteller, für ihr Grundstück sei keine abschirmende Wirkung, sondern vielmehr eine Lärmsteigerung aufgrund von Schallreflektionen zu erwarten, ist nicht nachvollziehbar. Aufgrund der Lage des Wohnhauses der Antragsteller zu dem geplanten Neubau und dem künftigen Verkehrskreisel ergibt sich, daß der vom Kreisverkehr ausgehende Lärm von der Südostecke des geplanten Wohn- und Geschäftshauses abgeschirmt wird. Unerheblich ist, daß von dieser Wirkung die vom N.-Sträßel ausgehenden Lärmemissionen insoweit lediglich im Kreuzungsbereich selbst erfaßt werden. Eine vollständige Reduzierung der Immissionsbelastung ist nicht Gegenstand der Planung. Die sich für das gesamte Wohngebiet auswirkende Verminderung des vom Kreuzungsbereich ausgehenden Verkehrslärms stellt als solche ein städtebauliches Motiv von erheblichem Gewicht dar.

Der in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BauNVO geforderte Ausgleich liegt darin, daß die Verkehrsflächen gegenüber dem derzeitigen Zustand erheblich reduziert werden. Der Südrand der S.-Straße rückt dadurch deutlich nach Norden. Neue Grünflächen entstehen sowohl im Kreisverkehr selbst als auch insbesondere als Trennungsgrün zwischen Fahrbahn und Radweg bzw. Gehweg. Außerdem wird ein Teil des bisherigen Parkplatzes auf der Wendefläche der C.-B.-Straße entsiegelt und sind gemäß Nr. 1.4 der textlichen Planfestsetzungen Flachdachbereiche und Freiflächen zu begrünen. § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BauNVO enthält keinen der Abwägung nicht zugänglichen Planungsleitsatz. Die Vorschrift ist auch kein planungsrechtliches Optimierungsgebot. Der Ausgleichspflicht ist aber im Rahmen der Abwägung ein entsprechendes Gewicht beizumessen (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a.a.O., § 17 BauNVO RdNr. 32). Dies hat die Antragsgegnerin mit ihrem Planungskonzept beachtet. Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung des § 8 a BNatSchG findet vorliegend gemäß § 8 Abs. 8 BNatSchG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 NatSchG keine Anwendung, da das Grundstück Flst.-Nr. 11374/2 bereits vor Inkrafttreten des angefochtenen Bebauungsplans im qualifiziert beplanten Innenbereich lag (vgl. VGH Bad.-Württ., NK-Urteil vom 29.6.1995 - 5 S 1537/94 -, NuR 1996, 256).

Die durch die bauliche Verdichtung entstehenden zusätzlichen Verkehrsbedürfnisse werden durch die festgesetzte Tiefgarage angemessen befriedigt. Mit Rücksicht auf die Belange der Nachbarn und auf gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse erfolgt die Zufahrt auf kürzestem Weg von der S.-Straße her und wird der abfahrende Verkehr getrennt über das N.-Sträßel geleitet. Nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt bzw. Beeinträchtigungen sonstiger öffentlicher Belange sind nicht ersichtlich.

Der von den Antragstellern gerügte Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme liegt nicht vor. Die Antragsgegnerin hat zutreffend darauf hingewiesen, daß die Höhe des künftigen Wohn- und Geschäftshauses die Abmessungen der Umgebungsbebauung nicht wesentlich übersteigt. Die Abstandsflächenvorschriften der Landesbauordnung werden nach Maßgabe der festgesetzten Baugrenzen nicht tangiert. Von einer erdrückenden oder einmauernden Wirkung des von Süden und Osten her gesehen konkav angeordneten und im Obergeschoß zurückversetzten Baukörpers für die Wohnbebauung südlich der S.-Straße kann keine Rede sein.

Entgegen der Auffassung der Antragsteller hat sich der Gemeinderat der Antragsgegnerin auch mit der Frage des Lärmschutzes befaßt. Er hat zutreffend festgestellt, daß die ermittelten Lärmbeurteilungspegel von 62 dB(A) tags und 52 dB(A) nachts für die S.-Straße und 64 dB(A) tags/54 dB(A) nachts für das N.-Sträßel unter den Werten der Verkehrslärmschutzverordnung - 16. BImSchV - liegen und deshalb keine weitergehenden Maßnahmen durch die Antragsgegnerin erforderlich sind (vgl. S. 15 der Sitzungsvorlage vom 8.9.1997 und S. 7 der Vorlage vom 18.12.1996). Anhaltspunkte für eine abweichende Beurteilung oder für unzumutbare Lärmimmissionen aufgrund der geplanten Tiefgaragenausfahrt sind von den Antragstellern nicht vorgebracht worden und auch sonst nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO.

Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.