OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.09.2012 - 2 A 182/11
Fundstelle
openJur 2012, 130923
  • Rkr:
Tenor

Soweit die Klägerin die Berufung zurückgenommen hat, wird das Berufungsverfahren eingestellt.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Hö-he von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Am 10. Juni 2009 erteilte der Beklagte der Klägerin eine Baugenehmigung zum Neubau eines Lebensmittelmarkts und eines Stehcafés auf dem Grundstück C.------straße 54 (Gemarkung B. , Flur 5, Flurstücke 611, 779, 809, 810) in F. . Die Baugenehmigung war u. a. mit Nebenbestimmungen zum Brandschutz versehen. Gemäß der Nebenbestimmung NBS 0003/E ist das Brandschutzkonzept des Herrn Dipl.Ing. I. vom 6. März 2009 verbindlicher Bestandteil des Bauantrags. Die darin angenommenen Rahmenbedingungen seien einzuhalten, den Empfehlungen sei zu folgen. Weitere Bestimmungen zum Brandschutz enthielten die Nebenbestimmungen BSM 1 und BSM 2, die - in der Fassung der Konkretisierung vom 22. November 2010 - folgenden Wortlaut hatten:

"BSM 1:

Der (als Anlage beiliegende) Erlass des Bauministeriums ... "Dachkonstruktion aus Nagelplattenbindern ohne Brandschutzanforderungen nach der BauO NRW" vom 28. August 2008 ist für den statischen Nachweis sowie für die Errichtung der Dachkonstruktion aus Nagelplattenbindern zu berücksichtigen bzw. entsprechend umzusetzen. Hierfür ist entweder der statische Nachweis entsprechend zu erbringen oder es sind ausreichend Lüftungsziegel bzw. Wärmeabzugsflächen herzustellen (§ 54 Abs. 2 BauO NRW), wobei die Öffnungen bezogen auf die Grundfläche, hier Deckenfläche, mindestens 1 % betragen müssen.

BSM 2:

Da es nicht Aufgabe der Feuerwehr ist, brandschutztechnische Unzulänglichkeiten zu kompensieren (Inbetriebnahme von Überdrucklüftern zur Ermöglichung der Entrauchung, damit wirksame Löscharbeiten durchgeführt werden können / § 17 Abs. 1 BauO NRW), ist für den Verkaufsraum eine ausreichende Rauchabzugsmöglichkeit baulich zu schaffen (§ 48 Abs. 2 BauO NRW ... sowie § 54 Abs. 2 Nr. 9 BauO NRW ... ).

Hier kommen außer den in dem Brandschutzkonzept theoretisch genannten Rauchabzugsvarianten (gemäß DIN 18232 T.2) auch zwei weitere weitaus kostengünstigere und schon oft praktizierte Möglichkeiten in Betracht:

a) z. B. analog der IndBauR Nr. 5.6.1 (auch gemäß der IndBauR dienen die Rauchabzugsanlagen primär der Ermöglichung der wirksamen Löscharbeiten durch die Feuerwehr, um einen Brandherd lokalisieren zu können) werden mindestens 2 % Wand und/oder Deckenöffnungen, bezogen auf die jeweilige Grundfläche, geschaffen, die eine Rauchableitung ins Freie ermöglichen.

b) z. B. Installation eines oder mehrerer Brandgasventilatoren, ausgelegt für einen mindestens zehnfachen Luftwechsel in dem Verkaufsraum, Stromversorgung z. B. mindestens über eine Parallelabnahme an der Hauptverteilung mit eigener Absicherung (FI), Ansteuerung mindestens über einen Rauchabzugstaster im Ladenhaupteingangsbereich (Auslösung der Ventilatoren sowie Zuluftsicherung durch Türenaufstellung durch die Feuerwehr, besser automatische Auslösung der Rauchgasventilatoren sowie automatische Öffnung der Zuluftflächen (Türen) mittels zu installierender Rauchmelder, Kabeltrasse im Ladenbereich als E30 Verkabelung, oberhalb der Decke (F 0) nur das Kabel selbst (nicht die Befestigung) als E30)."

Ausweislich der genehmigten Bauvorlagen beträgt die Verkaufsfläche des Lebensmittelmarkts 796,75 m² und diejenige des Stehcafés 34,93 m². Der Lebensmittelmarkt wird über einen Windfang betreten, von dem aus man in den Verkaufsraum gelangt. Von dem Verkaufsraum durch eine Wand getrennt sind Lagerräume, ein Raum zur Backvorbereitung und Personalräume. Ebenfalls baulich abgegrenzt ist das Stehcafé, das einen eigenen Eingang vom Parkplatz aus hat. Vom Satteldach des Hauptgebäudes des Lebensmittelmarkts - es handelt sich um eine Dachkonstruktion mit Nagelplattenbindern - ist bis zu einer Höhe von etwa 3 m eine Decke abgehängt.

Nach dem Brandschutzkonzept des Herrn Dipl.Ing. I. bestehen auf der Grundlage der vorliegenden Planunterlagen gegen die Ausführung und Nutzung des zur Errichtung vorgesehenen Lebensmittelmarkts in brandschutztechnischer Hinsicht keine Bedenken. Dies gelte unter der Voraussetzung, dass die in dem Brandschutzkonzept beschriebenen brandschutztechnischen Mindestmaßnahmen realisiert würden. Die Planung und das Brandschutzkonzept gewährleisteteten, dass für die bauliche Anlage keine gebäudespezifische Risikosituation vorliege, die über das bauordnungsrechtlich tolerierte Schutzmaß hinausgehe. Da die Rettung von Personen in Räumen der hier vorliegenden Größe in der Regel innerhalb von 1,5 Minuten abgeschlossen sei, stehe die Forderung nach einer Rauchabzugsanlage, die nur unter einem hohen konstruktiven und technischen Aufwand errichtet werden könne, in keinem angemessenen Verhältnis zum tatsächlichen Nutzen der Anlage. Die Ausführung einer DIN-konformen Rauchabzugsanlage mit Sicherstellung einer raucharmen Schicht lasse sich nicht realisieren.

Die Klägerin errichtete den genehmigten Lebensmittelmarkt und erfüllte dabei nach den Feststellungen der Beklagten die Brandschutznebenbestimmung BSM 1 - durch Vorlage eines entsprechenden Nachweises hinsichtlich der konstruktiven Anforderungen an die Dachkonstruktion mit Nagelplattenbindern -und BSM 2 - in der Variante b) durch Installation zweier Brandgasventilatoren. Am 2. Dezember 2009 übergab sie den Lebensmittelmarkt an die Betreiberin.

Bereits zuvor am 7. Juli 2009 hatte die Klägerin Klage erhoben und mit dieser sinngemäß das Ziel verfolgt, den Beklagten zu verpflichten, die Baugenehmigung vom 10. Juni 2009 ohne die Nebenbestimmungen BSM 1 und BSM 2 zu erteilen. Nach Fertigstellung des Lebensmittelmarkts hat die Klägerin ihre Klage als Feststellungsbegehren weiterverfolgt.

Zur Begründung ihres Fortsetzungsfeststellungsantrags hat sie vorgetragen: Das rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung ergebe sich zum einen daraus, dass die Entscheidung für einen Schadenersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten erheblich sei. Zum anderen folge das Feststellungsinteresse aus der Gefahr, dass der Beklagte in einem vergleichbaren Fall wieder diese oder eine ähnlich lautende Nebenbestimmung in seine Baugenehmigung aufnehmen werde. Die Klägerin plane auch in Zukunft vergleichbare Bauvorhaben im Zuständigkeitsbereich des Beklagten zu beantragen. In der Sache habe der Beklagte über das Brandschutzkonzept von Herrn Dipl.-Ing. I. hinaus keine weiteren Brandschutzanforderungen stellen dürfen. Dies gelte sowohl in Bezug auf die Dachkonstruktion - Nebenbestimmung BSM 1 - als auch auf die Rauchabzugsmöglichkeiten - Nebenbestimmung BSM 2 -. Werde das Brandschutzkonzept umgesetzt, sei das Bauwerk bei Eintreffen der Feuerwehr geräumt und geschlossen. In beiden Fällen sei keine Menschenrettung und damit kein Innenangriff durch die Feuerwehr mehr notwendig; der Schutz des Gebäudes stehe nicht im Vordergrund. Das Brandschutzkonzept definiere den vorbeugenden Brandschutz nicht nur als baulichen, sondern auch als anlagentechnischen, organisatorischen (betrieblichen) und abwehrenden Brandschutz. Weitergehende Anforderungen könnten nach dem öffentlichen Baurecht nicht gestellt werden. Dies gelte insbesondere für die Forderung nach einer Rauchabzugsmöglichkeit. Eine solche sei vorliegend mit Blick auf das Brandschutzkonzept und den von ihm verfolgten Grundsatz der Selbstrettung bauordnungsrechtlich sowie brandschutztechnisch nach den öffentlichrechtlichen Vorschriften nicht erforderlich. Dies ergebe sich aus dem "Grundsatzpapier der Fachkommission Bauaufsicht" der Bundesbauministerkonferenz von Oktober 2008 ebenso wie aus der Stellungnahme des Herrn Oberbrandrats I1. vom Institut der Feuerwehr NRW von März 2009. Der Beklagte dürfe keine brandschutzrechtlichen Anforderungen erfinden, die im Gesetz nicht geregelt seien. Ein Ermessen komme ihm insoweit nicht zu. Dass die von dem Beklagten geforderten Brandschutzanforderungen sinnhaft sein mögen, führe nicht dazu, dass sie auch rechtmäßig seien.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet war,

ihr die beantragte Baugenehmigung ohne die Nebenbestimmungen Brandschutz BSM 1, BSM 2 eingeschlossen die Buchstaben a) und b) zu erteilen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat unter Bezugnahme auf Stellungnahmen seines zuständigen Brandschutzingenieurs - Technische Bauaufsicht, Brandschutzdienststelle - vorgetragen, das Brandschutzkonzept erfülle die Forderungen der §§ 17 Abs. 1, 3 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW nur im Hinblick auf die Vorbeugung der Entstehung des Brands und die Rettung von Menschen. Der Bereich der ebenfalls erforderlichen Ermöglichung wirksamer Löscharbeiten werde nicht behandelt. Im Brandfall entscheide die Einsatzleitung über einen Innenangriff bzw. ob sie diesen beim Übergang von der Entstehungsphase zum Vollbrand abbreche. Das Brandschutzkonzept widerspreche der Grundforderung der §§ 17 Abs. 1, 3 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW, indem es von vornherein festlege, die Feuerwehr solle den Lebensmittelmarkt im Brandfall kontrolliert abbrennen lassen. Von wirksamen Löschmaßnahmen könne man nicht sprechen, wenn die Feuerwehr von vornherein keine Möglichkeit habe, zumindest während der Entstehungsphase des Brands zu löschen, weil sie mangels Rauchabzugs den Brandherd nicht lokalisieren könne und aufgrund der bewusst hingenommenen Einsturzgefahr der Dachkonstruktion keine Möglichkeit habe, einen Innenangriff zur Brandbekämpfung durchzuführen. Die Möglichkeit, ein Gebäude im Brandfall entrauchen zu können, sei eine der wichtigsten brandschutztechnischen Einrichtungen für den abwehrenden Brandschutz. Nur damit lasse sich ein Brandherd zumindest in der Entstehungsphase lokalisieren und sodann mit einem Innenangriff der Feuerwehr bekämpfen. Es sei nicht Aufgabe der Feuerwehr, brandschutztechnische Unzulänglichkeiten zu kompensieren. Daher könne das Brandschutzkonzept nicht darauf verweisen, die Feuerwehr könne die Räume mittels Überdrucklüftern entrauchen. Das Arbeitspapier der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren NRW (AGBF-NRW)/des Landesfeuerwehrverbands NRW vom 31. Januar 2007 gebe die Meinung der Brandschutzdienststellen und der Feuerwehren zu Nagelplattenbinderdachkonstruktionen sowie zu den Anforderungen, um wirksame Löscharbeiten durchführen zu können und einen Totaleinsturz dieser Konstruktion zu verhindern, wieder.

Mit Urteil vom 16. Dezember 2010 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, das Bestehen eines Feststellungsinteresses bedürfe keiner weiteren Vertiefung, weil die Fortsetzungsfeststellungsklage jedenfalls unbegründet sei. Die Nebenbestimmungen BSM 1 und BSM 2 seien rechtmäßig.

Mit Beschluss vom 9. Dezember 2011 hat der Senat die Berufung der Klägerin zugelassen. Mit Schriftsatz vom 8. Juni 2012 hat die Klägerin die Berufung hinsichtlich der Nebenbestimmung BSM 1 zurückgenommen.

Im Übrigen trägt die Klägerin zur Begründung der Berufung vor: Mit der Nebenbestimmung BSM 2 habe der Beklagte mehr gefordert, als es die gesetzlichen Brandschutzvorschriften erlaubten. Das ihm durch § 54 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW eingeräumte Ermessen zur Gefahrenabwehr habe er fehlerhaft ausgeübt. Die Nebenbestimmung BSM 2 lasse sich nicht mit dem Hinweis auf § 17 Abs. 1 BauO NRW rechtfertigen. Sie, die Klägerin, habe durch ihr Brandschutzkonzept sachverständig nachgewiesen, dass ein Innenangriff der Feuerwehr im Brandfall in der vorliegenden Konstellation nicht geboten sei. Die vom Beklagten geforderte Rauchabzugsmöglichkeit führe nicht zu einer Verbesserung der Sichtbedingungen für die Feuerwehr bei den Löscharbeiten. Zum einen seien die von dem Beklagten für den Verkaufsraum geforderten Rauchabzugsmöglichkeiten nicht geeignet, die Sichtbedingungen für die Feuerwehr zu verbessern. Wie Herr Dipl.Ing. I. auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht beschrieben habe, würden die in der Nebenbestimmung BSM 2 auferlegten Rauchabzugsmöglichkeiten die Situation im Brandfall sogar verschlimmern, weil sie den Rauch nicht aus dem Verkaufsraum beförderten. Durch sie würde der Rauch lediglich im Verkaufsraum verteilt. Zum anderen werde § 17 Abs. 1 BauO NRW bereits dann ausreichend Rechnung getragen, wenn man das Gebäude nach einer sicheren und schnellen Räumung, die hier unstreitig sichergestellt sei, kontrolliert abbrennen lasse. Das Schutzziel Menschenrettung sei zu diesem Zeitpunkt erfüllt. Aufgrund der Lage des Bauvorhabens sei auch sichergestellt, dass sich das Feuer nicht auf eine benachbarte Bebauung ausbreiten könne.

Zur weiteren Begründung ihres Standpunkts verweist die Klägerin auf ergänzende Stellungnahmen des Herrn Dipl.Ing. I. vom 13. März 2012 und vom 19. Juni 2012, auf Auszüge aus der 65. und 66. Sitzung des Arbeitskreises vorbeugender Brand- und Gefahrenschutz der Feuerwehren von Baden-Württemberg vom 16. Oktober 2003/11. März 2004 sowie auf die Niederschrift über die 63. Dienstbesprechung des Wirtschaftsministeriums des Landes BadenWürttemberg mit den Baurechtsreferenten und -referentinnen der Regierungspräsidien vom 5./6. Juni 2008.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und festzustellen,

dass der Beklagte verpflichtet war, ihr die beantragte

Baugenehmigung ohne die Nebenbestimmung BSM 2

eingeschlossen die Buchstaben a) und b) zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er wiederholt unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme seines zuständigen Brandschutzingenieurs vom 27. Januar 2012, auch aus Sicht der Sachverständigenverbände AGBFNRW und Landesfeuerwehrverband NRW sei bei einem Brandereignis in Verkaufsstätten immer davon auszugehen, dass die Menschenrettung durch die Feuerwehr notwendig sei, weil sich dort zeitweise sehr viele Menschen gleichzeitig aufhielten. Die Auffassung von Herrn Dipl.Ing. I. , dass die in der Nebenbestimmung BSM 2 geforderten Rauchabzugsmöglichkeiten die Sichtbedingungen im Brandfall verschlimmerten, könne nicht nachvollzogen werden und widerspreche der allgemeinen Fachmeinung. Jegliche Rauchableitung im Brandfall verbessere die Luft und Sichtverhältnisse, so dass die Einsatzmöglichkeit für die Feuerwehr verbessert werde. Wenn der Lebensmittelmarkt im Brandfall für einen Innenangriff nicht mehr betreten werden könne, weil mangels Rauchabzugs nicht feststellbar sei, wie weit sich der Brand schon entwickelt habe, und somit auch nicht feststellbar sei, inwieweit schon bzw. ob die Gefahr eines Dacheinsturzes bestehe, werde sich die Feuerwehr vermutlich auf einen Löschangriff von außen beschränken müssen. Da aber keine bzw. nur wenige Öffnungen vorhanden seien, könne der Löscheinsatz nur durch die vorhandenen Ausgangstüren oder, falls vorhanden, durch die zu zerstörenden Fenstern im Kassenbereich erfolgen, so dass ein gezielter Löschangriff schwierig sei. Vielmehr könne die Feuerwehr unter Einsatz von mehreren von außen eingesetzten Einsatzrohren nur noch abwarten, bis die Dachkonstruktion soweit abgebrannt sei, dass das Dach einstürze, um dann zwischen bzw. unter dem Brandschutt des eingestürzten Dachs die ausgeweitete Brandstelle unter Einsatz von viel Löschwasser zu löschen.

Am 10. Mai 2012 hat der Berichterstatter des Senats einen Erörterungstermin durchgeführt, an dem neben den Beteiligten Herr Dipl.Ing. I. - als Prüfsachverständiger für Brandschutz der Ersteller des Brandschutzkonzepts der Klägerin - und Herr Dipl.Ing. N. von der Technischen Bauaufsicht Brandschutz des Beklagten teilgenommen haben. Im Hinblick auf die Nebenbestimmung BSM 2 hat der Vertreter des Beklagten klarstellend erklärt, durch diese sei der Klägerin aufgegeben gewesen, ausreichende Rauchabzugsmöglichkeiten durch die unter den Buchstaben a) und b) genannten Maßnahmen zu schaffen. Der Klägerin habe allerdings auch nach allgemeinen ordnungsrechtlichen Grundsätzen die Möglichkeit offengestanden, ein geeignetes Austauschmittel anzubieten.

In dem Erörterungstermin am 10. Mai 2012 haben die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge (2 Hefte) Bezug genommen.

Gründe

Der Senat entscheidet gemäß §§ 125 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 2 VwGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.

I. Soweit die Klägerin die Berufung gemäß § 126 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwGO im Nachgang zu dem Erörterungstermin vom 10. Mai 2012 im Hinblick auf die Nebenbestimmung BSM 1 zurückgenommen hat, wird das Berufungsverfahren entsprechend §§ 126 Abs. 3 Satz 1, 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO eingestellt. Die unmittelbar mit der Dachkonstruktion aus Nagelplattenbindern zusammenhängenden Fragen sind damit nicht mehr streitgegenständlich.

II. Die im Übrigen zulässige, namentlich innerhalb der Frist des § 124 a Abs. 6 Satz 1 VwGO begründete Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Klage ist zulässig (dazu 1.), aber unbegründet (dazu 2.).

1. Die Klage ist - nachdem sich das ursprüngliche Verpflichtungsbegehren durch die Errichtung des Lebensmittelmarkts u. a. unter Erfüllung der Nebenbestimmung BSM 2 a) und b) nach Klageerhebung im Dezember 2009 erledigt hat - als Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig.

Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der nunmehr noch begehrten Feststellung, dass die beantragte Baugenehmigung ohne die Nebenbestimmung BSM 2 a) und b) zu erteilen war. Dieses berechtigte Interesse folgt aus einer konkreten Wiederholungsgefahr und dem Gesichtspunkt der Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses.

Ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO kann sich aus einer konkreten Wiederholungsgefahr ergeben. Dies setzt voraus, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird. Der Nachweis, dass einem zukünftigen behördlichen Vorgehen in allen Einzelheiten die gleichen Umstände zugrunde liegen wie vor Erledigung des Verwaltungsakts, ist nicht erforderlich.

Vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 21. Oktober 1999 - 1 B 37.99 -, juris Rn. 5, vom 16. Oktober 1989 - 7 B 108.89 -, NVwZ 1990, 360 = juris

Rn. 5, und vom 9. Mai 1989 - 1 B 166.88 -,

juris Rn. 7.

Ein anderer Anwendungsfall des berechtigten Interesses ist - bei Erledigung nach Klageerhebung wie vorliegend - das Präjudizinteresse zur Vorbereitung eines zukünftigen Amtshaftungs- oder Entschädigungsprozesses. Hierzu darf die beabsichtigte Schadensersatzklage aber nicht offensichtlich aussichtslos sein. Dies muss ohne ins Einzelne gehende Prüfung erkennbar sein, um das Präjudizinteresse verneinen zu können.

Vgl. dazu z. B. BVerwG, Urteil vom 29. April 1992 - 4 C 29.90 -, BRS 54 Nr. 174 = juris Rn. 13 f.

Gemessen daran ist ein berechtigtes Interesse der Klägerin an der nunmehr noch begehrten Feststellung zu bejahen.

Zum einen besteht die konkrete Gefahr, dass der Beklagte der Klägerin auch in Zukunft eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Lebensmittelmarkts mit einer Verkaufsfläche von etwas unter 800 m² nur unter Beifügung der streitbefangenen Brandschutznebenbestimmungen BSM 2 a) und b) erteilen wird. Die Klägerin hat - vom Beklagten unwidersprochen - vorgetragen, dass sie auch im Zuständigkeitsbereich des Beklagten vergleichbare Bauvorhaben plant. So sollten spätestens im Jahr 2012 in der Stadt M. ein O. -Markt und in der Stadt B1. ein M1. -Markt in dieser Bauweise entstehen. Diese Projekte der Klägerin machen es hinreichend wahrscheinlich, dass sie im Fall der Erteilung der entsprechenden Baugenehmigungen mit denselben Brandschutznebenbestimmungen des Beklagten wie zugrunde liegend rechnen muss. Der Beklagte hat erstinstanzlich und im Erörterungstermin am 10. Mai 2012 zum Ausdruck gebracht, dass er die Nebenbestimmung BSM 2 a) und b) in vergleichbaren Fällen standardmäßig einsetzt. Zum anderen hat die Klägerin ein Präjudizinteresse zur Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses. Der von ihr behauptete Schadensersatzanspruch scheitert nicht offensichtlich daran, dass ihr aufgrund der Nebenbestimmung BSM 2 a) und b) offensichtlich kein Schaden entstanden wäre. Mit dem in der Berufungsbegründung in Bezug genommenen Zulassungsantrag hat die Klägerin unter Vorlage von Handwerkerrechnungen substantiiert vorgetragen, dass ihr wegen der Befolgung der Nebenbestimmungen ein Mehraufwand in Höhe von insgesamt 22.145,51 € entstanden sei. Dies reicht zur Annahme eines Präjudizinteresses aus.

2. Die Klage ist jedoch unbegründet.

Der Beklagte war nicht verpflichtet, der Klägerin die Baugenehmigung vom

10. Juni 2009 ohne die Nebenbestimmung BSM 2 a) und b) zu erteilen. Die Nebenbestimmung BSM 2 a) und b) war rechtmäßig.

Die Nebenbestimmung BSM 2 a) und b) war im Sinne von § 37 Abs. 1 VwVfG NRW inhaltlich hinreichend bestimmt (dazu a). Sie war überdies von der Ermächtigungsgrundlage des § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 5 und Nr. 9 BauO NRW gedeckt, so dass der Beklagte sie der Baugenehmigung vom 10. Juni 2009 beifügen durfte, um gemäß §§ 75 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW, 36 Abs. 1 VwVfG NRW sicherzustellen, dass das Bauvorhaben der Klägerin öffentlichrechtlichen Vorschriften entspricht (dazu b).

a) Die Nebenbestimmung BSM 2 a) und b) war inhaltlich hinreichend bestimmt.

Ein Verwaltungsakt - hier eine mit einer Baugenehmigung verbundene Nebenbestimmung - ist inhaltlich hinreichend bestimmt, wenn die von der Behörde getroffene Regelung für den Adressaten so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist, dass er sein Verhalten danach richten kann. Es reicht aus, wenn sich die Regelung aus dem gesamten Inhalt des Bescheids, insbesondere seiner Begründung, sowie den weiteren, den Beteiligten bekannten oder ohne Weiteres erkennbaren Umständen unzweifelhaft erkennen lässt.

Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 3. Dezember 2003 - 6 C 20.02 -, BVerwGE 119, 282 = NVwZ 2004, 878 = juris Rn. 17.

Davon ausgehend unterliegt die hinreichende Bestimmtheit der Nebenbestimmung BSM 2 a) und b) keinen Bedenken. Bereits ihrem Wortlaut ist hinreichend klar zu entnehmen, dass der Beklagte von der Klägerin fordert, für den Verkaufsraum des Lebensmittelmarkts eine besondere Rauchabzugsmöglichkeit zu schaffen, primär damit wirksame Löscharbeiten durchgeführt werden können. Dazu hat der Beklagte der Klägerin über deren Brandschutzkonzept hinaus zwei zusätzliche Rauchabzugsmöglichkeiten vorgestellt. Dies sind Wand- und/oder Deckenöffnungen im Umfang von 2 % bezogen auf die jeweilige Grundfläche (BSM 2 a) und (wahlweise) die Installation eines oder mehrerer - automatisch, wenn auch nicht zwingend vollautomatisch, ausgelöster - Brandgasventilatoren, ausgelegt für einen mindestens zehnfachen Luftwechsel in dem Verkaufsraum sowie eine Zuluftsicherung durch eine Türaufstellung (BSM 2 b). Diesen Inhalt der Nebenbestimmung BSM 2 a) und b) haben die Vertreter des Beklagten - darunter der Prüfsachverständige für Brandschutz des Beklagten - im Erörterungstermin am 10. Mai 2012 bestätigt. Die Klägerin, die im Erörterungstermin vom 10. Mai 2012 durch den Prüfsachverständigen für Brandschutz, Herrn Dipl.-Ing. I. , begleitet wurde, hat die Nebenbestimmung BSM 2 a) und b) entsprechend verstanden und keine Einwände gegen deren Bestimmtheit erhoben.

b) Die Nebenbestimmung BSM 2 a) und b) war von der Ermächtigungsgrundlage des § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 5 und Nr. 9 BauO NRW gedeckt. Der Beklagte durfte sie der Baugenehmigung vom 10. Juni 2009 nach §§ 75 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW, 36 Abs. 1 VwVfG NRW beifügen, weil dem Bauvorhaben der Klägerin ansonsten öffentlichrechtliche Vorschriften des Brandschutzes - §§ 17 Abs. 1, 3 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW - entgegengestanden hätten. Die Voraussetzungen der - anwendbaren (dazu aa) - Ermächtigungsgrundlage waren erfüllt (dazu bb). Nach § 114 Satz 1 VwGO erhebliche Ermessensfehler lagen nicht vor (dazu cc).

aa) § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 5 und Nr. 9 BauO NRW war anwendbar. Dass Rauchabzugsanlagen und -möglichkeiten bei Sonderbauten im Sinne von § 54 Abs. 3 iVm § 68 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 BauO NRW - hier ein Lebensmittelmarkt mit einer Verkaufsfläche von mehr als 700 m² - nicht Gegenstand spezieller bauordnungsrechtlicher Vorschriften sind, sperrt § 54 BauO NRW nicht. Im Gegenteil: Dieser Befund gestattet in der vorliegenden Fallgestaltung gerade den Rückgriff auf § 54 BauO NRW zur Durchsetzung der allgemeinen Brandschutzbestimmungen der §§ 17 Abs. 1, 3 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW im Einzelfall. Etwas anderes würde erst dann gelten, wenn Rauchabzugsanlagen und -möglichkeiten in Sonderbauten nach § 68 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 BauO NRW Gegenstand einer speziellen Vorschrift der Bauordnung NRW wären, welche die diesbezüglichen Anforderungen gesetzlich abschließend ausgestaltete.

bb) Die Nebenbestimmung BSM 2 a) und b) füllte den Tatbestand des § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 5 und Nr. 9 BauO NRW aus.

Gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW können für bauliche Anlagen und Räume besonderer Art oder Nutzung (Sonderbauten) im Einzelfall zur Verwirklichung der allgemeinen Anforderungen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW besondere Anforderungen gestellt werden.

Vgl. überdies dazu, dass besondere Anforderungen zur Gewährleistung hinreichender Brandschutzeinrichtungen und -vorkehrungen gegebenenfalls auch an Verkaufsstätten mit weniger als 700 m² Verkaufsfläche gestellt werden können: OVG NRW, Beschluss vom 11. Januar 2008 - 10 A 1277/07 -, BRS 73 Nr. 190 = juris Rn. 13.

Mit dieser Ermächtigung trägt das Gesetz im Hinblick auf den Brandschutz Abweichungen vom Regeltyp der baulichen Anlage "Wohngebäude" Rechnung, die sich bei Sonderbauten ergeben können. Sonderbauten unterscheiden sich von dem baulichen Normalfall eines Wohnhauses geringer oder mittlerer Höhe über rechteckigem Grundriss insbesondere durch Schwierigkeiten der Brandbekämpfung, durch einen häufig wechselnden Benutzer- oder Besucherkreis, durch Besonderheiten der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit von Benutzern oder Besuchern, durch ein besonderes Gefahrenpotential, durch einen hohen Verschleiß der für die Standsicherheit wesentlichen Bauteile sowie durch die besondere Nutzungsformen oder die Größe des Vorhabens. Während dem Brandschutz im Regelfall über die allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen zum Brandschutz (z. B. über Abstände, Rettungswegführung sowie Bauteile und Baustoffe) Rechnung getragen werden kann, können die besonderen Anforderungen des § 54 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW abgestimmt auf das jeweilige besondere Gefahrenpotential von Sonderbauten darüber hinaus gehen.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 23. September 2009 - 7 B 1065/09 -, S. 4 des amtlichen Umdrucks, und vom 11. Januar 2008 - 10 A 1277/07 -, BRS 73 Nr. 190 = juris Rn. 10 und 12; Czepuck, in: Gädtke/Czepuck/Johlen/Plietz/

Wenzel, BauO NRW, 12. Auflage 2011, § 54

Rn. 1; Hahn, in: Boeddinghaus/Hahn/Schulte/

Radeisen, BauO NRW, Loseblatt, Band I, Stand Mai 2012, § 54 Rn. 1.

§ 54 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW ermächtigt die Bauaufsichtsbehörde vor diesem Hintergrund zu Gefahrenabwehrmaßnahmen - unter Umständen, wie hier, in der Form von Nebenbestimmungen zur Baugenehmigung gemäß § 36 VwVfG NRW-welche die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen treffen kann, um die Baurechtskonformität eines Sonderbaus herbeizuführen. Es handelt sich bei diesen Gefahrenabwehrmaßnahmen - gegebenenfalls in Gestalt einer Nebenbestimmung - um besondere Anforderungen, die nicht schon regelmäßig bei allen Vorhaben zu stellen sind. Sie können sich quantitativ oder qualitativ von den Anforderungen im Regelfall unterscheiden. Welche besonderen Anforderungen die Bauaufsichtsbehörde im Einzelfall stellen darf, richtet sich nach dem Gefahrenpotential, das mit der besonderen Art der Nutzung des jeweiligen Sonderbaus verbunden ist. Beispielhaft erwähnt § 54 Abs. 2 Nr. 5 BauO NRW als besondere Anforderung (technische) Brandschutzeinrichtungen und Brandschutzvorkehrungen (als vorrangig betriebliche Maßnahmen) oder § 54 Abs. 2 Nr. 9 BauO NRW Maßnahmen, die sich auf die Lüftung beziehen. Die besonderen Anforderungen brauchen nicht den Baukörper selbst zu betreffen. Sie können auch den Betrieb oder die Benutzung zur Lenkung des Verhaltens von Benutzern und Besuchern regeln.

Vgl. Hahn, in: Boeddinghaus/Hahn/Schulte/

Radeisen, BauO NRW, Loseblatt, Band I, Stand Mai 2012, § 54 Rn. 25.

Die solchermaßen zu verstehenden besonderen Brandschutzanforderungen an einen Sonderbau müssen zur Gefahrenabwehr notwendig sein. Dies ist namentlich der Fall, wenn ohne die betreffende besondere Brandschutzanforderung die Gefahr eines Verstoßes gegen die spezielle Brandschutzbestimmung des § 17 Abs. 1 BauO NRW droht. Dieser verkörpert als Konkretisierung der allgemeinen Anforderungen an bauliche Anlagen aus § 3 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW die allgemeinen Vorgaben des bauordnungsrechtlichen Brandschutzes.

Ausgehend davon war die Nebenbestimmung BSM 2 a) und b) von § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 5 und Nr. 9 BauO NRW gedeckt. Die in der Nebenbestimmung BSM 2 a) und b) enthaltenen Anordnungen an die Klägerin, bei der Errichtung des genehmigten Lebensmittelmarkts über das Brandschutzkonzept und die dort theoretisch genannten Rauchabzugsvarianten hinaus zusätzliche Rauchabzugsmöglichkeiten zu schaffen, waren zur Gefahrenabwehr notwendig. Ohne die Schaffung von Rauchabzugsflächen von mindestens 2 % der Wand- und/oder Deckenöffnungen, bezogen auf die jeweilige Grundfläche, die eine Rauchableitung ins Freie ermöglichen (Nebenbestimmung BSM 2 a) bzw. die Installation eines oder mehrerer Brandgasventilatoren nebst automatisch öffnender Zuluftflächen (Türen) (Nebenbestimmung BSM 2 b) - oder ein ebenso wirksames Austauschmittel im Sinne von § 21 Satz 2 OBG NRW - bestünde die Gefahr, dass der genehmigte Lebensmittelmarkt gegen §§ 17 Abs. 1, 3 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW verstößt. Ohne die besonderen Anforderungen der Nebenbestimmung BSM 2 a) und b) wäre mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass die Rettung von Menschen sowie wirksame Löscharbeiten aufgrund der baulichen Beschaffenheit des Lebensmittelmarkts bei einem Brand nicht hinreichend effektiv möglich sind, mit anderen Worten im Brandfall eine Gefahr für Leib und Leben einer unbestimmten Vielzahl von Menschen besteht.

Gemäß § 17 Abs. 1 BauO NRW müssen bauliche Anlagen unter Berücksichtigung insbesondere der Brennbarkeit der Baustoffe, der Feuerwiderstandsdauer der Bauteile, ausgedrückt in Feuerwiderstandsklassen, der Dichtheit der Verschlüsse von Öffnungen und der Anordnung von Rettungswegen so beschaffen sein, dass der Entstehung eines Brands und der Ausbreitung von Feuer und Rauch vorgebeugt wird und bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren sowie wirksame Löscharbeiten möglich sind.

§ 17 Abs. 1 BauO NRW dient - wie durch die in der Regelung niedergelegten Ziele zum Ausdruck kommt - als dessen Grundnorm dem vorbeugenden Brandschutz, während der abwehrende Brandschutz - die Brandbekämpfung - der Feuerwehr zuzuordnen ist (vgl. § 1 Abs. 1 FSHG NRW). § 17 Abs. 1 BauO NRW liegt die Erkenntnis zugrunde, dass mit der Entstehung eines Brands praktisch jederzeit gerechnet werden muss und dass demzufolge der Umstand, dass in vielen Gebäuden jahrzehntelang kein Brand ausgebrochen ist, nur einen Glücksfall darstellt, dessen Ende jederzeit möglich ist.

Vgl. zuletzt OVG NRW, Beschlüsse vom 13. Juli 2012 - 2 A 1272/11 -, S. 10 des amtlichen Umdrucks, vom 24. April 2012 - 10 B 382/12 -, BauR 2012, 1234 = juris Rn. 9, Urteil vom 25. August 2010 - 7 A 749/09 -, NVwZ-RR 2011, 47 = juris Rn. 51.

Dieser in diesem Sinne stets vorhandenen Brandgefahr will § 17 Abs. 1 BauO NRW vorbeugen. Ist ein Brand ausgebrochen, geht es darum, Menschen, die in Gefahr geraten sind, zu retten. Ist eine Selbstrettung nicht mehr möglich, muss eine Rettung von Menschen durch die Feuerwehr gewährleistet sein. Dazu müssen Fluchtwege und Zugänge für die Feuerwehr geschaffen und freigehalten werden. Außerdem muss die Konstruktion des Gebäudes so lange ihre Standfestigkeit bewahren, bis die Rettung von Menschen abgeschlossen ist, und müssen solche baulichen Vorkehrungen getroffen werden, die eine Rettung von Menschen und wirksame Löscharbeiten möglichst optimal gewährleisten. Die Feuerwehr muss ohne Behinderungen zur Brandstelle gelangen und durch die bauliche Beschaffenheit des Gebäudes in die Lage versetzt sein, für eine bestimmte Zeit Löscharbeiten durchzuführen.

Vgl. zum Ganzen Boeddinghaus/Radeisen, in: Boeddinghaus/Hahn/Schulte/Radeisen, BauO NRW, Loseblatt, Band I, Stand Mai 2012, § 17 Rn. 3 ff.

Ob ein Sonderbau wie eine Verkaufsstätte mit einer Verkaufsfläche von mehr als 700 m² - wie hier der genehmigte Lebensmittelmarkt - dem Schutzstandard des § 17 Abs. 1 BauO NRW genügt oder ob es über das mit dem Genehmigungsantrag vorgelegte Brandschutzkonzept hinaus besonderer Anforderungen nach § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BauO NRW bedarf, weil sonst eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit in Gestalt von §§ 17 Abs. 1, 3 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW bestünde, beurteilt sich nach allgemeinen gefahrenabwehrrechtlichen Grundsätzen.

Der in § 3 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW verwendete Begriff der Gefährdung knüpft an die ordnungsrechtliche Generalklausel des § 14 Abs. 1 OBG NRW an. Eine "Gefahr" ist demgemäß ein Zustand, der den Eintritt eines Schadens in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erwarten lässt. Die Sachlage muss bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit Wahrscheinlichkeit ein geschütztes Rechtsgut schädigen. Ob eine solche Sachlage gegeben ist, lässt sich nur aufgrund einer Prognose beurteilen, die der zur Gefahrenabwehr Handelnde seinem Einschreiten zugrunde zu legen hat. Diese Prognose ist auf der Grundlage der im Zeitpunkt des behördlichen Handelns zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten zu treffen. Hat der zur Gefahrenabwehr Handelnde die Lage bis zum tatsächlichen Abschluss seines Einschreitens durch den nicht mehr rückgängig zu machenden Vollzug - "ex ante" gesehen - zutreffend eingeschätzt, durfte er mithin bis zum Abschluss seines Einschreitens vom Vorliegen einer Gefahr im Sinne eines hinreichend wahrscheinlichen Schadenseintritts ausgehen, wird die getroffene Maßnahme nicht deshalb im nachhinein rechtswidrig, weil die Prognose "ex post" betrachtet erschüttert wird.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 3. Juli 2012 - 2 B 748/12 -, juris Rn. 18, und vom 21. Februar 2011 - 2 E 186/11 -, S. 6 f. des amtlichen Umdrucks, Urteile vom 26. März 2003 - 7 A 4491/99 -, NWVBl. 2003, 386 = juris Rn. 11 ff., und vom 15. Juli 2002 - 7 A 1717/01 -, juris Rn. 87 ff.

Hinsichtlich des für ein gefahrenabwehrendes Tätigwerden der Bauaufsichtsbehörde erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrads gilt ein gleitender Maßstab. Die hinreichende Wahrscheinlichkeit verlangt nicht die Gewissheit, dass der Schaden eintreten wird. Vielmehr ist der Eintritt eines Schadens schon bei einer nach der Lebenserfahrung begründeten Befürchtung der Gefahrenverwirklichung hinreichend wahrscheinlich. Bezüglich des Grads der Wahrscheinlichkeit ist insoweit zu differenzieren, als zum einen der Rang des Rechtsguts zu berücksichtigen ist, in das eingegriffen werden soll, und zum anderen aber auch das Gut, zu dessen Schutz vorgegangen werden soll. Je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist, desto geringer sind die Anforderungen, die an die Wahrscheinlichkeit gestellt werden können. Insoweit geht in die Prognose eine wertende Abwägung ein.

Vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 26. März 2003

- 7 A 4491/99 -, NWVBl. 2003, 386 = juris Rn. 14.

Daraus folgt, dass die ordnungsbehördliche Eingriffsschwelle bei Brandgefahren tendenziell niedrig ist. Hinter den Brandschutzvorschriften der §§ 17 Abs. 1, 3 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW steht die Vermeidung von Schäden an Leib und Leben einer unbestimmten Vielzahl von Menschen, die jederzeit eintreten können. Aus Gründen der Brandsicherheit kann die Bauaufsichtsbehörde zum Schutz dieser hochrangigen Rechtsgüter schon gefahrenabwehrend tätig werden, sobald eine gewisse Wahrscheinlichkeit gegeben ist, dass eine Gefahr für die Schutzziele des § 17 Abs. 1 BauO NRW eintreten könnte, falls bestimmte Brandschutzmaßnahmen nicht ergriffen werden. Bei der insofern anzustellenden Prognose kommt der Einsatzpraxis der örtlichen Feuerwehr maßgebliche Bedeutung zu. Um schwerwiegenden Brandgefahren abzuwehren, darf die Bauaufsichtsbehörde besondere Anforderungen im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BauO NRW stellen, die ohne Eingehung von Kompromissen in jeder Hinsicht "auf der sicheren Seite" liegen.

Vgl. zum hohen Stellenwert des Brandschutzes und zur (niedrigen) Wahrscheinlichkeitsschwelle vor einem bauaufsichtsbehördlichen Einschreiten: OVG NRW, Beschlüsse vom 25. August 2010 - 7 A 749/09 -, NVwZ-RR 2011, 47 = juris Rn. 50, vom 22. Februar 2010 - 7 A 1235/08 -, BRS 76 Nr. 131 = juris Rn. 34, vom 21. Februar 2008 - 7 B 107/08 -, juris Rn. 29, vom 8. Mai 2007 - 10 B 2555/06 -, BRS 71 Nr. 182 = juris Rn. 6, und vom 15. Dezember 2004 - 7 B 2142/04 -, BRS 67 Nr. 152 = juris Rn. 16

Nach diesen Grundsätzen gab es für den Beklagten hinreichende Anhaltspunkte für eine Gefahrensituation, die den Erlass der Nebenbestimmung BSM 2 a) und b) zur Beseitigung eines Verstoßes des genehmigten Lebensmittelmarkts gegen §§ 17 Abs. 1, 3 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW - im Hinblick auf die Rettung von Menschen und wirksame Löscharbeiten - rechtfertigten. Diese Anhaltspunkte hat der auch von seinem Prüfsachverständigen für Brandschutz vertretene Beklagte durch seine - fachbehördlichen - Erläuterungen,

vgl. zu diesem Kriterium bei der Gefahrenprognose: OVG NRW, Beschlüsse vom 25. August 2010 - 7 A 749/09 -, NVwZ-RR 2011, 47 = juris Rn. 53, und vom 22. Februar 2010 - 7 A 1235/08 -, BRS 76 Nr. 131 = juris Rn. 34,

namentlich im Erörterungstermin am 10. Mai 2012 sowohl im Hinblick auf die Nebenbestimmung BSM 2 a) als auch im Hinblick auf die Nebenbestimmung BSM 2 b) dargetan.

Im Erörterungstermin hat der Beklagte nachvollziehbar erklärt, eine mechanische Entlüftung über einen Brandgasventilator führe zu einer Rauchgasverdünnung und darüber hinaus zu einer Verbesserung der Sichtverhältnisse im brennenden Gebäude, weil dadurch ein Luftzug entstehe. Wegen der verbesserten Sichtverhältnisse verbessere sich gleichermaßen die Entscheidungsposition der am brennenden Gebäude eintreffenden Feuerwehr. Diese könne aufgrund dessen möglicherweise rasch den Brandherd im Gebäude lokalisieren, diesen bekämpfen und - soweit geboten - noch im Gebäude befindliche Personen retten. Die Sichtverhältnisse seien dabei um so eher verbessert, wenn die Brandgasventilatoren bereits vor Eintreffen der Feuerwehr zeitnah nach Entstehung des Brands in Gang gesetzt worden seien. Die 2%-Grenze der Nebenbestimmung BSM 2 a) habe der Beklagte aus Vorschriften zu anderen Sonderbauten mit großen Räumen übernommen, um insoweit "auf der sicheren Seite" zu sein.

Anhand dieser - fachbehördlichen - Erläuterungen erschließt sich unmittelbar, dass ohne die besonderen Anforderungen der Nebenbestimmung BSM 2 die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Verstoßes gegen §§ 17 Abs. 1, 3 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW - und damit eine Gefahr für Leib und Leben im Brandfall - anzunehmen wäre, weil ohne diese Maßnahmen zur Verbesserung der Sicht im brennenden Gebäude sowohl die Rettung von Menschen als auch wirksame Löscharbeiten aufgrund der spezifischen Nutzungsbedingungen eines Lebensmittelmarkts des in Rede stehenden Typs erschwert wären. Mit Blick auf das hohe Gut des Brandschutzes und der dahinter stehenden Schutzgüter von Leib und Leben muss sich die Bauaufsichtsbehörde nicht auf Kompromisse einlassen, um im Wege des baulichen vorbeugenden Brandschutzes für die Feuerwehr bestmögliche Einsatzbedingungen vorzubereiten. Der vorbeugende Brandschutz muss "auf der sicheren Seite" liegen. Dies schließt die Anordnungen der Nebenbestimmung BSM 2 als besondere Anforderungen zur Gefahrenabwehr im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 5 und Nr. 9 BauO NRW ein. In einem Lebensmittelmarkt mit mehr als 700 m² Verkaufsfläche kann sich regelmäßig eine unbestimmte Vielzahl von Menschen und Mitarbeitern aufhalten. Ein Lebensmittelmarkt ist wegen der raumteilenden Regale nicht von einem Standort aus - etwa vom Eingang - komplett einsehbar. Durch herumstehende Gegenstände wie Einkaufswagen, Hubwagen, Paletten oder Warentische kann der Zugang zum Gebäude, die Bewegungsfreiheit im Gebäude und die Einsicht in den Verkaufsraum zusätzlich erschwert werden. In der Ausnahmegefahrensituation eines Brands, die infolge der beschriebenen Unübersichtlichkeit der Lage in der Verkaufsstätte im Brandfall verschärft wird, ist es für die Feuerwehr essentiell, unmittelbar nach ihrem Eintreffen an der Brandstelle zu entscheiden, welche Einsatzstrategie sie verfolgt, um Menschenleben bewahren und wirksame Löscharbeiten durchführen zu können. Um eine möglichst optimale Einsatzentscheidung treffen zu können, benötigt die Feuerwehr eine möglichst optimale Einsicht in das brennende Gebäude, was wiederum eine möglichst optimale Rauchgasverdünnung und einen hinreichend effektiven Rauchgasabzug bedingt, weil der sich durch den Brand entwickelnde Rauch die Sicht behindert. Die Feuerwehr kann nur auf diese Weise binnen kürzester Zeit - dem Beklagten zufolge beträgt die Eintreffzeit an der Brandstelle nach seinem Brandschutzplan maximal 8 Minuten, die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass ein Lebensmittelmarkt der vorliegenden Art in 10 bis 15 Minuten abbrennt - entscheiden, ob sie einen Innenangriff starten muss, um eventuell im Gebäude zurückgebliebene Menschen aus dem brennenden Lebensmittelmarkt zu bergen, ob sie den Brandherd auch durch einen Innenangriff eindämmen kann oder ob sie die Löscharbeiten ausschließlich von außen angeht.

Diese Gefahreneinschätzung wird über die Erklärungen des Beklagten im Erörterungstermin vom 10. Mai 2012 hinaus von der - gleichfalls fachbehördlichen und auf der Einsatzpraxis der Feuerwehren in Nordrhein-Westfalen fußenden - "Stellungnahme und Handlungsempfehlung der Feuerwehren in Nordrhein-Westfalen zu Verkaufsmärkten mit Nagelplattenbindern" der AGBF-NRW/des Landesfeuerwehrverbands NRW vom 31. Januar 2007 gestützt. Darin heißt es - plausibel -, bei Verkaufsstätten, in denen sich zeitweise sehr viele Menschen aufhielten, sei immer davon auszugehen, dass eine Menschenrettung durch die Feuerwehr notwendig sei, sei es, weil Menschen mit körperlichen Behinderungen sich nicht selbst hätten in Sicherheit bringen können, sei es, weil durch die Trennung von Familien auf der Flucht zu befürchten sei, dass sich noch vermisste Personen im Gebäude aufhielten. Bei einer derartigen Einsatzlage könne sich die Feuerwehr nicht stets nur auf einen Außenangriff beschränken. Dies führt die AGBF-NRW/den Landesfeuerwehrverband NRW zu der Empfehlung für den Neubau von Verkaufsstätten, der Verkaufsraum müsse entraucht werden können. Seien keine ausreichenden öffenbaren Flächen vorhanden, müsse eine maschinelle Entrauchung installiert werden. Diese Empfehlung hat der Beklagte mit der Nebenbestimmung BSM 2 a) und b) umgesetzt.

Ein Wertungswiderspruch zu der nach der Erledigung der Nebenbestimmung BSM 2 am 28. Dezember 2009 in Kraft getretenen Verordnung über Bau und Betrieb von Sonderbauten (Sonderbauverordnung - SBauVO -) vom 17. November 2009 (GV. NRW., S. 682), die der Beklagte in zukünftigen Genehmigungs- bzw. Wiederholungsfällen zum systematischen Abgleich in den Blick zu nehmen hätte, liegt - anders als es Herr Dipl.-Ing. I. in seiner Stellungnahme vom 13. März 2012 nahelegt - nicht vor. Weder lassen sich aus der Sonderbauverordnung zwingende Rückschlüsse auf die brandschutzrechtliche Behandlung von Sonderbauten im Sinne von § 68 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 BauO NRW ziehen, noch stellte der Beklagte mit den Regelungen unter BSM 2 a) und b) höhere Anforderungen als sie - nunmehr - für unter die Sonderbauverordnung fallende Lebensmittelmärkte geltend würden. Gemäß § 59 SBauVO gilt diese Verordnung, die insoweit die Verkaufsstättenverordnung vom 8. September 2000 (GV. NRW., S. 639) ablöst, für Verkaufsstätten, deren Verkaufsräume und Ladenstraßen einschließlich ihrer Bauteile eine Fläche von insgesamt mehr als 2.000 m² haben. Gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 SBauVO müssen in Verkaufsstätten ohne Sprinkleranlagen Verkaufsräume sowie Ladenstraßen Rauchabzugsanlagen haben. Dies gilt nicht für Verkaufsräume mit notwendigen Fenstern nach § 48 Abs. 2 BauO NRW, wenn das Rohbaumaß der Fensteröffnungen mindestens ein Achtel der Grundfläche des Raums beträgt (§ 72 Abs. 1 Satz 2 SBauVO). In sonstigen notwendigen Treppenräumen, die durch mehr als zwei Geschosse führen, muss an ihrer obersten Stelle ein Rauchabzug vorhanden sein; der Rauchabzug muss eine Öffnung mit einem freien Querschnitt von mindestens 5 v. H. der Grundfläche des Treppenraumes, mindestens jedoch von 1 m² haben (§ 72 Abs. 4 Satz 2 SBauVO). Diesen Regelungen ist zu entnehmen, dass Verkaufsstätten im Sinne von § 59 SBauVO grundsätzlich ebenfalls mit Rauchabzugsanlagen zu versehen sind. Wie diese genau ausgestaltet sein müssen, legt § 72 SBauVO nur umrisshaft fest, so dass auch bei solchen Verkaufsstätten Raum für besondere Anforderungen im Einzelfall verbleibt. Jedenfalls aber liegt die in § 72 Abs. 1 Satz 2 SBauVO festgelegte Fläche der Fensteröffnungen, ab der Rauchabzugsanlagen entbehrlich sind, mit einem Achtel der Grundfläche deutlich oberhalb der 2%-Forderung der BSM 2 a).

Die fachbehördlich fundierte Gefahreneinschätzung des Beklagten stellt die Klägerin nicht durchgreifend in Frage.

Dabei mag es - dies sei den nachfolgenden Ausführungen einleitend allgemein vorangestellt - sein, dass die Nebenbestimmung BSM 2 a) und b) - wie im Erörterungstermin am 10. Mai 2012 deutlich wurde - in brandschutztechnischer Hinsicht diskutabel ist - hier also brandschutzfachlich verschiedene Ansätze vertreten werden und vertreten werden können - und dass die in der Nebenbestimmung vorgesehenen Maßnahmen möglicherweise auf verschiedene Art und Weise ausgestaltet und dimensioniert werden könnten. Gefahrenabwehrrechtlich ist diese technische Sicht auf den Brandschutz jedoch jenseits des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit irrelevant. Die damit berührten brandschutzfachlichen Fragen ändern nichts an dem - vorstehend dargelegten - Vorliegen der nach originär ordnungsrechtlichen Maßstäben zu beurteilenden Gefahrenlage.

Dem Umstand, dass auch andere Gefahrenabwehrmittel existieren mögen, die zur Gefahrenabwehr, d. h. hier zum vorbeugenden Brandschutz nach §§ 17 Abs. 1, 3 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW in Lebensmittelmärkten im Sinne von § 68 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 BauO NRW in Gestalt einer Nebenbestimmung ebenso oder annähernd geeignet sein mögen, kann die Bauaufsichtsbehörde eventuell über die schon erwähnte Gestattung eines Austauschmittels gemäß § 21 Satz 2 OBG NRW Rechnung tragen.

Im Einzelnen gilt für die Einwände der Klägerin gegen die Gefahrenprognose des Beklagten Folgendes:

Die konstatierte Gefahrenlage ohne die besonderen Anforderungen der BSM 2 wird nicht durch das Brandschutzkonzept beseitigt, das Herr Dipl.-Ing. I. im Vorfeld der Genehmigung erstellt hat. Das Brandschutzkonzept setzt - wie Herr Dipl.-Ing. I. im Erörterungstermin am 10. Mai 2012 bekräftigt hat - für den vorbeugenden Brandschutz vornehmlich auf eine zeitnahe Evakuierung des Lebensmittelmarkts - im Sinne einer Selbstrettung - binnen maximal knapp 4 Minuten über die eingerichteten Rettungswege nach einer rechtzeitigen Alarmierung. Die gebäudespezifische Ausbildung der Rettungswege in der Verkaufsstätte erlaube es einer flüchtenden Person nahezu immer - egal, wo der Brand ausbreche - sich von der Gefahr abzuwenden und über die voneinander unabhängigen Rettungswege sicher ins Freie zu gelangen. Die maximal zulässige Rettungsweglänge von einem Aufenthaltsraum (ungünstigste Stelle) bis zu einem Ausgang ins Freie werde im gesamten zu betrachtenden Gebäudekomplex eingehalten. Eine rechtzeitige Branderkennung und -meldung sei gewährleistet. Parallel werde durch die Rauchmelder im Dachbereich die Voraussetzung dafür geschaffen, durch eine geplante Alarmorganisation die gezielte Räumung der Gebäudenutzer einzuleiten.

Dieser Ansatz des Brandschutzkonzepts des Vorrangs der Selbstrettung, der einen Innenangriff der Feuerwehr und die Schaffung möglichst optimaler Sichtbedingungen durch die weitgehenden Rauchabzugsmöglichkeiten der Nebenbestimmung BSM 2 a) und b) nach Ansicht der Klägerin überflüssig mache, weil die im Gebäude befindlichen Menschen dieses bei Eintreffen der Feuerwehr - und vor dem nach 10 bis 15 Minuten zu erwartenden Einsturz des Dachs - bereits verlassen hätten, ist zum Zweck der Gefahrenabwehr und dem Schutz von Leib und Leben im Brandfall im Lichte der §§ 17 Abs. 1, 3 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW indessen zur Rettung von Menschen und zur Gewährleistung wirksamer Löscharbeiten nicht hinreichend effektiv.

Wie auch in der zitierten Stellungnahme der AGBF-NRW/des Landesfeuerwehrverbands NRW vom 31. Januar 2007 zutreffend zum Ausdruck gelangt, ist der Brand eines Lebensmittelmarkts eine unübersichtliche Ausnahmegefahrensituation, in die regelmäßig eine Vielzahl von Personen involviert ist. Auch wenn die Evakuierungsberechnungen des Brandschutzkonzepts auf einem allgemein anerkannten Rechenmodell beruhen - wie der Beklagte im Erörterungstermin am 10. Mai 2012 zugestand -, das Berechnungsmodell "konservativ" programmiert ist und etwaige Störungen des Evakuierungsablaufs durch die Mitbetrachtung einer Pulkbildung von Menschen und die Einbeziehung langsamerer Gehgeschwindigkeiten berücksichtigt, bleibt es ein Modell, das die Gefahrensituation nur annäherungsweise abbilden kann und dabei zudem ein umsichtiges Verhalten der Mitarbeiter des Lebensmittelmarkts im Brandfall unterstellt, welche die Evakuierung koordinieren. Dies gesteht die Evakuierungsberechnung von Herrn Dipl.-Ing. I. selbst zu, der darauf hinweist, dass die Berechnung von Personenströmen unter Gefahrenbedingungen nur angenähert seien, weil solche Bedingungen bei einem Versuch nicht realistisch geschaffen werden könnten. Es handele sich bei den Werten für die Gefahrenbedingungen - so Herr Dipl.-Ing. I. weiter - um extrapolierte Werte, die aus normalen Bedingungen und Zwangsevakuierungen gewonnen worden seien.

Diese immanente methodische Schwäche der Evakuierungsberechnung zur realitätsnahen Abbildung der panikarten Situation eines Brandszenarios, die sie als alleinige Basis für die Ausgestaltung von Brandschutzmaßnahmen für Lebensmittelmärkte im Sinne des § 68 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 BauO NRW untauglich sein lässt, tritt auch bei einzelnen Teilen der in der Evakuierungsberechnung angenommenen Gefahrenbedingungen zu Tage. Die Evakuierungsberechnung nimmt an, dass die Einkaufswagen bei der Flucht beiseite geschoben würden und außerhalb der als Rettungsweg verbleibenden Gangbreite von 1,20 m abgestellt blieben. Als Engstellen berücksichtigt sie nur Ausgänge und Kassen. Des Weiteren stellt die Evakuierungsberechnung für die Ermittlung der Personendichte - wenig realistisch - ein, dass sich alle Personen gleichmäßig im Raum verteilt auf den Gängen um die Warenstände aufhielten und dass alle Personen gleichzeitig mit der Räumung des Gebäudes begönnen, wobei in der Phase der Selbstrettung keine Unterbrechungen aufträten außer durch Staus an den definierten Engstellen. Weiterhin solle "zur Einhaltung bauordnungsrechtlicher Schutzziele" die Vorgabe eingehalten werden, dass einzelne Stauzeiten möglichst kurz seien und in keinem Fall mehr als eine Minute betrügen, dass die Summe aller Stauzeiten bzw. Verzögerungszeiten mit Gehgeschwindigkeiten