BGH, Beschluss vom 25.10.2012 - VII ZB 57/11
Fundstelle
openJur 2012, 130774
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 5 T 95/10

Eine erteilte und vorgelegte einfache Vollstreckungsklausel hat das Vollstreckungsgericht nicht dahingehend zu überprüfen, ob eine qualifizierte Klausel nach §726 ZPO erforderlich ist (im Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 12. Januar 2012 - VII ZB 71/09, NJW-RR 2012, 1146; vom 23. Mai 2012 - VII ZB 31/11, NJW-RR 2012, 1148).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Gläubigers werden der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 25. August 2011 und der Beschluss des Amtsgerichts Winsen/Luhe - Vollstreckungsgericht - vom 20. September 2010 aufgehoben.

Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers wird das Vollstreckungsgericht angewiesen, den Antrag vom 12. August 2010 auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht wegen Fehlens einer qualifizierten Vollstreckungsklausel zurückzuweisen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren werden dem Schuldner auferlegt.

Gründe

I.

Der Gläubiger betreibt aus übergegangenem Recht (§ 7 UVG) aufgrund eines Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses des Familiengerichts die Zwangsvoll-1 streckung gegen den Schuldner. Das Vollstreckungsgericht hat den Antrag des Gläubigers auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zurückgewiesen, da die nach § 724 Abs. 2 ZPO vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erteilte vollstreckbare Ausfertigung nicht ausreiche. Die Forderung sei nur bedingt tituliert, nämlich unter der Voraussetzung, dass und soweit Unterhaltsvorschüsse erbracht seien. Erforderlich sei daher eine vom Rechtspfleger des Familiengerichts erteilte vollstreckbare Ausfertigung nach § 726 Abs. 1 ZPO.

Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde des Gläubigers hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen (LG Lüneburg, BeckRS 2011, 14461). Mit der zunächst durch die Einzelrichterin zugelassenen Rechtsbeschwerde hat der Gläubiger die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht begehrt. Die Rechtsbeschwerde hatte wegen Verstoßes gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters Erfolg (BGH, Beschluss vom 5. Mai 2011 - VII ZB 15/11, BeckRS 2011, 14446). Die mit drei Mitgliedern besetzte Kammer hat die sofortige Beschwerde mit identischen Ausführungen zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Der Gläubiger verfolgt seine Anträge in der Beschwerdeinstanz weiter, hilfsweise begehrt er die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

II.

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde hat Erfolg. 2 1. Das Beschwerdegericht hat im Wesentlichen ausgeführt, § 726 Abs. 1 ZPO sei auch auf Unterhaltsfestsetzungsbeschlüsse anwendbar. Der Bedingungseintritt und der Umfang der Unterhaltsleistungen des Landes an den Unterhaltsberechtigten seien im Klauselerteilungsverfahren nachzuweisen. Andernfalls laufe der Unterhaltsschuldner Gefahr, doppelt in Anspruch genommen zu werden. Dem Land als Gläubiger sei der Nachweis des gezahlten Unterhalts durch eine Bestätigung der Kreiskasse ohne weiteres möglich.

2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Der angefochtene Beschluss begegnet bereits deshalb Bedenken, weil er keine Darstellung des Sachverhalts enthält, auf deren Grundlage eine rechtliche Überprüfung ohne weiteres möglich wäre. Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, jedoch wiedergeben und den Streitgegenstand sowie die Anträge der Parteien in beiden Instanzen erkennen lassen; andernfalls sind sie nicht mit den erforderlichen gesetzmäßigen Gründen versehen (§ 576 Abs. 3, § 547 Nr. 6 ZPO; siehe BGH, Beschlüsse vom 5. Juni 2012 - VI ZB 76/11, BeckRS 2012, 14910 Rn. 4; vom 23. März 2011 - VII ZB 128/09, NJW 2011, 1679 Rn. 9; vom 20. Juni 2002 - IX ZB 56/01, NJW 2002, 2648; jeweils m.w.N.). Das Fehlen einer Sachdarstellung kann hier nur deshalb ausnahmsweise hingenommen werden, weil sich die maßgeblichen verfahrensrechtlichen Vorgänge gerade noch mit hinreichender Deutlichkeit aus den Beschlussgründen ermitteln lassen.

b) Das Vollstreckungsgericht hat den Antrag des Gläubigers auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses rechtsfehlerhaft davon abhängig gemacht, dass der Gläubiger eine gemäß § 726 Abs. 1 ZPO qualifizierte 4 Vollstreckungsklausel vorlegt. Dies stand nicht zur Überprüfung des Vollstreckungsgerichts.

aa) Die Erteilung der Vollstreckungsklausel erfolgt gemäß § 724 Abs. 2 ZPO grundsätzlich durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des titelschaffenden Gerichts. Geht dort ein Antrag auf Erteilung einer Vollstreckungsklausel ein, obliegt es ihm auch zu prüfen, ob der Titel Vollstreckungsbedingungen im Sinne des § 726 Abs. 1 ZPO enthält und es deshalb gemäß § 20 Nr. 12 RPflG dem Rechtspfleger vorbehalten ist, eine dann erforderliche qualifizierte Klausel zu erteilen. Gegenstand dieser Prüfung ist der Inhalt des Titels, der in der Regel durch Auslegung zu ermitteln ist. Gelangt die Prüfung durch den Urkundsbeamten zu einem objektiv falschen Ergebnis und erteilt er zu Unrecht eine einfache Vollstreckungsklausel nach §§ 724, 725 ZPO, so liegt darin eine fehlerhafte Ausübung der ihm nach dem Gesetz übertragenen Aufgaben.

bb) Der Fehler betrifft aber, wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, lediglich die materielle Richtigkeit der erteilten Vollstreckungsklausel, die grundsätzlich nicht zur Überprüfung des Vollstreckungsorgans gestellt ist. Seiner Nachprüfung unterliegt es, ob eine Klausel vorhanden ist und ob sie ordnungsgemäß erteilt wurde, nicht hingegen, ob sie erteilt werden durfte. Deshalb ist es nicht Sache des mit der Vollstreckung des Titels befassten Vollstreckungsorgans, die Wirksamkeit der Klausel am Inhalt des Titels zu messen und die erforderliche Abgrenzung zwischen unbedingt und bedingt vollstreckbaren Titeln vorzunehmen (BGH, Beschlüsse vom 12. Januar 2012 - VII ZR 71/09, NJW-RR 2012, 1146 Rn. 14 ff.; vom 23. Mai 2012 - VII ZB 31/11, NJW-RR 2012, 1148 Rn. 12, mit Anm. Toussaint, FD-ZVR 2012, 334898; BeckOK ZPO/Ulrici, Stand: 15. Juli 2012, § 724 Rn. 6, 32; BeckOK ZPO/Riedel, aaO, § 829 Rn. 36; siehe bereits Zöller/Stöber, ZPO, 8 29. Aufl., § 724 Rn. 14; MünchKommZPO/Wolfsteiner, 3. Aufl., § 724 Rn. 4, 15; Schuschke in: Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., § 726 Rn. 18; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, 12. Aufl., § 16 Rn. 16; Giers in: Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 2010, § 724 ZPO Rn. 5). Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Kniffka Eick Halfmeier Leupertz Kosziol Vorinstanzen:

AG Winsen (Luhe), Entscheidung vom 20.09.2010 - 9a M 21355/10 -

LG Lüneburg, Entscheidung vom 25.08.2011 - 5 T 95/10 - 10