FG Köln, Urteil vom 26.06.2012 - 3 K 2961/07
Fundstelle
openJur 2012, 130525
  • Rkr:
Tenor

Der Umsatzsteuerbescheid 2003 vom 22. Januar 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Juli 2007 wird geändert und die Umsatzsteuer unter Berücksichtigung der in Rechnungen unberechtigt ausgewiesenen Steuerbeträge (§ 14 Abs. 3 UStG) auf 62,40 € festgesetzt.

 

Die Kosten des Rechtstreits trägt der Beklagte.

 

Die Revision wird zugelassen.

 

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger im Streitjahr 2003 auf die Besteuerung als Kleinunternehmer zunächst verzichtet und diesen Verzicht bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung widerrufen hat.

Für das Kalenderjahr 2002 gab der als Trainer tätige Kläger keine Umsatzsteuererklärung ab. Nach der ertragsteuerlichen Einnahmen-Überschussrechnung des Klägers für das Kalenderjahr 2002 erzielte dieser Umsatzerlöse in Höhe von 10.014,86 €, steuerpflichtige Umsätze aus dem Eigenverbrauch in Höhe von 9.131,50 € und Zinseinnahmen in Höhe von 42,87 €. Bei all diesen Einnahmen handelte es sich um Bruttoeinnahmen inklusive vereinnahmter Umsatzsteuer.

Für das Kalenderjahr 2003 gab der Kläger, der ansonsten steuerlich beraten war, am 7. Juli 2004 eine von ihm selbst erstellte Umsatzsteuererklärung für ein Unternehmen mit dem Gegenstand „Hausverwaltung“ ab. In dieser Umsatzsteuererklärung waren Umsätze zum allgemeinen Steuersatz aus Lieferungen und Leistungen in Höhe von 390 € netto und aus Entnahmen für unternehmensfremde Zwecke in Höhe von 264 € sowie Vorsteuerbeträge aus Rechnungen von anderen Unternehmern in Höhe von 1.690,75 € angesetzt. Die Umsätze aus der Tätigkeit als Trainer wurden in dieser Steuererklärung nicht angegeben.

Der Kläger gab ebenfalls am 7. Juli 2004 seine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr ab. Mit der Steuererklärung reichte der Kläger zwei Gewinnermittlungen nach den Grundsätzen der Einnahmen-Überschussrechnung ein. Erstens legte der Kläger eine Gewinnermittlung für sein Unternehmen „A“ (die Trainertätigkeit) vor. Zweitens reichte der Kläger eine Gewinnermittlung für das Unternehmen „Hausverwaltung“ ein. In der Anlage GSE wies der Kläger einen Verlust aus dem Gewerbebetrieb „Hausverwaltung“ und für die Trainertätigkeit einen Gewinn aus selbständiger Arbeit aus.

Der Beklagte erstellte unter dem 12. Juli 2004 eine Umsatzsteuer-Hinweismitteilung zur Erklärung 2003. Diese Erklärung ist auf der Rückseite lediglich vom Bearbeiter unterschrieben. Es sind dort verschiedene Kennzahlen angegeben und die Bemerkung angebracht „Zustimmungsvorschlag umseitig / Folgeblatt“. Auf dem Formblatt zur Hinweismitteilung sind auf der Rückseite im Übrigen keine Vermerke angebracht und es ist insbesondere auch nicht der Tag angegeben, an dem der Zustimmungsvorschlag des Beklagten zur Post gehen sollte. Handschriftlich findet sich auf der Vorderseite der Hinweismitteilung eine Ergänzung mit dem Wortlaut „keine VA abgegeben“ mit einem Unterschriftszeichen und einem Stempel vom 9. Dezember 2004. In der Umsatzsteuerakte des Beklagten ist dahinter ein Zustimmungsvorschlag für das Streitjahr abgelegt, der eine Umsatzsteuer-Erstattung in Höhe von 1.586,20 € ausweist.

Am 17. Dezember 2004 wurde der Vorsteuerüberhang an den Kläger ausgezahlt.

Mit einem Schreiben vom 23. März 2006 wandte sich der Beklagte an die Steuerberaterin des Klägers und teilte ihr mit, der Kläger habe eine Umsatzsteuer-Erstattung für das Unternehmen „Hausverwaltung“ in der abgegebenen Steuererklärung beantragt, jedoch nicht die Umsätze aus der Tätigkeit als Trainer in der Umsatzsteuererklärung erfasst. Er bitte um Abgabe einer berichtigten Steuererklärung, die die gesamten Ausgangs- und Eingangsumsätze umfasse.

Die damalige Steuerberaterin des Klägers erklärte mit Schreiben vom 18. Dezember 2006, für die Änderung der Steuererklärung fehle eine rechtliche Grundlage. Eine weitere Begründung enthielt das Schreiben nicht.

Der Beklagte erließ daraufhin unter dem 22. Januar 2007 einen Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr. Hierbei bezog er die Umsätze aus der Tätigkeit des Klägers als Trainer in die steuerpflichtigen Umsätze sowie die entsprechenden Vorsteuerbeträge ein. In den Erläuterungen des Bescheides teilte der Beklagte mit, er habe die Umsätze aus der Tätigkeit als Trainer anhand der eingereichten ertragsteuerlichen Gewinnermittlung geschätzt. Die Vorsteuer für die Trainertätigkeit habe er in Höhe von 2.000 € ebenfalls geschätzt.

Der Beklagte führte im Bescheid weiter aus, dass mit der am 7. Juli 2004 eingereichten Umsatzsteuererklärung auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung verzichtet worden sei. Es seien jedoch nur die Umsätze aus der Tätigkeit als Hausverwalter angegeben worden und der damit zusammenhängende Vorsteuerüberhang am 17. Dezember 2004 erstattet worden. Daraufhin sei ab dem 17. Januar 2005 --einen Monat nach Vereinnahmung der Erstattung-- von einer bindenden Verzichtserklärung des Klägers für fünf Kalenderjahre gemäß § 19 Abs. 2 UStG auszugehen. Da die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit eines Unternehmers einheitlich zu erfassen sei, gelte diese Verzichtserklärung für das gesamte Unternehmen, so dass auch die Umsätze aus der Trainertätigkeit im Jahr 2003 der Umsatzsteuer unterlägen.

Hiergegen erhob der Kläger Einspruch. Er reichte zur Begründung eine berichtigte Erklärung zur Umsatzsteuer für das Streitjahr ein, die als sog. Nullerklärung weder Angaben zu Umsätzen noch zu Vorsteuerbeträgen enthielt.

Er habe in seiner Tätigkeit als Trainer seine Rechnungen ohne Ausweis von Mehrwertsteuer ausgestellt und auch nicht gegenüber dem Beklagten auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung verzichtet, weshalb er auch keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben habe. Er habe nur für den neuen Geschäftszweig der Hausverwaltung beschlossen, auf die Kleinunternehmerregelung zu verzichten, dies jedoch ohne Kenntnis der Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG getan. Er habe die Rechnungen für die“ Hausverwaltung“ zuzüglich der Umsatzsteuer ausgestellt, den Eigenverbrauch der Umsatzsteuer unterworfen und die Vorsteuerbeträge aus dieser Tätigkeit geltend gemacht. Da er nur für einen Teilbereich seiner Betätigung die Umsätze erklärt habe, sei für den Beklagten jederzeit ersichtlich gewesen, dass er für sein gesamtes Unternehmen keine Verzichtserklärung habe abgeben wollen. Der Beklagte habe auch im Zuge der Erörterung der Steuererklärungen, zuletzt in Schreiben vom15. November 2004 und 9. Dezember 2004, detaillierte Fragen zu den Erklärungen gestellt. Es habe dann am 17. Dezember 2004 die Umsatzsteuer erstattet und am 4. Februar 2005 den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr erlassen.

Der Beklagte habe die in den Richtlinien enthaltene Verpflichtung (Abschnitt 247 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 UStR 2003), den Unternehmer in Zweifelsfällen zu befragen, ob er auf die Kleinunternehmerregelung verzichten wolle, nicht beachtet. Er beantrage, die Anwendung der Kleinunternehmerregelung für das Streitjahr zu gewähren, werde den erstatteten Betrag des Vorsteuerüberhangs zurückzahlen und reiche eine berichtigte Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr ein.

Der Beklagte wies den Einspruch als unbegründet zurück.

Der Kläger habe mit Abgabe der Umsatzsteuererklärung vom Juli 2004 durch schlüssiges Verhalten auf die Besteuerung als Kleinunternehmer verzichtet. Diese Umsatzsteuererklärung sei zwar nicht von der Steuerberaterin, die bei der Herstellung der steuerlichen Gewinnermittlungen mitgewirkt habe, sondern vom Kläger persönlich eingereicht worden. Die Willensbekundung des Klägers sei jedoch eindeutig gewesen, da dieser einen Vorsteuerüberhang geltend gemacht und auch die Erstattungszahlung vereinnahmt habe. Dass der Kläger den Grundsatz der Unternehmenseinheit nicht kenne, könne man ihm nicht vorhalten. Er habe jedoch für einen Teilbereich seines Unternehmens bewusst auf die Behandlung als Kleinunternehmer verzichtet und müsse dann auch alle Konsequenzen dieses Verzichts gegen sich gelten lassen. Der Kläger habe den Verzicht nicht bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung widerrufen. Maßgeblicher Zeitpunkt sei die Unanfechtbarkeit der erstmaligen Steuerfestsetzung. Eine wirksame Rücknahme der Verzichtserklärung wäre lediglich innerhalb der einmonatigen Rechtsbehelfsfrist gegen den Erstbescheid möglich gewesen.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, mit der der Kläger weiterhin geltend macht, nicht auf die Kleinunternehmerregelung verzichtet zu haben und hilfsweise vorbringt, diesen Verzicht rechtzeitig widerrufen zu haben.

Die Abgabe der Umsatzsteuererklärung durch ihn im Juli 2004 beinhalte keine konkludente Verzichtserklärung auf die Kleinunternehmerregelung. Der Kläger habe auch eine Gewinnermittlung für das freiberufliche Unternehmen abgegeben, für das umsatzsteuerrechtlich in der Vergangenheit die Kleinunternehmerregelung in Anspruch genommen worden sei. Für den Beklagten sei hieraus ohne weiteres erkennbar gewesen, dass in der Umsatzsteuererklärung nur ein kleiner Teil der Umsätze für die Hausverwaltung angegeben worden sei und daneben eine Gewinnermittlung für die Trainertätigkeit erstellt worden sei. In dieser Gewinnermittlung sei bei den Einnahmen keine vereinnahmte Umsatzsteuer und bei den Ausgaben keine an Dritte gezahlte Vorsteuer ausgewiesen gewesen. Darin liege kein schlüssiges Verhalten, zur Regelbesteuerung zu optieren. Die formelle Unanfechtbarkeit der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr sei nicht einen Monat nach Auszahlung des Vorsteuerüberhangs vom 17. Dezember 2004 am 17. Januar 2005 eingetreten. Entscheidend für die Frage, ob eine Steuerfestsetzung formell unanfechtbar sei, sei der Umsatzsteuerbescheid vom 22 Januar 2007.

Nachdem der Kläger zunächst schriftsätzlich beantragt hatte, den Umsatzsteuerbescheid für 2003 vom 22.01.2007 insgesamt aufzuheben, hat er seinen Klageantrag in der mündlichen Verhandlung im nachfolgenden Umfang beschränkt.

Der Kläger beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid 2003 vom 22.01. 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.07. 2007 dergestalt abzuändern, dass Umsatzsteuer ausschließlich in Höhe von 62,40 € für unberechtigt in Rechnung gestellte Umsatzsteuerbeträge festgesetzt werde.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der ertragsteuerlichen Gewinnermittlung könne für die Frage, ob der Kläger zur Regelbesteuerung habe optieren wollen, nichts entnommen werden. Die Gewinnermittlung sei nur maßgebend für die Ermittlung des ertragsteuerlichen Gewinns und enthalte keine bindenden Angaben hinsichtlich der Umsatzsteuer. Wenn in einer Gewinnermittlung weder steuerpflichtige Umsätze noch Vorsteuerbeträge sondern stattdessen Bruttoumsätze und Bruttobetriebsausgaben ausgewiesen seien, habe die ertragsteuerliche Erklärung keine Aussagekraft für die umsatzsteuerliche Würdigung.

Der Kläger verkenne, dass für die Unanfechtbarkeit einer Steuerfestsetzung allein die formelle Bestandskraft maßgeblich sei. Diese sei im Streitfall am 17. Januar 2005 eingetreten. Denn die eingereichte Umsatzsteuererklärung des Klägers vom Juli 2004 stehe einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168 Satz 1 AO), wenn das FA dem angemeldeten Vorsteuerüberhang zustimme (§ 168 Satz 2 AO). Diese Zustimmung des Beklagten bedürfe keiner Form und sei im Streitfall jedenfalls durch die Auszahlung des Erstattungsbetrags auf das Konto des Klägers erteilt worden. Die Kenntnisnahme des Klägers von der Erstattung sei zeitnah zu vermuten, da der Kläger andernfalls mit Sicherheit beim Beklagten nachgefragt hätte, wann er diese Erstattung erhalten würde. Sei die Zustimmung durch Auszahlung des Erstattungsbetrags bewirkt worden, sei formelle Bestandskraft der Umsatzsteuer-Festsetzung vom Juli 2004 am 20. Januar 2005 eingetreten.

Ob der Kläger auch schriftlich über die Zustimmung informiert worden sei, sei aus der Akte nicht erkennbar. Aus den Erläuterungen des angefochtenen Bescheids gehe nur hervor, dass der Bescheid vom 22. Januar 2007 einen Bescheid vom 17. Dezember 2004 ändere, so dass davon auszugehen sei, dass der Kläger die Zustimmung auch noch schriftlich erhalten habe, was der Beklagte jedoch nicht nachweisen könne. Ausgehend von dem für den Kläger günstigsten Fall, dass er eine solche schriftliche Zustimmung erhalten habe und dieser keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt gewesen sei, habe der Kläger innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe der schriftlichen Zustimmung Einspruch einlegen müssen. Diese Frist sei mit Ablauf des 20. Dezember 2005 abgelaufen.

Bis zu keinem der genannten Zeitpunkte habe der Kläger den zuvor ausgesprochenen Verzicht auf die Besteuerung als Kleinunternehmer widerrufen.

Es sei nicht zutreffend, dass der Kläger gegen diese Umsatzsteuer-Festsetzung gemäß § 350 AO mangels Beschwer  keinen Einspruch habe einlegen können und deshalb die Umsatzsteuerfestsetzung nicht unanfechtbar geworden sei. Denn er habe auch eine höhere Vorsteuererstattung beantragen können.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Der Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr vom 22. Januar 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Juli 2007 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO--).

Der Kläger hat entgegen der Auffassung des Beklagten nicht auf die Besteuerung als Kleinunternehmer gemäß § 19 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitjahr anzuwendenden Fassung (UStG) verzichtet. Soweit der Kläger als Kleinunternehmer im Streitjahr Umsatzsteuer in seinen Rechnungen an Dritte unberechtigt ausgewiesen und deren Berichtigung nicht nachgewiesen hat, haftet er für die ausgewiesene Umsatzsteuer (§ 14 Abs. 3 UStG).

1. Die vom Kläger selbst erstellte und am 7. Juli 2004 beim Beklagten eingereichte Umsatzsteuererklärung für den Bereich „Hausverwaltung“ hatte nach den gesamten Umständen des Streitfalls nicht den Erklärungsgehalt, dass der Kläger auf die Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung verzichtet hat und im Streitjahr gemäß § 19 Abs. 1 UStG der Regelbesteuerung unterliegt.

a) Da der Kläger gegenüber dem Beklagten keinen ausdrücklichen Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung erklärt hat, ist im Streitfall entscheidungserheblich, ob die am 7. Juli 2004 eingereichte Umsatzsteuerjahreserklärung für das Streitjahr einen Verzicht auf die Besteuerung als Kleinunternehmer durch schlüssiges Verhalten beinhaltet.

Der Senat geht -wie schon das Niedersächsische Finanzgericht im Urteil vom 14.10.2010 16 K 216/10, Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG)  2011, 2221--, davon aus, dass der Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung des Steuerpflichtigen gegenüber der Finanzverwaltung ist, die rechtsgestaltend auf das bestehende Rechtsverhältnis einwirkt. Diese ist daher gemäß §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) nach dem objektiven Empfängerhorizont aus der Sicht des Beklagten auszulegen.

Der Bundesfinanzhof (BFH), dessen Rechtsprechung der erkennende Senat folgt, hat mit Urteil vom 19.12.1985 V R 167/82 (BFHE 145, 457, BStBl II 1986, 420; bestätigt mit Urteil vom 09.07.2003 V R 29/02, BFHE 202, 403, BStBl II 2003, 904) entschieden, eine Optionserklärung für die Regelbesteuerung dem Finanzamt gegenüber könne auch durch schlüssiges Verhalten in Form der Abgabe einer Steuererklärung abgegeben werden.

Übereinstimmend mit dem Niedersächsischen Finanzgericht im Urteil in EFG 2011, 2221 hält es der Senat auf dieser Grundlage für zutreffend, dass einer Steuererklärung, die einen schlüssig erklärten Verzicht auf die Regelbesteuerung enthalten soll, nach dem objektiven Empfängerhorizont zu entnehmen sein muss, dass der Steuerpflichtige der Erklärung „erkennbar” eine Rechtslage zugrunde legt, wie sie nur bei Ausübung bzw. Nichtausübung des Gestaltungsrechts maßgebend sein kann und es bei der diesbezüglichen Würdigung auf die Umstände des Einzelfalles ankommt.

Die abgegebene Umsatzsteuerjahreserklärung vom 7. Juli 2004 hatte diesen Erklärungsgehalt nicht. Dem Beklagten war objektiv erkennbar, dass der Kläger nur für einen Teilbereich seiner Umsätze der Regelbesteuerung unterliegen wollte. Der Kläger hat in der von ihm erstellten Umsatzsteuerjahreserklärung für das Streitjahr zwar wie ein regelbesteuerter Unternehmer die anderen Unternehmern in Rechnung gestellte Umsatzsteuer ausgewiesen und den Vorsteuerabzug sowie die Erstattung eines Vorsteuerüberhangs beansprucht. Er hat aber die gesamten Umsätze aus seiner Tätigkeit als Trainer nicht in der Umsatzsteuererklärung erfasst und auch keine Vorsteuer aus bezogenen Eingangsleistungen im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit in der Steuererklärung geltend gemacht. Dass er für diesen Bereich keine Umsatzsteuererklärung abgegeben hat, verdeutlicht, dass der Kläger insoweit an der bisherigen Vorgehensweise festhalten wollte. Die erklärten Umsätze aus der Hausverwaltung machten zudem den deutlich geringeren Teil der Gesamtumsätze aus. Die bezogenen Eingangsleistungen aus der Hausverwaltung lagen deutlich unter denen der Trainertätigkeit. Somit spricht schon die zahlenmäßige Relation der Umsätze und Eingangsleistungen dafür, dass der Kläger jedenfalls nicht voll der Regelbesteuerung unterliegen wollte.

Der Erklärungsgehalt der vom Kläger abgegebenen Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr war im Streitfall aus dem objektiven Empfängerhorizont heraus somit mehrdeutig. Der Senat hält es jedoch für erforderlich, dass eine Umsatzsteuererklärung, aus der erkennbar abgeleitet werden soll, dass auf die Kleinunternehmerregelung verzichtet wird, sich auf die gesamte unternehmerische Betätigung beziehen muss, weil nur dann aus dem Blickwinkel des Empfängers sicher davon ausgegangen werden kann, dass das umsatzsteuerliche Rechtsverhältnis durch das vom Unternehmer ausgeübte Gestaltungsrecht umgestaltet werden soll. Dabei misst der Senat für die Würdigung im Streitfall auch dem Umstand entscheidendes Gewicht bei, dass der Kläger die Umsatzsteuererklärung für den Bereich der Hausverwaltung ohne Mitwirkung der Steuerberaterin angefertigt und abgegeben hat, was dem Beklagten ersichtlich war.

Parallel mit der Umsatzsteuerjahreserklärung hat der Kläger die ertragsteuerlichen Gewinnermittlungen für zwei Betriebe beim Beklagten eingereicht. In den ertragsteuerlichen Gewinnermittlung hat er entsprechend der angenommenen Behandlung als Kleinunternehmer im Betrieb „A“ bei den Einnahmen („Umsatzerlösen“) gemäß § 4 Abs. 3 EStG keine vereinnahmte Umsatzsteuer und bei den Betriebsausgaben an Dritte gezahlte Vorsteuer ausgewiesen, sondern nur die Bruttobeträge angesetzt. Ob hieraus für die Frage eines Verzichts auf die Regelbesteuerung etwas abgeleitet werden kann, kann im Streitfall offen bleiben, da die vorrangig zu betrachtende und hier objektiv mehrdeutige Umsatzsteuererklärung des Klägers für die Würdigung aus Sicht des Senats entscheidender ist.

b) Da der Kläger somit nicht auf die Besteuerung als Kleinunternehmer verzichtet hat, ist die zwischen den Beteiligten im Übrigen erörterte Frage, ob der Kläger den Verzicht fristgerecht widerrufen hat, nicht mehr entscheidungserheblich.

2. Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass der Kläger auf der Grundlage der Umsätze des dem Streitjahr vorangegangenen Kalenderjahres im Streitjahr als Kleinunternehmer besteuert werden durfte. Soweit die Umsätze des Kalenderjahres 2002 die Umsatzgrenze von 17.500 € übersteigen, beruht dies auf unentgeltlichen Wertabgaben, die in die Ermittlung der Umsatzgrenze nicht einzubeziehen sind (BFH-Urteil vom 15. September 2011 V R 12/11, BFH/NV 2012, 457).

3. In Höhe von 62,40 € ist gleichwohl Umsatzsteuer zu Lasten des Klägers für das Streitjahr festzusetzen. Hierbei handelt es sich um die Steuerbeträge, die der Kläger in seinen im Streitjahr ausgestellten Rechnungen für den Bereich „Hausverwaltung“ als Kleinunternehmer unberechtigt ausgewiesen hat.

Der Kläger hat selbst vorgetragen, er habe im Bereich der Hausverwaltung Rechnungen mit Umsatzsteuer ausgewiesen. Weist ein Kleinunternehmer i.S. des § 19 Abs. 1 UStG in einer Rechnung Umsatzsteuer aus, so schuldet er die ausgewiesene Umsatzsteuer (vgl. BFH-Beschluss vom 9. März 2009 XI B 87/08, veröffentlicht in juris). Der Kläger hat auch nicht vorgetragen, die ausgestellten Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis gegenüber den Empfängern berichtigt und somit die Gefahr eines Vorsteuerabzugs bei seinen Empfängern unterbunden zu haben.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 136 Abs. 2 und Abs. 1 Satz 3 FGO. Die Einschränkung des Antrags des Klägers in der mündlichen Verhandlung zu seinen Lasten ist im Verhältnis zum Obsiegen des Klägers geringfügig.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

Der Senat lässt gemäß § 115  Abs. 2 Nr. 1 FGO im Hinblick auf das anhängige Revisionsverfahren XI R 14/11 die Revision zu.