OLG Schleswig, Beschluss vom 15.07.2010 - 1 OJs 2/10
Fundstelle
openJur 2010, 770
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 1 Ws 267/10
Tenor

1. Die Beschwerde wird als unbegründet verworfen.

2. Mit dieser Entscheidung ist die Anordnung der Aussetzung der Entlassung des Untergebrachten hinfällig.

3. Die Entlassung des Untergebrachten obliegt der Vollstreckungsbehörde.

4. Die Staatskasse hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und dem Untergebrachten die ihm im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

Durch Urteil vom 20. August 1990 hat die VIII. Große Strafkammer des Landgerichts Lübeck den Untergebrachten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und 6 Monaten verurteilt. Dabei hat die Strafkammer – sachverständig beraten – festgestellt, dass es sich bei dem Untergebrachten um einen gefährlichen Hangtäter handele und hat daher neben der Freiheitsstrafe auch die Maßregel der (erstmaligen) Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 1 StGB in der damals geltenden Fassung angeordnet.

Die Strafe aus diesem Urteil aus hat der Untergebrachte bis zum 4. Juni 1993 vollständig verbüßt. Die Sicherungsverwahrung wurde unmittelbar daran anschließend vollstreckt, bis sie durch Beschluss der Strafvollstreckungskammer 5 c. des Landgerichts Lübeck vom 11. Dezember 1996 ab dem 15. Dezember 1996 zur Bewährung ausgesetzt wurde. Wegen einer am 1. Dezember 1997 in Stralsund begangenen Vergewaltigung mit Todesfolge, die am 30. Juli 1998 zu einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren durch das Landgericht Stralsund führte, ist die Bewährung durch Beschluss der Strafvollstreckungskammer 5 c des Landgerichts Lübeck vom 16. Januar 1998 widerrufen worden. Nachdem auch die Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Stralsund am 26. Januar 2002 vollständig verbüßt war, befindet er sich seit dem 27. Januar 2002 wieder in der Sicherungsverwahrung. Zehn Jahre der Sicherungsverwahrung waren am 29. Mai 2007 verbüßt.

Nach Erlass und Bekanntwerden der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu den sogenannten „Altfällen“ der Sicherungsverwahrung vom 17. Dezember 2009 hat die Staatsanwaltschaft bei dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht gemäß § 145 Abs. 1 GVG die an sich der örtlich zuständigen Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Lübeck obliegenden Aufgaben als Vollstreckungsbehörde an sich gezogen und hat in der Folgezeit bei der örtlich zuständigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Lübeck beantragt, gemäß § 67 e Abs. 1 StGB – außerhalb der turnusgemäß vorgeschriebenen Fortdauerentscheidungen – eine Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung dahingehend zu treffen, dass diese auch im Lichte der genannten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte fortgesetzt werden dürfe.

Diesen Antrag hat die Strafvollstreckungskammer abschlägig beschieden. Sie hat auf Grundlage des § 67 d Abs. 4 Satz 1 und 2 StGB in der zurzeit geltenden Fassung (deklaratorisch) festgestellt, dass die Maßregel erledigt sei, weil die für „Altfälle“ weiterhin geltende Höchstfrist von 10 Jahren des § 67 d Abs. 1 StGB a. F. zu beachten und überschritten sei.

Zugleich hat die Strafvollstreckungskammer durch den angefochtenen Beschluss Dauer und Ausgestaltung der von Gesetzes wegen (§ 67 d Abs. 4 Satz 3 StGB) eintretenden Führungsaufsicht geregelt und hat – da die Staatsanwaltschaft für den Fall nicht antragsgemäßer Entscheidung bereits die Einlegung eines Rechtsmittels angekündigt hatte – gestützt auf § 307 Abs. 2 StPO entschieden, dass die Vollziehung des Beschlusses längstens bis zur Entscheidung des Beschwerdegerichts auszusetzen sei.

Gegen diesen Beschluss hat die Staatsanwaltschaft bei dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht Beschwerde eingelegt.

Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist zulässig. Dabei kann aus Sicht des Senats offen bleiben, ob der Ansatz der Strafvollstreckungskammer zutrifft, dass es sich vorliegend um eine Entscheidung nach § 67 d Abs. 4 StGB handelte – mit der Folge, dass diese mit einer einfachen Beschwerde nach § 304 StPO anfechtbar wäre oder ob es sich tatsächlich um eine Entscheidung gemäß den §§ 463 und 458 Abs. 1 StPO über die Frage der Zulässigkeit der (weiteren) Vollstreckung oder aber – wozu der Senat neigt und wie es die Staatsanwaltschaft beantragt hatte – um eine Fortdauerentscheidung nach § 67 e Abs. 1 StPO handelte, wobei die beiden letztgenannten Entscheidungen mit einer sofortigen Beschwerde anzufechten gewesen wären. Denn auch die Beschwerdefrist des § 311 Abs. 2 StPO wäre im vorliegenden Fall eingehalten; auch bei einer mit der sofortigen Beschwerde anfechtbaren Entscheidung wäre die Strafvollstreckungskammer berechtigt gewesen, gemäß § 307 Abs. 2 StPO die Vollziehung der Entscheidung auszusetzen (Meyer-Goßner, StPO 53. Aufl., § 307, Rn. 2) und der Senat ist in jedem Fall für die Entscheidung über das Rechtsmittel zuständig.

Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist unbegründet. Der Untergebrachte ist aus der Sicherungsverwahrung zu entlassen. Denn für ihn gilt nach wie vor der die Dauer der Sicherungsverwahrung auf 10 Jahre begrenzende § 67 d Abs. 1 StGB in der bis 1998 geltenden Fassung.

Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen der sogenannten „Altfälle“, also um eine erstmalige Verurteilung zur Sicherungsverwahrung in der Zeit vor 1998, für die § 67 d Abs. 1 StGB in der damals geltenden Fassung vorsah, dass diese erste Unterbringung in der Sicherungsverwahrung 10 Jahre nicht übersteigen dürfe. Für einen gleichgelagerten Fall hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte durch inzwischen rechtskräftiges Urteil vom 17. Dezember 2009 erkannt, dass die Vollstreckung einer vor dem 31. Januar 1998 erstmals angeordneten Sicherungsverwahrung über 10 Jahre hinaus gegen Art. 5 Abs. 1 und 7 Abs. 1 EMRK verstoße. Nach Erlass dieser Entscheidung sind eine Vielzahl Beschlüsse innerstaatlicher deutscher Gerichte zu vergleichbaren „Altfällen“ ergangen, die zu divergierenden Ergebnissen gelangten.

So etwa vertreten die Oberlandesgerichte Celle, Stuttgart, Koblenz und Nürnberg die Auffassung, die Entscheidung des EGMR nötige in gleichgelagerten Sachverhalten nicht zur Beendigung einer über 10 Jahre hinaus andauernden Sicherungsverwahrung. Begründet wird dies im Wesentlichen damit, dass es sich bei Entscheidungen des EGMR um Einzelfallentscheidungen handele, denen über den entschiedenen Fall hinaus keine Bindungswirkung und in Deutschland auch keine Gesetzeskraft zukomme. Im Übrigen widerspräche jede andere Lösung als die Fortsetzung der Sicherungsverwahrung dem Wortlaut des damaligen Artikels 1 a EGStGB – also des Änderungsgesetzes, das den Wegfall der 10 Jahresgrenze auch für Straftäter, die ihre Tat vor Inkrafttreten der Neufassung begangen hatten, vorsah – und dem in der zur Zeit geltenden Vorschrift des § 2 Abs. 6 StGB zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers über Maßregeln der Besserung und Sicherung nicht nach Tatzeitrecht, sondern nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt. Schließlich habe auch das Bundesverfassungsgericht durch Urteil vom 5. Februar 2004 die Rückwirkung des § 67 d Abs. 3 StGB auf bereits abgeurteilte „Altfälle“ für verfassungsgemäß erklärt (zur Begründung im Einzelnen vgl. beispielhaft statt weiterer etwa OLG Nürnberg, Beschluss des 1. Strafsenats vom 24. Juni 2010, 1 Ws 315/10 und OLG Koblenz, Beschluss des 1. Strafsenats vom 7. Juni 2010, 1 Ws 108/10; jeweils zitiert nach juris).

Die Gegenauffassung, die in Konsequenz der Umsetzung der Entscheidung des EGMR vom 17. Dezember 2009 zur Beendigung der Sicherungsverwahrung und zur Entlassung der Verurteilten gelangt, vertreten demgegenüber die Oberlandesgerichte Frankfurt am Main und Hamm.

Der Bundesgerichtshof hat sich – allerdings im Rahmen eines Revisionsverfahrens, in dem über die Rechtmäßigkeit der Anordnung nachträglicher Sicherungsverwahrung gemäß § 66 b Abs. 3 StGB zu befinden war, mit einer möglichen Rückwirkung des § 2 Abs. 6 StGB auf „Altfälle“ und dem Urteil des EGMR vom 17. Dezember 2009 befasst. Auch er hält eine Rückwirkung für konventionswidrig.

Der fehlenden Bindungswirkung der Entscheidungen des EGMR wird im Wesentlichen entgegengehalten, dass die staatlichen Organe der Bundesrepublik Deutschland dennoch verpflichtet seien, zu verhindern, dass es in gleichgelagerten Fällen erneut zu einer Verletzung der EMRK komme. Schließlich sei § 2 Abs. 6 StGB konventionskonform auszulegen, was zum Entfallen der Rückwirkung auf „Altfälle“ führe, weil eben in Gestalt der EMRK „ein Gesetz etwas anderes“ im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB bestimme (vgl. zur Argumentation im Einzelnen OLG Frankfurt, Beschluss des 3. Strafsenats vom 24. Juni 2010, 3 Ws 485/10 und Beschluss des 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 12. Mai 2010, 4 StR 577/09; zitiert nach juris).

Die zuletzt genannten Auffassungen des Bundesgerichtshofes und der Oberlandesgerichte Frankfurt am Main und Hamm überzeugen.

Der 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofes hat in dem genannten Beschluss u. a. ausgeführt:

Zwar handelt es sich bei der Sicherungsverwahrung nach innerdeutschem Recht um eine Maßregel der Besserung und Sicherung, für die nach § 2 Abs. 6 StGB grundsätzlich das Recht zum Zeitpunkt der Entscheidung gilt. § 2 Abs. 6 StGB schreibt die Maßgeblichkeit des zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Rechts jedoch nur vor, „wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist“. Eine derartige andere Bestimmung stellt hier Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK in seiner Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschrechte dar.
Bei der MRK handelt es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag, der durch den Bundesgesetzgeber in das deutsche Recht transformiert worden ist. Innerhalb der deutschen Rechtsordnung steht die MRK im Range einfachen Bundesrechts. Deutsche Gerichte haben daher die Konvention wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden (BVerfGE 111, 307, 316 ff.; BVerfG EuGRZ 2010, 145, 147; Gollwitzer aaO Einführung Rdnrn. 39, 43 jeweils m.w.N.). Dabei sind auch die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu berücksichtigen, weil sich in ihnen der aktuelle Entwicklungsstand der Konvention widerspiegelt. Das nationale Recht ist wegen des Grundsatzes der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes unabhängig vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens nach Möglichkeit im Einklang mit den Bestimmungen der MRK auszulegen (BVerfGE 111, 307, 324; Gollwitzer aaO).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist bei konventionsgemäßer Auslegung des § 2 Abs. 6 StGB die Regelung des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 MRK als (einfach-) gesetzliche Ausnahmeregelung zu bewerten, die für die Anordnung der Sicherungsverwahrung die Maßgeblichkeit des Tatzeitrechts vorsieht. ...
Der hier vorgenommenen Auslegung des § 2 Abs. 6 StGB steht nicht die Bindungswirkung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Februar 2004 (BVerfGE 109, 133) zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Wegfalls der Höchstdauer der erstmaligen Sicherungsverwahrung entgegen. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in jener Entscheidung ausgesprochen, dass die Sicherungsverwahrung keine Strafe darstellt und eine nachträgliche Änderung ihrer Höchstdauer nicht gegen das absolute Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG verstößt (BVerfGE 109, 133, 167 ff.). Bei der Frage, ob entsprechend dem Gesetzesvorbehalt in § 2 Abs. 6 StGB eine Maßregel der Besserung und Sicherung von der Maßgeblichkeit des Rechts des Zeitpunkts der Entscheidung auszunehmen ist, handelt es sich indes um eine solche einfachen Rechts. Dem Gesetzgeber steht es im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens frei, für einzelne Maßregeln der Besserung und Sicherung in Abweichung von dem Grundsatz des § 2 Abs. 6 StGB die Geltung des Tatzeitrechts anzuordnen; er hat hiervon in der Vergangenheit wiederholt Gebrauch gemacht (vgl. die Nachweise bei Fischer StGB 57. Aufl. § 2 Rdnr. 15 und speziell Art. 93 des 1. StrRG). Ebenso kann dies Folge der gebotenen Berücksichtigung einer ebenfalls im Range einfachen Bundesrechts stehenden Bestimmung der MRK sein. Der Rechtssatz des Bundesverfassungsgerichts, dass nach deutschem Verfassungsrecht die Sicherungsverwahrung nicht dem Rückwirkungsverbot unterfällt, wird dadurch nicht in Frage gestellt. Einfaches Recht hat zwar die Vorgaben des Grundgesetzes zu wahren, es kann aber im Einzelfall über die dort festgelegten Mindestanforderungen hinausgehen.
Im Übrigen ist, nachdem das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte am 10. Mai 2010 gemäß Art. 43 Abs. 2, Art. 44 Abs. 2 Buchst. c MRK endgültig geworden ist, eine neue Rechtslage gegeben, die eine etwaige Bindung an frühere entgegenstehende Rechtsprechung entfallen lassen würde (vgl. hierzu Hannich in KK 6. Aufl. § 132 GVG Rdnr. 8).

Der Senat schließt sich diesen Ausführungen an. Der Hinweis der Gegenmeinung auf eine fehlende Bindungswirkung der Entscheidungen des EGMR verfängt nicht. Auch Entscheidungen etwa des Bundesgerichtshofes auf dem Gebiet nationalen Strafrechtes sind immer Einzelfallentscheidungen, denen über den Fall hinaus keine Bindungswirkung zukommt. Trotzdem dienen sie für gewöhnlich nachgeordneten Gerichten als Richtschnur und werden in der Regel beachtet.

Gewichtiger als die fehlende Bindungswirkung ist an der Entscheidung des EGMR – worauf etwa der Bundesgerichtshof zu Recht in seinem Beschluss hinweist – dass sich die Entscheidung mit zwei Vorschriften aus der EMRK beschäftigt, die über ein entsprechendes Transformationsgesetz geltendes nationales deutsches Recht geworden sind, nämlich mit den Art. 5 und 7 EMRK, und dabei einen Maßstab für die Auslegung nationalen Rechts aufzeigt. Diesen gilt es – entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft bei dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht - ohne Rücksicht auf formal fehlende Bindungswirkung der Entscheidung zu beachten.

Demnach ist bei konventionsgemäßer Auslegung des § 2 Abs. 6 StGB die Regelung des Art. 7 EMRK als gesetzliche Ausnahmeregelung zu bewerten, die für die Anordnung der Sicherungsverwahrung die Anwendung des Tatzeitrechts fordert.

Eine solche Auslegung des § 2 Abs. 6 StGB scheitert auch nicht etwa daran, dass sie „systemwidrig“ wäre, weil sie die Grenzen des Wortlauts der Bestimmung überschritte und dem Willen des Gesetzgebers, der hinter der Neufassung des Gesetzes stand, widerspräche.

Zunächst ist mit dem EGMR festzuhalten, dass die Sicherungsverwahrung zwar nach nationalem deutschem Sprachgebrauch als „Maßregel“ eingeordnet wird, tatsächlich aber wie „Strafe“ praktiziert wird und wirkt. Anders als etwa bei der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt geht es nicht darum, einem erkrankten Menschen durch Therapien zu helfen. Nicht ohne Grund handelt es sich bei der Sicherungsverwahrung um die einzige Maßregel, die - jedenfalls in Schleswig-Holstein - in einer Justizvollzugsanstalt im Umfeld und weitgehend unter den Bedingungen der Strafhaft vollzogen wird.

Ein solches Verständnis des § 2 Abs. 6 StGB steht auch nicht der Intention des Gesetzgebers entgegen. Zwar mag diese ursprünglich darauf gerichtet gewesen sein, im Bereich des Maßregelvollzuges eine umfassende Rückwirkung unter Einbeziehung der „Altfälle“ zu erreichen. Dies bedeutet aber – insbesondere im Lichte der Auslegung der EMRK durch den EGMR – nicht, dass anzunehmen wäre, der nationale Gesetzgeber hätte sich einer solchen Entwicklung verschließen und statt dessen dauerhaft konventionswidrig verhalten wollen (so auch überzeugend das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in dem bereits genannten Beschluss vom 24. Juni 2010).

Schließlich überzeugt auch der Hinweis der Gegenmeinung auf die Rechtsposition des Bundesverfassungsgerichtes nicht. Es mag sein, dass – gemessen an den Maßstäben des Grundgesetzes – das nachträgliche Entfallen der Höchstfrist einer angeordneten Sicherungsverwahrung und damit eine rückwirkende Einbeziehung der „Altfälle“ in die verschärfte Neuregelung verfassungsgemäß ist. Damit ist aber nicht gesagt, dass die Verfassung nachgerade zu einem solchen Vorgehen zwänge und es von Verfassungs wegen geboten sei, ursprünglich befristete Sicherungsverwahrungen unbefristet weiter zu vollstrecken (vgl. dazu etwa BGH a. a. O.).

Nach alledem ist die Höchstfrist des Maßregelvollzugs überschritten. Der Verurteilte hat die Maßregel voll verbüßt. Sie darf nicht weiter vollstreckt werden. Der Untergebrachte ist aus dem Vollzug zu entlassen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 StPO.