LG Zwickau, Urteil vom 27.07.2010 - 2 O 936/09
Fundstelle
openJur 2010, 757
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.584,43 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.04.2009 zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 281,97 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.10.2009 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 30 %, die Beklagte 70 %.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen behaupteter Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht für die Moritzstraße in Zwickau in Anspruch.

Der Kläger behauptet, am 01. März 2009 gegen 19:20 Uhr die Moritzstraße in Zwickau mit dem in seinem Eigentum stehenden Mercedes Benz 210, amtl. Kennzeichen Z-... in Fahrtrichtung Leipziger Straße befahren zu haben. Auf der Moritzstraße habe sich in Höhe des Hausgrundstück Nr. 14 etwa fahrbahnmittig ein rund 10 cm tiefes, 30 cm breites und 60 cm langes Schlagloch befunden, welches er aufgrund seiner Lage hinter einem Gullydeckel und der vorherrschenden Dunkelheit nicht habe erkennen können. Nachdem er den Zeugen ... vor dem Haus Nr. 9 habe aussteigen lassen, sei er weitergefahren und nach Passieren der Kreuzung in Höhe des Hausgrundstücks Nr. 14 mit seinen beiden linken Reifen in das Schlagloch geraten. Hierdurch seien beide linken Niederbettfelgen und die Niederquerschnittsbreitreifen irreparabel beschädigt und die Lenkung ausgeschlagen worden. Zur Schadensbeseitigung seien Aufwendungen erforderlich, welche der Sachverständige Seiler in seinem Gutachten mit 3.438,15 EUR netto veranschlagt habe.

Der Kläger meint, die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt, weil sie die Gefahrenstelle nicht ausgebessert respektive vor ihr gewarnt habe. Aufgrund der Größe des Schlaglochs und des Umstandes, dass in diesem Bereich die Fahrbahndecke komplett gefehlt habe, sei davon auszugehen, dass die Gefahrenstelle schon länger angelegt gewesen sei. Hätte die Beklagte ihren Kontrollpflichten für die viel befahrene Straße genügt, hätte sie die Fahrbahnunebenheit erkennen können und müssen. Die Tatsache, dass die Beklagte noch am Abend des 01.03.2009, informiert durch die Polizei, das Schlagloch habe verfüllt, belege den Handlungsbedarf.

Der Kläger begehrt neben den Reparaturkosten von 3.438,15 EUR netto die Kosten der Begutachtung des PKW durch den Sachverständigen S... (228,90 EUR), eine Kostenpauschale von 26,00 EUR, die Erstattung der vorgerichtlich angefallenen Rechtsverfolgungskosten - berechnet aus einem Streitwert von 3.693,05 EUR - über 402,82 EUR und Verzugszinsen seit dem Ablauf der mit Schriftsatz vom 26.03.2009 der Beklagten gesetzten Regulierungsfrist bis 09.04.2009.

Mit am 07.10.2009 zugestellter Klage begehrt der Kläger,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.693,05 EUR zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 10.04.2009 sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe vo 402,82 EUR zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, ihre Kontrollpflichten erfüllt zu haben. Sie behauptet, die Moritzstraße als innerstädtische Durchgangsstraße ohne erhöhte Verkehrsbedeutung sei am 22.10.2008 sowie am 26.01.2009, letztmalig vor dem 01.03.2009, kontrolliert worden. Hierbei sei kein Handlungsbedarf sichtbar geworden. Überholungsbedarf sei erst bei der nachfolgenden Kontrolle am 19.03.2009 festgestellt worden.

Die Beklagte meint, wegen des Selbstwarneffektes der Moritzstraße sei eine Warnung entbehrlich gewesen. Sie behauptet, die Moritzstraßehabe in diesem Bereich Risse und Aufbrüche aufgewiesen, weshalb jeder Nutzer ohne Weiteres mit Fahrbahnunebenheiten rechnen und seine Fahrweise darauf habe einstellen müssen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass die Fahrbahnunebenheit für jeden Fahrzeugführer, der wie vorgeschrieben Abblendlicht eingeschaltet habe und auf Sicht gefahren sei, zu erkennen gewesen sei. Der Kläger, der diese Obliegenheiten nicht beachtet habe, müsse sich dies sowie die Betriebsgefahr des Fahrzeugs jedenfalls anspruchsmindernd entgegenhalten lassen.

Die vom Polizeirevier Zwickau gefertigte Verkehrsunfallanzeige vom 01.03.2009 (Az. 2108/09/178511) ist beigezogen. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme des Zeugen K... . Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 29.06.2010 verwiesen.

Im Übrigen wird wegen des weiteren Sach- und Streitstandes Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.

I.

Die Klage ist zulässig.

Das Landgericht ist gemäß den §§ 12, 17 I S. 1 ZPO das örtlich zuständige und gemäß § 1 ZPO i.m.V. § 71 II Nr. 1 GVG . das sachlich zuständige Gericht, denn der Kläger nimmt die Beklagte wegen einer behaupteten Amtspflichtverletzung in Gestalt der Verkehrssicherungspflichtverletzung in Anspruch. Das Landgericht Zwickau ist damit zur Entscheidung über die Rechtssache berufen.

II.

Die Klage ist teilweise begründet.

Der Kläger hat gemäß §§ 839 I S. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG einen Anspruch gegen die Beklagte auf Schadensersatz in Höhe von 2.584,43 EUR und Erstattung seiner vorgerichtlich angefallenen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 281,97 EUR jeweils nebst Zinsen.

1. Die Beklagte ist passivlegitimiert, denn ihr oblag die Straßenverkehrssicherungspflicht für die Moritzstraße in Zwickau. Hierbei handelt es sich um eine Gemeindestraße. Trägerin der Baulast und damit Verkehrssicherungspflichtige ist gemäß §§ 3 I Nr. 3 b, 9 I, 44 I Sächsisches Straßengesetz die Gemeinde. Nach § 10 I Sächsisches Straßengesetz obliegen die mit dem Bau und der Unterhaltung sowie der Erhaltung der Verkehrssicherheit der Straßen zusammenhängenden Pflichten den Organen und Bediensteten der damit befassten Körperschaft. Diese übt die Verkehrssicherungspflicht als Amtspflicht in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit im Sinne von § 839 I S. 1 BGB aus.

2. Der Kläger ist aktivlegitimiert. Er kann § 362 I BGB die Schadensersatzzahlung beanspruchen. Dem Einwand der Beklagten, der Kläger sei nicht Eigentümer, braucht nicht weiter nachgegangen zu werden. Ihm kommt die Eigentumsvermutung gemäß § 1006 I S. 1 BGB zugute. Wie sich aus der beigezogenen Verkehrsunfallakte ergibt, hat der Kläger, welche die unmittelbare Sachherrschaft über den Mercedes Benz ausübte und damit Besitzer im sinne von § 854 I BGB war, die Polizei informiert und den Schadensfall angezeigt. Für ihn streitet die Eigentumsvermutung gemäß § 1006 I S. 1 BGB. Auch der Zeuge ... glaubhaft ausgesagt, dass ihn der Kläger "in seinem PKW" nach Hause gefahren habe. Anhaltspunkte dafür, dass nicht der Kläger, welcher das Fahrzeug seit dem Jahre 2006 auf sich zugelassen hat, sondern eine dritte Person Eigentümer des PKW wäre, sind durch die Beklagte nicht dargetan worden.

3. Die der Beklagten als Amtspflicht obliegende Verkehrssicherungspflicht umfasst die Pflicht - soweit zumutbar - den Verkehr auf der Straße möglichst gefahrlos zu gestalten. Insbesondere müssen die Verkehrsteilnehmer vor unvermuteten Gefahrenstellen geschützt werden. Treten Gefahrenstellen auf, sind diese zu beseitigen. Insbesondere wenn sie nicht ohne Weiteres bei zweckgerechter Benutzung des Verkehrsweges erkennbar sind, müssen diese abgesichert oder es muss zumindest vor den Gefahrenstellen gewarnt werden (ständige Rechtsprechung vgl. OLG Dresden., Az. 6 U 653/99; 6 U 538/98; 6 U 2751/99; 6 U 2922/96; Palandt - Kommentar zum BGB - Thomas, 67. Aufl., 2008, § 839, Rn. 144; Palandt/Sprau, § 823, Rn. 45, 185 f. m.w.N.). Objektiv besonders einschneidende Gefahrenlagen sind sofort zu beseitigen. Im Übrigen ist der Verkehrssicherungspflichtige gehalten, Verkehrsteilnehmer vor solchen Gefahren zu warnen, auf die sich ein die normale Sorgfalt beachtender Verkehrsteilnehmer nicht selbst hinreichend einstellen und vor denen er sich nicht ausreichend schützen kann (vgl. OLG Düsseldorf; VersR 89; 274). Inhalt der Verkehrssicherungspflicht kann aber nur sein, was im Interesse des Verkehrs nach objektivem Maßstab billigerweise verlangt werden kann und auch zumutbar ist. Grundsätzlich muss der Straßenbenutzer sich den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen und die Straße so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbietet. Eine völlige Gefahrlosigkeit kann deshalb nicht erreicht werden. Hiernach ist die Grenze zwischen sicherungsbedürftiger Gefahrenquelle und hinzunehmender Erschwernis nach den Sicherheitserwartungen des Verkehrs zu bemessen, die sich im Rahmen des Vernünftigen halten.

Die Amtspflicht ist drittbezogen, denn die Verkehrssicherungspflicht dient dem Schutz der Verkehrsteilnehmer. Der Kläger gehört als solcher dem geschützten Rechtskreis an.

4. Die Beklagte hat diese Amtspflicht verletzt.

a) Die Fahrbahn der Moritzstraße befand sich - was die Fotografien belegen - am 01.03.2009 in einem objektiv verkehrswidrigen Zustand. Etwa fahrbahnmittig befand sich in Fahrtrichtung Leipziger Straße hinter einem Gullydeckel ein mit einer Breite von 30 cm und einer Länge von 60 cm relativ großes Schlagloch, was ca. 10 cm tief war. Das Schlagloch ist durch die vom Kläger herbeigerufenen Polizeibeamten vermessen und fotografisch dokumentiert worden. Auch der Zeuge K... berichtete glaubhaft von einem großen Schlagloch im Bereich der Fahrbahnmitte hinter dem Gully.

Soweit die Beklagte das "vermeintliche Schadensereignis" mit Nichtwissen bestreitet, ist dies unzulässig. Gemäß § 138 IV ZPO ist eine Erklärung mit Nichtwissen nur über Tatsachen zulässig, die nicht Gegenstand eigener Wahrnehmung der Partei gewesen sind. Die Beklagte wurde jedoch durch die Polizei auf die Gefahrenstelle aufmerksam gemacht und hat durch ihre Mitarbeiter das Schlagloch noch am selben Abend verfüllen lassen.

b) Es oblag der Beklagten, zum Schutz und im Interesse der Verkehrsteilnehmer für Abhilfe zu sorgen, denn die Straße befand sich Dicht mehr in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis entsprechenden Zustand. Bedingt durch die Tiefe des Schlaglochs und seiner Lage unmittelbar hinter dem Gullydeckel war ein beachtlicher Niveauunterschied entstanden. Dieser hatte mit durchschnittlich 10 cm eine Tiefe erreicht, bei dem bereits bei normaler Überfahrt mit geringer Geschwindigkeit Schäden an Fahrzeugen, insbesondere im Bereich der Reifen, der Felgen oder des Unterbodens zu erwarten sind. So wird regelmäßig bei durch Fahrbahnabsackung oder Frostaufbruch entstandenen Vertiefungen, welche einen Niveauunterschied von 10 cm oder mehr erreichen, eine sicherungsbedürftige Stelle angenommen (BGH NJW 1991, 2824; LG Aachen, VersR 1990, 102) .

aa) Eine Abhilfe bzw. Warnung war insbesondere wegen der Lage des Schlaglochs in exponierter Stellung geboten. Das Schlagloch war etwa fahrbahnmittig angelegt. Aufgrund der gerichtsbekannten Besonderheiten in der Moritzstraße, in der regelmäßig auf beiden Seiten durchgehend Fahrzeuge geparkt sind, gefährdete die Fahrbahnunebenheit Verkehrsteilnehmer aus beiden Richtungen. Wegen der Lage etwa straßenmittig war deshalb den Kraftfahrern ein Umfahren bzw. Ausweichen regelmäßig nicht möglich.

bb) Die Handlungspflicht resultiert zudem aus dem Umstand, dass das Schlagloch bei durchschnittlicher Aufmerksamkeit insbesondere von den Verkehrsteilnehmern, welche in Fahrtrichtung des Klägers unterwegs waren, nicht ohne Weiteres erkennbar war. Aus Sicht des Klägers lag das Schlagloch hinter einem deutlich sichtbaren hervorstehenden Gullydeckel. Gerade bei Dunkelheit war das Schlagloch leicht zu übersehen.

cc) Abhilfe war auch geboten, weil der Moritzstraße entgegen der Auffassung der Beklagten erhöhte Verkehrsbedeutung zukommt. Ihr Charakter geht über die Einstufung als innerstädtische Durchgangsstraße ohne erhöhte Verkehrsbedeutung hinaus. In der Moritzstraße sind diverse Kleingewerbetreibende, Büros und Versicherungen ansässig. Sie wird also nicht nur von den Anwohnern und deren Besuchern, sondern auch von den Kunden der Gewerbetreibenden befahren. Unter anderem befindet sich in der Moritzstraße auch die Einfahrt zu einem Parkhaus. Schon allein hieraus ergibt sich allgemein ein höheres Verkehrsaufkommen, als etwa in Wohnstraßen oder in sonstigen innerstädtischen Durchgangsstraßen. Darüber hinaus wird die Moritzstraße, was gerichtsbekannt ist, von Ortskundigen als Durchgangsstraße zwischen den Hauptverkehrsachsen Leipziger Straße und Crimmitschauer Straße genutzt, um mögliche Staus auf den ausgeschilderten Routen zu umgehen.

Bewohner und Besucher der Innenstadt, die aus Richtung Reichenbacher Straße oder Humboldtstraße dorthin gelangen wollen, nutzen die Moritzstraße als Zufahrt zum als Einbahnstraße geführten Innenstadtring. Die Verkehrsbedeutung indiziert den Handlungsbedarf.

c) Wird eine Gefährdung festgestellt, dann muss der Träger der Verkehrssicherungspflicht die erforderlichen Maßnahmen zur Beseitigung der Gefahr ergreifen. Der Pflichtige muss die Verkehrsteilnehmer vor der von der Straße ausgehenden Gefahr nicht nur warnen, sondern schützen. Dazu muss er gegebenenfalls die erforderlichen baulichen Maßnahmen ergreifen und dafür sorgen, dass sich die Straße für die Zukunft in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand befindet. Falls der Pflichtige den gefährlichen Zustand durch bauliche Maßnahmen aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht alsbald beseitigen kann, ist er jedoch verpflichtet, bis dahin Warnschilder anzubringen, damit ein aufmerksamer, mit den Verkehrsregeln vertrauter Kraftfahrer seine Fahrweise auf die Gefahrenstelle anpassen kann (BGH, VersR 1968, 1090).

Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass sie der derartige Pflichtenkatalog nicht getroffen habe, weil von der Moritzstraße von vornherein der sogenannte Selbstwarneffekt ausgegangen sei. Ist eine Straße in einem besonders schlechten Zustand, bedarf es in ständiger Rechtsprechung keiner besonderen Warnung. Es kann nämlich davon ausgegangen werden, dass in Fällen, in denen eine Gefahr offen zutage tritt, auch ein unaufmerksamer Benutzer dies erkennen kann und wird. Er wird deshalb ohne weiteren Hinweis in der Lage sein, sich durch eigene Vorsicht ohne Weiteres selbst zu schützen. So entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass eine Warnung entbehrlich ist, wenn sich eine Straße in einem allgemein so schlechten Zustand befindet, der es als möglich erscheinen lässt, dass Untiefen oder Schlaglöcher in großem Umfang entstanden sind und sich Teile der Fahrbahnoberfläche gelockert haben (OLG Dresden, Az. 6 U 561/01; 6 U 561/98).

In einem derartig schlechten Zustand befand sich die Moritzstraße gerade nicht. Wie die Lichtbilder belegen, wies diese zwar einige Flickstellen und Ausbesserungen und damit einhergehende Unebenheiten auf. Ein "Schlaglochfeld" oder eine "Buckelpiste" war die Moritzstraße hierdurch jedoch nicht. Es lagen auch keine nennenswerten Niveauunterschiede vor, weshalb ein Verkehrsteilnehmer nicht von vornherein mit gravierenden Höhendifferenzen bei der Durchfahrt der Moritzstraße rechnen musste.

5. Die unterlassene Abhilfe war adäquat kausal für den entstandenen Schaden. Das Gericht ist nach der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der klägerische PKW gerade an dieser Gefahrenstelle Schaden genommen hat, in dem er mit beiden linken Reifen in die Vertiefung geriet. Der Kläger berichtete, einen heftigen Schlag verspürt zu haben, als er mit seinen beiden linken Reifen durch das Schlagloch gefahren sei. Diesen Geschehensablauf bestätigte im Kern der Zeuge ... . Der Zeuge schilderte, dass er, nachdem er das Fahrzeug verlassen und auf dem Weg zur Haustür gewesen sei, einen dumpfen Schlag vernommen habe. Er habe sich, hierdurch aufgeschreckt, umgedreht und nachdem er gesehen habe, dass der Kläger stehengeblieben war, sich zu ihm begeben. Dann habe er die Schäden an den Felgen am klägerischen PKW festgestellt, welche ihm vorher nicht aufgefallen seien. Das Gericht hält die Angaben des Zeugen für glaubhaft. Seine Schilderung, einen dumpfen Schlag vernommen zu haben, korrespondiert mit dem Beschädigungsbild am klägerischen PKW. Typischerweise gehen Beschädigungen der Felgen und Reifen in der fotografisch festgelegten und durch den Sachverständigen dokumentierten Größenordnung mit einer Geräuschentwicklung einher. Das Gericht hält den Zeugen ... auch für glaubwürdig. Dieser hat, mag er auch mit dem Kläger befreundet sein, kein Interesse am Ausgang des Rechtsstreits. Der Zeuge ... war erkennbar bemüht, seine Aussage auf das zu beschränken, was Gegenstand seiner eigenen Wahrnehmung war. Er enthielt sich insbesondere be- und entlastender Angaben zu Gunsten oder Lasten der Parteien des Rechtsstreits.

Anhaltspunkte dafür, dass das Fahrzeug bereits vorbeschädigt gewesen ist oder es auf andere Weise als im Zusammenhang mit dem Durchfahren des Schlaglochs zu der Geräuschentwicklung im streitgegenständlichen Straßenabschnitt gekommen sein kann, haben sich nicht ergeben.

Wäre das Schlagloch rechtzeitig verfüllt worden, wäre der Schaden nicht entstanden. Hätte die Beklagte Warnschilder aufgestellt, spricht bereits die Vermutung dafür, dass der Kläger auf die Warnung hin seine Fahrweise auf die zu erwartende Vertiefung eingestellt hätte.

6. Die Beklagte hat es schuldhaft unterlassen, für rechtzeitige Abhilfe durch Baumaßnahmen oder Absicherung der Gefahrenstelle durch Warnschilder zu sorgen. Wie ausgeführt, bestand aufgrund der äußeren Umstände eine derartige Handlungspflicht.

a) Das Gericht geht davon aus, dass die Beklagte die Gefahr hätte erkennen können, wenn sie die Moritzstraße engmaschiger kontrolliert hätte. Das Schlagloch hatte am 01.03.2009 mit den Größen 30 x 60 x 10 cm eine beachtliche Größe und Tiefe erreicht. Diese Ausmaße sprechen bereits dafür, dass das Schlagloch sich nicht quasi über Nacht, sondern über einen längeren Zeitraum ausgebildet haben muss. Ein weiteres Indiz spricht dafür, dass das Schlagloch schon längere Zeit vorhanden, jedenfalls angelegt gewesen ist. Wie vom Kläger geschildert und durch die Lichtbilder belegt, war nämlich die Fahrbahndecke komplett abgelöst und auch nicht mehr vorhanden. Ein solcher Zustand kann regelmäßig nur dann entstehen, wenn das Material durch Regen ausgespült oder sonst bei Niederschlägen mit abfließt. Das Gericht geht deshalb nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge davon aus, dass sich das Schadensbild im Laufe einiger Wochen herausgebildet hat. Hätte die Beklagte die Moritzstraße ein bis zwei Wochen vor dem Vorfall kontrolliert, stand zu erwarten, dass die Gefahr hatte erkannt werden können. Dies gilt umsomehr, als dass sich im Bereich des Kanaldeckels (vgl. Bild 2 der polizeilichen Unfallakte) rechts von dem festgestellten Schlagloch diverse Risse in der Fahrbahn befinden, die darauf hindeuten, dass sich die Fahrbahndecke alsbald ablösen wird. Liegen Risse in der Fahrbahndecke vor, sind dies als. Anzeichen für eine Gefahr zu werten.

b) Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte, wie von ihr behauptet, am 26.01.2009 die Moritzstraße letztmalig kontrolliert und hierbei nichts Nennenswertes festgestellt und erst bei der darauffolgenden Kontrolle am 19.03.2009 Handlungsbedarf erkannt hat. Die Kontrolldichte erweist sich nämlich nicht als engmaschig genug. Die Kontrollen im Sinne der Gefahrerkennungspflicht müssen in regelmäßigen Abständen durchgeführt werden. Die Zeitspanne hat sich dabei an der Gefährlichkeit und der Verkehrsbedeutung der Straße zu orientieren. Der Verkehrssicherungspflichtige hat die Straßen laufend zu überwachen, um sichtbare Veränderungen oder Mängel festzustellen und dann entsprechende Vorsichtsmaßnahmen einzuleiten (BGH NJW 1973, 277). Der Beklagten ist zuzugeben, dass sie die Kontrollmaßnahmen entsprechend ihrer Kapazität nach Priorität einzuteilen hat und ihr hierbei ein gewisser Spielraum eingeräumt ist. So hat sich auch in der Rechtsprechung zu den zeitlichen Abständen und dem Umfang der Gefahrenkontrolle keine einheitliche Kasuistik entwickelt. Dies kann jedoch dahinstehen, da sich der Kontrollrhythmus der Beklagten angesichts der Verkehrsbedeutung der Moritzstraße und den gegebenen Anzeichen für eine mögliche Schädigung als zu lang erweist. Wie ausgeführt, kommt der Moritzstraße größere Verkehrsbedeutung zu, die über die von Wohnstraßen oder einfachen Durchgangsstraßen hinaus geht. Für Verbindungsstraßen, wie sie die Moritzstraße darstellt, wird ein Kontrollrhythmus von etwa alle zwei bis vier Wochen für angezeigt gehalten (OLG Dresden, Az. 6 U 199/97). Der von der Klägerin behaupteterweise eingehaltene Kontrollrhythmus war aber rund sieben bis 12 Wochen lang.

Auch der Straßenzustand in der Moritzstraße erforderte eine engmaschigere Kontrolle. Wie die Beklagte selbst ausgeführt hat, befanden sich zum damaligen Zeitpunkt in der Moritzstraße schon einige Flickstellen und Ausbesserungen. Typischerweise kommt es in solchen Bereichen häufiger zu Aufbrüchen im Fahrbahnbelag als bei neu hergestellten Straßen. Das Lichtbild belegt, dass sich Anzeichen in der Fahrbahnoberfläche befanden, die darauf hindeuten, dass Gefahren zu erwarten sind. Nicht zuletzt verlangte die jahreszeitliche· Besonderheit eine engmaschigere Kontrolle, da typischerweise sich Schäden am Straßenbelag häufig zum Ende der Frostperiode zeigen.

Hätte die Beklagte ihren Kontrollmechanismus intensiviert, hätte sie die Gefahr erkannt und aie Notmaßnahmen, welche sie am Abend des Vorfalls durch Verfüllen des Schlaglochs bereits traf, zu einem früheren Zeitpunkt treffen können.

7. Durch den Unfall vom 01.03.2009 ist dem Kläger dem Grunde nach ein ersatzfähiger Schaden in Höhe von 3.692,05 EUR entstanden.

a) Der Kläger hat durch Vorlage des Sachverständigengutachtens des Sachverständigen ... das Schadensbild an seinem PKW belegt. Der Sachverständige stellte bei seiner Untersuchung am 02.03.2009 fest, dass die beiden linken Felgen und die Reifen vorn links und hinten links an ihrer äußeren Wulst beschädigt sind. Ausweislich des Sachverständigengutachtens müssen diese ausgetauscht werden. Des Weiteren stellte der Sachverständige fest, dass die Zahnstange des Lenkgetriebes leichtes Spiel hat, weshalb auch die Parameterlenkung gewechselt werden muss. Das Gericht sieht auch letztere Position als ersatzfähig an. Soweit die Beklagte die Ursächlichkeit des Unfalls für den behaupteten Schaden an der Lenkung bestreitet, kommt dem Kläger der Anscheinsbeweis zugute, wonach bei feststehendem Unfallereignis die Vermutung dafür streitet, dass das festgestellte Schadensbild ursächlich durch den Vorfall ausgelöst worden ist. Die in dem Gutachten des Sachverständigen ... genannten Schäden an Felge, Reifen und der Lenkung sind aufgrund des Schadenshergangs nachvollziehbar und mit diesem in Einklang zubringen. Der Beklagten ist zuzugeben, dass es eine Vielzahl von Möglichkeiten gibt, bei denen die Zahnstange des Lenkgetriebes ausschlagen kann. Ist aber - wie auch vom Zeugen ... bestätigt - das Fahrzeug vorher unbeschädigt und stellt sich nach dem Vorfall eine Beschädigung ein, so spricht die Vermutung dafür, dass das Schadensbild nicht bei anderer Gelegenheit sondern durch den Vorfall entstanden ist.

Die Beklagte hat diese Vermutung nicht erschüttert. Insbesondere haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass das Fahrzeug des Klägers, dem der Sachverständige einen gepflegten Zustand bescheinigte, bereits eine Vorschädigung aufwies.

In die vom Kläger gewählte fiktive Schadensberechnung gemäß § 249 II BGB sind deshalb die sachverständig ermittelten Nettoreparaturkosten in Höhe von 3.438,15 EUR einzustellen.

b) Zu den nach §§ 249 ff. BGB erstattungsfähigen Schadenspostengehören auch die Kosten der Sachverständigenbegutachtung in Höhe von 228,90 EUR. Der Kläger benötigte die sachverständige Einschätzung zur Ermittlung der Höhe der entstandenen Schäden.

c) Des Weiteren besteht Anspruch auf Erstattung der mit der Abwicklung des Schadensfalls verbundenen Kosten, welche das Gericht gemäß § 287 ZPO in ständiger Rechtsprechung mit 25,00 EUR bemisst.

8. Der Anspruch des Klägers ist jedoch gemäß § 254 I BGB um die von dem klägerischen Fahrzeug ausgehende Betriebsgefahr und den Verursachungsanteil des Klägers zu kürzen. Diesen bemisst das Gericht auf 30 %.

a) Ist an der Entstehung des Schadens ein Kraftfahrzeug beteiligt, ist dem Halter bei der Haftungsabwägung nach § 254 I BGB die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs anzulasten. Der geschädigte Halter eines Kfz muss sich entsprechend der Regelungen der §§ 7 II, 17 III StVG, welche als lex specialis gegenüber § 254 BGB auch nach der Gesetzesänderung im StVG zum 01.08.2002 zu beachten sind, grundsätzlich die Betriebsgefahr anrechnen lassen (vgl. OLG Jena, MDR 2009, 1391; Palandt-Heinrichs, § 254, Rn. 10, 26; NJW 1972, 1415). Der Kläger, der insoweit die Darlegungs- und Beweislast für mögliche Ausnahmezustände trägt, hat weder den Nachweis führen können, dass der Verkehrsunfall auf höhere Gewalt zurückzuführen (§ 7 II STVG) noch dass das Ereignis als unabwendbar (§ 17 III StVG) einzuordnen ist. Der Unabwendbarkeitsnachweis ist nicht geführt, denn es ist nicht auszuschließen, dass das Schlagloch durch einen sogenannten Idealfahrer hätte erkannt und der Unfall hätte vermieden werden können. Zudem ist nicht ausgeschlossen, dass ein Idealfahrer nach Verspüren des ersten Schlages und Eintritt des Schadens an der vorderen linken Felge mit einer geistesgegenwärtigen Lenkbewegung oder durch Einleitung einer Vollbremsung den Schaden am hinteren linken Reifen verhindert oder abgemildert hätte.

b) Zu Lasten des Klägers ist zu berücksichtigen, dass dieser das Sichtfahrgebot des § 3 I S. 4 StVO nicht beachtet hat. Nach § 3 I StVO darf der Kraftfahrer nur so schnell fahren, dass er innerhalb der überschaubaren Strecke anhalten kann. Zudem hat er die Geschwindigkeit den Sicht und Lichtverhältnissen anzupassen, § 3 I S. 2 StVO. Das Sichtfahrgebot des § 3 I S. 4 StVO soll vor Kollisionen und dafür schützen, auf Hindernisse aufzufahren bzw. in solche hinein zu fahren. Mit Fahrbahnhindernissen muss der Kraftfahrer stets rechnen, und zwar innerorts auch ohne Schreckzeit. Der Fahrzeugführer muss daher stets auch vor unvermuteten Hindernissen auf bzw. in der Fahrbahn anhalten können. Dies erlaubt nur ein von § 3 I S. 4 StVO gefordertes Fahren auf Sicht. Durch den Vertrauensgrundsatz begrenzt wird das Sichtfahrgebot nur für solche Hindernisse, mit denen der Kraftfahrer unter keinem vertretbaren Gesichtspunkt in der konkreten Situation rechnen muss (vgl. BGH NJW 1985, 1950; OLG Naumburg, NZV 1999, 466; OLG Jena, Schadenpraxis 2010, 99). Ein Schlagloch auf der Fahrbahn ist aber kein so außergewöhnliches Hindernis, mit dem unter keinem vertretbaren Gesichtspunkt zu rechnen ist.

Den Mitverschuldensanteil bemisst das Gericht unter Anrechnung der dem klägerischen PKW innewohnenden Betriebsgefahrmit 30 %. Hierbei hat es berücksichtigt, dass das Schlagloch wegen der Dunkelheit und seiner Lage nur sehr schlecht erkennbar war. Zudem deutete ansonsten nichts auf das Vorliegen eines Schlaglochs hin, z.B. befand sich sonst kein ausgespültes Material im Umgebungsbereich des Schlaglochs.

Das überwiegende Verschulden trifft die Beklagte.

9. Nach alledem hat der Kläger Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 70 % der als ersatzfähig anerkannten Schadensposten im Umfang, von 3.692,05 EUR, mithin 2.584,43 EUR. Diese Hauptforderung ist mit Ablauf der, vorgerichtlich gesetzten Zahlungsfrist aus dem Gesichtspunkt des Verzugs gemäß §§ 280 11, 288 I, 286 I S. 1 BGB zu verzinsen. Des Weiteren hat der Kläger Anspruch darauf, dass ihm seine vorgerichtlich entstandenen Rechtsverfolgungskosten zu 70 % erstattet werden, § 249 BGB, was einen Betrag von 281,97 EUR ausmacht. Dieser Betrag ist ab Rechtshängigkeit gemäß § 291 BGB ebenfalls mit dem gesetzlichen Zinssatz von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 2881 S. 2 BGB zu verzinsen.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 I S. 1; 709 S. 1, S. 2; 708 Nr. 11, 711 ZPO.