Bayerischer VGH, Urteil vom 10.09.2012 - 9 B 11.1216
Fundstelle
openJur 2012, 128794
  • Rkr:
Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist Polizeibeamter und züchtet nach eigenen Angaben seit über 20 Jahren Galloway-Rinder. Anlässlich einer Betriebsbesichtigung am 26. Februar 2009 stellten Vertreter des Landratsamtes ... (im Folgenden: Landratsamt) – Veterinäramt – fest, dass der Rinderbestand des Klägers statt der gemeldeten 17 Rinder über 40 Tiere umfasste. Sie bewerteten außerdem die festgestellten Haltungsbedingungen als unzureichend. So sei der Aufenthaltsbereich um die Futterstellen weiträumig morastig und es fehle sowohl ein Unterstand als auch eine trockene Liegefläche für die Rinder, deren Fell teilweise großflächig mit dicken Kot- und Schmutzkrusten behaftet sei. Als Tränke könnten die Rinder nur einen Bach aufsuchen, ihr Ernährungszustand sei mäßig, einige seien mager. Man habe ein abgemagertes, ca. 6 Monate altes, männliches, seit mehreren Tagen verendetes Kalb ohne Ohrmarke gefunden, dessen Tod der Kläger noch gar nicht bemerkt gehabt habe. In einem kleinen Stall habe abgesondert eine kranke Kuh mit Kalb gelegen, die sich nur mühsam erhoben, jedoch auf den Karpalgelenken verharrt habe. Dabei sei sichtbar geworden, dass die Klauen an ihren Vorderbeinen mindestens 5 cm zu lang waren und die Klauenpflege seit längerem erheblich vernachlässigt worden sei, wodurch diesem Tier länger anhaltende Schmerzen zugefügt worden seien.

Mit Bescheid vom 17. März 2009 erließ das Landratsamt daraufhin die Anordnung, der Kläger habe unter anderem folgende (hier streitgegenständliche) „Auflagen“ (Nrn. 5 bis 10) zu erfüllen:

„I. …

5. Bei ganzjähriger Freilandhaltung ist in der Winterzeit (Dezember bis Februar) ein Witterungsschutz in Form eines überdachten Unterstandes mit trockener Liegefläche einzurichten, in dem alle Rinder ausreichend Platz finden können.

6. Für Kälber muss stets ein vor Wind und Niederschlägen geschützter Platz zur Verfügung stehen, welcher eine genügende Wärmedämmung des Bodens besitzt und ein gemeinsames Liegen aller Kälber der Herde ermöglicht.

7. Rindern muss ganzjährig hygienisch einwandfreies Wasser zur freien Aufnahme zur Verfügung stehen. Dies ist nur durch künstliche Tränkeeinrichtungen in Futterplatznähe gewährleistet.

8. Futter ist nur auf großräumig befestigten Flächen anzubieten. Die Futterstellen müssen überdacht und das Futter vor fäkalen Verunreinigungen durch die Tiere geschützt sein.

9. Kranke oder verletzte Tiere sind von der Herde abgesondert aufzustallen und umgehend tierärztlich zu behandeln.

10. Bei allen Rindern ist regelmäßig oder bei Bedarf eine Klauenpflege durchzuführen. Der Bedarf ist spätestens dann gegeben, wenn die Klauenlänge 25% der natürlichen Länge übersteigt oder eine unnatürliche Verformung der Klauen feststellbar ist.“

Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet und für den Fall der nicht oder nicht vollständigen unverzüglichen Erfüllung der Anordnungen ein Zwangsgeld von 250 Euro je Anordnungspunkt angedroht.

Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 4.6.2009). Seine Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 6. Juli 2010 ab. Zur Begründung bezog es sich auf ein Gutachten des Bayer. Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit – Dr. S. – vom 4. Februar 2010, das – ebenso wie die Erläuterungen des genannten Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung – die Einschätzung des Landratsamts hinsichtlich der festgestellten tierschutzwidrigen Haltung, die auch anhand von Fotos dokumentiert sei, bestätige. Vom Kläger selbst vorgelegte, zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt aufgenommene Fotografien seien nicht geeignet, die behördlichen Feststellungen zu widerlegen, da es für die Rechtmäßigkeit der behördlichen Anordnungen auf den Zeitpunkt der Behördenentscheidung ankomme.

Bezüglich der einzelnen Anordnungen, die nicht – wie behauptet – auf Animositäten der zuständigen Behördenmitarbeiter beruhten, stehe fest, dass zum Zeitpunkt der behördlichen Kontrolle weder ein Witterungsschutz noch trockene Liegeflächen zur Verfügung standen. Das vorhandene Stallgebäude habe für die 40 seinerzeit gehaltenen Tiere nicht ausgereicht und sein Eingang sei so beschaffen gewesen, dass er ranghöheren und rangniedrigeren Tieren nicht in gleicher Weise den Zugang ermöglicht habe. Eine den Bedürfnissen und Anforderungen entsprechende Tränkeeinrichtung in der Nähe des Futterplatzes sei ebenfalls nicht vorhanden gewesen; die gegenteilige Behauptung des Klägers sei unglaubwürdig. Der Kläger räume selbst ein, dass Futter teils auf unbefestigtem Grund anzubieten, was sich laut dem erstellten Gutachten jedoch wegen der mangelnden Reinigungsmöglichkeit im Umfeld der Fütterungseinrichtungen verbiete. Schließlich habe auch Anlass zu einer Regelung betreffend die Versorgung kranker Tiere und Klauenpflege bestanden: Selbst wenn das verendet aufgefundene Kalb – wie der Kläger vortrage – ein „Kümmerer“ gewesen sei, so sei es gleichwohl offenbar nicht ausreichend versorgt worden und die Kuh mit den zu langen Klauen habe erhebliche Schmerzen gehabt, deretwegen ein Tierarzt zu rufen gewesen wäre.

Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er hat beantragt:

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 6. Juli 2010 wird aufgehoben.

II. Der Bescheid des Landratsamts vom 17. März 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Juni 2009 ist hinsichtlich seiner tierschutzrechtlichen Anordnungen (Ziffer I Nrn. 5 bis 10 i.V.m. Ziffer III Abs. 1) nichtig.

III. Hilfsweise: Der Bescheid des Landratsamts vom 17. März 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Juni 2009 wird hinsichtlich seiner tierschutzrechtlichen Anordnungen (Ziffer I Nrn. 5 bis 10 i.V.m. Ziffer III Abs. 1) aufgehoben.

Wie bereits im Widerspruchs- und Klageverfahren bestreitet der Kläger im Wesentlichen die zum Zeitpunkt der Kontrolle am 26. Februar 2009 festgestellten tatsächlichen Umstände bzw. deren Bewertung seiner Rinderhaltung. Beides sei willkürlich und resultiere hauptsächlich aus Animositäten der Behördenvertreter, die aus seinen kritischen Äußerungen – etwa zu Fragen der Blauzungenkrankheit, Impfungen und BSE-Keulungen – herrührten. Das vom Verwaltungsgericht herangezogene Sachverständigengutachten aus einem Ordnungswidrigkeitenverfahren beruhe ausschließlich auf den Darstellungen des Beklagten, ohne dass sich der mit dem zuständigen Veterinärdirektor befreundete Gutachter oder das Verwaltungsgericht objektiv ein eigenes Bild der Freilandhaltung des Klägers gemacht hätten.

Dass die Haltung der Galloway-Rinder tierschutzgerecht und die streitgegenständlichen Anordnungen damit rechtswidrig seien, belege auch eine vom Kläger eingeholte gutachterliche Stellungnahme vom 17. Mai 2011 von Prof. Dr. W. (Bl. 263 ff. des VGH-Akts) zur ganzjährigen Freilandhaltung im Betrieb des Klägers.

In rechtlicher Hinsicht sei die streitgegenständliche Anordnung nichtig, weil die unter Punkt I. Nrn. 5 bis 10 als solche bezeichneten „Auflagen“ gemäß Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG streng akzessorisch seien, der hierfür zwingend notwendige, den Kläger begünstigende Verwaltungsakt jedoch fehle. Bei den Anordnungen handle es sich um Dauerverwaltungsakte, für deren Beurteilung nach der Rechtsprechung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgebend sei. Die streitgegenständlichen Anordnungen Nrn. 5, 8 und 9 seien auch nicht ausreichend bestimmt im Sinne des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. So sei für den Kläger nicht erkennbar, wann er seinen Rindern, denen bereits ein Stall zur Verfügung stehe, dem Bescheid entsprechend „ausreichend Platz“ gebe. Ebenso wenig sei ersichtlich, was eine „großräumig befestigte Fläche“ für das Angebot von Futter bedeute und die Nrn. 8 und 9 ließen nicht erkennen, für welche Tierarten die Auflagen gälten, schließlich halte der Kläger neben den Rindern auch Pferde. Nr. 10 des Bescheids seien ebenfalls keine konkreten Vorgaben zu entnehmen, da für die geforderte Klauenpflege sowohl die Variante „regelmäßig“ als auch „bei Bedarf“ zur Verfügung stehe.

Die Zwangsgeldandrohung sei nichtig, hilfsweise rechtswidrig. Sie sei unbestimmt, weil sie nicht einzelnen Verstößen zuzuordnen sei, zu hoch und damit unverhältnismäßig. Ebenfalls unverhältnismäßig sei die erfolgte Fristsetzung, da dem Kläger als hauptberuflichem Polizeihauptmeister nicht zuzumuten sei, die zahlreichen angeordneten Auflagen unverzüglich, also ab dem Tag der Zustellung des Bescheids, zu erfüllen. Schließlich seien die Bescheidskosten unverhältnismäßig hoch.

Zusammenfassend sei festzustellen, dass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils bestünden. Die Streitsache weise tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten auf und habe grundsätzliche Bedeutung. Das angefochtene Urteil weiche von der Rechtsprechung der Obergerichte ab und beruhe auf schwerwiegenden Verfahrensmängeln. Das Verwaltungsgericht habe insbesondere weder vom Kläger angebotenes Beweismaterial berücksichtigt, noch einen Augenschein durchgeführt und mit letzterem auch seine Pflicht, die Sache spruchreif zu machen, verletzt.

Die Landesanwaltschaft beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Insbesondere sei die untechnische Bezeichnung von „Auflagen“ in dem angefochtenen Bescheid unschädlich, da es sich um einzelne Verwaltungsakte (Anordnungen) auf der Grundlage des § 16a TierSchG handle. Richtig sei, dass die in Streit stehenden Anordnungen Dauerverwaltungsakte seien; der Kläger ziele mit seiner diesbezüglichen Argumentation wohl darauf ab, er habe (allen?) Anordnungen Folge geleistet. Die rechtliche Konsequenz in einem solchen Fall sei aber nicht, die Anordnungen ganz oder teilweise aufzuheben; allenfalls sei an eine Erledigung zu denken.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakten, bezüglich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung auf deren Niederschrift verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da sich der angefochtene Bescheid des Landratsamts vom 17. März 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 6. Juni 2009 weder als nichtig (vgl. Art. 44 Abs. 1 i.V.m. Art. 43 Abs. 3 BayVwVfG) noch als rechtswidrig erweist und den Kläger daher nicht in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Gemäß Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG ist ein Verwaltungsakt nichtig – und damit von Anfang an unwirksam, Art. 43 Abs. 3 BayVwVfG –, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Fehler im Sinn des Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG sind solche, die in einem so schwerwiegenden Widerspruch zur geltenden Rechtsordnung und den ihr zugrunde liegenden Wertvorstellungen der Gemeinschaft stehen, dass es unerträglich wäre, wenn der Verwaltungsakt die mit ihm intendierten Rechtswirkungen hätte (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 44 RdNr. 8 m.w.N. zur Rechtsprechung). Ein derartiger Fehler liegt hier nicht darin, dass die unter Ziffer I Nrn. 1 bis 5 des streitgegenständlichen Bescheids getroffenen Anordnungen als „Auflagen“ bezeichnet werden. Zwar definiert Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG eine Auflage im Sinne des Verwaltungsverfahrensrechts als eine Nebenbestimmung zu einem Verwaltungsakt, durch die dem Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird. Eine von der Behörde als „Auflage“ bezeichnete Maßnahme kann aber ebenso eine Verfügung mit Regelungsgehalt sein (vgl. VGH BW, Urteil vom 2.8.2012, Az. 1 618.12 <juris>). Ob eine behördliche Äußerung einen (eigenständigen) Verwaltungsakt darstellt, ist durch Auslegung zu ermitteln, wobei entsprechend §§ 133, 157 BGB auf den erklärten Willen aus der Sicht eines verständigen Empfängers abzustellen ist. Dabei sind nicht nur der Tenor, sondern auch die Begründung und die Umstände der Bekanntgabe zu berücksichtigen (vgl. VGH BW a.a.O., m.w.N.). Gemessen daran ist hier nach dem schlichten Verständnis eines vernünftigen Tierhalters behördlicherseits beabsichtigt, dem Kläger bestimmte Mindestbedingungen für seine Rinderhaltung „aufzuerlegen“ und ihm diese im Sinne einer Konkretisierung der einem Tierhalter nach dem Gesetz obliegenden Pflichten vorzuschreiben, um tierschutzgerechte Verhältnisse herzustellen. Aus dem Regelungszusammenhang des gesamten, mit dem Begriff der „Anordnung“ überschriebenen streitgegenständlichen Bescheids ist ersichtlich, dass hier eine selbständige Regelung, mithin ein eigenständiger Verwaltungsakt und nicht lediglich eine Nebenbestimmung zu einem (nicht vorhandenen, begünstigenden) Verwaltungsakt getroffen werden sollte. Ein gravierender und offensichtlicher Fehler im Sinne des Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG liegt darin nicht.

2. Die angefochtene Verfügung stützt sich in rechtlich nicht zu beanstandender Weise hinsichtlich der Nummern 5 bis 10 auf § 16a Nr. 1 TierSchG. Danach trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen und kann insbesondere im Einzelfall die zur Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG erforderlichen Maßnahmen anordnen. Gemäß § 2 Nr. 1 TierSchG muss, wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen.

a) Maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung ist insoweit nicht, wie der Kläger meint, die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen, sondern der letzten Behördenentscheidung. Denn einen angefochtenen Verwaltungsakt darf das Gericht grundsätzlich nur dann aufheben, wenn dieser nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung – hier des Widerspruchsbescheids – nicht ergehen durfte. Dass grundsätzlich auf die der Behördenentscheidung zugrundeliegende Sach- und Rechtslage abzustellen ist, ergibt sich aus der Aufgabe der Verwaltungsgerichte, im Anfechtungsprozess die Rechtmäßigkeit einer getroffenen Behördenentscheidung zu überprüfen und eine rechtswidrig getroffene Entscheidung aufzuheben (BVerwG Urteil vom 6.12.1985, Az. 4 C 23/83; 4 C 24/83 <juris>). Dieser Grundsatz gilt zwar nicht uneingeschränkt, weil z.B. bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung, wie etwa Verkehrszeichen (vgl. BVerwG Urteil vom 21.8.2003, Az. 3 C 15/03) die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten tatsachengerichtlichen Entscheidung maßgeblich sein kann (a.A. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 43, RdNr. 42). Diese Frage bedarf hier aber keiner Entscheidung, weil die gegenüber dem Kläger getroffenen streitgegenständlichen Anordnungen entgegen seiner – nicht begründeten – Auffassung keine derartigen Dauerverwaltungsakte sind. Als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung wird ein Verwaltungsakt bezeichnet, dessen innere Wirksamkeit nach der getroffenen Regelung (z.B. Genehmigung, Gewerbeuntersagung usw.) über einen längeren Zeitraum andauert (Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 43, RdNr. 40). Demgegenüber handelt es sich bei den streitgegenständlichen Anordnungen, wie z.B. der Einrichtung eines Witterungsschutzes in der Winterzeit oder einer Tränkeeinrichtung, um einzelne Maßnahmen, die der Kläger umzusetzen hat, um tierschutzgerechte Zustände im Rahmen seiner Rinderhaltung herzustellen. Anders als etwa ein generelles Verbot der Rinderhaltung weisen diese Anordnungen keinen Regelungsgehalt dergestalt auf, dass sie so wirken, als ob sie immer und zu jedem Zeitpunkt neu erlassen würden und somit laufend das Verwaltungsrechtsverhältnis konkretisieren (vgl. BayVGH Urteil vom 12.1.2012, Az. 10 BV 10.2505 m.w.N). Sie dienen vielmehr dazu, im Sinn von § 16a Nr. 1 TierSchG festgestellte Verstöße zu beseitigen und künftige Verstöße zu verhindern.

b) Die einzelnen verlangten Maßnahmen sind erforderlich, um gemäß § 2 Nr. 1 TierSchG die Galloway-Rinder ihrer Art und ihren Bedürfnissen entsprechend angemessen verhaltensgerecht unterzubringen.

Die Bereitstellung eines künstlichen Witterungsschutzes in Form eines überdachten Unterstands mit trockener Liegefläche (vgl. Ziffer I Nr. 5) ist bei ganzjähriger Freilandhaltung in der Zeit von Dezember bis Februar erforderlich, weil die am Rand eines Teilbereichs des Grundstücks vorhandenen Laub- und Nadelbäume, die zudem weit von den Futterstellen entfernt liegen, sowie natürliche Senken oder Strohballen in der kalten Jahreszeit keinen ausreichenden Schutz gegen Wind und Niederschlag bieten und deshalb als natürlicher Witterungsschutz nicht ausreichen. Diese vom zuständigen Amtstierarzt des Landratsamts vertretene und vom Beklagten in dem streitgegenständlichen Bescheid zugrunde gelegte Auffassung wird von dem Gutachter Dr. S. unter Bezugnahme auf einschlägige Fachliteratur und Empfehlungen des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bestätigt. Die sachverständige Einschätzung des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit – Dr. S. - vom 4.2.2010 hatte das zuständige Gericht in einem wegen derselben Sache gegen den Kläger anhängigen Ordnungswidrigkeiten– bzw. Strafverfahren eingeholt. Dieses gerichtliche Gutachten ist vom erkennenden Senat verwertbar; es ist durch Beweisbeschluss vom 6. April 2010 in das erstinstanzliche Verfahren förmlich eingeführt worden. Soweit der Kläger demgegenüber jeglichen (weiteren) künstlichen Witterungsschutz und der von ihm beigezogene Sachverständige Prof. Dr. W. jedenfalls eine Überdachung für unnötig halten, folgt der Senat dem nicht. § 3 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere und anderer zur Erzeugung tierischer Produkte gehaltener Tiere bei ihrer Haltung - Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) - verlangt u.a., dass Haltungseinrichtungen so ausgestattet sein müssen, dass den Tieren, soweit für den Erhalt der Gesundheit erforderlich, ausreichend Schutz vor widrigen Witterungseinflüssen geboten wird. Hierzu hat der Sachverständige Dr. S. in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat erläutert, aus Gründen des Tierschutzes und der Erhaltung der Gesundheit der Tiere sei eine Überdachung erforderlich. Denn Galloway-Rinder vertrügen zwar auch sehr tiefe Temperaturen bei trockener Kälte. Im Prinzip aber unterscheide sich die Felldichte nicht wesentlich von der sonstiger Rinder. Die Tiere lägen artgemäß während größerer Teile des Tages am Boden. Mit Hilfe einer trockenen Liegefläche würden die Luftpolster zwischen den Haaren und der Körperoberfläche nicht beeinträchtigt, bei einer nassen Liegefläche dagegen werde das Luftpolster durch Feuchtigkeit und Morast ersetzt, weshalb sich die Kälteempfindung der Tiere steigere. Zudem blieben Schmutzkrusten im Fell hängen und beeinträchtigten die Isolationswirkung des Fells auch im Stehen. Auf eine derartige Situation könnten die Rinder nicht reagieren. Letztlich könne ein trockener Liegeplatz nur mit Hilfe einer Überdachung gewährleistet werden.

Im Übrigen bestätigt auch das vom Kläger selbst vorgelegte Sachverständigengutachten von Prof. Dr. W. (dort S. 2 und 4 f., Blatt 264, 265 f. des VGH-Akts) die Notwendigkeit eines trockenen Liegeplatzes, insbesondere für Kälber im Winter.

Wie der ebenfalls in der mündlichen Verhandlung anwesende zuständige Amtstierarzt Dr. H. ausgeführt hat, benötigt man für den Fall, dass ein Liegeplatz unter winterlichen Witterungsbedingungen trocken gehalten werden soll, eine Einstreu von etwa 3 kg Stroh pro Rind und Tag. Eine derartige Menge sei aus wirtschaftlichen Gründen kaum vertretbar, so dass letztlich die Errichtung einer Überdachung zur Herstellung einer trockenen Liegefläche unverzichtbar ist. Den beamteten Tierärzten ist bei der Frage, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG erfüllt sind, vom Gesetz eine vorrangige Beurteilungskompetenz eingeräumt (st. Rspr. des Senats, vgl. z.B. BayVGH vom 29.3.2004, Az. 25 CS 04.60, vom 30.1.2008, Az. 9 B 05.3146; 9 B 06.2992; vgl. auch Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 2. Aufl. 2007, RdNr. 10a zu § 15 TierSchG). Die Einschätzung des zugezogenen beamteten Tierarztes wird vom Gesetz in § 16a Satz 2 Nr. 2 TierSchG im Regelfall als maßgeblich angesehen. Als gesetzlich vorgesehene Sachverständige sind die Amtstierärzte für Aufgaben wie diese eigens bestellt (vgl. § 15 Abs. 2 TierSchG). In einem exakten Nachweisen nur begrenzt zugänglichen Bereich einzelfallbezogener Wertungen kommt ihrer fachlichen Beurteilung daher besonderes Gewicht zu. Die Einschätzung des Amtstierarztes und des Sachverständigen Dr. S. waren hinsichtlich der Notwendigkeit eines überdachten Unterstandes nachvollziehbar und uneingeschränkt überzeugend.

Die konkreten Verhältnisse auf der Weidefläche des Klägers machten die angefochtenen Anordnungen ebenfalls erforderlich. Der angeblich eingestreute ehemalige Anbindestall war als Witterungsschutz (vgl. Ziffer I Nr. 5, 6) zu klein für die Anzahl der tatsächlich vorhandenen Tiere; der erst im Jahr 2010 und mithin nach dem entscheidungsrelevanten Zeitpunkt geschaffene weitere Unterstand liegt bei der Hofstelle und ist damit nicht ausreichend zugänglich. Eine Tränkeeinrichtung (Ziffer I Nr. 7) in Futterplatznähe war zum Kontrollzeitpunkt nicht vorhanden. Ebenso wie das Verwaltungsgericht hält auch der erkennende Senat die diesbezügliche Einlassung des Klägers, eine Tränkeeinrichtung sei stets vorhanden gewesen, von den zuständigen Behördenmitarbeiterin jedoch schlicht übersehen worden, angesichts deren ausdrücklicher Frage nach einer solchen Einrichtung für unglaubhaft. Die Futterstellen (vgl. Ziffer I Nr. 8) waren, wie der Kläger selbst einräumt, nicht befestigt und deshalb morastig, obwohl die Tiere nach den sachverständigen Ausführungen nicht tiefer als mit dem Hornschuh einsinken dürfen, um u.a. nicht auszukühlen. Die bei den Akten befindlichen Fotos, aufgenommen zum Kontrollzeitpunkt am 26. Februar 2009, belegen überdies, dass Tiere ungewöhnlich verschmutzt und verkrustet waren. Schließlich fand sich bei der Kontrolle nicht nur ein verendetes Kalb, sondern auch eine kranke Kuh mit nicht gepflegten Klauen, was die Anordnung in Ziffer I Nrn. 9 und 10 erforderlich machte. Soweit der Kläger hier vorträgt, es komme eben vor, dass Tiere verendeten und das betroffene Kalb sei ein sog. „Kümmerer“ gewesen, weist das Gericht darauf hin, dass das Kalb nach den amtlichen Feststellungen bereits mehrere Tage auf der Weidefläche gelegen hatte, ohne dass entsprechende, erforderliche Maßnahmen ergriffen worden waren.

c) Der Bescheid ist im Weiteren auch nicht hinsichtlich seiner Ziffer I Nrn. 5, 8, 9 und 10 zu unbestimmt, vgl. Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Soweit der Kläger bemängelt, aus der Anordnung Nr. 5 gehe nicht hinreichend hervor, welche Fläche mit der Formulierung „ausreichend Platz“ gemeint sei, ist ihm entgegen zu halten, dass nach dem von ihm im erstinstanzlichen Verfahren selbst vorgelegten Heft des Deutschen Grünlandverbands e.V. (Schriftenreihe, Heft 2/2002, s. dort S. 23) von einem Platzbedarf für erwachsene Rinder je nach Behornung von zwischen 4 und 7 qm und von etwa 1 qm pro Kalb auszugehen ist. Hierbei handelt es sich um anerkannte Erfahrungswerte, die in der Landwirtschaft zugrunde gelegt werden, wobei der Platzbedarf auch von der Größe der Herde abhängig ist. Eine „großräumig befestigte Fläche“ gemäß der Anordnung I Nr. 8 bedeutet nicht nur die Fläche selbst, sondern auch deren Zugang zu befestigen, da die Tiere nicht weit einsinken dürfen. Die exakte Größe ist - wie in der mündlichen Verhandlung ebenfalls überzeugend dargelegt wurde - vom Tierhalter zu bestimmen und wiederum u.a. von der Anzahl der gehaltenen Tiere abhängig, die auf der Weidefläche des Klägers mit über 40 Tieren die offiziell gemeldete Anzahl von 17 bei weitem überstieg. Der Einwand, Ziff. I Nrn. 8 und 9 des streitgegenständlichen Bescheids ließen inhaltlich angesichts der Tatsache, dass der Kläger auch Pferde halte, nicht erkennen, welche Tierarten von den „Auflagen“ erfasst seien, führt ebenfalls nicht zum Erfolg der Berufung. Denn in dem gesamten Bescheid ist ausschließlich von Rindern die Rede, die ganzjährig im Freien gehalten werden. Schließlich sind auch die Vorgaben in Ziff. I Nr. 10 hinreichend konkret: Eine Klauenpflege ist im Grundsatz regelmäßig oder aber - im Einzelfall - bei Bedarf durchzuführen, der dann gegeben ist, wenn die Klauen ¼ ihrer natürlichen Länge übersteigen oder unnatürlich verformt sind.

d) Der Bescheid ist schließlich auch nicht aus dem Grund rechtsfehlerhaft, weil der Beklagte und mit ihm der gerichtlich bestellte Gutachter Dr. S. von falschen Tatsachen ausgegangen wären. Soweit der Kläger – weitestgehend pauschal und damit nicht substanziiert – bestreitet, die tatsächlichen Umstände hätten so vorgelegen wie behördlicherseits dargestellt, so steht zur Überzeugung des erkennenden Senats das Gegenteil fest. Dass die amtliche Schilderung insoweit zutreffend ist, ergibt sich zum einen aus den bei den Akten befindlichen Fotos, die bei der Kontrolle am 26. Februar 2009 aufgenommen wurden und den Verschmutzungsgrad der Tiere, der Weidefläche und des (kleinen) Unterstands zeigen. Demgegenüber ist die vom Kläger im Lauf des gerichtlichen Verfahrens vorgelegte Fotodiskette, die nicht näher datierte Fotos enthält, nicht entsprechend aussagekräftig, weil es – wie oben ausgeführt – hinsichtlich der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids auf den Zeitpunkt der Behördenentscheidung ankommt. Aus demselben Grund ist auch das vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegte Gutachten des Prof. Dr. W. nicht geeignet, die behördlichen Feststellungen zu entkräften, da es auf einen deutlich späteren Zeitpunkt bezogen ist und zumindest zum Teil – etwa was den im Jahr 2010 errichteten Unterstand betrifft – von anderen Zuständen ausgeht, als sie zur Zeit des behördlichen Einschreitens geherrscht haben. Sollten sich die tatsächlichen Umstände mittlerweile maßgeblich geändert haben (was die Vertreter des Beklagten indes in der mündlichen Verhandlung bestritten haben), wäre dies im Rahmen des Vollzugs und gegebenenfalls des weiteren Aufrechterhaltens des Bescheids zu beachten, stellt aber dessen ursprüngliche Rechtmäßigkeit nicht in Frage.

Dass die dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten behördlichen Feststellungen zutreffen, geht zum anderen aus dem Protokoll der Sitzung des Amtsgerichts P. vom 5. Oktober 2010 hervor, bei der im Rahmen des erwähnten Ordnungswidrigkeitenverfahrens gegen den Kläger fünf Zeugen vernommen wurden. Diese haben im Wesentlichen die amtliche Einschätzung, nicht jedoch den diesbezüglichen klägerischen Vortrag bestätigt. Die Richtigkeit der behördlichen Darstellung wurde im Übrigen durch die Aussage des zuständigen Amtstierarztes und des Sachverständigen Dr. S. in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat nochmals bestätigt.

e) Das behördliche Vorgehen beruht auch nicht – wie der Kläger geltend macht – auf Animositäten der zuständigen Behördenvertreter. Vielmehr ergibt sich bereits anhand der Akten (Vermerk vom 6.3.2009, Bl. 63 der Akten des Landratsamts) eindeutig, dass Anlass der behördlichen Kontrolle am 26. Februar 2009 eine Überprüfung der Bestandsdaten der Rinderhaltung des Klägers war, die Ungereimtheiten ergeben hatte. So lagen seit 2006 keine Geburtenmeldungen mehr vor, die Herde sollte nur noch aus 17 Tieren bestehen (tatsächlich wurden 45 Tiere gezählt) und zwei Rinder waren nicht abgemeldet worden, obwohl sie bereits am 30. Dezember 2008 bei der Tierkörperbeseitigungsanstalt abgeliefert worden waren und das Ergebnis der BSE-Untersuchung vorlag. Hieraus ergibt sich keinerlei Anhaltspunkt für eventuelle Animositäten, ebenso wenig wie aus dem durchwegs sachlichen Vortrag des Amtstierarztes und des Sachverständigen Dr. S. im Rahmen der mündlichen Verhandlung.

3. Gründe für die behauptete Nichtigkeit der erfolgten Zwangsgeldandrohung sind weder dargelegt noch ersichtlich. Für eine Zuwiderhandlung gegen jede einzelne der streitgegenständlichen Anordnungen wurde ein Zwangsgeld von 250 Euro festgesetzt; dies ist angesichts des Schweregrads einer evtl. Nichterfüllung der Anordnungen nicht unverhältnismäßig. Ebenfalls nicht unverhältnismäßig ist das Verlangen der „unverzüglichen“ Erfüllung der Auflagen. Unverzüglich bedeutet ohne schuldhaftes Zögern, wobei der Beruf des Klägers als Polizeihauptmeister ihn nicht von seinen Pflichten als Tierhalter entbindet. Schließlich sind auch die Bescheidskosten mit 150 Euro nicht überhöht.

4. Gänzlich neben der Sache liegt der Vortrag des Klägers, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts, ferner seien besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten gegeben, die Rechtssache weise grundsätzliche Bedeutung auf, das Urteil weiche von einer Entscheidung der Obergerichte ab und beruhe auf schwerwiegenden Verfahrensmängeln. Hierbei handelt es sich um Berufungszulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO, die als solche im Rahmen eines Berufungsverfahrens rechtlich unbeachtlich sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 10 ZPO; die Nichtzulassung der Revision beruht auf § 132 Abs. 2 VwGO.

Beschluss

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.000 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 2 GKG).