Bayerischer VGH, Urteil vom 25.09.2012 - 11 B 10.2427
Fundstelle
openJur 2012, 128787
  • Rkr:
Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Umschreibung seiner tschechischen EU-Fahrerlaubnis der Klasse B in eine deutsche Fahrerlaubnis.

Ihm wurde im Jahr 1994 strafgerichtlich seine deutsche Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperrfrist bis zum 26. September 1995 angeordnet. Am 23. Oktober 2007 erwarb er in der Tschechischen Republik eine Fahrerlaubnis der Klasse B. Diese weist einen Wohnsitz in Tschechien aus. Gleiches gilt für das zentrale Fahrerlaubnisregister in Tschechien.

Nachdem die Fahrerlaubnisbehörde durch eine Mitteilung des Gemeinsamen Zentrums der deutsch-tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit erfahren hatte, dass sich der Kläger an der angegebenen Meldeadresse lediglich an einem Tag, nämlich am 11. Oktober 2007, aufgehalten habe, wies sie ihn darauf hin, dass sein tschechischer EU-Führerschein inlandsungültig sei. Sie forderte den Kläger zur Vorlage des Führerscheins zur Eintragung eines Sperrvermerks auf. Dem kam der Kläger nach, der Sperrvermerk wurde eingetragen.

Am 29. September 2008 beantragte der Kläger die Umschreibung seiner tschechischen EU-Fahrerlaubnis in eine deutsche Fahrerlaubnis. Die Fahrerlaubnisbehörde forderte ihn daraufhin zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens auf. Dieses wurde nicht vorgelegt.

Mit Bescheid vom 4. November 2008 lehnte die Fahrerlaubnisbehörde den Antrag auf Umschreibung ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Regierung von Mittelfranken mit Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2009 zurück.

Hiergegen erhob der Bevollmächtigte des Klägers Verpflichtungsklage, die mit Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 5. Oktober 2009 abgewiesen wurde.

Mit Beschluss vom 27. September 2010 ließ der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Berufung zu. Mit Beschluss vom 2. Dezember 2011 entschied der Verwaltungsgerichtshof, dass Beweis zu erheben sei über die Daten des tatsächlichen Aufenthalts des Klägers unter der im Führerschein angegebenen Adresse durch Einholung einer über das Gemeinsame Zentrum der deutsch-tschechischen Polizei- und Zollzusammenarbeit einzuholenden Auskunft der tschechischen Polizei.

Mit Schreiben vom 21. Dezember 2011 teilte die tschechische Polizei über das Gemeinsame Zentrum u.a. mit, dass es sich bei der im Führerschein angegebenen Adresse um ein Hotel handele. Es sei Einsicht in die Hausbücher genommen worden. Danach könne ein Aufenthalt des Klägers nur im Zeitraum vom 11. Oktober 2007 bis 12. Oktober 2007 bestätigt werden. Dass sich der Kläger noch zu einem anderen Zeitraum in dem Hotel aufgehalten habe, habe aus den Hausbüchern nicht festgestellt werden können.

Mit Schreiben vom 3. Januar 2012 an das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof gebeten, eine Stellungnahme des Ministeriums für Verkehr der Tschechischen Republik zu der Frage einzuholen, ob vor dem Hintergrund der Ermittlungen der tschechischen Polizei davon ausgegangen werden könne, dass der Kläger bei Erteilung seiner tschechischen EU-Fahrerlaubnis seinen Wohnsitz tatsächlich nicht in der Tschechischen Republik gehabt habe. Eine Antwort des Ministeriums für Verkehr der Tschechischen Republik liegt bis heute nicht vor.

Mit Schreiben vom 3. August 2012 forderte der Senat unter Hinweis auf § 87b Abs. 3 VwGO den Kläger auf, binnen eines Monats ab der Zustellung des Schreibens an seinen Bevollmächtigten weitere Angaben zu seinem behaupteten Aufenthalt in der Tschechischen Republik zu machen. Auf den Inhalt des Schreibens wird im einzelnen Bezug genommen.

Hierauf erwiderte der Bevollmächtigte des Klägers, der Kläger werde der Aufforderung nicht nachkommen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sei es den deutschen Verwaltungsgerichten verwehrt, eigene Ermittlungen im Ausstellermitgliedstaat anzustellen, die den gegenseitigen Anerkennungsgrundsatz in Frage stellen könnten.

Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt,

unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Verwaltungsgerichts Ansbach und der entgegenstehenden Verwaltungsentscheidungen den Beklagten zu verpflichten, die Umschreibung des tschechischen Führerscheins des Klägers vorzunehmen.

Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, aus den Angaben im Führerschein selbst sei kein Verstoß gegen das sog. Wohnsitzprinzip ersichtlich. Auch lägen keine unbestreitbaren Informationen aus dem Ausstellermitgliedstaat dahingehend vor, dass der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt seinen Wohnsitz tatsächlich nicht im Ausstellermitgliedstaat gehabt habe.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt er zusammengefasst vor, aus vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen ergebe sich, dass der Kläger im Zeitpunkt der Ausstellung seines Führerscheins seinen Wohnsitz nicht in der Tschechischen Republik gehabt habe. Dass der Kläger zur weiteren Mitwirkungshandlung nicht bereit sei, müsse zu seinen Lasten gewertet werden.

Die Beteiligten haben auf weitere mündliche Verhandlung verzichtet.

Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Umschreibung seiner tschechischen Fahrerlaubnis in eine deutsche Fahrerlaubnis.

1. Eine Umschreibung nach § 30 FeV setzt u.a. voraus, dass die umzuschreibende ausländische EU-Fahrerlaubnis des Klägers inlandsgültig ist (Dauer in Hentschel/ König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl. 2011, § 30 FeV, RdNr. 4). Das ist nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV u.a. dann nicht der Fall, wenn der Inhaber der Fahrerlaubnis ausweislich des Führerscheins selbst oder vom Ausstellermitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Informationen zum Zeitpunkt der Erteilung seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hatte. Dies wird nach § 7 Abs. 1 Satz 2 FeV dann angenommen, wenn der Inhaber der Fahrerlaubnis wegen persönlicher oder beruflicher Bindungen oder – bei fehlenden beruflichen Bindungen – wegen persönlicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen ihm und dem Wohnort erkennen lassen, gewöhnlich, d.h. während mindestens 185 Tagen im Jahr, im Inland wohnt.

Zwar wird im Führerschein des Klägers ein Wohnsitz in der Tschechischen Republik ausgewiesen. Jedoch hat der Europäische Gerichtshof in seinen bislang ergangenen führerscheinrechtlichen Entscheidungen nicht festgestellt, dass es Unionsrecht gebietet, dass durch die Eintragung eines im Gebiet des Ausstellermitgliedstaats liegenden Ortes im Führerschein die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des Art. 9 der Richtlinie 91/439/EWG positiv und in einer Weise bewiesen wird, die die Behörden und Gerichte anderer Mitgliedstaaten der Union als nicht zu hinterfragende Tatsache hinzunehmen haben. In seinem Urteil vom 26. April 2012 (Hofmann, C-419/10) hat der Gerichtshof sogar die Verpflichtung der Gerichte des Aufnahmemitgliedstaats herausgestellt, zu prüfen, ob der Inhaber einer im EU-Ausland erteilten Fahrerlaubnis zur Zeit des Erwerbs seines Führerscheins seinen ordentlichen Wohnsitz im Ausstellermitgliedstaat hatte. Sollte das nicht der Fall gewesen sein, wären die deutschen Behörden befugt, die Anerkennung der Gültigkeit dieses Führerscheins abzulehnen.

Der Umstand, dass in dem von einem anderen EU-Mitgliedstaat ausgestellten Führerschein ein im Hoheitsgebiet dieses Landes liegender Ort eingetragen ist, macht eine solche Prüfung nicht entbehrlich. Damit der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von durch EU-Mitgliedstaaten erteilten Fahrerlaubnissen (Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG) durchbrochen werden darf, müssen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs allerdings entweder Angaben aus dem zugehörigen Führerschein oder andere vom Ausstellermitgliedstaat herrührende Informationen vorliegen. Bereits im Beschluss vom 9. Juli 2009 (Wierer, C-445/08, NJW 2010, 217/219, RdNr. 58) hat der Europäische Gerichtshof ausgesprochen, dass der Aufnahmemitgliedstaat in diesem Zusammenhang nicht auf jene Informationen beschränkt ist, die der Ausstellermitgliedstaat in den Führerschein aufnimmt oder sonst von sich aus zur Verfügung stellt; die Behörden und Gerichte des Aufnahmemitgliedstaats sind vielmehr berechtigt, von sich aus Informationen von einem anderen Mitgliedstaat einzuholen (ebenso EuGH vom 1.3.2012, Akyüz, C-467/10, RdNr. 72). Da die Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach Art. 15 Satz 1 der Richtlinie 2006/126/EG (und nach Art. 12 Abs. 3 der Richtlinie 91/439/EWG) verpflichtet sind, einander bei der Durchführung dieser Richtlinien zu unterstützen, und sie im Bedarfsfall Informationen über die von ihnen ausgestellten, umgetauschten, ersetzten, erneuerten oder entzogenen bzw. registrierten Führerscheine auszutauschen haben, korrespondiert mit dem Recht des Aufnahmemitgliedstaates, sich bei den Behörden des Ausstellermitgliedstaates über das tatsächliche Bestehen eines ordentlichen Wohnsitzes des Inhabers einer EU-Fahrerlaubnis im Erteilungszeitpunkt zu erkundigen, eine Verpflichtung dieses Staates, einschlägige Informationen zur Verfügung zu stellen.

Mit Beschluss vom 3. Mai 2012 (11 CS 11.2795) hat der Senat in diesem Zusammenhang folgendes ausgeführt:

"Bei der Beurteilung, ob der Inhaber einer im EU-Ausland erworbenen Fahrerlaubnis im Zeitpunkt der Erteilung dieser Berechtigung seinen ordentlichen Wohnsitz im Ausstellermitgliedstaat hatte, sind die Gerichte des Aufnahmemitgliedstaates allerdings nicht schlechthin auf die Informationen beschränkt, die sich dem verfahrensgegenständlichen Führerschein entnehmen lassen oder die sie - ggf. auf Nachfrage hin - sonst vom Ausstellermitgliedstaat erhalten. Vielmehr hat diese Prüfung "unter Berücksichtigung aller Umstände des Rechtsstreits, mit dem es [d.h. das vorlegende Gericht] befasst ist", zu erfolgen (EuGH vom 26.4.2012, a.a.O., RdNr. 90). Näheren Aufschluss über das Verhältnis zwischen den Informationen, die sich unmittelbar aus dem Führerschein ergeben oder sonst vom Ausstellermitgliedstaat stammen, und den Umständen, die dem nationalen Gericht in dem vor ihm anhängigen Verfahren zusätzlich bekannt geworden sind, erlaubt Satz 1 der Randnummer 75 des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 1. März 2012 (a.a.O.), auf die in der Randnummer 90 der Entscheidung vom 26. April 2012 (a.a.O.) ausdrücklich Bezug genommen wurde. Danach bilden die vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden Informationen gleichsam den "Rahmen", innerhalb dessen die Gerichte des Aufnahmemitgliedstaates alle Umstände eines vor ihnen anhängigen Verfahrens berücksichtigen dürfen.

In Wahrnehmung ihrer Befugnis und ihrer Verpflichtung, die vom Ausstellermitgliedstaat stammenden Informationen erforderlichenfalls daraufhin zu bewerten und zu beurteilen, ob sie "unbestreitbar" sind und ob sie belegen, dass der Inhaber des streitgegenständlichen Führerscheins im Zeitpunkt der Erteilung der diesem Dokument zugrunde liegenden Fahrerlaubnis seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im Hoheitsgebiet des Ausstellermitgliedstaates hatte (vgl. zu dieser doppelten Prüfungspflicht der nationalen Gerichte EuGH vom 1.3.2012, a.a.O., RdNr. 74), kann insbesondere der etwaige Umstand berücksichtigt werden, dass die vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden Informationen darauf "hinweisen", dass sich der Inhaber dieses Führerscheins im Gebiet des Ausstellermitgliedstaates nur für ganz kurze Zeit aufgehalten und dort einen rein fiktiven Wohnsitz allein zu dem Zweck errichtet hat, der Anwendung der strengeren Bedingungen für die Ausstellung eines Führerscheins im Mitgliedstaat seines tatsächlichen Wohnsitzes zu entgehen (EuGH vom 1.3.2012, a.a.O., RdNr. 75, Satz 2). Hervorzuheben ist an dieser Aussage namentlich, dass sich der Europäische Gerichtshof hinsichtlich der Frage, welcher Beweiswert den vom Ausstellermitgliedstaat stammenden Informationen für das Nichtbestehen eines ordentlichen Wohnsitzes im Zeitpunkt der Fahrerlaubniserteilung zukommen muss, damit begnügt, dass sich aus ihnen die bloße Möglichkeit einer solchen Sachverhaltsgestaltung ergibt, ohne dass durch sie die Begründung eines reinen Scheinwohnsitzes bereits abschließend erwiesen worden sein muss. Dass es der Europäische Gerichtshof ausreichen lässt, wenn den vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden Informationen lediglich "Indizcharakter" für die Nichterfüllung des Wohnsitzerfordernisses (Art. 7 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/126/EG; Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 91/439/EWG) zukommt, bestätigen z.B. die Fassungen des Satzes 2 der Randnummer 75 des Urteils vom 1. März 2012 (a.a.O.) in allen romanischen Sprachen: Dem deutschen Prädikat "hinweisen" entsprechen dort die Verben "indiquent" (fr.), "indichino" (it.), "indiquem" (port.), "indic" (rum.) bzw. "indiquen" (span.). Auch in der englischen Fassung des Satzes 2 der Randnummer 75 des Urteils vom 1. März 2012 (a.a.O.) kommt zum Ausdruck, dass sich der Europäische Gerichtshof damit begnügt, dass die vom Ausstellerstaat stammenden Informationen eine Missachtung des unionsrechtlichen Wohnsitzerfordernisses als möglich erscheinen lassen ("In particular, it [sc.: the referring court] can take into account the possibility that information from the issuing Member State may show that the holder of the driving licence was present in the territory of that State only for a very brief period …").

Da die Gerichte der deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit in einem Hauptsacheverfahren (vorbehaltlich sich aus dem jeweils einschlägigen Fachrecht ergebender Besonderheiten) eine Rechtsfolge nur dann aussprechen dürfen, wenn die Voraussetzungen der Rechtsnorm, aus der sich diese Rechtsfolge ergibt, zur Überzeugung des Gerichts feststehen, kann die Funktion der "Umstände des … anhängigen Verfahrens", die nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 1. März 2012 (a.a.O., RdNr. 75; ähnlich EuGH vom 26.4.2012, a.a.O., RdNr. 90) bei der Entscheidung über die Inlandsgültigkeit einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis mitzuberücksichtigen sind, nur darin bestehen, dass sie ergänzend zu den vom Ausstellermitgliedstaat stammenden Informationen hinzutreten, um etwaige Lücken hinsichtlich der Beweiskraft dieser Erkenntnisse zu schließen.

Diese Grundsätze sind auch auf den hier zu entscheidenden Fall übertragbar. Nach Einschätzung des Senats steht trotz der fehlenden Antwort des Ministeriums für Verkehr der Tschechischen Republik aufgrund vom Ausstellermitgliedstaat herrührender, unbestreitbarer Informationen unter ergänzender Heranziehung von aktenkundigen Tatsachen und fehlendem Vortrag des Klägers fest, dass der Kläger im Zeitpunkt der Erteilung seiner ausländischen EU-Fahrerlaubnis seinen Wohnsitz im Sinne des Fahrerlaubnisrechts nicht in der Tschechischen Republik hatte. Denn die tschechische Polizei, mithin ein staatliches Organ des Ausstellermitgliedstaats, hat als Ergebnis eigener Ermittlungen mitgeteilt, dass es sich bei der im Führerschein angegebenen Adresse um ein Hotel handelt und sich aus den Hausbüchern ausschließlich ein Aufenthalt des Kläger vom 11. Oktober 2007 bis einschließlich 12. Oktober 2007 dort ergibt. Für das Bestehen eines fahrerlaubnisrechtlich relevanten Wohnsitzes im Sinn von § 7 FeV und Art. 9 der Richtlinie 91/439/ EWG kommt es nicht auf die melderechtlichen, sondern auf die tatsächlichen Verhältnisse an. Vor diesem Hintergrund ist die Eintragung im tschechischen Führerscheinregister nicht geeignet, die Richtigkeit der Auskunft der tschechischen Polizei in Frage zu stellen. Es ist auch unschädlich, dass das Ermittlungsergebnis der tschechischen Polizei durch einen deutschen Mitarbeiter des Gemeinsamen Zentrums übermittelt wurde (EuGH vom 1.3.2012, Akyüz, C-467/10, RdNr. 71). Damit liegt es auf der Hand, dass der Kläger im Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis jedenfalls nicht unter der im Führerschein bzw. im Führerscheinregister angegebenen Adresse im fahrerlaubnisrechtlichen Sinne „gewohnt“, sondern sich dort nur für eine Übernachtung aufgehalten hat. Nachdem der Kläger bislang auch nicht vorgetragen hat, dass die im Führerschein bzw. Führerscheinregister angegebene Adresse falsch sei und er sich zum maßgeblichen Zeitpunkt im zeitlich erforderlichen Umfang tatsächlich unter einer anderen Adresse in der Tschechischen Republik aufgehalten hat und sich aus der Akte der deutschen Fahrerlaubnisbehörde ergibt, dass der Kläger seit seiner Geburt mit seinem Hauptwohnsitz ununterbrochen in Deutschland gemeldet ist, geht der Senat davon aus, dass die von der tschechischen Polizei übermittelten Informationen beweisen, dass im Zeitpunkt der Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis die sog. Wohnsitzvoraussetzung nicht eingehalten wurde.

2. Eine weitere Aufklärung der Umstände des Aufenthalts des Klägers in der Tschechischen Republik war nicht möglich. Zwar ist es grundsätzlich nicht auszuschließen, dass der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt tatsächlich doch in der Tschechischen Republik gewohnt hat, allerdings unter einer anderen Adresse als der im Führerschein angegebenen. Hiervon geht der Senat jedoch nicht aus. Die Bildung der richterlichen Überzeugung nach § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO setzt eine ausreichende Erforschung des Sachverhalts nach § 86 Abs. 1 VwGO voraus. Das bedeutet, dass das Gericht alle vernünftiger Weise zu Gebote stehenden Möglichkeiten einer Aufklärung des für seine Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts ausschöpft, die geeignet sein können, die für die Entscheidung erforderliche Überzeugung des Gerichts zu begründen. Das Gericht ist verpflichtet, jede mögliche Aufklärung des Sachverhalts bis an die Grenze der Zumutbarkeit zu versuchen, sofern dies für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 86 VwGO RdNr. 5 m.w.N.).

Das Gericht hat durch die Befassung der obersten zuständigen Stelle der Tschechischen Republik für das Führerscheinwesen versucht, über die bislang vorliegenden Informationen aus dem Ausstellermitgliedstaat hinaus weitere Informationen zum Aufenthalt des Klägers in der Tschechischen Republik bzw. zur Beachtung des Wohnsitzerfordernisses bei Ausstellung seines tschechischen Führerscheins zu erlangen. Nachdem das Tschechische Ministerium für Verkehr aber offenbar nicht gewillt ist, die Anfrage des Gerichts zu beantworten, scheidet eine weitere Sachverhaltsaufklärung in dieser Beziehung aus.

Im Übrigen findet die gerichtliche Aufklärungsverpflichtung ihre Grenze in der Mitwirkungspflicht der Beteiligten. Bei anwaltlich vertretenen Klägern ist die Mitwirkungspflicht grundsätzlich ausgeprägter als bei nicht anwaltlich Vertretenen (Arntz, DVBl 2008, 82). Grundsätzlich hat jeder Prozessbeteiligte den Prozessstoff umfassend vorzutragen, also auch bei der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken; das gilt insbesondere für die „in seine Sphäre fallenden Ereignisse“ (Kopp/Schenke, a.a.O., RdNr. 11 m.w.N.). Das Gericht hat den Kläger aufgefordert, zu den weiteren Umständen seines angeblichen Aufenthalts in der Tschechischen Republik vorzutragen, insbesondere anzugeben, ob er sich an einem anderen Ort als dem im Führerschein angegebenen in der Tschechischen Republik aufgehalten hat. Dieser Aufforderung ist der Kläger nicht nachgekommen, obwohl ihm dies ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen wäre.

Entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten sind die Beteiligten aus den oben dargelegten Gründen verpflichtet, Angaben zu machen, die es dem Gericht ermöglichen, Informationen aus dem Ausstellermitgliedstaat im Zusammenhang mit der Einhaltung der Wohnsitzvoraussetzung zu erlangen und diese unter Berücksichtigung der von den Beteiligten dazu gemachten Angaben zu bewerten. Das Gericht ist, wenn und soweit ein Beteiligter es unterlässt, zur Klärung der ihn betreffenden, insbesondere der für ihn günstigen, Tatsachen beizutragen, nicht gehalten, insoweit von sich aus allen denkbaren Möglichkeiten nachzugehen, wie die Tatsachen sich verhalten könnten, zumal wenn sich – wie hier – aus den Akten keine weiteren Anhaltspunkte ergeben (Kopp/Schenke, a.a.O., RdNr. 12 m.w.N.).

3. Die Berufung ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe im Sinne von § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Abschnitt 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327).