AG Coburg, Urteil vom 19.09.2012 - 14 C 581/12
Fundstelle
openJur 2012, 128781
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 125,30 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit 12.11.2011 zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 125,69 € festgesetzt.

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.

Gründe

I.

Die Klage ist zulässig und größtenteils auch begründet.

1.

Aufgrund des Verkehrsunfalls vom 05.10.2011, für den die Beklagte dem Grunde nach vollständig eintrittspflichtig ist, steht dem Kläger gegen die Beklagte über den vorgerichtlich gezahlten Betrag in Höhe von 200,66 € hinaus ein Anspruch auf Ersatz weiterer Mietwagenkosten in Höhe von 125,30 € gem. §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG, 249 ff. BGB zu. Die vom Kläger geltend gemachten Mietwagenkosten sind in Höhe von insgesamt 325,96 € erstattungsfähig.

Zwar hat die Beklagte zunächst mit Nichtwissen bestritten, dass sich der Kläger gegenüber dem Autohaus W. verpflichtet hat, für die Dauer der dortigen Reparatur seines Fahrzeugs 75,04 € netto zuzüglich Kosten für die Haftungsbefreiung und Mehrwertsteuer bzw. insgesamt 326,35 € brutto zu bezahlen. Weil das Fahrzeug des Klägers auch im Autohaus W. repariert worden sei, komme durchaus in Betracht, dass dem Kläger ein kostenfreies Werkstattersatzfahrzeug zur Verfügung gestellt bzw. keine Entgeltlichkeit bezüglich der Zurverfügungstellung des Fahrzeugs vereinbart worden sei. Es fehle dann mangels eines Mietzinsanspruchs der Firma Autohaus W. gegenüber dem Kläger an einem Schaden bei diesem, den die Beklagte erstatten müsste. Der Kläger hat darauf erwidert, dass er sich gegenüber der Autovermietung verpflichtet habe, ein Fahrzeug zu mieten und zu bezahlen, tatsächlich sogar zu höheren Preisen als von der Beklagten angenommen und von der Autovermietung im Ergebnis abgerechnet. Die Autovermietung sei im Nachhinein aufgrund der Drei-Tage-Nutzung dem Kläger entgegengekommen und habe die Preise verringert. Eigentlich habe der Kläger mit der Autovermietung einen Tagestarif von 89,30 € sowie eine Haftungsbegrenzung in Höhe von 21,55 € täglich vereinbart. Es sei zunächst nur eine Miete für einen Tag vereinbart worden, diese sei sodann jedoch verlängert worden, als klar gewesen sei, dass das Fahrzeug des Klägers leider doch länger als einen Tag ausfallen würde. Die Beklagte hat auf diesen substantiierten Vortrag des Klägers nichts erwidert. Das anfängliche Bestreiten mit Nichtwissen ist deshalb nach Ansicht des Gerichts unbeachtlich, zumal der Kläger einen entsprechenden Mietvertrag vom 11.10.2011 vorgelegt hat.

Die aus einem Verkehrsunfall resultierenden Kosten gehören regelmäßig zu den Kosten der Schadensbehebung im Sinne des § 249 BGB. Allerdings beschränkt § 249 Abs. 2 S. 1 BGB den Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten auf den objektiv erforderlichen Herstellungsaufwand. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH kann der Geschädigte deshalb vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und erforderlich halten darf (Palandt, BGB-Kommentar, § 249 Rn. 33).

Der Geschädigte hat dabei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen des ihm Zumutbaren stets den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Dies bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich und zeitlich relevanten Markt zugänglichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs innerhalb eines gewissen Rahmens grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis ersetzt verlangen kann (BGH NJW 2006, 2620; BGH NJW 2008, 1519; BGH NJW 2009, 58; BGH NJW 2011, 1947 f.).

Darüber hinausgehende, mithin nicht erforderliche Mietwagenkosten kann der Geschädigte nur ersetzt verlangen, wenn er darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem zeitlich und örtlich relevanten Markt kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war. Insoweit ist der Geschädigte gehalten, sich vor der Anmietung nach dem Mietpreis und nach günstigeren Angeboten zu erkundigen (Palandt, BGB-Kommentar, § 249 Rn. 34; BGH NJW 2009, 59).

Im vorliegenden Fall hat der Kläger nicht vorgetragen, alternative Angebote anderer Mietwagenfirmen eingeholt zu haben. Der Kläger hat somit nicht entsprechend den Anforderungen der Rechtsprechung des BGH an einen verständigen und wirtschaftlich denkenden Menschen dargelegt und erforderlichenfalls unter Beweis gestellt, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten kein wesentlich günstigerer Tarif zur Verfügung stand.

Somit darf nach der Rechtsprechung des BGH der Tatrichter bei der Beurteilung der Erforderlichkeit der Mietwagenkosten in Ausübung des ihm zustehenden Ermessens gem. § 287 ZPO den Normaltarif grundsätzlich auf der Grundlage von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Anwendung finden können, ermitteln (Palandt, BGB-Kommentar, § 249 Rn. 33; BGH NJW 2008, 1520; BGH NJW 2009, 59; BGH NJW-RR 2010, 2151; BGH NJW-RR 2011, 823; BGH NJW-RR 2011, 1109). Davon ausgehend erfolgt im vorliegenden Fall eine Ermittlung des Normaltarifs auf der Grundlage des arithmetischen Mittels des Schwacke-Mietpreisspiegels im Postleitzahlengebiet des Klägers als Geschädigten. Darüber hinaus kommt es auf die Frage der Erstattungsfähigkeit unfallbedingter Sonderleistungen nicht an, da ein entsprechender Aufschlag auf den Normaltarif klägerseits nicht geltend gemacht wurde.

Das erkennende Gericht hält den Schwacke-Mietpreisspiegel nach wie vor für eine geeignete Schätzgrundlage. Zwar werden gegen die Zuverlässigkeit dieser Liste immer wieder Bedenken geäußert, die seitens der Beklagten auch umfassend vorgetragen wurden. Dies insbesondere insoweit, als die befragten Autovermieter von dem Anlass der Befragung wussten und sich deshalb der Tatsache bewusst waren, dass ihre Angaben in die Schwacke-Liste eingehen. Nach Ansicht des Gerichts begegnet die Fraunhofer-Liste allerdings weit größeren Bedenken. Zwar liegt dieser wohl eine realistischere Methode der Preiserhebung zugrunde, da die betreffenden Daten im Rahmen einer realen Anmietsituation ermittelt wurden. In die Befragung wurden aber im Wesentlichen nur große Autovermieter mit einbezogen, während die Vielzahl lokaler Autovermieter vernachlässigt wurde. Dies ist unter anderem daran erkennbar, dass die Fraunhofer-Liste nur einen zweistelligen Postleitzahlenbereich berücksichtigt. Im Gegensatz dazu unterscheidet die Schwacke-Liste im dreistelligen Postleitzahlenbereich, wodurch den lokalen Verhältnissen verstärkt Rechnung getragen wird. In Anbetracht ihrer detaillierten und vielfältigen Preisangaben hält das erkennende Gericht die Schwacke-Liste für die besser geeignete Schätzgrundlage. Es hat deshalb von der Einholung eines Sachverständigengutachtens abgesehen, zumal die Beklagte lediglich allgemeine Bedenken gegen die Eignung des Schwacke-Mietpreisspiegels geäußert hat.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass das Fahrzeug des Klägers in die Mietwagenklasse 5 einzuordnen ist. Die Beklagte behauptet, dass der Kläger ein Fahrzeug der Gruppe 6 angemietet habe. Es müsse daher zunächst festgestellt werden, welche Kosten im Falle der Anmietung eines Fahrzeugs der Gruppe 5 bei der Firma Autohaus W. angefallen wären. Der Kläger habe hierzu entsprechend vorzutragen und Beweis anzubieten. Bis dahin sei die Klage mangels Nachweises der Erforderlichkeit des geltend gemachten Betrages abweisungsreif, es könne insbesondere keine fiktive Berechnung auf Basis der Schwacke- oder Fraunhofer-Liste erfolgen. Der Kläger hat darauf erwidert, dass das Ersatzfahrzeug ebenfalls in die Mietwagenklasse 5 einzuordnen sei. Außerdem habe der Kläger mit der Autovermietung vereinbart, dass ein klassengleiches Fahrzeug angemietet werde und gerade keine Kosten für höhere Fahrzeugklassen abgerechnet werden. Es sei sodann von der Autovermietung auch ausschließlich nach Mietwagenklasse 5 abgerechnet worden. Dieser Vortrag ist seitens der Beklagten nicht ausdrücklich bestritten worden und ist dementsprechend gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen. Das Gericht geht deshalb davon aus, dass unabhängig von der Einordnung des Ersatzfahrzeugs jedenfalls nur die für einen Mietwagen der Klasse 5 zu zahlenden Kosten abgerechnet worden sind.

Ausgehend vom arithmetischen Mittel der Schwacke-Liste 2011 im Postleitzahlengebiet 448 des Klägers als Geschädigten ergibt sich für die Fahrzeugklasse 5 eine Drei-Tages-Pauschale in Höhe von 299,62 €.

Da der Kläger kein klassenniedrigeres Fahrzeug angemietet hat, sind auf den ermittelten Betrag – unabhängig von der zurückgelegten Fahrtstrecke – im Wege der Vorteilsausgleichung ersparte Eigenaufwendungen in Höhe von 3 % anzurechnen (Palandt BGB-Kommentar, § 249 Rn. 36). Insoweit folgt das Gericht nicht der Ansicht der Beklagten, wonach ein Abzug in Höhe von 5 % vorzunehmen sei. Vielmehr erachtet das Gericht in Ausübung seines Ermessens gem. § 287 ZPO einen Abzug in Höhe von 3 % als angemessen und auch ausreichend. Von dem ermittelten Mietpreis ist somit ein Betrag in Höhe von 8,99 € abzuziehen.

Schließlich kann der Kläger von der Beklagten auch Ersatz der Kosten für die Reduzierung der Selbstbeteiligung auf 150,00 € verlangen. Denn der Kläger hat als Geschädigter ein legitimes Interesse daran, seine Eigenbeteiligung für selbstverschuldete Schäden am Mietfahrzeug möglichst gering zu halten. Anders als bei der Nutzung des eigenen Fahrzeugs obliegt dem Kläger als Mieter nämlich nicht die Entscheidung darüber, ob geringfügige selbstverschuldete Beschädigungen an dem Fahrzeug vollständig repariert werden oder nicht (LG Bremen, Urteil vom 23.02.2012, Az. 7 S 262/11). Zwar ist die Kaskoversicherung mit einem Selbstbehalt bis zu 500,00 € im Schwacke-Mietpreisspiegel 2011 bereits in die Endpreise einbezogen. Die Kosten für eine Haftungsbefreiung sind deshalb grundsätzlich nicht mehr zusätzlich zu den angegebenen Pauschalen zu berücksichtigen. Es ist jedoch möglich, die Selbstbeteiligung weiter zu reduzieren, wobei die betreffenden Kosten nunmehr in der Nebenkostentabelle der Schwacke-Liste dargestellt sind (Schwacke-Liste, Automietpreisspiegel 2011, S. 3). Die angegebenen Kosten sind nach Ansicht des Gerichts allerdings überhöht. Wie sich aus einem entsprechenden Vergleich ergibt, sind die Kosten für die Reduzierung der Selbstbeteiligung nach der Schwacke-Liste 2011 höher als die der Schwacke-Liste 2010 zu entnehmenden Kosten für die ursprünglich nicht in die Endpreise einbezogene Kaskoversicherung. Dies erscheint dem Gericht nicht sachgerecht. Mangels anderer Anhaltspunkte schätzt das Gericht deshalb in Ausübung seines Ermessens gem. § 287 ZPO die Kosten für eine Herabsetzung des Selbstbehalts auf 50 % der in der Nebenkostentabelle der Schwacke-Liste 2011 angegebenen Preise (vgl. auch OLG Celle, Urteil vom 29.02.2012, Az. 14 U 49/11). Ausgehend vom arithmetischen Mittel ergibt sich daraus für die Fahrzeugklasse 5 ein Tagespreis in Höhe von 11,78 €, folglich für die Dauer von drei Tagen ein Gesamtbetrag in Höhe von 35,33 €.

Insgesamt sind die geltend gemachten Mietwagenkosten nach dem Schwacke-Mietpreisspiegel 2011 somit in folgender Höhe erstattungsfähig:

- Anmietpreis für ein Fahrzeug der Klasse 5 für 3 Tage299,62 €- abzüglich 3 % ersparte Eigenaufwendungen– 8,99 €- Reduzierung der Selbstbeteiligung für 3 Tage 35,33 €Summe 325,96 €Unter Berücksichtigung der bereits geleisteten Zahlung in Höhe von 200,66 € steht dem Kläger gegen die Beklagte somit ein Anspruch auf Zahlung restlicher Mietwagenkosten in Höhe von 125,30 € zu.

2.

Soweit die geltend gemachte Hauptforderung begründet ist, hat der Kläger gegen die Beklagte auch einen Anspruch auf Verzugszinsen gem. §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 08.11.2011 eine weitergehende Regulierung abgelehnt. Sie hat die Erstattung weiterer Mietwagenkosten somit ernsthaft und endgültig verweigert und befindet sich deshalb gem. § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB in Verzug.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Zuvielforderung des Klägers war verhältnismäßig geringfügig und hat keine höheren Kosten veranlasst.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.